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M.S. Kelts

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M.S. Kelts

2020

 

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Coverdesign: Irene Repp

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Text: M.S. Kelts

 

Klappentext: M.S. Kelts

 

Korrektur und Lektorat: Susanne Scholze

 

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten sind rein zufällig.

Im wahren Leben: Bitte safer Sex!

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und andere Verwendung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Kapitel 1

1.

 

Mike

 

Im Fernsehen läuft eine amerikanische Talkshow, aber ich weiß nicht mal worüber diskutiert wird. Vielmehr nimmt mich die Umgebung und Jamie an sich gefangen, weil ich weiß wie wertvoll das hier ist und wie leicht man so etwas scheinbar Gewohntes verlieren kann.

Es ist kurz nach elf Uhr nachts. Der Hochsommer hat uns voll im Griff. Die Terrassentür steht weit offen und lässt den Geruch von gemähtem Gras und das leise Zirpen der Grillen herein. Seit ein paar Tagen sind wir wieder von Los Angeles zurück im Allgäu. Auch wenn sich Jamie hin und wieder noch sträubt es zuzugehen, weiß ich inzwischen, dass mein, beziehungsweise unser Haus hier mehr Heimat für ihn bedeutet als die USA. Eine Tatsache, die uns noch enger zusammengeschweißt hat, als das letzte katastrophale Jahr es je geschafft hätte.

Ich sollte mir abgewöhnen ständig über die schlimme und anstrengende Zeit nachzudenken, das ist mir klar, aber leider kann ich das noch immer nicht ablegen.

Fakt ist jedoch, dass heute im Grunde alles wieder gut ist. Unser Leben, unsere Beziehung ist teilweise neu, ein wenig anders, aber stabiler als je zuvor und eben nicht mehr so selbstverständlich.

Aber genau so ist es richtig. Vorbei ist die Zeit, in der wir wichtige Dinge vor lauter Angst, es könnte in einem Streit eskalieren, nicht mehr ansprechen. Sowohl ich als auch Jamie haben es uns zur Gewohnheit gemacht einmal in der Woche eine Art Kriegsrat zu halten. Auch wenn aus dem Gespräch meistens etwas völlig anderes wird, wir versuchen es zumindest.

Heute jedoch gibt es nichts mehr zu besprechen. Eigentlich hatten wir vor noch ins Burning Sky zu gehen, aber der Jetlag hat uns voll im Griff. Und, um ehrlich zu sein: diese stillen, ruhigen Momente, in denen wir beide nur uns brauchen, genieße ich wie ein Süchtiger seine Droge. Dass das offensichtlich für uns beide gilt, zeigt mir deutlich, dass wir haargenau wissen, was beinahe auf der Strecke geblieben wäre.

Da ich den Fernseher ohnehin anstarre, ohne den Sinn dessen zu erfassen, was gesagt wird, wende ich meinen Blick ab und sehe auf Jamie hinab, der dicht an mich gekuschelt auf meiner Brust liegt und dem Geschehen im Fernseher folgt. Ich betrachte seine verwuschelten Haare, beuge mich hinunter und vergrabe meine Nase darin. Sein unverkennbarer Duft flutet meine Sinne und ich fühle mich zu Hause, zu Hause und geliebt. Als Reaktion auf meinen Kuss dreht Jamie den Kopf und drückt seine Lippen auf meine Brust. Ich spüre den Kuss, obwohl sich eine Lage Stoff zwischen seinen Lippen und meiner Haut befindet. Lächelnd betrachte ich ihn weiter und genieße das Gefühl der absoluten Zufriedenheit und Ruhe in mir.

Eigentlich sagt man ja, dass nach so einer Ruhe oft ein Sturm aufzieht, aber irgendwie glaube ich, dass wir unseren Orkan längst hinter uns haben. Im Grunde haben wir schon sehr viele Stürme gemeinsam überstanden und es wäre wirklich an der Zeit, dass wir jetzt einfach unser Leben leben dürfen. Was ich aber nicht mit Langeweile gleichsetze, da wir wieder an diversen Plänen arbeiten.

Diese Veränderungen haben zwar sehr wohl mit Umbruch zu tun, allerdings nicht in negativem Sinn. Das Leben geht weiter, wir verändern uns, wachsen, mögen Dinge, die wir vorher nicht mochten und Dinge, die uns vorher wichtig waren, verlieren an Bedeutung. Ausschlaggebend ist, dass wir die Menschen, denen wir Bedeutung zumessen, unsere vollste Aufmerksamkeit schenken.

„Worüber grübelst du gerade nach?“, nuschelt Jamie und zwickt mich liebevoll unterhalb meiner Rippen in die Seite.

Verwirrt runzle ich die Stirn. „Ähm. Kannst du jetzt auch Gedanken lesen?“

Jamie lacht leise und kuschelt sich tatsächlich noch enger an mich. Er drückt seinen Kopf unter mein Kinn, mit dem rechten Arm umarmt er mich und sein rechtes Bein rutscht zwischen meine Beine. „Nicht wirklich, Babe. Aber immer, wenn du das tust, fängst du an, mit dem linken Fuß zu wippen.“

Überrascht schaue ich hinab und finde Jamies Worte bestätigt. Abrupt beende ich die Bewegung und schüttle den Kopf, da mir das nie aufgefallen ist. „Du kennst mich einfach zu gut.“

Jamie seufzt, rollt mit den Schultern und richtet sich so weit auf, dass er mir ins Gesicht sehen kann. „Das mag stimmen. Aber soll ich dir was sagen? Es ist ein verdammt gutes Gefühl dich so gut kennen zu dürfen.“

Ich umfasse mit der linken Hand sein Gesicht, streiche mit dem Daumen über seine Lippen, was er sofort ausnutzt und meinen Daumen küsst. Obwohl die schlimme Zeit Monate zurückliegt, bin ich immer noch völlig hin und weg von diesem unfassbar sanften, liebevollen Blick, den er mir endlich wieder schenkt.

Obwohl es für mich immer klar war, dass ich ihm beistehen und um unsere Liebe kämpfen würde, weiß ich, dass er es mir hoch anrechnet, ihn nicht abserviert zu haben. Ich will nicht von Dankbarkeit sprechen, weil Dankbarkeit irgendwie Abhängigkeit assoziiert und ich finde, die hat in einer Beziehung absolut nichts zu suchen. Aber Jamie sieht es nicht als selbstverständlich an, obwohl ihm die Werte einer Ehe genau so viel bedeuten wie mir. Wie gesagt, er spricht nie aus, dass er mir dankbar ist. Mit dem Thema sind wir durch, haben es besprochen und beide unsere Standpunkte klargemacht. Wenn er mich jedoch so ansieht wie jetzt, so voller Zuneigung und absolutem Vertrauen, weiß ich, dass er Momente wie diesen hier genauso schätzt, wie ich es tue.

„Das kann ich dir absolut zurückgeben, mein Schatz.“

Jamie nickt, robbt ein Stück nach oben und küsst mich vorsichtig. Sofort regt sich rechts neben ihm etwas. Handful rappelt sich aus ihrer Schlafposition hoch, setzt sich aufrecht hin und beobachtet sehr genau, was wir tun. Schmunzelnd sehen wir beide in ihre Richtung. Ihr skeptischer Hundeblick bringt uns jedes Mal wieder zum Lachen, weil sie, obwohl sie auch auf mich sehr gut hört und mich manchmal sogar als Chefmensch akzeptiert, es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, Jamie mit ihrem kleinen Leben zu beschützen. Leider missversteht sie dabei manchmal unsere Nähe und vor allem wenn wir miteinander schlafen wollen, müssen wir sie aussperren.  

„Schon gut, Little. Schlaf weiter. Unser Herrchen frisst mich dieses Mal auch nicht“, flüstert Jamie leise, streckt seine linke Hand nach ihr aus und streicht ihr über den Kopf. Die Aktion entlockt mir ein leises Keuchen, weil er sich natürlich voll auf mich fallen lässt. Ich nutze die Gelegenheit, umarme ihn und ziehe ihn noch dichter an mich. Während ich meine Lippen auf die rechte Seite seines Halses drücke, seufzt Jamie leise und erwidert meine Umarmung, soweit es ihm in dieser ungünstigen Stellung möglich ist. 

Nach kurzer Zeit löst er sich wieder von mir und setzt sich zu meinem Bedauern aufrecht hin. Er greift nach der Fernbedienung auf dem Couchtisch, schaltet den Fernseher aus und wendet sich mir dann wieder zu.

„Und worüber hast du jetzt nachgedacht?“, will er wissen, schmunzelt und streicht mit seiner rechten Hand über meinen Bauch, was meine Aufmerksamkeit von seiner Frage ablenkt, weil er seine Hand ziemlich nah an meinem Hosenbund liegen lässt. Ich weiß, es steckt keine sexuelle Absicht dahinter, zumindest im Moment nicht, aber trotzdem kann ich seinen Berührungen einfach nicht widerstehen. Das wird sich wahrscheinlich nie ändern.

„Hallo?“

Ich lache auf, greife nach seiner Hand und halte sie einfach fest. „Über nichts Bestimmtes, einfach nur, dass es uns gut geht, dass ich glücklich bin und dass ich dich liebe.“

Jamie schmunzelt und nickt zu jedem meiner Sätze. „Geht mir auch so, Babe. Ich war eigentlich immer glücklich mit dir, aber irgendwie hat es jetzt eine andere Qualität. Verstehst du, was ich meine?“

Ich nicke und drücke seine Hand fest. „Oh ja, ich weiß sehr gut was du meinst, Jamie. Mir geht es genauso. Als ob wir… endgültig angekommen sind.“

„Ja, genau“, erwidert Jamie eifrig und lächelt breit. „War es okay für dich, dass ich heute nicht ins Burning Sky wollte?“

Ich seufze, richte mich ebenfalls auf und lege meine Hände auf seine Hüften. „Absolut. Wir haben viel zu selten die Gelegenheit einfach mal allein zu sein. Also alles gut.“ 

Jamie nickt, zieht seine Unterlippe zwischen die Zähne und kaut darauf herum, während er geflissentlich unsere ineinander verschlungenen Hände betrachtet.

Jetzt muss ich lachen. „Und worüber grübelst du jetzt nach?“

„Wie…?“  Jamie hört auf, an seiner Lippe zu knabbern, lacht auf, und zuckt mit den Schultern. „So hat wohl jeder von uns einen Tick, oder?“ 

Ich nicke ebenfalls und erwidere seinen Blick. „Absolut. Und ich finde es ziemlich sexy, wenn du das tust, aber ich hab immer ein bisschen Angst um deine Lippe und möchte sie am liebsten küssen und vor Schaden bewahren…“

Jamie beendet meinen Satz indem er sich kurzerhand auf meinen Schoß setzt und genau das tut, was ich gerade gesagt hab. Sein Kuss ist forsch, aber dennoch liebevoll. Meine Hände gleiten auf seine Oberschenkel, weiter auf seinen Hintern und schließlich unter sein T-Shirt. Als ich seine warme, weiche Haut berühre, seufzt er und schnurrt leise.

Noch etwas, was ich hemmungslos wieder genießen darf: ihn berühren. Dass es mir gefehlt hat, ist mir lange Zeit gar nicht aufgefallen, weil es ein schleichender Prozess war. Jamie hat sich, obwohl wir oft Sex hatten, im Grunde immer weiter von mir zurückgezogen, im Bestreben seinen verunstalteten Körper nicht zu zeigen. Und zu diesem Zeigen zählte offensichtlich auch das Berühren, als ob mein Streicheln, mein Hinwegsehen über die Narben, ihn erst recht an sie erinnert hätte.

Aber all das ist jetzt Vergangenheit. Inzwischen genießt er wieder jegliche Form der Intimität und lässt Nähe wieder völlig unbefangen zu.

Als er zurückweicht, sehen wir uns lange an. Neben uns erklingt ein winziges Seufzen und wir blicken erneut Richtung Handful. Scheinbar hat sie es aufgegeben, uns zu beobachten, oder ist zu dem Schluss gekommen, dass es wie meistens völlig sinnlos ist, wenn sie sich als Wachhund aufspielt. Grummelnd rollt sie sich wieder zu einer Kugel zusammen, nicht ohne dabei Conan auf den Leib zu rücken. Da sie sich mit vollem Körpergewicht, etwa drei Kilo, gegen seinen Rücken geschmissen hat, widmet er ihr einen kurzen, gelangweilten Blick und schläft dann ebenfalls weiter.

Die zwei sind längst zu einem harmonischen Team zusammengewachsen und Conan hat, ohne mit der Wimper zu zucken, den Chefposten an die kleine, kampferprobte Lady abgegeben. Ich sage ja immer er ist schlicht intelligenter als sie, ohne das böse zu meinen, da er sie, um Streit zu vermeiden, einfach machen lässt. Also im Grunde sind unsere Hunde uns im Wesen ziemlich ähnlich, wie wir irgendwann lachend festgestellt haben.

Wir grinsen uns an, wahrscheinlich hat Jamie gerade in die gleiche Richtung gedacht wie ich. „Und worüber hast du jetzt nachgedacht?“, will ich erneut von ihm wissen.

Jamie lehnt sich ein Stückchen zurück, bleibt aber nach wie vor auf meinem Schoß sitzen. „Ich dachte… Adam hat während des letzten Telefonats erzählt, dass der Swimmingpool endlich fertig ist.“

Während er diese Worte hervor presst, meidet er meinen Blick und knibbelt an meinem T-Shirt herum.

Im Grunde weiß ich natürlich worauf er hinaus will, immerhin steht das Thema gemeinsamer Dreh ja seit Monaten auf dem Plan. Aber irgendwie will es nicht so recht klappen. Zuerst war der berufliche Stress schuld, dann Jamies Krankheit und nach seiner Genesung wollten wir ihm einfach Zeit lassen, sich sowohl körperlich als auch seelisch vollkommen zu erholen. Schließlich hat er wieder angefangen zu arbeiten und dadurch haben sich die Prioritäten erneut verschoben.

Seine anfängliche Befürchtung, dass er nach der Zwangspause und einigen verkorksten Arbeiten keine Aufträge mehr bekommen würde, hat sich als unbegründet erwiesen. Trotz seiner Ausfälle und dem anderen Mist konnte er sofort wieder Fuß fassen, was sicher auch daran liegt, das viele wussten, warum er so reagiert hat. Und da er sich vorgenommen hat, den verursachten Schaden wiedergutzumachen, blieb für den Dreh erneut keine Zeit. Ich betrachte ihn weiterhin und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, weil ich mir denken kann, worauf das gerade hinausläuft.

Was er nicht weiß, ist, dass die Agentur und ich den Dreh nie ganz aufgegeben haben. Er läuft ja nicht weg und letztendlich ist Jamie derjenige, der grünes Licht dafür geben muss. Wann immer er dazu bereit ist, werden wir den Plan in die Tat umsetzen. Es ist nicht so, dass wir uns von diesem Dreh mordsmäßige Umsätze erhoffen, auch wissen wir nicht, ob das der Startpunkt für sein Comeback sein wird oder sein könnte.  

Tief in meinem Herzen weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob ich schon bereit bin ihn ein Comeback starten zu lassen. Natürlich habe auch ich in den letzten Monaten viel an mir gearbeitet und mein völlig übertriebener Beschützerinstinkt und der Drang Jamie in Watte zu packen hat sich gebessert. Aber ihn an ein Set zu schicken und dabei zuzusehen wie andere ihn ficken? Ich weiß echt nicht.

Dennoch… wenn er das so will, werde ich es ihm ermöglichen. Ich habe ihm einmal seine Flügel versprochen und das gilt immer noch. Egal, was er tut, ich stehe hinter ihm. Ich werde meine Bedenken wahrscheinlich aussprechen und wir werden darüber reden, aber letztendlich werde ich seine Entscheidung unterstützen, so wie er damals meine, in die Pornoindustrie zu gehen, ebenfalls unterstützt hat.

Ich schnipse gegen sein linkes Knie und suche seine Aufmerksamkeit. Ein wenig beschämt sieht er auf, zuckt mit den Schultern und schenkt mir wieder sein hinreißendes Grinsen.

„Und?“, will ich abermals wissen. „Lässt du mich hinter deine wunderhübsche Stirn schauen, mein Schatz?“

„Wunderhübsche Stirn? Wunderhübscher Hintern oder wunderhübscher Mund lass ich mir eingehen, aber wunderhübsche Stirn?“

Wir lachen beide, er legt sich der Länge nach auf mich, kuschelt sich in meine Arme und stöhnt dermaßen theatralisch, dass ich lachen muss und ihm kräftig auf den Hintern haue.

„Ach, du weißt doch, mein Schatz. Ich bin so blind vor Liebe, dass ich jeden Teil deines Körpers wunderschön finde.“

Jamie vergräbt sein Gesicht an meiner Brust und lacht los. „Gott sei Dank liege ich schon, sonst würde ich jetzt auf der Schleimspur ausrutschen.“

„Hey. Das tut mir jetzt aber auch weh.“

Wir lachen beide, bis Jamie herzhaft zu gähnen anfängt und mich ansteckt.

„Ich glaube, wir sollten langsam ins Bett“, nuschelt er.

„Keine blöde Idee. Aber du warst da gerade irgendwie bei einem Pool, oder?“ 

Jamie seufzt leise. „Ja, ich weiß. Ich meine…“ Er rappelt sich abermals auf, steigt von meinem Schoß und setzt sich neben mich. Ich richte mich ebenfalls auf, weil ich das Gefühl habe, dass das Thema für ihn ziemlich ernst ist. 

„Spuck´s aus, Jamie. Was hast du auf dem Herzen?“

„Ich hab gar nichts auf dem Herzen, Babe, es ist nur… Ich weiß auch nicht. Dieser Pool…“ Er seufzt leise, zuckt mit den Schultern und sieht auf seine Hände hinab. Nach ein paar Sekunden Bedenkzeit rappelt er sich auf und erwidert erneut meinem Blick. „Möchtest du eigentlich immer noch mit mir drehen?“, flüstert er verhalten.

Mir ist manchmal wirklich unbegreiflich, dass er A: immer noch an sich zweifelt und B: ständig fragen muss, ob ich mit ihm drehen will. Aber egal, wenn er es wieder und wieder hören muss, damit auch das letzte, schlechte Gefühl in ihm verschwindet, werde ich es so lange wiederholen, bis er es glaubt.

„Jamie, ich habe dir diese Frage schon unzählige Male beantwortet, und ich werde dir immer wieder das gleiche sagen: Ja, ich möchte mit dir vor die Kamera.“

„Ich weiß.“ Er will meinem Blick ausweichen, ich sehe es an seiner Körperhaltung. Für eine Sekunde werden seine Schokoaugen eine Nuance heller, was von seiner Unsicherheit zeugt, die er immer noch nicht ganz ablegen kann. Und genau das zeigt mir, dass wir zwar sehr, sehr weit gekommen sind, aber auch, dass es immer noch Fallstricke und Hürden in Jamies Innerem gibt, die wir mit Bedacht umschiffen müssen. Ja, er ist gesünder, ja er ist stärker als je zuvor, aber die Narben auf seiner Seele werden nie ganz verschwinden, ab und zu aufbrechen und ihn plagen. Sie können nicht ungeschehen gemacht werden und das sollen sie auch nicht, da sie ein Teil von ihm sind. Jamie ist definitiv ein anderer als am Anfang und während seiner Karriere, und er hat jedes Recht, sich so zu verändern wie jeder andere Mensch das auch tut.

„Wo ist dein Problem?“, frage ich vorsichtig, weil ich nicht will, dass er sich in irgend einer Form schuldig fühlt oder sich als Hauptgrund für Probleme betrachtet. Aber meine Sorge ist offensichtlich unbegründet, weil er mich anlächelt, meine Hände ergreift und nickt, als ob er dazu bereit wäre zu reden.

„Weißt du, Mike, im Grunde hab ich nichts zu verlieren. Ich steh wieder ganz am Anfang. Zwar kennt man mich noch, aber, na ja ich war lange nicht mehr zu sehen. Aber du? Du bist auf dem Höhepunkt deiner Karriere und ich will einfach nicht, dass ich dir mit diesem Film irgendwie schade, verstehst du?“

Seine Überlegung rührt mich ehrlich. „Nein, eigentlich verstehe ich es nicht. Seit es dir wieder besser geht haben wir diese gemeinsame Homepage aufgebaut und schau mal, wie viele Follower und Abonnenten wir haben. Glaubst du wirklich, dass das irgendein Problem für mich darstellen könnte? Ich denke eher, das Gegenteil ist der Fall,

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Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 16.05.2020
ISBN: 978-3-7487-4125-1

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