Liebe Leser,
bei „Black Heart“ handelt es sich um eine Spin Of Story, die dem Setting der „Wolf Breed“ Serie aus Band 7 entsprungen ist.
„Black Heart“ ist eine in sich abgeschlossene Geschichte und kann als Einzelband gelesen werden.
Warnung an Einhörner und Glitzer-Prinzessinnen!!!
„Black Heart“ ist eine Dark Romance, die explizite Sprache und Szenen enthält!
Einhörner werdet ihr hier nicht finden, dafür den Blick in eine Welt, die mit moralischen Grenzen und Fantasien spielt, diese großzügig ausdehnt und auch überschreitet … Thriller, BDSM, dunkle und fatalistische Anziehung, Dirty Talk und hier und da auch kriminelle Energie …
Wenn bereits diese Offenbarung euer Einhorn in die Flucht schlägt und die Romantikader zu Eis gefrieren lässt, dann bitte lest diese Geschichte nicht … ihr erspart euch enttäuschte Lesestunden und mir unzufriedene Rezensionen ...
Für alle anderen gilt:
Ich starre die Frau mit den brünetten Haaren an. Summer Evans steht keine drei Meter von mir entfernt.
Neben mir auf dem Boden liegt ihr Ehemann Jason Evans. Ich habe ihn erschossen, und die weißen Küchenfliesen sind rot von seinem Blut.
Summer starrt ihren Ehemann an, dann mich. Ihre Augen sind weit geöffnet … grüne Augen … vor Angst erstarrt. Sie trägt einen dunkelblauen Bleistiftrock und dazu eine passende Kostümjacke über einer Bluse. Summer ist barfuß – ein Detail, das nicht zu dem Rest ihres Outfits passt. Wahrscheinlich hat sie ihre Pumps ausgezogen, wie immer, nachdem sie zur Haustür hereinkam. Hätte sie es nicht getan, dann wäre ich durch das Geräusch ihrer Absätze gewarnt worden. Shit happens! Sie kommt gerade von der Arbeit – und darin liegt der Fehler. Ich habe das Haus die letzten drei Wochen observiert; Summer Evans kommt nie vor Acht Uhr abends nach Hause … und wir haben es jetzt genau Zehn Minuten nach Sieben ...
Niemand von uns sagt etwas … wir starren uns nur an; in meiner Hand fühle ich das Gewicht der Walther PPK, mit der ich ihren Mann erschossen habe. Ein Schuss direkt ins Herz – er hat es kaum mitbekommen, genauso wenig wie die Nachbarn. Neben einem Schalldämpfer benutze ich geräuscharme Subsonic Munition. Ich bin ein Profi und überlasse nichts dem Zufall … und ich lasse niemals Zeugen zurück … Shit happens, die Zweite ...
Entschlossen richte ich die Waffe auf Summer. Ich muss sie umbringen, bevor sie anfängt, zu schreien. Aber Summer schreit nicht … sie ist erstarrt vor Angst … geradezu paralysiert. Ihre Hand tastet nach dem Rand der Anrichte, als wolle sie sich daran festklammern.
Schieß … bring es hinter dich …, sagt die kalte Stimme in mir, die mich zuverlässig durch jeden Job bringt. Aber mein Finger am Abzug ist steif.
„Bitte ...“, sagt Summer, und ich sehe, wie sich ihre Brust hebt und senkt. Sie hat Todesangst. Ich muss das hier beenden – schon, um ihr qualvolle Minuten zu ersparen.
„Ich werde nichts sagen ...“ Ihre Stimme ist leise, aber sie zittert nicht.
„Du weißt, dass das nicht stimmt ...“ Warum spreche ich mit ihr? Das ist fast so, als würde man einer Kuh einen Namen geben, bevor man sie dann zum Schlachter bringt.
Summer schüttelt den Kopf; ihr langes Haar fällt ihr ins Gesicht. Sie muss es zu einer Hochsteckfrisur getragen haben, bevor sie ins Haus kam. Ich sehe es vor meinem inneren Auge: Summer schließt die Haustür auf, schlüpft aus den Pumps und löst im Gehen die Hochsteckfrisur, bevor sie in die Küche kommt, um ihren Mann zu begrüßen …
aber da liegt Jason Evans schon mit weit geöffneten Augen zwischen Kühlschrank und Küchenblock.
Ich habe keine Ahnung, womit er meinem Auftraggeber auf die Füße getreten ist … ich stelle keine Fragen, ich erledige nur die Jobs. Nur frage ich mich, warum diese Idioten gleich immer ihre Familien mit hineinziehen müssen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Summer nichts von den Geschäften ihres Mannes wusste, wie immer diese auch ausgesehen haben mögen. Aber das ändert nichts daran, dass sie eine Zeugin ist, die mein Gesicht kennt und jetzt auch noch meine Stimme … und dass ich schon viel zu lange mit ihr in der Küche stehe und das Unvermeidliche hinauszögere.
„Bitte … ich tue, was immer du verlangst ...“
„Was immer ich verlange?“, frage ich lauernd und verdränge das merkwürdige Gefühl, das ihre Worte in mir auslösen.
„Ja …“, sagt sie ängstlich.
Langsam lasse ich den Arm mit der Walther sinken. Ich bin von mir selbst so überrascht, dass ich fast den Fehler begehe, die Handschuhe auszuziehen und Summer zu berühren … die Grenzen ihres Versprechens auszutesten; ich nehme an, sie würde vor Angst sterben …
„Wenn du etwas sagst, bist du tot!“, stelle ich klar und bedenke sie mit dem kältesten Blick, mit dem ich je einen Menschen angesehen habe.
Dann drehe ich mich um und verschwinde durch die aufgehebelte Terrassentür in der Dunkelheit ...
2 Monate später …
Summer
Ich zucke zusammen, als Linda ihre Kaffeetasse neben mir auf dem Schreibtisch abstellt.
„Woah … ganz ruhig, Brauner ...“, sagt sie, als sie meinen panischen Gesichtsausdruck bemerkt.
„Tut mir leid … es ist nur … nach Jasons Tod ...“
Innerhalb einer Sekunde wird ihr Blick mitfühlend. „Bist du sicher, dass du schon wieder arbeiten willst? Vielleicht solltest du dir lieber eine Auszeit gönnen und einen langen Urlaub machen.“
Ich schüttele den Kopf. „Nein … ich fühle mich besser, wenn ich beschäftigt bin. Außerdem läuft der Hausverkauf, und ich möchte alles so schnell wie möglich hinter mich bringen.“
Linda setzt sich neben mich auf den freien Bürostuhl. „Willst du wirklich nicht die Nummer von Dr. Weller haben? Sie hat mir damals sehr geholfen, als Frank mich verlassen hat.“
„Danke … ich komme schon klar.“
„Das habe ich damals auch gedacht, aber ...“
„Linda …“, unterbreche ich sie. „Frank hat dich wegen einem anderen Mann verlassen. Jason wurde erschossen … in unserer Küche … und der Mörder ist noch irgendwo da draußen.“
„Ok, wie du meinst. Es war nur eine Frage ...“ Ich kann sehen, dass Linde verletzt ist, und sofort tut es mir leid, sie so schroff angegangen zu sein. Sie meint es gut, aber das Letzte, was ich brauche, ist ein Psychiater, der die Wahrheit aus mir herausquetscht. Ich werde nichts sagen … Bis heute verstehe ich nicht, warum ich mich diesem Versprechen so verpflichtet fühle. Weil der Killer mich nicht umgebracht hat? Oder weil Jason ein Mistkerl war, der mich betrogen hat und unsere Ehe eine Lüge? Weil Jason nicht der freundliche Mann mit den tadellosen Manieren war, den er allen außer mir vorgespielt hat - sondern ein skrupelloser Anlagemanager, der sich auf Kosten seiner Kunden bereichert?
An dieser Stelle finde ich mich regelmäßig in einer Sackgasse wieder. Es gab genau genommen keinen wirklichen Grund, mein Versprechen einzuhalten. Ich hätte der Polizei sagen können, dass ich den Mörder gesehen habe. Bestimmt hätte ich Polizeischutz bekommen oder wäre in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden. Die ersten Tage habe ich auch wirklich darüber nachgedacht, der Polizei die Wahrheit zu sagen … aber ich habe zu lange gewartet. Mittlerweile wäre es schwer, glaubhaft zu erklären, warum ich nichts gesagt habe, ohne selbst in den Fokus der Verdächtigungen zu rücken. Also schweige ich … und die Angst, der Killer könnte zurückkommen, sitzt mir im Nacken.
Auch, wenn ich keine Ahnung habe, in welche Art Geschäfte Jason verwickelt war – er hat nie mit mir über solche Dinge gesprochen -, bin ich mir sicher, dass er bei einem dieser Geschäfte die falschen Leute verärgert hat.
Es gibt keinen Tag, an dem ich mir nicht vorwerfe, in dieser Ehe ausgeharrt zu haben. Letztes Jahr war ich bei einem Scheidungsanwalt, aber ich habe nicht den Mut zur letzten Konsequenz aufgebracht. Vielleicht war ich zu bequem. Vielleicht habe ich auch geahnt, dass Jason eine Scheidung niemals akzeptieren würde. Sie hätte seinen Ruf beschädigt … ich habe mich tadellos in seinen Lebenslauf eingefügt. Hätte ich allerdings damit gerechnet, dass ich mal seinem Mörder von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehe ...
Ich verdränge die Bilder jenes schrecklichen Abends, die in meinem Kopf aufpoppen, und fahre das Grafikprogramm an meinem Laptop herunter.
„Tut mir leid, Linda … im Moment fühlt es sich für mich einfach besser an, die Dinge auf sich beruhen zu lassen. Vielleicht komme ich später einmal auf dein Angebot zurück …“
„Schon ok ...“, sagt sie und lächelt versöhnlich. „Ich gehe jetzt nach Hause und nehme ein Entspannungsbad. Das solltest du auch mal versuchen.“
„Das ist eine gute Idee ...“, stimme ich ihr zu und sehe Linda nach, wie sie den Kollegen zuwinkt und das Büro gut gelaunt verlässt. Könnte ich das doch auch tun ...
Ich seufze und räume meinen Arbeitsplatz auf, bevor ich nach Hause gehe. Die Kollegen verabschieden sich nach und nach – ich warte immer, bis sie fort sind. Eigentlich wäre es sinnvoller, mit ihnen zusammen zum Parkplatz zu gehen, aber ich will nicht ausgefragt werden … zu dieser Nacht … zu Jason. Vielleicht wäre es besser gewesen, erst einmal Home Office zu machen, aber ich fühle mich in dem Haus nicht mehr wohl.
Mein Verstand sagt mir immer deutlicher, ich hätte der Polizei sagen müssen, dass ich mit dem Killer in meiner eigenen Küche gesprochen habe – ich hätte ihnen eine Beschreibung des Täters abliefern müssen. Aber ich habe es nicht getan, und damit muss ich jetzt klarkommen. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich den Killer jedes Mal vor mir. Groß … fast einsneunzig, breitschultrig, mit dunklen Haaren und kalten grauen Augen. Das angespannte Kinn, die gerade fast gemeißelt wirkende Nase, die hohen Wangenknochen – ein attraktiver Mann mit harten Gesichtszügen. Ich werde dieses Gesicht nie vergessen können...
Widerwillig schaue auf mein Handy. Es ist halb Acht … ich muss nach Hause gehen. Mittlerweile fällt es auf, dass ich jeden Tag als Letzte meinen Arbeitsplatz verlasse und die Gesellschaft der Kollegen meide. Ich bekomme langsam den Stempel der Außenseiterin aufgedrückt. Zwar war ich schon früher keine Partybombe, aber derart in mich zurückgezogen bin ich erst seit Jasons Tod. Alle glauben, dass ich um Jason trauere, in Wahrheit habe ich eine Scheißangst und kann mich damit niemandem anvertrauen.
Ich habe gehofft, die kreative Umgebung der Werbeagentur würde mir guttun und mich ablenken, aber ich fühle mich gestresst … und wenn ich nach Hause komme, ist die Angst wieder da … in dem zu großen Haus, das ich nun alleine bewohne. Ich hoffe, der Makler findet endlich jemanden, der es kaufen will. Linda hat recht - ich muss endlich zur Ruhe kommen und werde der Idee mit dem Entspannungsbad eine Chance geben ...
Während ich zu meinem Auto gehe, sehe ich mich immer wieder nervös um. Es ist bereits dunkel und mein Auto ist das Letzte auf dem Parkplatz. Wie so oft habe ich das Gefühl, beobachtet zu werden, während ich den Parkplatz überquere. Wenn du etwas sagst, bist du tot! Die Worte des Killers klingen in meinen Ohren, als würde er hinter mir stehen und mich an mein Versprechen erinnern ...
Mit zitternden Fingern suche ich den Autoschlüssel in meiner Handtasche und betätige die Türautomatik, als ich ihn endlich gefunden habe.
Als ich vom Parkplatz fahre, fasse ich den Entschluss, das Geld aus dem Hausverkauf zu nutzen, um so weit weg wie möglich zu ziehen. Ich werde meinen Job kündigen und einfach verschwinden. Wenn ich hierbleibe, habe ich für den Rest meines Lebens das Gefühl, der Killer ist noch in meiner Nähe. Ich bin sicher, dass die Polizei ihn niemals finden wird. Er ist ein Profi, und ich werde ihn nicht verraten …
Tyler
Vom Dach des Gebäudes sehe ich zu, wie Summers Auto den Parkplatz verlässt. Wie jeden Abend ist sie die Letzte, wie jeden Abend sieht sie sich nervös um … als wüsste sie, dass ich da bin … dass ich sie beobachte, seit dem Abend, an dem ich ihren Mann erschossen habe. Sie nicht zu töten, war ein Fehler – das habe ich schon gewusst, als ich ihr Haus verlassen hatte. Das Erste, was Summer tun würde, wäre der Polizei eine detaillierte Personenbeschreibung von mir zu geben. Danach würde ein Phantombild von mir veröffentlicht werden und meine Karriere wäre vorbei. Ich würde das Land verlassen müssen und untertauchen … alles nur, weil ich mich unprofessionell verhalten und eine Zeugin zurückgelassen habe.
Aber entgegen meiner festen Überzeugung hat Summer nichts gesagt. Es gab keine Personenbeschreibung, kein Phantombild … keine Fahndung. Stattdessen wurde in den Medien berichtet, dass Jason Evans ermordet worden war und vom Täter jede Spur fehlte. Das war alles. Zuerst hatte ich es für eine Taktik der Polizei gehalten, aber nach zwei Wochen war klar, dass sie tatsächlich keine Spur hatten.
Das war der Zeitpunkt, ab dem ich mich ernsthaft für Summer zu interessieren begann. Zuerst war es vor allem Neugierde, die ohne, dass ich es wahrnahm, außer Kontrolle geriet. Ich musste ich feststellen, dass ich nicht mehr damit aufhören konnte, Summer zu beobachten. Mir war immer klar, dass ich meinen Beruf nicht aus einer Laune heraus gewählt habe. Mein Verlangen nach Kontrolle ist über ein normales Maß ausgeprägt, meine emotionale Kälte hat es mir schwer gemacht, Beziehungen aufzubauen und leicht, Menschen zu töten.
Du bist nicht ganz richtig da oben …, hat mal eine Frau zu mir gesagt. Wir hatten angefangen, uns zu treffen. Vielleicht hatten wir uns zwei- oder dreimal gesehen und einmal gefickt. Für mich war die Sache damit in Stein gemeißelt, aber sie hatte sich scheinbar noch nicht entschieden. Sie fing an, mit einem anderen Typen auszugehen. Das war für mich Grund genug, dem Typen den Arm zu brechen und ihr eine Waffe an den Kopf zu halten.
Ich wollte den beiden eigentlich nur klarmachen, dass ich mich nicht verarschen lasse … der Abend endete mit dem oben genannten Satz und damit, dass sie den Typen ins Krankenhaus fuhr. Es gab nie eine Anzeige gegen mich … beide waren klug genug, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Seitdem habe ich mich von allen Frauen ferngehalten, die mehr als oberflächliches sexuelles Verlangen in mir hätten auslösen können … und bin trotzdem in eine Sache hineingeraten, über die ich die Kontrolle verloren habe. Ich sehe Summer zu, wenn sie schläft … und mein Schwanz ist hart! Ich habe Kameras in ihrem Haus installiert und schalte von Zimmer zu Zimmer, um sie zu beobachten … Ich bin besessen von Summer und habe sogar darüber nachgedacht, Betäubungsmittel in ihr Essen zu mischen und nachts in ihr Haus einzusteigen, um sie zu ficken, während sie schläft … wenn es nur meine inneren Dämonen zum Schweigen bringt. Aber mir ist klar, dass das nicht ausreichen würde. Meine Obsession für diese Frau geht tiefer. Ich will sie nicht einfach ficken … ich will sie in einen Käfig sperren und mich an ihr erfreuen ...
„Du bist ein krankes Arschloch, Tyler Hayden ...“, sage ich zu mir selbst, und mache mich daran, zu meinem SUV zu gehen, der eine Straße weiter parkt.
Während ich wie jeden Abend zu Summers Haus fahre, wird mir klar, wie sinnlos mein Verlangen nach ihr ist. Selbst, wenn es möglich wäre, meinen Job mit so etwas wie einer halbwegs normalen Beziehung zu vereinbaren und eine Frau zu finden, der meine abgrundtiefen Bedürfnisse nach Kontrolle akzeptiert – ganz sicher wäre es nicht Summer Evans! Was immer sie auch für mich empfinden könnte - es wären Gefühle, die nicht als Grundlage für eine gesunde Beziehung taugen.
Ich parke den SUV eine Straße von Summers Haus entfernt, hole das Laptop hervor und verbinde mich mit den Kameras. Ich muss eine Lösung für mein Problem finden. Die letzten Auftraggeber habe ich mit der Begründung vertröstet, dass ich zwei Monate Urlaub mache … und der erste Monat ist fast um. Bald werden sie misstrauisch, und ein Killer, der nicht mehr vertrauenswürdig ist, lebt in der Regel nicht lange. Ich muss mich von meiner Fokussierung auf Summer lösen!
In meinem Achselholster fühle ich die Walther PPK … sie ist meine einzige verlässliche Beziehung. Sobald Summer tot ist, wird auch meine Obzession für sie sterben. Aber was, wenn nicht?! Es ist eine unsichere Stimme, die da aus mir spricht - nicht die kalte und berechnende des Killers. Seit dem Tag, an dem meine Eltern gestorben sind, habe ich sie nicht mehr gehört. Seit ich das Blut meiner Mutter auf die Straße spritzen sah und meinen Vater schreien hörte … es sah aus, als wäre eine reife Tomate geplatzt, als der LKW meine Mutter erfasst hat. Ich war acht Jahre alt, und ab diesem Tag war ich erwachsen … im Gegensatz zu meinem Vater, der sich nicht mehr um mich kümmern wollte und in die Obhut seiner Schwester gab. Ab diesem Tag war niemand mehr in der Lage, zu mir durchzudringen – auch nicht meine Tante, die wirklich versuchte, mich mit Liebe und Verständnis aufzuziehen. Sogar die ständig wechselnden Psychologen, die sich um mich bemühten, gaben irgendwann auf. Ich habe um meine Gefühle an dem Tag eine Mauer gezogen, als ich meine Mutter sterben sah. Damit bin ich gut durch das Leben gekommen, und bis heute konnte nichts und niemand diese Mauer auch nur ankratzen. Aber aus irgendeinem Grund hat die Mauer einen Riss bekommen. Ich weiß längst - Summer zu töten ist keine Option ...
Summer
Ich prüfe das Wasser in der Badewanne – es ist warm und duftet nach Sandelholz. Seit Linda mir dazu geraten hat, nehme ich fast jeden Abend ein Bad. Es lässt mich besser schlafen, zusammen mit zwei oder drei Gläsern Wein. Seit ihr mir dieses Ritual gönne, ist es besser geworden – auch wenn ich noch immer nachts aufwache und das Gesicht des Killers vor mir sehe.
Müde schlüpfe ich aus meinen Sachen und steige in die Wanne. Das Weinglas ist leer, ich habe vergessen, die Flasche mit ins Bad zu nehmen. Mist! Wenn das so weitergeht, werde ich noch Alkoholikerin. Ich fühle mich leicht benommen. Wahrscheinlich sind es die Blicke der Kollegen und die Tatsache, dass der Makler noch immer keinen Interessenten für das Haus gefunden hat, die mich auslaugen. Ich möchte endlich alles hinter mir lassen ... die Ehe mit Jason und den Abend in der Küche ...
Ein Geräusch reißt mich aus meinen Gedanken, und ich lausche ich in die Stille. Doch alles, was ich höre, ist das Knistern des Badeschaums auf meiner Haut und das Tropfen des Wasserhahns. Du wirst langsam paranoid …
Meine Lider werden schwer, und meine Hände gleiten ins Wasser. Plötzlich bin ich furchtbar müde. Mein gesamter Körper fühlt sich an, als wäre er aus Blei. Langsam rutsche ich tiefer in die Wanne, bis meine Nase und mein Mund unter Wasser sind. Die aufkommende Panik wird von bleierner Müdigkeit gedämpft.
Mit Willenskraft schaffe ich es, den Wannenrand zu packen und mich aus dem Wasser zu ziehen, nur um sofort wieder abzurutschen.
„Hilfe ...“, will ich rufen, aber mein Schrei wird vom Wasser erstickt. Das ist das Ende ...
Dann werde ich plötzlich von Händen gepackt, die mich aus dem Wasser ziehen. Panisch reiße ich die Augen auf und sehe in das Gesicht des Killers – kalte, graue Augen starren mich an. Ich weiß, dass ich schreien sollte, aber ich kann nicht. Mein Verstand ist wie hinter einer Nebelwand. „Bist du gekommen, um mich umzubringen?“, ist das Einzige, was ich herausbekomme.
Er antwortet nicht – stattdessen trägt der Killer mich ins Schlafzimmer und legt mich auf das Bett. Oh Gott, das hier kann doch nur ein Albtraum sein ...
„Wirst du mich töten?“
„Nein ...“
„Warum bist du dann hier?“
„Wegen dir ...“
Der Nebel, der meinen Verstand umgibt, ist so stark, dass mir erst jetzt klar wird, dass es sich nicht um normale Müdigkeit handeln kann. Ich sehe den Killer an. Er trägt Handschuhe und ist dunkel gekleidet – schwarze Hose, schwarzer Pullover. Er muss das hier geplant haben! Er hat mich betäubt … der Wein ... Das bedeutet, dass er schon im Haus war, als ich nach Hause gekommen bin … Oh, mein Gott!
Er beugt sich über mich, ich kann sein Aftershave riechen – spröde und erdig … es passt zu ihm. Sein Gesicht ist nah vor meinem, und er starrt mich an, genau wie an dem Abend in der Küche, als er Jason getötet hat. So gut aussehend … und so grausam. Plötzlich wandert sein Blick über meinen Körper, und mir fällt ein, dass ich nackt bin. Er lässt sich Zeit mit der Begutachtung, und ich beginne vor Angst zu zittern.
„Du hast nicht genug von dem Wein getrunken ...“
„Wirst du mich vergewaltigen?“, frage ich und finde die Vorstellung fast noch schlimmer, als dass er mich tötet.
Anstatt mir zu antworten, dreht er mir den Rücken zu. Sein Pullover spannt über seinen breiten Schultern. Er muss viel Zeit im Fitnessstudio verbringen. Ich frage mich, ob man als Killer besonders fit sein muss ...
„Ich habe niemandem etwas gesagt ...“ Vielleicht
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Alexa Kim al-kim@web.de
Cover: Alexa Kim "A&K Buchcover" akbuchcover.de
Tag der Veröffentlichung: 25.11.2018
ISBN: 978-3-7438-8743-5
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