“This is the way the world ends; not with a bang or a whimper, but with zombies breaking down the back door.”
- 4 Jahre zuvor -
Ich war gerade auf den Weg zu meiner Schule gewesen, als mir siedend heiß eingefallen war, dass ich etwas zu Hause vergessen hatte. Meine Mappe in der alle meine Referatunterlagen drinnen waren. Ohne die würde ich das Referat nicht halten können und somit eine 6 riskieren. Ich hatte noch nie eine 6 gehabt und ich wollte nicht damit anfangen. Schon immer war ich sehr ehrgeizig gewesen. Schule kam immer an erster Stelle, dann Parties und Alkohol. Aber eigentlich war ich sowieso nicht der Partytyp. Man konnte seine Abende auch mit einem guten Buch vor dem Kamin verbringen und heiße Schokolade schlürfen. Ich war 16 Jahre alt, 1,80 m groß, hatte lange rote Haare und grüne Augen. Nichts besonderes fand ich. Doch anscheinend fanden mich eine Menge Typen süß und es mangelte mir nicht an Selbstvertrauen. Bis jetzt war ich noch nie Single gewesen. Aber wenn ich mich verliebte, dann so richtig. Ich war schon immer die treue Seele gewesen und ich würde niemals meinen Freund betrügen. So etwas würde ich nicht übers Herz bringen. Denn wie sagt man so schön? Was du nicht willst das man dir tut, das füge auch keinem anderen zu!
Meine Eltern hatten mich richtig erzogen. Ich war gerecht, hilfsbereit und war eigentlich eine ausgesprochen nette Person. Meistens zumindest. Ich schlenderte also wieder zurück zu meinen Haus und denke mir nichts böses. Aber es war ungewohnt still in unserer Nachbarschaft. Draußen sah ich keine Kleinkinder im Garten spielen, keinen Hund hörte ich bellen und auch kein Auto fuhr. Stirnrunzelnd ging ich auf unser schönes Vorstadthäuschen und drückte die Klinge herunter. Echt seltsam. Wo waren denn alle bloß hin? Ich trat in unser Haus hinein und rief: „Mum? Dad? Stefanie? Ich hab was vergessen. Bin aber gleich wieder weg.“ Ich schloss die Türe hinter mir, marschierte in die Küche, weil ich mir sicher war, dass dort die Unterlagen waren. Doch blieb dann keuchend stehen und starrte ungläubig auf die Person, die gerade an etwas nagte. Schmatzende Laute kamen von dem Ding. Ich sah eine Hand, Beine und je mehr ich hineinging, desto mehr wurde der Kopf meiner Mutter sichtbar. Ich kreischte. Der Kannibale, der gerade an einer Rippe meiner Mutter genagt hatte, drehte mit einen Ruck seinen Kopf in meine Richtung. Es war mein Dad.
Erschrocken wich ich zurück und griff instinktiv nach einen Messer. „Dad?“, wimmerte ich und starrte das entstellte Gesicht meines Vaters an. „Dad...was hast du getan?“ Die Tränen rollten über meine Wangen und immer mehr wich ich vor dem Monster zurück, das einst mein liebevoller Dad gewesen war. Ein angesehener Wissenschaftler. Harry Stone. Noch immer trug er den Laborkittel, der über und über mit Blut beschmutzt war. Den Blut meiner Mutter. Marian Stone. Ärztin. Beide gingen auf die fünfzig zu. Beide waren die tollsten Eltern gewesen, die man sich vorstellen konnte. Ich wollte es nicht glauben. Das war alles so surreal. Das konnte nicht wahr sein. Mein Vater schlurfte auf mich zu und streckte die Arme nach mir aus. Alles was ich in seinen Augen lesen konnte, war die pure Blutlust. Die Lust nach frischen Fleisch. Nach meinem Fleisch. Ich schluchzte und schüttelte den Kopf. Mein Vater konnte kein Zombie sein. So etwas existierte nur in Filmen. Die Wissenschaftler hatten gesagt, dass eine Zombieapokalypse niemals ausbrechen wird … ob diese neue Krankheit Schuld daran war? Wie hieß sie noch einmal? Embola? Nein das konnte nicht sein. Das war alles nur ein schrecklicher Albtraum. Aber das war es nicht. Ich stieß gegen den Kühlschrank und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf meinen Vater. Ob meine kleine Schwester sich auch in so etwas verwandelt hatte?
„Oh Dad. Wieso?“, schluchzte ich und ließ das Messer fallen. „Wieso nur du? Wieso meine Mum?“ Ich weinte und rutschte an der Kühlschranktür hinab und wartete darauf, dass mein eigener Vater mich auffraß. Ich wollte immer noch daran glauben, dass es ein Albtraum war. Jeden Moment würde ich aufwachen und dieses schreckliche Gefühl abschütteln können. Doch mein Zombiedad kam immer näher. Ein Zischen ertönte und dann steckte ein Pfeil in seinem Schädel. Dad fiel um und rührte sich nicht mehr. Ich schluchzte auf und krabbelte auf ihn zu. „Daddy?“, weinte ich und rüttelte an ihm, doch er war tot. Aber dieses Mal für immer. Ich sah hoch und guckte mich um. Doch wer auch immer mich gerettet hatte, war nicht mehr da. Ich wischte mir über die Wangen und sah dann zu meiner Mutter. Ich zerbrach innerlich, doch ich schaffte es wieder aufzustehen. Ich durchkämmte das ganze Haus und suchte nach meiner kleinen Schwester, doch sie war nirgendwo zu entdecken. Schon hatte ich die Hoffnung, dass sie noch am Leben war. Egal wo Stefanie war. Ich werde sie finden.
„Ich bin so müde“, hörte ich Abigail jammern. Sie jammerte ständig und wenn sie dann mal nicht jammerte, dann schlief sie. Ich fragte mich bis heute, wie sie es überhaupt solange durchgehalten hatte. Man traute es dem blonden Mädchen gar nicht zu, dass sie so etwas wie Lebenswillen hatte. Sie war ein Jahr jünger wie ich. 19. Aber wir beide waren die allerbesten Freundinnen, auch wenn ich ihr oft am liebsten den Mund zukleben würde. Zum Jammern kam noch das ständige plappern hinzu. Sie konnte ihren Mund nicht halten. Das war unmöglich für sie. „Wann sind wir endlich da? Wann machen wir eine Pause?“, fragte Abi und ließ sich eiskalt auf den Waldboden plumpsen. So nach den Motto: Bis hier hin und keinen Schritt weiter. Ich seufzte, sah meinen Freund Ian an, löste meine Hand aus seiner und marschierte auf Abi zu. „Abi. Komm schon. Steh auf. Wir müssen den Wald verlassen bevor es dunkel wird“, drängte ich sie und streckte ihr netterweise meine Hand hin. Sie starrte auf meine Hand und ergriff sie dann jammernd. Ihr taten so schrecklich die Füße weh, jammerte sie weiter und sie hatte Hunger. Ich packte ihre Hand, ignorierte ihr Gemeckere und zog sie erbarmungslos mit mir. Andrew gesellte sich zu uns und lächelte Abi freundlich an. „Ich könnte dir meinen Rücken anbieten“, meinte er und zog seinen Rucksack herunter. Er drückte ihn mir in die Hand und winkte Abigail zu sich.
Sofort war sie Feuer und Flamme und hüpfte auf Andy's Rücken. „Das ist echt lieb von dir, Andy“, sagte ich und schulterte seinen Rucksack. Ian kam jetzt auch zu uns und nahm mir das Gepäck ab. „Ich trag das schon, Schatz“, meinte er und lächelte mich zärtlich an. Ich erwiderte das Lächeln und strich ihm kurz durch's Haar bevor ich mich wieder Abigail und Andrew widmete. „Danke Andy“, zwitscherte Abigail zufrieden und schlang die Arme locker um seinen Hals. Sie grinste mich an und ließ sich wie eine Königin das Stückchen tragen. Ich lachte leicht und seufzte. Diese kleine Gruppe war meine Familie. Abigail war wie eine Schwester für mich. Abigail Montgomery. Blond, blaue Augen und ein Muttermal oberhalb der Lippe. Sie war ein Jammerlieschen, eine tolle Geschichtenerzählerin und ein Mädchen auf das man zählen konnte. Ich hatte zu ihr sehr schnell Vertrauen gefasst. Ian O'Neills war mein Freund. Hellbraune Haare, meerblaue Augen und unglaublich attraktiv. Er war einfühlsam, witzig und hatte einen ausgeprägten Beschützerinstinkt. Ich liebte ihn über alles. Seit gut 3 Jahren waren wir jetzt ein Paar und hatten die Apokalypse gemeinsam überstanden. Es verging kein Tag an dem ich nicht bei ihm war. Seit wir uns gefunden hatten, seitdem waren wir unzertrennlich. Er war 23 Jahre alt und einfach nur perfekt für mich. Andrew Dixon war für mich wie ein Vater. Für uns alle. Fast alle. Er war 52 Jahre alt, blauäugig, schwarzhaarig und hatte immer ein Lächeln auf den Lippen, auch wenn die Lage brenzlig wurde. Er verlor niemals sein Lächeln. Er war unser Anführer. Er wusste immer ganz genau, wo wir hingehen mussten und wenn etwas eskalierte, dann war er es, der uns rettete. Ich verdankte ihm schon so oft mein Leben.
Owen Henkins war der älteste im Bunde. Er war der „Großvater“ in unserer Mitte. Er war 60 Jahre alt, zog am liebsten mal einen durch und war in seinem früheren Leben Tierarzt gewesen. Er hatte weißes Haar und eine angehende Glatze. Auch hatte er einen recht trockenen Humor, aber war immer da, wenn man ihn brauchte. Madelyn Grimes war die Strategin in unserer Gruppe. Sie hatte grüne Augen, braunes Haar und war 1,57m groß. Sie war 25 Jahre alt und hatte eine braune Hautfarbe. Sie war vernünftig und verantwortungsbewusst. Hatte man ein Problem oder wusste man nicht weiter, dann wand man sich an sie. Der letzte in unserer Gruppe war Dominic Jackson. Er war ein stiller Bursche und sehr in sich gekehrt. Viel wusste ich nicht über ihn, denn er sprach so gut wie niemals über seine Vergangenheit. Aber er war ein ausgezeichneter Scharfschütze und brauchte nur einen einzigen Schuss, um die Zombies zu Fall zu bringen. Er war 22 Jahre alt, hatte blaue strahlende Augen und schwarzes Haar.
„Leute da vorne ist ein Farmhäuschen“, rief Madelyn und deutete mit den Finger in die Ferne. Ich joggte mit Ian zu Maddie und kniff die Augen zusammen. Tatsächlich. Den Hügel hinunter war eine Farm, die still in der Abenddämmerung stand. Es sah so idyllisch und friedlich aus. Doch der Schein trügte oft, das musste ich nur allzu oft mitbekommen. Ian drückte meine Hand und fragte: „Glaubt ihr es steht leer?“ Er sah in die Runde und machte ein besorgtes Gesicht. Andy starrte auf die Farm und sah skeptisch aus. „Ich weiß nicht, Kiddo. Aber … es sieht ziemlich verlassen aus. Vielleicht ist es voll mit den Walkern. Wie viel Munition habt ihr noch?“ Sofort zählten wir unsere Kugeln. „Volles Magazin“, ließ Dominic verlauten und steckte das Magazin wieder zurück. „Nur drei Kugeln“, murmelte ich und seufzte. Ich war eine Niete im Schießen. Jeder ließ verlauten, wie viele Kugeln sie hatten. Andrew nickte und sah dann wieder zu dem Haus. „Okay, Leute. Packen wir es an. Es wird dunkel und so ein robustes Haus wäre für die Nacht genau das Richtige“, meinte er und ließ Abigail von seinem Rücken hinunter. Abi sah mich verzweifelt an und klammerte sich an meinen Arm. Sie hatte mehr Angst vor den Zombies als ich selbst. Ich lächelte ihr aufmunternd zu und atmete tief ein. „Wird schon schief gehen“, meinte ich und lächelte in die Runde.
Owen schmunzelte leicht und ging dann los. Die Gruppe folgte sofort. Ian, Abigail und ich bildeten das Schlusslicht. Langsam schlichen wir den Hang hinunter und waren äußerst aufmerksam. Schon oft waren wir in eine Falle getappt und hatten schon so viele verloren. Auch wenn es so still und friedlich aussah... manchmal versteckten sich Überlebende und verteidigten ihr „Zuhause“ bis aufs Blut. Doch wir kamen ohne Zwischenfälle bei dem Palisadenzaun an. Leise machte Andy das Tor auf und hob eine Hand. Das Signal stehen zu bleiben. Wir alle machten sofort Halt und starrten unseren Anführer an. Leise tastete er sich vor und hielt die Pistole vor sich. Er trat auf die Veranda und drückte sich an die Wand. Langsam sah er durch das dreckige Fenster, doch er konnte nichts erkennen. Also winkte er zwei von uns zu sich heran. Madelyn und Dominic leisteten seinem Befehl Folge und schlichen sich die Veranda entlang, die sich um das gesamte Farmhaus zog. Andy gab Handzeichen, beide nickten und gingen weiter. Dann sah er zu mir und Abi und deutete auf die Scheune. Ian zischte leise: „Lass mich mitgehen.“ Andrew schüttelte den Kopf und warf ihn einen „Keine Widerrede“ - Blick zu. Ian sah mich an und ich konnte wieder die Sorge in seinen Augen widerspiegeln sehen. „Alles gut. Uns passiert nichts“, raunte ich ihm zu und küsste ihn kurz. Dann packte ich Abis Hand und zog sie mit mir. Sie kam nur sehr widerstrebend mit.
„Aly … ich … ich hab Angst“, gestand sie mir und klammerte sich an meine Hand, als würde es keinen Morgen geben. Ich legte einen Zeigefinger auf die Lippen und küsste sie dann kurz tröstend auf die Schläfe. Abigail war jetzt still und folgte mir. Wir steuerten die Scheune an. Das erste was ich tat, war zu lauschen. Ich konnte ein Schlurfen hören und ein Grollen. Definitiv waren da welche von den Beißern drinnen. „Da sind Zombies drinnen“, sagte ich zu ihr und konnte schon die Panik in ihren Augen aufflackern sehen. „Du wartest hier. Ich erledige das“, vermeldete ich sanft und lächelte. Abigail nickte und saß sich ins Gras vor die Scheunentore. Ich umrundete sie und fand einen Traktor, der vor einem offenen Fenster stand. Ich rieb mir die Hände, stieg auf den Traktor und packte dann den Rand des offenen Scheunenfensters. Ich hievte mich ächzend hoch und fand mich auf dem Heuboden wieder. Unter mir rannten drei Beißer herum und sobald sie mich roch hoben sie die Köpfe und reckten die Hände in die Höhe. Ihre Gesichter waren schon verfault und hungrig verfolgten sie jeder meiner Bewegungen. Ich marschierte langsam auf und ab und überlegte wie ich die drei am besten ausschalten konnte. Mit der Waffe würde ich nur daneben schießen. „Na ihr“, sprach ich mit den dreien und suchte nach einer Mistgabel. Als Antwort bekam ich ein uawhaaha. Eine sehr tolle Konversation, dachte ich mir im Stillen. Meine Augen scannten den Heuboden und da entdeckte ich eine Mistgabel.
Grinsend steuerte ich darauf zu und hörte plötzlich ein Knacksen. Das morsche Holz gab unter mir nach und ich brach bis zur Taille ein. Ich kreischte laut auf und konnte etwas an mir zerren spüren. Voller Panik zog ich die Beine an und brachte sie außer Reichweite der Zombies. „ABIGAIL!“, kreischte ich und konnte mein Herz klopfen hören. Ich krallte mich ins Holz, da ich drohte immer mehr abzurutschen. „ABIIIIIII“, quietschte ich und war schon beinahe den Tränen nahe. Ich wollte nicht bei lebendigen Leibe aufgefressen werden. Die Tore wurden aufgemacht und ich hörte Schüsse fallen. Ich strampelte leicht und lauschte. „Abi?“, fragte ich leise und schniefte leicht. Meine Finger rutschten leicht ab. Immer mehr glitt ich nach unten. Dann plötzlich spürte ich Hände die meine Kniekehlen umschlangen. Ich kreischte auf und wollte strampeln, doch eine Stimme ließ mich innehalten. „Alyssa lass los. Ich hab dich. Keine Sorge, Babe. Ich hab dich.“ Ian redete weiterhin beruhigend auf mich ein. Nach einem langen inneren Kampf ließ ich nach und nach die Rillen des Holzes los und wurde durch das Loch nach unten gezogen. Ich zitterte heftig und meine Knie gaben nach als ich wieder den Boden unter meinen Füßen spürte.
„Ich bin da“, flüsterte Ian tröstend und zog mich in eine feste Umarmung. Abigail kam ebenfalls auf mich zugestürmt und umarmte mich auch. „Wer...wer hat geschossen?“, wollte ich nach einer Weile wissen, als ich mich langsam wieder beruhigt hatte. „Das war ich“, ließ Abigail verlauten. „Und dann kam Ian mir zu Hilfe.“ „Danke“, sagte ich und drückte beide an mich. Jetzt kam auch der Rest der Gruppe zu uns gestürmt. „Das Haus ist gesäubert“, verkündete Owen uns. „Alles okay bei dir?“ Ich nickte und brachte ein kleines Lächeln zustande. Meine Familie sah mich alle erleichtert an. Dann gingen wir gemeinsam zu dem Farmhaus. Die Nacht war schon angebrochen und in der Ferne konnte ich die Grillen zirpen hören. Ian zog mich sanft ins warme Haus und dann hörte ich, wie Andrew und Madelyn die Türen und Fenstern vernagelten. Alles aus Schutzmaßnahmen. Alles wie gehabt. „Ich hab Hunger“, ließ Abigail verlauten. Sie saß zusammengekauert auf einer durchgesessenen Couch und sah mit ihren Hundeblick in die Runde. Owen seufzte und guckte dann in den Proviantrucksack. „Wir haben noch nicht nach Vorräten nachgeguckt. Dazu blieb uns nicht die Zeit. Aber das holen wir morgen nach. In der Zwischenzeit müssen wir uns mit Bohnen und Reis begnügen“, sagte der alte Mann und holte zwei Dosen Bohnen und eine Packung Reis heraus. „Funktioniert das Wasser?“, wollte Ian wissen.
Ein Arm lag um mich geschlungen, mein Kopf war erschöpft auf seine Brust gebettet. „Ja“, kam es dieses Mal von Dominic. Er saß sich zu uns und erzählte: „Ich habe draußen einen Generator gefunden und eine Wasserpumpe. Alles scheint noch intakt zu sein. Wir müssen nur Benzin finden und wir hätten Strom und heißes Wasser.“ „Eine heiße Dusche“, murmelte ich verträumt und kuschelte mich enger an Ian. Mir war kalt. Es war bald November und die Temperaturen wurden jede Nacht kälter. Die Bäume verloren ihre Blätter und die meisten Tiere – falls sie noch lebten – sammelten Vorräte für den Winterschlaf. Der Winter wird bestimmt wieder hart werden. Davor fürchtete ich mich schon. Mehr als vor den Zombies. Doch ich versuchte es positiv zu sehen. 3 Winter hatten wir schon überstanden …
Ian küsste mich auf den Scheitel und strich mir gedankenverloren darüber. „Soll ich mit rauskommen? Vielleicht bekommen wir ihn gemeinsam wieder an?“ Dominic nickte. Sanft löste er sich von mir und sobald er weg war, fror ich wieder. Ich seufzte und packte mir eine Decke. Ich schlang sie um mich und sehnte mich nach körperlicher Wärme. Ich sah Abigail an und lächelte zuckersüß. „Abigail?“, fing ich an und weckte somit ihre Aufmerksamkeit. „Ja?“ „Willst du kuscheln?“ Sie grinste und sprang dann unter meine Decke. Gemeinsam kuschelten wir uns aneinander und wärmten uns. Owen beobachtete uns belustigt und stand dann auf. „Ich sehe mal nach ob ich saubere Töpfe finde.“ Wir beide nickten und blieben aneinander geschmiegt auf dem Sofa sitzen. Andrew und Madelyn kamen jetzt auch ins Wohnzimmer. „Na ihr. Wo sind alle hin?“, wollte Andy wissen. „Owen ist in der Küche. Ian und Dominic holen den Generator.“ Andrew nickte und ging dann auf den Kamin zu. „Glaubt ihr wir bekommen den an?“, fragte er und stocherte in der Asche herum. „Wenn wir Holz und ein Feuerzeug finden, Einstein. Dann auf jeden Fall“, meinte Madelyn sarkastisch und klopfte Andrew auf die Schulter. „Ja. Ja. Du mich auch“, brummelte er in seinen Bart und grinste leicht. „Also. Wer kommt mit Holz sammeln?“, fragte er fröhlich und sah dabei insbesondere mich an.
Ich zog die Nase kraus und kuschelte mich enger an Abigail. Dann tat ich so als würde ich schlafen und hörte ein leises raues Lachen von Andrew. „Alyssa. Ich weiß, dass du grade noch wach warst, Schätzchen“, meinte er warnend. Seufzend schlug ich wieder die Augen auf und kämpfte mich aus der wohligen Wärme. „Wieso immer ich?“, beschwerte ich mich und brummelte. „Ich bin die jüngste hier, also muss ich nicht viel machen“, meinte jetzt Abigail und grinste breit. Da hatte sie ausnahmsweise Recht. Das Küken hatte wirklich unverschämt großes Glück. Ich war nur ein Jahr älter und schon wurde ich wie die anderen in Arbeit miteinbezogen. „Wie unfair“, beschwerte ich mich weiter und dieses Mal war ich es, die jammerte. Andy schob mich mit sich nach draußen und lachte weiterhin heiser. Das alles amüsierte ihn sehr. Grummelnd folgte ich ihm und begann wieder zu zittern. Es war schweinekalt hier draußen. Schon sehnte ich mich wieder nach drinnen. Auch machte mir die Dunkelheit Angst. Schon immer. Sogar mit 16 Jahren hatte ich ein Nachtlicht gebraucht … aber so einen Luxus gab es nicht mehr. Zum Glück hatte ich Ian. Er war mein Ersatz für das Nachtlicht. „Du hattest heute echt verdammtes Glück gehabt“, begann Andrew den Smalltalk und musterte mich besorgt. Ich lächelte und winkte ab. „Ist doch immer so. Aber ich konnte Abi nicht mitnehmen. Die hatte schreckliche Angst. Also bin ich alleine gegangen.“ Ich zuckte mit den Schultern und bekam einen tadelnden Blick seinerseits.
„Du darfst das nicht so locker nehmen, Aly. Du willst doch Stefanie finden. Also musst du am Leben bleiben“, sagte er im sachlichen Ton. Bei den Namen meiner Schwester zuckte ich zusammen. Sie musste jetzt 17 sein. Falls sie noch lebte … sofort räumte ich die Zweifel beiseite. Sie lebte. Das wusste ich. Sie musste einfach. Hoffentlich hatte sie auch eine so nette Gruppe wie ich gefunden. Menschen, die sie als Familie bezeichnen konnte. „Ich weiß“, gab ich kleinlaut zu. Andrew drückte mich kurz tröstend an sich und ließ dann wieder von mir ab. „Wir finden sie“, meinte er voller Überzeugung und lächelte mich herzlich an. Ich erwiderte das Lächeln und packte dann einen ganzen Arm Holz vom Holzlager. Andrew tat es mir gleich und dann marschierten wir auch schon wieder zurück. Die Nacht war heute wirklich sehr friedlich. Anscheinend lag es daran, dass diese Farm so abgeschieden lag.
Während wir fort waren, hatten die beiden Jungs den Generator hereingetragen und zum Laufen gebracht. Das Farmhaus erstrahlte in einem warmen Licht und die Geräte fingen leise zum summen an. Wir alle klatschten Beifall, während sich Ian und Dominic grinsend verbeugten. „Ich will erster unter die Dusche“, rief ich sofort und rannte schon nach oben. „Also ich bin für Wasser sparen“, meinte Ian und rannte mir nach. Er holte mich ein, packte mich an der Hüfte und hob mich hoch. Ich quietschte auf und ließ mich dann von ihm ins Badezimmer tragen. Lachend stellte er mich wieder auf die Beine und sperrte zu. „3 tolle Jahre“, hauchte er mir entgegen und drückte mich an das Holz der Türe. Er begann zärtlich meinen Hals zu küssen und ließ mich wieder einmal dahin schmelzen. Sogar nach drei Jahren war die Liebe zwischen uns flammend heiß. „Ja. Und es sollen mehr werden“, seufzte ich und drückte ihn enger an mich. „Ja. Irgendwann werde ich dich heiraten, Alyssa Stone“, hauchte er und küsste mich leidenschaftlich auf den Mund. Ich erwiderte und begann ihn aus den Klamotten zu schälen, so wie er mich.
Grinsend zog er mich in die Dusche und stellte das Wasser ein. Ein Schwall kaltes Wasser ergoss sich über uns und ließ uns beide aufkeuchen. Dann erwärmte sich das Wasser und wurde angenehm warm. „Da ist sogar Shampoo und Duschgel“, frohlockte er und ein bezauberndes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. „Ich liebe dich“, sagte ich und zog in wieder zu mir. Meine nassen roten Haare klebten mir am Körper und der Schmutz der Tage wurde fortgespült. „Ich dich auch, Aly“, raunte er mir zu und begann mich sanft mit den Duschgel einzumassieren. Ich genoss seine Berührungen und keuchte leicht auf als er mir über die nackte Brust strich. Nicht oft fanden wir beide die Gelegenheit miteinander zu schlafen. Aber wenn wir mal die Zeit hatten, dann war es immer wie ein Feuerwerk, dass in mir zerbarst. Ian war das Beste, was mir je passieren konnte. Ich konnte mir niemand anderen an meiner Seite vorstellen.
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Als wir frisch geduscht waren, wühlten wir uns durch die Schränke und fanden sogar etwas zu Anziehen. Mir waren die Sachen eine Nummer zu groß, aber ich begrüßte jede Art von neuen sauberen Klamotten. Grinsend und Hand in Hand schlenderten wir wieder nach unten und starrten in die schmunzelnden Gesichtern der anderen. „Man hat euch bis nach unten gehört“, meinte Abigail und sprang auf. „Und ihr habt echt lang gebraucht.“ Und dann verschwand sie schon die Treppe nach oben. Ich wurde knallrot, doch Ian grinste wie ein Honigkuchenpferd. Das Ego, was denn sonst. Andrew lachte heiser und konnte darüber nur den Kopf schütteln. „Gute Nacht ihr beiden“, meinte er. „Nacht“, flüsterte ich und lächelte alle liebevoll an. Das war meine Familie. Und das wird für immer so bleiben.
Die Sonne war gerade dabei aufzugehen. Die Sonne kitzelte mich an der Nase und brachte mich zum Niesen. Das wiederum weckte Ian neben mir auf. „Morgen, Sonnenschein“, begrüßte er mich gähnend und gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze. Ich reckte mich und kuschelte mich weiterhin an seine Brust. Ich wollte weiterschlafen. Alles war so schön friedlich und ruhig. Einmal so richtig ausschlafen. Doch da hatte ich Abigail nicht mit einberechnet. „Aly“, hauchte sie mir ins Ohr und pikste mich in die Seite. Wie eine lästige Fliege wollte ich sie verscheuchen, doch die war hartnäckiger als diese fliegenden Biester. „Aly“, flötete sie weiter und brachte somit Ian zum Lachen. Ian's meerblaue Augen funkelten belustigt. Er kassierte sich einen vernichtenden Blick von mir ein. Dann drehte ich mich genervt zu meinen kleinen Schatz um und brummelte: „Was, Schatzi?“ „Ich hab Hunger“, verkündete sie wieder einmal. Ich blinzelte verschlafen und rieb mir den Schlaf aus den Augen. „Und wieso muss ich da jetzt aufwachen, Darling?“ „Weil ich nicht kochen kann“, gab sie zu und lächelte süß. „Du bist 19, Abigail. Du wirst dir doch irgendetwas machen können oder?“, fragte ich sie verzweifelt. „Ich will Rührei und dazu muss man das in eine Pfanne geben. Das ist zu hoch für mich“, gab sie weiterhin zu.
Ich seufzte, strampelte mich aus der warmen Umarmung von Ian frei und stand dann auf. „Okay. Ich mach dir dein Rührei“, maulte ich. Ich war ein Morgenmuffel. Nicht einmal die Apokalypse konnte das ändern. Ian kugelte sich schon fast vor Lachen. Am liebsten würde ich ihm irgendetwas über die Ohren hauen. Die anderen schliefen alle noch selig. Auch wenn oben echte Betten waren bevorzugten wir alle gemeinsam in einem Raum zu schlafen. So konnten wir uns immer gleich helfen und es beruhigte ungemein die Nerven alle bei sich zu wissen. Leise schlichen wir beide uns in die Küche. „Okay. Wo hast du hier Eier gesehen?“, fragte ich stirnrunzelnd und durchforstete die Schränke. Es waren ein paar Dosen da, leider auch verschimmeltes Essen und ein paar Mineralwasserflaschen. „Draußen“, sagte sie und deutete aus den Fenster. Ich konnte ein Hühnergehege entdecken und schmunzelte jetzt. „Dann hol mal die Eier“, forderte ich sie auf. Doch sie starrte mich erschrocken an und dachte gar nicht daran, da alleine rauszugehen. Ich seufzte wieder einmal, nahm ihre Hand und zog sie mit. „Oh Abi. Was mach ich nur mit dir“, murmelte ich. Abigail klammerte sich an meine Hand – wieder einmal – und sah sich immer wieder um. Ihre Zombiephoebie war sehr stark ausgeprägt und oft artete es in Paranoia aus.
„Hier sind keine Zombies“, versuchte ich sie zu beruhigen und drückte tröstend ihre Hand. „Ja..ich weiß. Ist eine Angewohnheit“, murmelte sie entschuldigend und fuhr über ihre Kette mit dem Kreuzanhänger. „Behalt sie. Aber lass sie dich nicht kontrollieren.“ Ich lächelte sie an und ging dann in den Hühnerstall. Vorsichtig inspizierte ich die Hühner und stellte erleichtert fest, dass keines von dem Geflügel ein Zombiehuhn war. Langsam griff ich in das Hühnerhaus und holte mir die warmen braunen Eier heraus. Es waren insgesamt vier Eier. Ich seufzte schwer und dachte an den Rest der Bande. Nur vier. Das waren drei zu wenig. Ich ging wieder aus den Hühnerstall heraus und zeigte sie Abigail. Abi strahlte übers ganze Gesicht, aber verzog in der gleichen Sekunde das Gesicht. „Das sind drei zu wenig“, meinte sie und ich nickte traurig. „Ja. Aber vielleicht bekomme ich ein Frühstück hin, dass für alle reicht.“ Abigail nickte und hatte vollstes Vertrauen in mich. Ich eher weniger. Gemeinsam machten wir uns also wieder auf den Weg ins Haus und begannen dann in der Küche zu werken bzw. ich begann zu kochen. Abigail händigte mir immer die Kochutensilien aus. Gemeinsam zauberten wir dann ein fantastisches Frühstück. Der Duft der gebratenen Eier und des Specks lockte auch den Rest der Bande in die Küche. „Das riecht köstlich“, seufzte Madelyn und nahm Platz. Gleich neben ihr ließ sich Andrew fallen und nickte zustimmend. Dann saß sich Owen hin und Abigail. Dann war auch schon der Tisch voll. Ich gab allen ihre Portion und lächelte. „Guten Appetit“, wünschte ich ihnen und verzog mich dann mit Dominic und Ian ins Wohnzimmer.
„Was wollen wir heute eigentlich tun?“, fragte Dom und sah uns beide an. „Ich würde sagen wir suchen nach Vorräten. Hier in der Nähe müssten doch irgendwo noch Farmhäuser sein“, erwiderte Ian und aß seufzend sein Frühstück. Ich nickte. „Dieses Mal will ich mit auf Vorratssuche. Sonst habt ihr mich immer hier gelassen mit Owen und Abigail.“ Ian sah mich an und wollte schon wieder verneinen, doch ich schnitt ihm das Wort ab. „Ich komme mit. Ob es dir passt oder nicht, Ian“, fauchte ich ihn an und dann war das Thema erledigt. Ian wusste, dass ich äußerst stur sein konnte. „Aber ich werde mitkommen“, sagte er und duldete ebenfalls keine Widerrede. Dominic konnte nur schmunzeln. „Ihr führt euch auf, wie ein altes Ehepaar“, kommentierte er lachend und verschlang dann den letzten Rest. Ian und ich sahen uns an und brachen dann in Gelächter aus. Dominic stimmte mit ein.
Nach einer Weile waren wir alle so halbwegs gesättigt und tüftelten unseren Plan aus. Abigail natürlich blieb hier. Im Schutz des Hauses, gemeinsam mit Owen und Madelyn. Andrew, ich, Ian und Dominic machten uns auf den Weg, um die restliche Gegend abzuklappern. Abigail wollte mich gar nicht gehen lassen und ich musste ihr tausend Mal versprechen, dass ich lebend wieder zurückkam. Dann endlich ließ sie mich ziehen. Wir nutzten den sonnigen Tag und wanderten stillschweigend nebeneinander her. Unsere so schöne Stille wurde durch einen markerschütternden Schrei unterbrochen. „HILFEEEE“, schrie jemand und sein Hilferuf hallte durch den ganzen Wald. Sofort sprintete ich los und hörte Ian hinter mir fluchen. „Aly! Warte. Nicht so schnell. Das könnte eine Falle sein“, rief er und rannte mir nach. Doch ich dachte in diesem Moment nur daran, dass ich die Person retten musste. Ich war nun mal so. Ich konnte niemanden einfach so zurücklassen. Andrew und Dominic folgten mir ebenfalls und versuchten mich einzuholen, doch ich war schneller als die Männer. Schlitternd blieb ich stehen und sah einen Mann Kopfüber in der Luft baumeln.
Unter ihm hatten sich vier Zombies versammelt und versuchten den jungen Kerl zu schnappen. Doch er hatte Glück, denn er war gerade noch so aus ihrer Reichweite. Doch sein Schreien brachte die Beißer nur noch mehr in Rage. „Sei doch still“, zischte ich. Der Mann verschluckte sich an seinem Schrei und starrte dann perplex zu mir. Er hatte schwarzes Haar und himmelblaue Augen. Es sah irgendwie komisch aus, wie er so in der Luft hilflos herum baumelte. Die Zombies wandten sich jetzt mir zu. Die drei hatten mich eingeholt und schon knallten die ersten Schüsse. Dominic schaltete alle vier Zombies souverän aus und grinste stolz. Noch immer schwang der Fremde hin und her. Sein Shirt war ihm nach unten gerutscht und offenbarte einen ziemlich gut durchtrainierten Körper. Ich legte amüsiert den Kopf schief und schaute ihm noch eine Weile zu. „Hätte jemand die Güte mich hier runterzulassen?“, fuhr er uns an und war schon ganz rot im Gesicht. „Was sagt man da?“, fragte ich zuckersüß und ließ ihn noch eine Weile schmoren. „Bitte!“, stieß er hervor. Ich grinste, nahm mein Messer und schnitt das Seil durch. Der Überlebende landete im Laub und ächzte laut.
„Oh Gott. Ich dachte ich würde für immer da oben hängen“, meinte er und rappelte sich wieder hoch. Er suchte nach seiner Armbrust, die nur ein paar Meter weiter entfernt lag. Doch bevor er sie aufheben konnte, wurde er schon von Ian unsanft gegen die Rinde einer dicken Eiche gedrückt. „IAN!“, stieß ich erschrocken hervor. „Das ist nur reine Vorsichtsmaßnahme“, erläuterte er. Da waren sich Andrew, Ian und Dominic einig. Sie vertrauten dem Fremden nicht und schon wurde er kurzerhand gefesselt. Mir persönlich passte das überhaupt nicht. „Leute. Glaubt ihr ernsthaft er hätte sich selbst in einer Falle gefangen genommen?“, brummelte ich und sah den Neuling entschuldigend an. „Weiß nicht. Aber diese Falle wurde von Menschen gebaut und wer auch immer das war. Ist in der Nähe.“ Und dann war das Thema beendet. Seufzend sammelte ich seine Armbrust ein und guckte stutzig auf die grünen Pfeile. Unwillkürlich stieg mir die Erinnerung an den Tag vor vier Jahren auf. Ein Pfeil hatte meinen Vater getötet. Er hatte genauso ausgesehen, wie dieser hier. Zufall? Ganz sicherlich. Es gab eine Menge grüne Pfeile auf dieser Welt. Da musste es nicht unbedingt er sein, der mich gerettet hatte. „Aly!“, rief Andy nach mir. „Komme schon“, schrie ich und beeilte mich ihnen zu folgen.
*****
„Wie heißt du?“, fragte Ian. Sie hatten den Fremden an einen Stuhl gefesselt und fragten ihn schon seit einer Stunde aus. Doch er hatte verbissen geschwiegen. Dann waren sie aufs Foltern über gestiegen und da war mir der Geduldsfaden gerissen. „RAUS!“, brüllte ich sie alle an und stellte mich beschützerisch vor den Überlebenden. Andrew, Ian und Dominic sahen sich an und dann mich. Sie seufzten und verließen dann den Raum. Ich sah zu den drei übrigen und hob die Augenbrauen. Auch die drei anderen verließen den Raum. Abigail hatte bei jedem Schlag zusammengezuckt. Sie war Gewalt an Menschen nicht gewöhnt. Normalerweise schlugen wir ja auch keine Überlebenden. Aber die Jahre hatten die Jungs misstrauischer werden lassen. Ich machte wütend die Türe zu, holte einen Lappen und befeuchtete ihn. Dann widmete ich mich dem blutigen Gesicht des Schönlings. „Tut mir leid … normalerweise sind sie nicht so barbarisch“, entschuldigte ich mich beschämt und tupfte ihm sanft das Blut von der geschwollenen Lippe. „Ist okay. Ich kann es irgendwie verstehen. Aber ganz ehrlich. Die Falle ist nicht von mir. Ich bin nur da reingetreten.“ Er sah mich an und ich glaubte ihm. Ich lächelte kurz und machte weiter mit der Verarztung. „Ich bin Alyssa Stone“, stellte ich mich vor und sah ihn erwartungsvoll an. „Carter Walker“, erwiderte er nach einer Weile und lächelte jetzt. „Hallo Carter. Freut mich dich kennenzulernen.“ „Ganz meinerseits“, erwiderte er und zuckte dann leicht zusammen. „Tut mir leid“, nuschelte ich und tupfte ganz langsam über seine Augenbraue. „Wir haben leider kein Pflaster oder sonst irgendeine Art von Medizin. Pass bitte auf, dass kein Dreck reinkommt.“
Carter nickte leicht und lächelte wieder dieses charmante und geheimnisvolle Lächeln. „Danke, Alyssa.“ „Keine Rede wert. Ach und nenn mich Aly“, bot ich ihm an und klopfte ihm auf die Schulter. „Okay. Aly. Uhm …“ Er rüttelte leicht an die Fesseln und sah mich flehentlich an. Ich konnte nicht anders, als ihn zu befreien. Ich wusste absolut nichts über ihn und ich wusste nicht, ob er gefährlich ist, aber ich konnte nicht mitansehen, wie jemand gefesselt wurde. Da bekam ich davon eine Gänsehaut. Zumindest aber brachte ich die Armbrust aus seiner Reichweite. Vertrauen tat ich ihm bei weitem nicht. Er sah mich musternd an und ich spürte, dass ihm eine Frage auf der Seele brannte. Er atmete tief ein und wollte sie gerade stellen, doch da wurde die Türe geöffnet und die ganze Rasselbande kam herein. Ian starrte geschockt auf den entfesselten Carter und rief: „ ALY! UM GOTTES WILLEN!“ Er wollte schon auf Carter zustürmen, doch ich stellte mich dazwischen. „Ian. Das ist Carter Walker. Er stellt keine Bedrohung dar“, versuchte ich meinen Freund zu beschwichtigen. „Und das hast du in 5 Minuten herausgefunden?“, schnauzte er mich an und schob mich beiseite.
„IAN!“, brüllte ich jetzt wütend. Seit wann war er denn so angriffslustig?! Wir waren doch zivilisierte Menschen und wir sollten uns in einer Welt wie dieser menschlich benehmen, wo schon der Rest den Bach hinunterging. Ich hielt ihn am Arm fest und drehte ihn zu mir um. „Bitte. Wir können alle normal miteinander reden. Er hat die Falle nicht aufgestellt!“ Ich spürte die angespannte Atmosphäre, doch Ian gab langsam seine Abwehrhaltung auf. „Okay. Ist gut!“ Ich seufzte erleichtert und lächelte. „Danke.“ Ich küsste ihn zärtlich und kam dann auf Carter zu. „Hast du vielleicht eine Ahnung, wer diese Falle aufgestellt hatte?“, fragte ich freundlich. Doch plötzlich packte mich Carter, zog mich zu sich und hielt mir ein Messer an die Kehle. Erschrocken erstarrte ich und sah zu meinen Freunden, die mich genauso geschockt anstarrten. „Keinen Schritt näher“, knurrte Carter und drückte unsanft die scharfe Klinge in meine Kehle. Abigail schluchzte auf und starrte mich verängstigt an. Andrew hatte den Mund wütend zusammengepresst, Owen war geschockt, Madelyn überlegte sich schon einen Plan, wie sie mich rettete, Dominic griff langsam nach einer Pistole und Ian schluckte hart und starrte mich besorgt an. Meine Familie war für mich, wie ein offenes Buch. Ich hätte ihnen glauben sollen.
Manchmal hatten sie eine viel bessere Menschenkenntnis als ich. Langsam ging Carter mit mir zurück und ließ keinen von den Sechsen aus den Augen. „Keinen Schritt“, wiederholte er wieder. „Oder sie ist tot.“ Ich schluckte und versuchte mir die Angst nicht zu sehr anmerken zu lassen. Gemeinsam stolperten wir durch die Türe.
„Was willst du Carter?“, fragte ich leise und wollte mir am liebsten selbst in den Arsch treten. Wieso hatte ich ihn in den Schutz genommen? Wieso war ich so dämlich gewesen und hatte ihn entfesselt?! „Tut mir leid, Alyssa. Das ist nichts persönliches“, raunte mir ins Ohr und ging immer schön rückwärts. Er hatte das Haus komplett in Sicht. „Sollte jemand rauskommen, dann schlitze ich ihr die Kehle auf“, rief er, als er die Tür aufgehen sah. Sofort wurde sie wieder geschlossen und ich konnte jemanden fluchen hören. Das war Ian gewesen. Abis Gesicht erschien am Fenster. Sie sah furchtbar blass und verstört aus. Ich lächelte ihr beruhigend zu, auch wenn mir nicht gerade danach war.
Sobald wir in den Schutz des Waldes verschwunden waren, drehte er sich um, packte mich am Arm und marschierte zügig los. „Wo bringst du mich hin?“, wollte ich wissen und sah zurück. „Zu jemanden …“, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und zerrte mich erbarmungslos mit sich. Ich stolperte leicht, aber fing mich schnell wieder. „Bitte Carter. Lass mich gehen und wir vergessen das einfach alles!“, versuchte ich zu verhandeln. Doch Carter schüttelte den Kopf und knurrte: „Kann nicht.“ „Wieso nicht?“ „Stell nicht so viele Fragen!“, fauchte er mich an. Er zog mich weiter mit sich. „Es wird bald dunkel“, flüsterte ich und spürte schon wieder die Panik in mir aufsteigen. „Na und? Hast du etwa Angst vor der Dunkelheit?“, fragte er sarkastisch und machte keine Pause. „Ja“, presste ich hervor.
Überrascht blieb er stehen und ich rannte in ihn hinein. „Lass mich gehen“, versuchte ich es noch einmal, dieses mal flehentlich. Doch er schüttelte den Kopf. „Kann nicht“, sagte er einfach noch einmal und zog mich wieder mit sich. Ich konnte nicht verleugnen, dass ich schreckliche Angst hatte. Ich wollte wieder zurück. Ich wollte in den Armen von Ian verkriechen und diesen Tag einfach so schnell wie möglich wieder vergessen. Doch Carter zog mich weiter und führte mich immer tiefer in den Wald. Schon langsam senkte sich die Dunkelheit über den Wald und es fing prasselnd zu regnen an. Ich hörte Äste knacken, Kojoten jaulen und einen Uhu schuhuen. Plötzlich hielten wir an und ich rannte abermals in Carter hinein. „Wieso bleiben wir stehen?“, fragte ich leise und starrte mich panisch um. Die Dunkelheit war undurchdringlich und nur das sanfte Licht des Mondes erhellte uns schwach den Weg. Ich spürte mein Herz bis zum Halse pochen und ich konnte nicht anders, als mich an meinen Entführer zu klammern. „Was machst du denn da?“, zischte er, aber schüttelte mich nicht ab. Ich schwieg und zuckte bei jedem kleinen Knacken zusammen.
„Wir machen hier ein Lager“, meinte Carter plötzlich und löste meinen Klammergriff sanft. „WAS?!“, kreischte ich laut und starrte ihn panisch an. „Im Wald?!“ „Ja wo denn sonst. Auf dem Baum?“ Jetzt sah ich auf die große Eiche und nickte. „Ja. Besser.“ Schon stakste ich auf den Baum zu und versuchte hochzuklettern. Wegrennen würde in dieser Finsternis sowieso nichts bringen und meine Achluophobie ließ mich nicht von Carters Seite weichen. Carter seufzte und schon spürte ich seine Hand auf meinen Hinterteil. Er schob und half mir auf den Baum. „Wehe du rennst weg“, knurrte er und hievte sich selbst auf den Baum. „In dieser Dunkelheit? Alleine im Wald?“, stieß ich panisch hervor und machte es mir leicht gemütlich. „Glaub mir. Ich werde nicht abhauen.“ Noch nicht, dachte ich bei mir. Aber sobald es hell wurde, werde ich um mein Leben rennen.
„Rise and Shine“, schnurrte mir jemand ins Ohr. Erschrocken fuhr ich hoch und wäre beinahe den Baum hinunter gefallen. Doch Carter hielt mich davon ab. Er packte reflexartig meinen Arm und lächelte schmunzelnd. „Hier geblieben. Also Aly...“, fing er an, doch ich unterbrach ihn zischend. „Alyssa. Nur Freunde dürfen mich Aly nennen!“ Carter ignorierte mein Gemeckere und fuhr fort. „Ich werde dich jetzt zu Vincent bringen. Dann müssen wir uns nie wieder über den Weg laufen.“ Ich funkelte ihn an und schwieg. Mir brannten so viele Fragen auf der Zunge, aber ich wollte ihm nicht die Genugtuung gebe. Ich wollte ihm nicht meine Neugierde anmerken lassen. Carter musterte mich lange und machte sich dann letztendlich an den Abstieg. Ich blieb noch eine Weile da oben sitzen und hoffte inständig meine Familie würde jeden Moment durch das Unterholz stürzen und mich aus den Klauen von Carter befreien.
„Du kannst lange da hinaus starren und auf deine kleinen Freunde warten. Aber sie werden nicht auftauchen. Ich weiß, wie man Spuren verwischt. Also komm diesen verdammten Baum herunter“, zischte er mich an und bot mir seine Hand an. Ich kickte nach seiner Hand und knurrte ihn an. Carter funkelte mich ebenfalls an, packte mein Fußgelenk und zog mich mit einen Ruck nach unten. Ich kreischte vor Schock laut auf und landete in seinen Armen. „Verdammtes ARSCHLOCH!“, verfluchte ich ihn und strampelte mich frei. Er setzte mich wieder ab und rollte mit den Augen. Anscheinend wurde ich ihm langsam zu anstrengend. „Gott. Du warst anfangs echt handzahm. Und jetzt gehst du mir auf den Sack.“ „Gut“, konterte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Carter knurrte, packte mich wieder am Arm und schubste mich weiter. „Los. Beweg deinen Arsch. Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit“, fauchte er mich an.
Ich setzte mich in Bewegung und fluchte lautstark vor mich hin. Ich konnte Carter hinter mir spüren. Immer wieder schubste er mich, was mich rasend machte. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick über die Schulter, aber stolperte weiterhin weiter. Wenn ich fliehen würde, dann würde ich nicht weit kommen. Das wusste ich. Ausknocken konnte ich ihn auch nicht, denn er war zu stark. Ich hätte gegen Carter keine Chance. Jetzt stiegen mir die Tränen in die Augen und ich schluchzte. „Weinst du?“, fragte er verstört und starrte mich perplex an. „Lass mich zufrieden“, zickte ich ihn an. Die Tränen kullerten mir über die Wangen. Trotzig wischte ich mir die Tränen fort und ging weiter. Carter hielt mich auf und zog mich zu sich zurück. „Wieso weinst du?“, fragte er verwirrt und starrte mir in die Augen. „Wieso ich weine?“, fauchte ich ihn an und schubste ihn von mir. „Wieso hast du mich entführt? Ich war nett zu dir! Und so dankst du es mir?!“ „Das hat nichts mit dir zu tun“, murmelte er und sah mir nicht in die Augen.
„Dann erklär mir, wieso du mich nicht gehen lässt?“, fauchte ich ihn an und wieder schossen mir die Tränen in die Augen. „Vincent hat meine Schwester in seiner Gewalt. Wenn ich ihm ein hübsches Mädchen als Ersatz bringe, dann wird er sie gehen lassen. Es tut mir leid Aly, aber ich kann Laurel nicht in Stich lassen!“ Geschockt starrte ich ihn an. Das hatte ich nicht erwartet, aber wieso dachte er, dieser Vincent würde mich für sie nehmen? Ich war nichts besonderes. Wieso hatte er nicht Madelyn entführt oder Abigail?! Das ergab alles keinen Sinn! „Aber wieso ich!“, stieß ich hervor. „Ich bin nichts besonderes. Dieser Vincent wird niemals auf den Handel eingehen, Carter.“ Er schnaubte und zog mich weiter. „Du hast ja keine Ahnung“, murmelte er und schon bald lichtete sich der Wald und wir kamen bei einer Festung an. Ein Stacheldrahtzaun umzäunte die Hütten. Dort spielten sogar Kinder und Hunde im Dreck. Es sah nach einen kleinen Fleckchen Paradies auf Erden aus. Doch auch etwas bedrohliches ging von dieser Festung aus.
„Du musst das nicht tun“, sagte ich jetzt mit Panik in der Stimme. „Das ist die einzige Möglichkeit“, erwiderte er nur und zog mich mit. Er klopfte an. Ein Lauf eines Gewehrs begrüßte uns beide. Doch wurde sofort gesenkt, als Carter erkannt wurde. Die Tore wurden geöffnet und wir wurden hineingelassen. Ich starrte voller Angst zu den Menschen, die sich jetzt versammelt hatten und uns anstarrten. Ich versuchte tief ein – und auszuatmen, um nicht in Panik zu verfallen. Doch es gelang mir nicht wirklich. Ich sah mich immer wieder panisch um und blickte dann Carter flehentlich an. Ich klammerte mich an seinen Ärmel und bettelte: „Bitte Carter. Bitte lass mich einfach laufen.“ Carter's Gesicht war emotionslos. Ein komplettes Pokerface. „Zu spät.“ „Oh Gott“, schluchzte ich und hatte keine andere Wahl als ihm weiterhin zu folgen. Überall auf den Schutzwällen konnte ich Männer mit Waffen entdecken. Sobald ein Beißer sich dem Zaun näherte, schossen sie ihn ab. Wir marschierten zu dem größten Haus. Carter klopfte an und hielt immer noch meinen Arm umfasst. Die Türe wurde geöffnet und ein blonder Kerl mit blauen Augen und einem britischen Akzent begrüßte uns grinsend. „Carter. Was für eine Freude.“ Dann sah er mich an und musterte mich von Kopf bis Fuß.
Ich unterdrückte den Drang zu würgen und ließ diese Blicke über mich ergehen. „Ich habe einen Ersatz für Laurel“, sagte Carter kalt und drückte mich in Vincent's Richtung. Ich war mir absolut sicher, dass das der Kerl war. Wer denn auch sonst? Vincent grinste und zog mich mit in sein Haus. Carter folgte sofort. „Also?“, knurrte der junge Mann schon fast und fixierte Vincent. „Geduld Carter“, meinte der Brite nur und drückte mich auf ein Sofa. Er klatschte in die Hände und die Türe ging auf. 5 wunderschöne Mädchen traten heraus und stellten sich in Reih und Glied auf. Ich konnte nur mit offenen Mund auf die 5 starren. In welcher irren Gesellschaft war ich denn hier nur gelandet. Ich starrte zu Carter und schon dachte ich, ich würde so etwas wie Mitleid in seinen Augen funkeln sehen. Doch das war so schnell wieder weg, dass ich dachte ich hätte es mir nur eingebildet. Carter's Augen waren jetzt auf eine Brünette gerichtet, mit grünen Augen und einem ängstlichen Gesichtsausdruck. Das anscheinend war Laurel. Seine Schwester. Wieder setzte sich mein Rettungsgen durch. Ich konnte das Mädchen nicht leiden sehen. Die anderen vier hatten absolut keine Emotion im Gesicht, anscheinend waren sie sehr gut abgerichtet, aber Laurel sah aus als würde sie am liebsten sterben wollen.
Ich stand auf, straffte meine viel zu großen Klamotten und blickte Vincent direkt in die Augen. „Also. Lass Laurel frei und nimm mich. Das war doch der Deal, oder nicht?“, sagte ich mit fester Stimme. Vincent sah mich belustigt an und nickte. „Natürlich, meine Liebste. Aber zuerst machen wir dich schick. Wenn du reinpasst, dann darf die kleine Laurel gehen.“ Carter sah mich an und ich konnte Erleichterung und Dankbarkeit in seinem Gesicht lesen. Ich seufzte kurz und zuckte dann mit den Achseln. „Okay.“ Widerstandslos folgte ich dem Anführer in den nächsten Raum und wurde von weiteren Frauen herzlich aufgenommen. Das hier alles wurde seltsamer und seltsamer. Ich hatte das Gefühl im falschen Film zu sein. Ich wurde auf einen Stuhl gedrückt und konnte in einen großen Spiegel mich selbst sehen. Ich machte große Augen. Ich sah grauenvoll aus! Ich befühlte meine dreckige Wange und meine zerzausten langen roten Haare. Hach wie schrecklich! Ich könnte mich glatt zu den Zombies gesellen. Das dachten anscheinend die Damen auch, denn schon schoben sie mich in ein luxuriös eingerichtetes Bad. Beeindruckt sah ich mich um und konnte nur die Sauberkeit bewundern. Sogar das Wasser ging und eine Fülle an Duschgels und Shampoos waren ebenfalls vorhanden.
Wo die wohl das alles her hatten? Ich duschte mich ausgiebig, trocknete mich ab und zog die Unterwäsche an, die man mir bereitgelegt hatte. Dann lugte ich aus den Bad und wurde sofort wieder auf den Stuhl gezogen. Man zauberte mir eine wunderschöne Frisur. Die Haare waren nach hinten gefasst und wurden mit Klammern festgesteckt. Lange Locken fielen über meinen Rücken. Dann schminkte man mich dezent und steckte mich in ein rotes kurzes Kleid. Es hatte nur einen langen Ärmel und war eigentlich sehr schlicht, aber sah wirklich wundervoll aus. Ich starrte verblüfft mein Spiegelbild an. Meine Füße wurden in rote Pumps gequetscht und dann fand ich mich auch schon wieder in dem anderen Raum, wo die fünf Mädels immer noch stocksteif dastanden. Carter und Vincent stierten sich an, aber blickten beide gleichzeitig auf, als ich den Raum betrat. Carter sah mich mit großen Augen an. Sein Mund war leicht geöffnet und ich konnte die Verwunderung in seinen Augen lesen. Soll er mich angaffen, wie er wollte. Wäre er nicht gewesen, dann würde ich jetzt in den Armen von Ian liegen. Ich vermisste ihn so sehr und die anderen. Meine arme kleine Abigail. Hoffentlich machte sie sich nicht zu viele Sorgen.
„Wow. Sehr schön. Du wirst Laurel ersetzen“, meinte Vincent, stand auf und ging auf Laurel zu. Laurel sah mich an und ein strahlendes Lächeln huschte über ihre Lippen. Dann wanderte ihr Blick zu ihrem Bruder. Erwartungsvoll stand Carter auf und wollte schon die Arme ausstrecken, doch da blitzte plötzlich ein Messer auf und ein röchelndes Geräusch kam aus Laurel's Kehle. Ich kreischte und schlug mir dann schockiert die Hände vor den Mund. Vincent hatte dem Mädchen die Kehle durchgeschnitten. Das Blut pulsierte nur so aus dem Schnitt. Laurel brach zusammen und landete direkt in den Armen ihres Bruders. „Nein“, schluchzte Carter und drückte seine kleine Schwester an sich. „Du hast gesagt du lässt sie gehen“, brüllte er Vincent an und die Tränen liefen über sein schönes Gesicht. In diesem Moment verspürte ich nur noch Mitleid mit ihm. Ich konnte es nicht fassen. Wie konnte jemand nur so grausam sein?! Vincent lachte und zuckte mit den Achseln. „Ich hab sie gehen lassen. Nämlich in den Tod“, warf er Carter an den Kopf. Carter legte Laurel sanft auf den Boden, sprang auf die Beine und wollte auf Vincent losgehen. Doch seine Leibgarde hinderten den jungen Mann daran. Sie schliffen Carter nach draußen und warfen ihn zu Boden. Dann wurden die Türen verschlossen.
Ich konnte ihn gegen die Türe hämmern hören, doch alles was ich sah, war das Blut, dass sich um Laurel's toten Körper ausbreitete und die leeren Augen, die vorhin noch so voller Leben und Angst gewesen waren.
Laurel's Körper wurde fortgeschafft, die Böden aufs höchste poliert und der Raum desinfiziert. Carter wurde draußen zusammengeschlagen und fortgebracht. Ich stand die ganze Zeit vor dem Fenster und hatte tatenlos zugesehen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Teils fand ich, dass er es verdient hatte und teils hatte ich Mitleid mit ihm. Doch ohne Carter wäre ich nicht hier. Ohne Carter hätte ich keine Probleme. „Alyssa, Babe“, schnurrte Vincent und ich konnte plötzlich Hände an meinen Hüften spüren. Widerwillig ließ ich es zu. Ich wusste, dass man Vincent nicht reizen sollte. Man hatte ja gesehen, was aus Laurel geworden ist. Tot. Kehle durchgeschnitten. „Ja?“, fragte ich im freundlichen Ton. Ich zwang mich dazu. Er presste sich jetzt gegen meinen Rücken. Ich musste mich an der Fensterscheibe abstützen, um nicht dagegen gepresst zu werden. „Du siehst verführerisch in diesem roten Kleid aus“, hauchte er mir ins Ohr. „Ich hatte noch nie eine rothaarige im Bett. Ich hab gehört, die sind feurig und leidenschaftlich.“ Ich zuckte leicht zusammen und musste mir jeden gemeinen Kommentar verkneifen.
Ich konnte niemals Ian betrügen. Auch wenn er es verstehen würde, aber noch hatte ich meine Würde und Stolz. „Vielleicht? Vielleicht aber nicht? Aber ich bin so hungrig. In diesem Zustand kann ich dir kein Vergnügen bereiten“, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen. Seine Umarmung wurde fester. So furchtbar beengend. Ich konnte seinen heißen Atem auf meinen Nacken spüren und sofort stellten sich meine Nackenhaare auf. Ich wollte, dass er weit weit weg war. Ich hoffte, dass meine Familie mich bald retten würde. Er war in der Nähe meines Ohres und raunte: „Gut. Dann wollen wir mal etwas essen.“ Dann zog er sich zurück und ich konnte mich entspannen. Ich wandte mich zu Vincent um und setzte ein gefaktes Lächeln auf. Er streckte mir die Hand grinsend entgegen und mir blieb nichts anderes übrig als sie zu ergreifen. Er führte mich nach draußen, vorbei an den neugierigen Blicken und vorbei an einen Hundekäfig. Ich blieb erschrocken stehen und starrte auf den zusammengeschlagenen Carter, der zusammengekauert in einer Ecke saß.
Die Zelle neben ihm war mit zwei Zombies gefüllt, die versuchten durchzubrechen. „Ignorier ihn Schätzchen“, forderte mich Vincent auf und spürte, wie er mich ungeduldig weiterzog. Ich sah solange über meine Schulter, bis Carter aus meinen Sichtfeld verschwand. Ich wurde in ein großes Rathausgebäude gebracht, dass komplett umgebaut worden war. Es nützte den kleinen Dorf als Mensa. Der größte Teil des Dorfes saß bereits an den Tischen. Sie unterhielten sich leise, lachten und speisten gemeinsam. Doch nicht alle waren dort. Carter zum Beispiel. Ob sie ihn jetzt hungern lassen oder warteten sie darauf, dass die Beißer sich durchbrachen zu ihm? Bei dieser Vorstellung bekam ich eine Gänsehaut. Das hatte er wirklich nicht verdient. „Setz dich“, befahl mir Vincent. Ich befolgte seine Aufforderung und saß mich neben ein blondes Mädchen mit bernsteinfarbenen Augen. „Hi“, begrüßte sie mich sofort freundlich und lächelte. „Hey“, erwiderte ich leicht schüchtern.
Ich sah mich in dem Raum um und konnte eine gewisse Einteilung erkennen. Kinder an einem Tisch, ältere Herrschaften an einem Tisch und ich war bei den jüngeren Frauen. Vincent saß bei Typen, die großkotzig und hochnäsig aussahen. Anscheinend so etwas wie ein Rat. Ob Vincent der Präsident war? Der selbsternannte Präsident? „Das ist der Rat“, sagte das Mädchen plötzlich, als sie meinen Blick gefolgt war. „Sie entscheiden wer lebt und wer stirbt. Wer wichtig und wer unwichtig ist.“ Sie klang verbittert und stach ihre Karotte auf. Jetzt fiel mir auf, dass wir weniger zu Essen hatten als die „ehrenwerten“ Herrschaften des Rates. „Das ist ja beinahe eine Diktatur“, murmelte ich und nagte an den bisschen Fleisch, dass auf meinen Teller lag. „Das IST eine Diktatur“, flüsterte sie mir verschwörerisch zu. Dann streckte sie die Hand aus und lächelte: „Hi. Ich bin Antonia Watson.“ Ich lächelte ebenfalls und schüttelte ihre Hand. „Freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Alyssa Stone.“ „Die Freude ist ganz meinerseits“, erwiderte sie und widmete sich dann wieder ihrem Essen.
Wir speisten alle stillschweigend nebeneinander her und je weniger mein Teller wurde, desto nervöser wurde ich. Wie konnte ich ihn denn noch hinhalten? Ich musste mir etwas einfallen lassen oder ich würde mit Vincent im Bett landen. Ich sah kurz zu dem Anführer, aß meinen Teller leer und stand auf. Alle Köpfe schossen in meine Richtung, als sie das Kratzen des Stuhles über dem Boden vernahmen. Wie angewurzelt blieb ich stehen und sah in die Runde. Hatte ich etwas falsch gemacht? Vincent sah äußerst verärgert aus, doch dann entspannte sich seine Miene und er nickte mir zu.
Die Köpfe wandten sich wieder trostlos ihrem Essen zu. Langsam machte ich mich auf den Weg nach draußen. Das ist wirklich eine sehr seltsame Gesellschaft. Wo war ich hier nur reingeraten?! Ich marschierte an dem Zwinger vorbei, drehte um und saß mich dann davor hin. „Carter“, zischte ich und sah mich leicht um. Noch waren die Wachen mit ihren Patrouillen beschäftigt. Doch Carter reagierte nicht. Ich krallte meine Finger in den Maschendraht und versuchte in einem sanfteren Ton mit ihm zu kommunizieren. „Carter?“, fragte ich sanft und beobachtete ihn. Langsam hob er den Kopf und unsere Blicke trafen sich. Sein Gesicht war Tränen verschmiert und Blut verschmiert. Unter sein Auge prangte ein Veilchen und die Lippe war geschwollen und aufgeplatzt.
Mitleid packte mich wieder und ich verzieh ihm seine Missetat. „Was willst du?“, nuschelte er und hatte Schwierigkeiten zu sprechen, ohne dass er das Gesicht schmerzverzerrt zusammenzog. Ich sah mich wieder um und schob dann vorsichtig den Riegel beiseite. Die Zombies drückten ihre verrotteten Gesichter gegen den Maschendrahtzaun. Er wurde bedrohlich ins Innere gedrückt. Jetzt starrte mich Carter überrascht an und zischte leise: „Was tust du da? Du bringst dich selbst in Gefahr!“ „Ich rette dich“, antwortete ich nur und öffnete die Türe. Ich streckte ihm die Hand entgegen und lächelte ihn freundlich an. Er ergriff sie und fragte: „Wieso? Ich war ein Arsch.“
Ich zog ihn raus und machte mich dann mit ihm auf den Weg. Die Türen des Rathauses wurden geöffnet und die Bewohner strömten hinaus. Erschrocken schubste ich Carter hinter ein Gebäude und drückte mich gemeinsam mit ihm an die Wand. Sobald sie alle weg waren, atmete ich erleichtert auf. „Ja du warst ein Arsch. Aber du hast das nicht verdient. Tut mir leid wegen deiner Schwester.“ Er sah mich an und so etwas wie Reue blitzte in seinen Augen auf. „Danke“, hauchte er mir entgegen. Ich sah ihm in die himmelblauen Augen und lächelte ihn aufmunternd an.
„Ich rette halt die verlorenen Seelen sehr gerne“, scherzte ich. Er lachte heiser und strich mir eine Strähne hinters Ohr. Plötzlich war er mir so nahe. Er beugte sich zu mir vor, doch ich schob ihn von mir. „Nicht. Verwechsel meine Freundlichkeit nicht mit etwas anderem. Ich liebe Ian und ich werde ihm nicht untreu!“ Carter zuckte zurück. „Tut mir leid … ich ...“, stammelte er und brachte einen Abstand zwischen uns. Ich straffte mein Kleid und sah wieder um die Ecke. Die Luft war rein. „Komm. Lass uns von hier weg.“ „Deine Leute werden mich niemals akzeptieren“, sagte er und folgte mir nicht. Ich kam wieder zurück und umfasste seine Schultern. Ich sah ihm in die Augen und meinte sanft: „Das werden sie … mit der Zeit. Aber ich lasse dich nicht hier. Hier bist du so gut wie tot. Und halten tut dich auch nichts mehr hier.“
Schon schloss ich den Plan Antonia ebenfalls mitzunehmen. Ich mochte das Mädchen. Hoffentlich hatte sie keine Familie um die sie sich hier kümmern musste. „Du bist eine viel zu herzensgute Person“, warf er mir an den Kopf, als wäre es etwas Schlechtes. Nun ja … in dieser zombieverseuchten Welt war es das auch. Man traf nicht oft auf „gute“ Menschen. Auch die Guten mussten skrupellos werden, um zu überleben.Nur die Stärksten überlebten nun mal. Ich packte ihn am Handgelenk und zog ihn mit mir. „Ich weiß. Aber das nennt man Menschlichkeit. Die habe ich noch nicht aufgegeben“, gab ich mit fester Stimme zu.
Carter schwieg und stolperte mir nach. Doch weit kamen wir nicht. Schon umzingelten uns bewaffnete Männer und in die Mitte trat Vincent. „So. So. Ich hätte dich für ein kluges Mädchen gehalten“, meinte er tadelnd und sah mich seufzend an. Instinktiv hatte ich mich beschützerisch vor Carter gestellt. „Vincent. Lass sie gehen. Und tu was immer du willst mit mir“, kam es hinter mir von Carter. Er drückte meine Hand und trat vor mich. Überrascht starrte ich meinen egoistischen, arroganten Entführer an und war sprachlos. Hatte ich doch nicht falsch gelegen. Carter hatte eine gute Seele.
Doch Vincent lachte nur und auf ein Handzeichen hin, umkesselten sie uns und rückten näher. Schon spürte ich wie mir einer den Pistolenschaft mit voller Gewalt gegen die Schläfe schlug und dann umhüllte mich die Dunkelheit.
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Mit enormen Kopfschmerzen wachte ich auf. Ich schmeckte Blut in meinen Mund und wenn ich mich bewegte, dann drehte sich alles. Eine Hand drückte mich wieder zurück in den Schoß, auf dem mein Kopf sanft gebettet worden war. Ich zwang die Augen zu öffnen und sah nach oben. „Carter?“, flüsterte ich heiser und fasste mir an die Schläfe. Blut befleckte meine Fingerkuppen. Mein Blut. „Hey“, erwiderte er sanft und lächelte mich freundlich an. „Die haben dich ziemlich erwischt.“ Seine Finger glitten federleicht über meine Verletzung. „Wo sind wir?“, brachte ich hervor und versuchte den grauenhaften Geschmack aus meinen Mund zu verbannen.
„Sie haben uns eingesperrt“, sagte er mit gesenkter Stimme. „In einen Container.“ Das würde die Dunkelheit erklären. Wieder packte mich meine Phobie. Ich griff nach Carter's Hand und klammerte mich daran. „Was haben die vor?“, wollte ich wissen. Doch Carter schwieg. Anscheinend dachte er die Wahrheit würde mich verrückt werden lassen. Doch nicht zu wissen, was mit uns passieren würde, machte mich ebenfalls rasend vor Angst. „Bitte“, flehte ich jetzt und versuchte mich aufzusetzen. Doch ich sank wieder erschöpft zurück in seinen Schoß und schluckte die aufkeimende Übelkeit hinunter. „Bleib liegen“, herrschte er mich an, aber fuhr mir zärtlich und beruhigend durchs Haar. „Kennst du diese Hunderennen? Ein Mensch muss schneller als der Hund sein, dann hat er gewonnen?“ Ich nickte leicht.
„Das wollen die ebenfalls machen. Aber nicht mit normalen Hunden...“ „Zombiehunde“, keuchte ich auf. Mein Herz begann zu rasen. „Ich bin nicht so schnell. Vor allem nicht in diesen Schuhen!“ Dabei deutete ich auf die roten Pumps. „Zieh sie aus“, schlug er mir ernst vor. Sofort strampelte ich sie von meinen Füßen. Am liebsten würde ich das Kleid ebenfalls ausziehen. „Ich will nicht sterben, Carter“, schluchzte ich jetzt und ein großer Kloß bahnte sich in meinem Hals an.
Carter sah mich mitfühlend an und wischte mir die Tränen von den Wangen. „Keine Sorge, Prinzessin. Du kommst heil hier raus.“ Er lächelte mich mit seinen geheimnisvollen Lächeln an und zum ersten Mal sehe ich ihn nicht als meinen Entführer, sondern als einen Kumpel. „Versprochen?“, fragte ich, obwohl ich wusste, dass man nichts versprechen konnte. Aber ich brauchte das einfach. Er nickte. „Versprochen“, hauchte er mir zu und half mir mich endlich aufzusetzen. Ich schmiegte mich an ihn. Die Dunkelheit umhüllte uns wie ein Mantel und ließ mein Herz wieder rasen. Er nahm meine Hand und drückte sie. „Keine Angst. Ich bin bei dir.“ Und dann wurde die Containertür aufgemacht und Fackeln kamen zum Vorschein. Wir kniffen die Augen zusammen und starrten zu Vincent hoch. Er grinste breit. „Showtime“, sagte er höchst erfreut und winkte zwei Helferlein zu sich. Sie packten uns und zerrten uns nach draußen in die sternenklare Nacht.
Widerstand war zwecklos, also ließen wir uns durch die Nacht schleifen. Sie schubsten uns auf eine Laufbahn. Rechts und links waren hohe Zäune aufgebaut, damit ein Zombiehund sich nicht versehentlich auf die Dorfbewohner stürzte. Am anderen Ende des Tunnels war eine Leiter aufgebaut … eine einzige. Einer würde sterben, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Ich schluckte und starrte Carter an. Er sah mich ebenfalls an und lächelte mich tröstend an. „Du musst schneller wie ich sein … ich werde die Hunde von dir ablenken.“ „WAS?! Nein du opferst dich nicht!“, herrschte ich ihn laut an. Panik kroch in mir hoch.
„Das ist die einzige Möglichkeit, dass du das überlebst, Aly!“ Er sah mich ernst und entschlossen an. Ich packte sein Shirt und krallte mich hinein. Das durfte er nicht tun. Ich würde mir das niemals verzeihen. Nie würde ich darüber hinwegkommen. Er starb indem ich weiterleben konnte. Nein. Da machte ich nicht mit. Das lag einfach nicht in meiner Natur. „Wenn du langsamer als ich läufst, dann laufe ich gar nicht“, zickte ich ihn an. Carter sah mich jetzt stur und verärgert an. „Lass mich doch endlich mal selbstlos sein“, zischte er mich an. Sein Mund war zu einem dünnen Strich zusammengepresst und seine Augen funkelten wild.
Doch ich konnte genauso stur sein, wenn nicht sturer. „Komm nicht in Frage, Carter. Wir rennen gemeinsam um unser Leben und wir schaffen es beide über diesen Zaun!“, zischte ich und raffte meine langen roten Haare zusammen. Schon langsam hatten sich die Gitter gefüllt und Menschenaugen starrten uns an. In der Menge konnte ich Antonia ausmachen, die uns beide besorgt ansah. Hinter uns war ein Tor und dort wurden zwei Zombieschärferhunde hineingesteckt. Die Wachen hatten größte Mühe die Tiere unter Zaum zu halten. Sie waren blutrünstig, einem fehlte das Auge und das Fleisch hing ihnen schon von den Knochen. Mordlustig fixierten sie uns. Ich konnte spüren, wie eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper rannte. „Sieh nicht hin“, befahl mir Carter und drehte mich zu sich herum. „Nicht. Sonst bist du vor Angst zu versteinert.“
Ängstlich konzentrierte ich mich auf ihn und nickte. Dann sah ich nach vorne und sammelte mich. Im Schein der Fackeln sahen die Wunden in Carter's Gesicht noch viel schlimmer aus. Ich wollte gar nicht wissen, wie sein Körper aussah. Ich bin mir sicher, dass sie sich nicht nur aufs Gesicht beschränkt hatten. Schnell verwarf ich den Gedanken und dachte an Ian. Ich musste das hier überstehen, damit ich ihn wieder in die Arme schließen konnte. Und den Rest meiner Familie. Ich schaffe das! Ich werde schneller als diese Hunde sein und ich werde auch Carter retten. Irgendwie. Und sollte ich bei dem Versuch sterben, dann hatte ich zumindest niemanden aufgegeben. Konnte also mit einem reinen Gewissen sterben.
„Hallo meine lieben Mitmenschen“, erschallte Vincent's Stimme durch die Nacht. Er stand auf einem Podium und strahlte in die Menge. Mit kindlicher Aufregung deutete er auf uns beide und sprach weiter: „Das sind Verräter. Und so werden die Verräter bestraft. Damit wir aber auch unsere Unterhaltung haben, sind wir alle hier Zeuge dieses wunderbaren Spiels. Die beiden bekommen einen kleinen Vorsprung und dann werden Charlie und Sam auf sie gehetzt. Meine wundervollen hübschen Schäferhunde.“ Ich rümpfte die Nase und verspürte nur Abscheu für ihn. „Es können Wetten geschlossen werden“, teilte er weiter mit, währenddessen gingen zwei Kerle mit einem Baseballcape durch die Menge und sammelten Dinge ein. Ein Armband, ein Ring oder vielleicht sogar ein Schein aus alten Zeiten. Sobald das erledigt war, wurde die Aufmerksamkeit nun auf uns gerichtet.
Auf uns und die Hunde, die schon ganz scharf auf unser Fleisch waren. Ich zitterte am ganzen Leib und konnte nicht wirklich klar denken. „Aly. Du schaffst es“, raunte Carter mir entgegen und gab mir schnell einen Kuss auf die Schläfe. Dann spannte er die Muskeln, wir sahen uns gegenseitig an und dann ertönte der Startschuss. Wie der Blitz sprinteten wir beide los. Und dann hörte ich wie das Tor quietschend hochgezogen wurde und die Hunde ebenfalls losrannten. Ich konnte ihr hecheln hören, ihr knurren und das Aufprallen der verwesten Pfoten auf dem Erdboden. Ich atmete hektisch und spürte schon, wie ich zurückfiel. Carter wurde ebenfalls langsamer, aber nur mir zu Liebe. „Los Aly“, feuerte er mich an, packte mich kurzerhand an der Hand und zog mich mit sich weiter. „Schneller!“
Ich versuchte schneller zu werden, ich schaffte es für paar Sekunden, aber meine Kraftreserven schwanden ziemlich schnell. Dann erklang ein Schuss und noch einer. Die Menge kreischte auf, als noch einmal einer fiel und ein Wachmann dieses Mal tot umkippte. Direkt in den Kopf. Ein perfekter Schuss. DOMINIC! Ich sah über meine Schulter und erblickte die Zombiehunde tot auf den Boden. Doch Carter zog mich dennoch weiter. Wir erreichten die Leiter und nutzten die Hysterie, um ohne Schaden darüberzuklettern. Plötzlich landete vor unseren Füßen eine Blendgranate. Carter riss mich sofort zu Boden und schützte mich. Mit einen lauten Knall ging sie hoch und hüllte uns alle in Rauch ein. Noch eine fiel und noch eine. Wir husteten, rappelten uns wieder hoch und konnten kaum die eigene Hand vor Augen sehen.
Carter und ich verschränkten die Hände miteinander und rannten dann einfach darauf los. Das Feuer wurde eröffnet, die Menge kreischte und die Zombies, die in der Gegend herumgelungert hatten rüttelten an den Maschendrahtzaun. „Hier lang“, rief Carter und zog mich mit sich. Ich hingegen hielt Ausschau nach Antonia, doch konnte sie in dem Durcheinander nicht entdecken. „ALY“, schrie plötzlich eine männliche Stimme. Ich würde sie immer wieder erkennen. „IAN!“, rief ich zurück und zog Carter in die Richtung. Wir rannten gemeinsam weiter und dann konnte ich ihn erkennen. Sofort ließ ich Carter's Hand los und stürzte mich in Ian's Arme. „Oh, Babe“, schluchzte er in mein Haar und drückte mich fest an sich. Andy packte Ian am Kragen und rief: „Na los. Da kommt einer auf uns zu. Schneller Leute.“ Ian löste sich von mir, nahm meine Hand und dann rannten wir los. Ich sah kurz zu Carter und stellte erleichtert fest, dass er uns folgte.
Aber in der Zwischenzeit hatte er sich eine Armbrust geklaut. Wir folgten Andrew, der uns sicher durch den Nebel lotste und dann konnte ich endlich wieder etwas sehen. Ich sah schweren Herzens zurück und hoffte, dass Antonia einen Weg nach draußen gefunden hatte. Ian zog mich weiter und dann schlüpften wir durch ein Loch im Maschendrahtzaun. Madelyn wartete dort mit Dominic auf uns und strahlte als sie mich entdeckte. „Oh Gott sei dank. Du bist am Leben.“ Kurz umarmte ich sie und schon wurden wir von Andy weiter gescheucht. Die Zeit drängte und durch den Lärm wurde eine Horde von Zombies angelockt.
*****
Wir rannten bis der Morgen anbrach. Ich war schon vollkommen aus der Puste. Doch sie zwangen mich weiterzurennen. Dann kamen wir endlich bei der Straße an und blieben stehen. Owen und Abigail kamen auf uns zu. Abi sprang mir sofort in die Arme und quietschte: „OMG. Du lebst. Gott sei dank. Ich hab dich sooo vermisst!!!“ Ich lachte heiser und drückte sie fest an mich. „Ich dich auch, Abi.“ Wir lösten uns voneinander und dann ging der Radau los. Sie hatten bemerkt, dass Carter ebenfalls dabei waren und wollten sich auf ihn stürzen, doch ich stellte mich beschützerisch vor ihn, packte seine Armbrust und zielte auf meine Familie. „Keinen Schritt näher“, warnte ich knurrend. Ian sah mich erschrocken an und verstand nicht so recht.
„Lasst es mich bitte erklären, bevor ihr ihm an die Gurgel geht“, flehte ich sie an. Abigail stellte sich tapfer neben mich und zückte ebenfalls ihre Waffe. Überrascht sah ich sie an. Doch sie nickte mir nur lächelnd zu und fixierte dann die anderen. Die fünf verstanden die Welt nicht mehr, senkten aber dennoch nicht die Waffen nicht. Aber sie hörten zumindest zu. Carter hatte sich an den Baum gepresst und schwieg. „Wir hören“, sagte Andy und sah mir direkt in die Augen. „Ja. Es stimmt. Er hat mich entführt und in dieses Dorf gebracht. Aber nur weil er seine Schwester freikaufen wollte“, begann ich und sah dabei insbesondere Ian an. „Aber Laurel wurde getötet, obwohl der Anführer versprochen hatte sie gehen zu lassen. Carter wurde misshandelt und in einen Hundezwinger gesperrt. Ich habe ihn gerettet, weil ich immer noch das Gute in ihm sehe. Und vorhin .. bevor ihr kamt … wollte er sich opfern, damit ICH weiterleben kann. Ich finde er hat eine zweite Chance verdient!“
Mein Freunde sahen skeptisch auf Carter und dann auf mich. Ian's Mund war ganz schmal und ich konnte sehen, dass ihm das deutlich gegen den Strich ging. Nach einer Weile sagte dann schließlich Andy, mit gesenkter Waffe: „Okay. Du hast Recht. Er hat eine zweite Chance verdient. Aber er ist DEINE Verantwortung, Aly. Wenn er aus der Reihe tanzt bist du die, die ihn fortschickt oder … umbringt.“ Ich schluckte und willigte dann schließlich ein. „Das wird er nicht“, versprach ich und sah zu Carter. Jetzt durfte ich nur hoffen, dass ich mich nicht schon wieder irrte.
Wir saßen zu acht in dem roten Truck und schwiegen. Drei saßen vorne, drei hinten – dazu gehörte ich – und zwei saßen draußen auf der Ladefläche. Ich saß zwischen Ian und Carter und versuchte verzweifelt nicht einzuschlafen. Doch das auf und ab des Wagens und das Brummen des Motors lullten mich letztendlich doch ein. Ich schloss langsam meine Augen und sackte zur Seite. Mein Kopf landete auf einer breiten Schulter. Dann schlief ich erschöpft ein.
Ein Schlagloch riss mich aus den Schlaf. Ich wischte mir den Sabber vom Mund und starrte dann in die blauen Augen von … Carter. Ich schnellte hoch und brachte einen Abstand zwischen ihn und mir. Er grinste leicht schelmisch. „Rise and Shine, Prinzessin“, trällerte er fröhlich und ließ seinen Arm aus den Fenster des Trucks baumeln. Ich sah leicht auf den kleinen Sabberfleck auf seinem Shirt und wurde leicht rot. Mist. Wieso war ich auf die falsche Seite gerutscht?! Und wieso hat mich Ian nicht zu sich gezogen? Ich sah zu meinen Freund. Doch der schlief friedlich, wie ein Baby. Sein Kopf lag gegen die Scheibe gepresst und bei jedem Ruck schlug seine Stirn schmerzhaft dagegen. Mein armes Baby. „Wo sind wir?“, fragte ich und ignorierte Carter gekonnt. Ich zog Ian sachte zu mir und schlang die Arme um ihn.
Er wachte nicht auf und schlief selig weiter. Madelyn, die am Steuer saß, guckte kurz zu uns dreien zurück und beantwortete meine Frage: „Idaho Falls. Wir machen hier einen Stopp und werden auf Vorratssuche gehen. Als wir aufgebrochen waren, um dich zu retten, haben wir alles stehen und liegen gelassen.“ „Tut mir leid“, murmelte ich schuldig. „Hey“, begann Andrew und sah ebenfalls zurück. „Du musst dich nicht entschuldigen! Du konntest nichts dafür, dass dich ein Kerl einfach entführt hat, Aly!“ Dabei schoss er eiskalte Blitze auf Carter ab. Der junge Mann neben mir verlor sein schiefes Grinsen und sein Pokerface machte sich auf seinem Gesicht breit.
Ich sah kurz zu ihm und dann wieder zu Andy. „Ich hab's doch schon erklärt. Er wollte seine Schwester beschützen.“ Ich sah wieder zu Carter und versuchte ihn aufmunternd anzulächeln, doch er sah aus den Fenster und mied den Augenkontakt mit uns. Er tat mir wirklich Leid. Ich wusste doch, wie es war, die eigene Schwester zu verlieren … die eigene Familie. Ich hoffte zwar immer noch, dass sie irgendwo da draußen war, doch ich verlor die Hoffnung immer mehr.
Andrew murmelte irgendetwas in seinen Bart, was ich nicht verstand. Aber ich war mir sicher es war nichts nettes gegenüber Carter. Ich seufzte leicht und lehnte mich dann zurück. Abigail schlief ebenfalls, deshalb war es so ungewollt still hier im Wagen. Also blieb mir nichts anderes übrig als ebenfalls aus den Wagen zu glotzen. Die Landschaft zog an uns vorbei, in der Ferne konnte ich einen Walker ausmachen und dann passierten wir ein Willkommen im Idaho Falls Schild. Carter tippte mir auf die Schulter und grinste wieder. Ich hob leicht abwartend die Augenbraue und forderte ihn stumm auf, mir sein Begehr mitzuteilen.
„Komm. Lass uns wer bin ich spielen“, forderte er mich auf und ignorierte die misstrauischen Blicke von Madelyn und Andrew. „Okay“, antwortete ich. Froh darüber, dass ich endlich etwas zu tun hatte. Langsam wurde mir nämlich langweilig. Ich rückte Ian leicht zurecht, saß mich vorsichtig in den Schneidersitz und sah dann Carter grinsend an. „Ich will anfangen“, sagte ich und überlegte mir, wer er sein könnte. Carter schmunzelte leicht, wandte mir seinen Körper zu und wartete. „Okay. Ich hab jemanden“, sagte ich nach zwei Minuten Bedenkzeit und grinste ihn schelmisch an. „Gut. Bin ich weiblich?“, fragte er los. „Nope“, verneinte ich grinsend. „Also bin ich männlich?“ „So sieht's aus.“ „Du darfst nur mit ja oder nein antworten“, tadelte er mich. Ich rollte leicht mit den Augen.
„Ja“, sagte ich, um ihn zufriedenzustellen. „Bin ich heiß?“, fragte er weiter und kuschelte sich leicht in seinen Sitz. Ich machte den Mund auf und ließ dann den Blick über ihn gleiten. Markantes Gesicht, wunderschöne blaue Augen, pechschwarzes Haar und ein perfekter Körper. Ja er war heiß. Aber diese Gedanken waren verboten. Tabu! Das war nur ein schöner Körper. Mehr nicht. Madelyn und Andrew taten zwar so als würden sie nicht zuhören, doch sie verfolgten jedes einzelne Wort, dass zwischen uns fiel. Shit. Was soll ich denn jetzt antworten? Muss ich wohl lügen. „Nein“, erwiderte ich leicht gepresst und kaute an meiner Unterlippe herum. Carter warf mir einen seltsamen Blick zu.
„Okay. Bin ich dein Freund?“, fragte er jetzt und hatte wieder ein ironisches Lächeln auf den Lippen. Ich kniff leicht die Augen zusammen und schlang beschützerisch einen Arm um Ian. „Ian ist heiß. Also kannst du ganz sicherlich nicht er sein“, warf ich ihm an den Kopf. Das weckte meinen Schatz auf. Er hob schlaftrunken den Kopf und rieb sich über die Augen. „Wie bitte was? Redet ihr über mich?“, fragte er gähnend und machte es sich dann wieder an meiner Brust gemütlich. Ich strich ihm zärtlich durch's Haar und erwiderte sanft: „Ja. Ich hab nur gesagt, dass du heiß bist. Ich bin eben ein ehrlicher Mensch.“ Das war glatt wieder eine Lüge. So ehrlich war ich auch nicht immer.
Doch Ian grinste bei diesen Worten und küsste mich leidenschaftlich. Über seine Intensität überrascht, schob ich ihn leicht von mir. „Wieso so hungrig?“, scherzte ich und sah ganz kurz zu Carter. Er hatte die Augen leicht zusammengekniffen und beobachtete uns beide. Ian sah ebenfalls kurz zu ihm, zog mich dann auf den Schoß und küsste mich wieder feurig. Ich keuchte leicht an seinen Lippen und erwiderte dann schließlich. „Sucht euch ein Zimmer“, knurrte Carter unfreundlich. Ian löste sich, um ihn etwas entgegenzuschleudern: „Wenn's dir nicht passt, dann steig doch aus oder spring aus den Wagen!“ Beide Männer funkelten sich an. Ich konnte schon die Luft knistern spüren.
Ich drehte Ian's Kopf zu mir und schlang die Arme um seinen Nacken. „Hört bitte auf zu streiten. Wir haben noch eine lange Fahrt vor uns“, sagte ich und küsste seinen Hals, um ihn versöhnlich zu stimmen. Es klappte. Er vergaß Carter und ging auf die weiteren Sticheleien nicht mehr ein. „Ich liebe dich“, beteuerte er mir und seine Augen sprühten nur vor Liebe. Ich sah mein Ein und Alles in die marineblauen Augen und flüsterte: „Ich dich auch. Für immer.“ „Awh“, hörte ich von vorne. Abigail war putzmunter und schon begann sie eine Liebesgeschichte zu erzählen.
*****
Nach einer knappen halben Stunde hielten wir endlich an. Die Straßen wimmelten nur von Zombies. Dominic sprang vom Truck und machte sich gleich daran, die Störfaktoren zu eliminieren. Ian und ich stiegen ebenfalls aus, so wie der Rest der Bande. Lediglich Carter rührte sich keinen Zentimeter. Andy warf mir einen vielsagenden Blick zu, so nach dem Motto „Deine Verantwortung, kümmere dich darum“. Ich seufzte, ging um den Truck herum und lehnte mich an das offene Fenster zu ihm. „Carter. Das ist ein Team. Eine Familie. Wir helfen gemeinsam die Zombies aus den Weg zu schaffen. Also beweg deinen Arsch und komm aus den verdammten Auto raus“, sagte ich in einem noch freundlichen Ton.
Doch Carter verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf. „Ne. Wie soll ich die Beißer denn erledigen? Mit den bloßen Händen?“, keifte er mich an. Ich kniff leicht die Augen zusammen und öffnete die Wagentür. Abigail war natürlich bei mir. Weit weg von den Zombies. Sie klammerte sich an mich und sah sich wieder panisch um. „Ist gut, Abi. Alles gut“, versuchte ich sie zu beruhigen. Ich konnte mich doch nicht um zwei gleichzeitig kümmern! Wie schafften die Mütter von so vielen Kindern immer, die Kontrolle zu behalten? Nicht den Verstand zu verlieren? Einer bockte und die andere machte sich vor Angst beinahe in die Hose.
„Jetzt komm raus, Carter“, zischte ich und nahm die Armbrust von meiner Schulter. „Was ist mit dir?“, fragte er plötzlich und suchte nach weiteren Waffen, die ich aber nicht besaß. „Du wolltest doch eine Waffe, also nimm sie doch endlich. Gehört sowieso dir!“ Jetzt wurde ich langsam ungeduldig. Carter fluchte und nahm dann endlich die verdammte Armbrust. Er schälte sich aus dem Auto, zielte und schoss. Der Pfeil zischte durch die Luft, an Ian vorbei und brachte den Zombie zu Fall, der ihn von der Seite angreifen wollte. Erschrocken wandte sich Ian um und funkelte Carter an. Natürlich hatte er registriert, wie überaus knapp ihn der Pfeil verfehlt hatte, dass Carter ihm gerade das Leben gerettet hatte, schätzte er noch nicht einmal.
Unmöglich. Diese Rivalität zwischen den Beiden ist reiner Kindergarten! Aber gut. Carter hatte mich entführt und ich an Ian's Stelle wäre genauso schlecht auf ihn zu sprechen. „Dein Freund ist ein Arsch“, murmelte Carter und zog die Armbrust wieder an. Abigail starrte jetzt Carter an und ich konnte in ihren Augen erkennen, dass sie sich gerade unsterblich in ihn verliebt hatte. Am liebsten wollte ich mir auf die Stirn klatschen. Ich musste mit Abi später ein ernstes Wörtchen reden. Da ich so ziemlich mit den Gedanken woanders gewesen war, hatte ich nicht den Beißer heranschlurfen gesehen.
„ALY“, kreischte Abigail. Sie versuchte mich mit sich zu ziehen, doch ich rührte mich keinen Millimeter. „Was ist los?“, fragte ich verwirrt und wandte mich um. Ich konnte schon den verfaulten Atem riechen. Gleich würde alles vorbei sein. Wie schnell das Leben enden konnte. In nur einer Sekunde könntest du einfach so tot sein. Ein Zischen und im Schädel des Zombies steckte ein Pfeil. Er krachte vor meinen Füßen endgültig tot zusammen und ließ mich hart schlucken. Wieder einmal hatte mir Carter das Leben gerettet. „RÜCKZUG!“, hörte ich Andy brüllen.
Ich starrte in die Richtung der anderen und konnte eine Horde Zombies entdecken, die sich einen Weg zu uns bahnten. „Shit“, fluchte Carter, packte meine Hand und zog mich mit sich. Schnell griff ich nach Abigail's Hand und riss sie ebenfalls mit. „Carter wo rennst du denn hin?!“, rief ich und sah über meine Schulter. Wir liefen genau in die entgegengesetzte Richtung der anderen. „Vertrau mir, Aly“, sagte er nur und rannte weiter. Zum Umkehren war es sowieso schon zu spät. Abigail wimmerte vor Angst und sah mich ängstlich an. „Sieh nicht zurück, Schatz“, redete ich sanft auf sie ein. „Alles wird gut. Du wirst nicht sterben.“ Abigail nickte leicht und rannte weiter mit uns. Carter führte uns durch enge Gassen und blieb dann vor einer Feuerwehrleiter stehen. „Los. Hoch“, rief er uns zu und schoss die Zombies ab, die auf uns zukamen. Ich zog Abigail zur Leiter und drängte sie zum Klettern.
Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Sofort erklomm sie die Leiter. „Carter“, rief ich und sah zu ihm. So langsam gingen ihm die Pfeile aus. „Geh“, forderte er mich sanft auf und lächelte mich kurz an. Ich wollte ihn nicht alleine den Zombies überlassen. „Was ist mit dir?!“ „LOS!“ „ALYSSA!“, kreischte Abigail von oben herab. Ich ballte die Fäuste und kletterte dann letztendlich doch die Leiter hoch. Abigail umarmte mich sofort fest. „Wo ist Carter?“, fragte sie dann als keiner mehr nachkam. Ich traute mich nicht nach unten zu sehen … ich hatte Angst davor seine Leiche vorzufinden. „Er kommt nach“, sagte ich nur. Abigail sah mich mit diesen blauen Augen an, in denen Tränen standen. „Guck runter ..“, forderte sie mich auf.
„Wieso ich? Warum nicht du?!“, zischte ich. Wieso musste ich immer die Starke sein? Ich bin doch auch nur eine Frau. Ich bin kein Mann, der alles so locker wegstecken konnte. „Carter?“, fragte ich leise in die Stille hinein. Doch keine Antwort. Abigail und ich sahen uns an und sogar ich musste einen Kloß hinunterschlucken. Langsam ging ich auf den Rand zu. Eine Hand erschien und dann der schwarze Schopf von Carter. Erleichtert sah ich, wie er Blut verschmiert, aber lebend zu uns hochkletterte, mit einem kleinen ironischen Lächeln auf den Lippen. „Na. Habt ihr mich vermisst?“ Abigail quietschte erfreut auf und warf sich sofort in die Arme von Carter. Carter lachte leicht und war deutlich sichtbar überrascht über diese Reaktion. Er erwiderte die Umarmung und schmunzelte. Dann sah er mich an und erwartete wohl ich würde ihm ebenfalls um den Hals fallen.
Doch ich wandte mich von ihm ab. Ich wollte ihm nicht die Genugtuung geben, auch wenn ich richtig erleichtert war, dass er lebte. Aber meine Sorge, um den Rest der Gruppe war deutlich größer. Ich ging an den Rand des flachen Daches und sah über die Köpfe der Zombies hinweg. Hoffentlich hatten sie sich in Sicherheit bringen können.
Ein plötzlicher Knall ließ mich zusammenzucken. Ich hörte Abigail aufkreischen und dann schluchzen. Carter zog sie an sich und umarmte sie fest. „Sh. Ist ja alles gut“, versuchte er sie zu beruhigen. Ich sah kurz zu den Beiden und starrte dann mit aufkeimenden Tränen auf die dicke Rauchwolke, die sich durch den Himmel fraß. In diese Richtung war der Rest unserer Gruppe gelaufen … in dieser Richtung war Ian. Ich ließ mich auf meine Knie sinken und konnte jetzt das Schluchzen nicht mehr aufhalten. „Wir hätten in die andere Richtung rennen müssen“, schluchzte ich und schoss böse Blicke auf Carter.
Ich brauchte einen Schuldigen … auch wenn Carter nichts dafür konnte. Aber in diesen Moment setzte mein Verstand komplett aus. „Wären wir in diese Richtung gerannt, Alyssa. Dann wären wir jetzt tot! Dann wäre ABI tot!“, sagte er und traf einen wunden Punkt. Abigail war für mich zu einer Schwester geworden. Ich blieb auf meinen Knien und verbarg dann mein Gesicht in meinen Händen. Plötzlich spürte ich warme Arme um mich schlingen und jemand drückte mich fest an seine Brust.
„Ist ja gut“, versuchte Carter mich zu beruhigen. Er strich mir tröstend durch's Haar und machte Sh Geräusche. Langsam beruhigte ich mich und die Tränen versiegten. Abigail saß sich neben uns und nahm meine Hand. Sie lächelte mich aufmunternd an. „Sie leben, Aly. Ich meine wir reden hier von unserer Gruppe. Die sind zäh. Die haben das überlebt.“ Ich sah in ihre Augen, die pures Vertrauen aussprühten. Sie glaubte tatsächlich daran. Also begann ich es auch zu glauben. Ich nickte und löste mich dann aus Carter's Umarmung. „Wir müssen da runter und sie suchen.“ Carter warf mir einen seltsamen Blick zu, doch er stimmte zu.
Abigail war nicht gerade begeistert, aber die Aussicht hier oben alleine auf uns zu warten, war noch weniger prickelnd. Also kletterten wir auf der anderen Seite wieder hinunter und machten uns auf den Weg. Wir waren überaus vorsichtig. Gemeinsam überquerten wir die Straße und rannten zu unserem roten Truck. Er schien unversehrt und noch alles war da. „Ich werde die Läden nach Vorräten abklappern“, sagte Carter plötzlich und wollte sich schon auf den Weg machen, doch ich hielt ihn bestürzt zurück. „Was? Nein. Wir müssen zusammenbleiben“, rief ich außer mir. „Die Straßen sind Zombiefrei, Aly. Das ist die perfekte Gelegenheit! Tut was ihr wollt, aber ich werde die Läden jetzt plündern.“
Er riss sich von meinem Klammergriff los und marschierte zielstrebig weiter. Abigail sah mich verzweifelt an und wartete auf meine Entscheidung. Leise fluchte ich unschön, nahm Abis Hand und folgte dem kleinen Sturkopf. „Okay ist gut. Wir kommen mit. Wir sollten uns wirklich nicht trennen“, murmelte ich. Carter sah zu uns beiden und grinste breit. Anscheinend hatte er erwartet, dass wir ihm folgten. Mistkerl. Doch Abigail war hin und weg. Sie ging zwischen mir und Carter und begann wieder drauf loszuplappern. Sie redete über das, was ihr gerade in den Sinn kam.
Carter hörte ihr aufmerksam zu und streute seine eigenen kleinen Geschichten mit ein. Ich beobachtete die Beiden und verkniff leicht den Mund. Seit wann hegte er denn so ein riesen großes Interesse an Abigail?! Das passte mir nicht wirklich. Ich musste sie vor diesem Kerl beschützen. Der wollte doch nur in ihr Höschen rein und dann warf er sie weg, wie ein benutztes Taschentuch. Dann hatten wir die Bescherung. Abigail mit einem gebrochenen Herzen. Also drängte ich mich zwischen die beiden und lächelte zuckersüß. „Also welchen Shop plündern wir als erstes?“, wollte ich gut gelaunt wissen.
Abigail warf mir einen „Was soll das“- Blick zu und Carter einen wissenden. Bestimmt dachte er jetzt ich wäre eifersüchtig oder so was in der Richtung. ABER ich wollte wirklich nur Abigail beschützen. Das taten große Schwestern nun mal! „Die Drogerie“, sagte er schlicht und steuerte den Laden an. Ich hob eine Augenbraue und folgte ihm. „Willst du dir Kosmetik mitnehmen, oder wie?“, fragte ich sarkastisch, aber er hielt grinsend eine Schachtel Kondome hoch und zwinkerte mir zu. „Wozu brauchst du Kondome!“, fauchte ich und riss ihm die Schachtel aus der Hand. Er lachte belustigt und nahm sich direkt eine andere Schachtel.
„Man weiß ja nie. Stimmt's?“, sagte er und ließ dann den Blick über mich gleiten. Aber dann gehörte seine Aufmerksamkeit Abigail. Er ging auf sie zu und lächelte sie charmant an. „Guck was ich gefunden habe“, sagte er mit einer rauen verführerischen Stimme. Abigail war ihm total verfallen und sah ihn erwartungsvoll an. Er zog eine kleine Engelsfigur heraus und schenkte sie ihr. „Für dich“, schnurrte er und strich ihr sachte übers blonde Haar. Sie quietschte vor Freude und umarmte ihn fest. „Danke Carter. Das ist soooo süß von dir“, stieß sie hervor. Ich kniff die Augen zu, drehte mich um und verschwand in den langen Gängen. Das wollte ich mir echt nicht mehr ansehen.
Ich schlenderte an Regalen vorbei und nahm alles mit, was mir nützlich erschien. Duschgels, Shampoo, Spülung, Deos, Zahncreme und Zahnpasta und noch so viel mehr. Ich packte es in den Einkaufskorb, den ich mir genommen hatte und stellte ihn dann auf den Boden. Im untersten Regal fiel mir etwas süßes ins Auge. Ich bückte mich vor und wollte danach greifen, doch plötzlich spürte ich Hände an meinen Hintern, die mich zurückrissen. „CARTER!“, brüllte ich wütend und wollte mich umdrehen, doch der Kerl drückte mich gegen das Regal und begann mich zu begrabschen.
Ich keuchte auf und wusste sofort, dass das nicht Carter war. „Carter? Nein Baby. Ich bin Kai“, raunte er mir ins Ohr und drückte mich fester an das Regal. Ich erstarrte komplett. Mein Körper verkrampfte sich und bevor ich wusste wie es mir geschah lag ich schon auf dem dreckigen Boden und spürte sein Gewicht auf mir. Er zerrte an meinen Klamotten, küsste meinen Hals und ich konnte die Geilheit in seinen grünen Augen sehen. Dann plötzlich erwachte ich aus meiner Starre und begann zu kreischen. Ich drückte ihn von mir, doch er packte mit einer Hand meine Hände und hielt sie über meinen Kopf. Dann hielt er meinen Mund zu. „Pst. Du willst doch nicht, dass dich der Schwarzhaarige und das blonde Mädchen hören“, sagte er leise lachend. Doch jetzt konnte er mich nicht mehr ausziehen, weil er beide Hände verbraucht hatte.
Er begann leise zu fluchen und suchte dann nach etwas in seiner Tasche. Dabei musste er meinen Mund loslassen. Diese Gelegenheit nutzte ich natürlich sofort. „HILFE! CARTER!“, kreischte ich und war beinahe den Tränen nahe. Ich wand mich unter ihm, doch das törnte ihn nur noch mehr an. „Keine Sorge. Bald bekommst du die Erlösung. Schade, dass du es nicht mehr so wirklich mitbekommst.“ Er schüttelte ein kleines Fläschchen. Das war Schlafmittel. Sofort wurde mir bewusst, was er vorhatte. „Nein. Bitte“, schluchzte ich. Doch Kai grinste nur dreckig, packte meinen Kiefer und zwang mich den Mund aufzumachen. Er tropfte mir die Flüssigkeit auf den Mund und war überaus zufrieden mit sich. „HILFE!“, kreischte ich wieder und bekam eine geschmiert.
„Hör endlich auf zu schreien. Die sind sowieso schon längst weg“, zischte er mich an. „Ach ja? Denkst du das wirklich?!“, kam eine bedrohliche Stimme hinter ihm. Carter packte Kai am Kragen und zerrte ihn von mir. „Du mieser Drecksack. Lass die Finger von ihr“, hörte ich ihn brüllen und dann schlug Carter Kai eine in die Fresse. Kai taumelte zurück und riss ein Regal mit sich zu Boden. Aber so langsam verschwamm die Sicht und meine Lider wurden immer schwerer. „Carter“, flüsterte ich schwerfällig und versuchte aufzustehen, doch meine Glieder gehorchten mir nicht mehr. „Aly. Ich bin hier. Ich bin da“, hörte ich ihn. Ich spürte seine Arme um meine Taille. Er versuchte mich auf die Beine zu bekommen, doch die konnten mein Gewicht nicht mehr halten. „Wo ist Abi?“, fragte ich leicht schläfrig. „Abigail geht es gut. Aly bleib bei mir.“ „Geht nicht“, hauchte ich und driftete ins Nirwana ab.
Ich konnte Stimmen hören und ich konnte spüren, wie mir jemand über die Haare strich. „Carter?“, flüsterte ich und versuchte meine Augenlider zu öffnen, doch sie waren so unendlich schwer. Ich war so müde und hatte Schwierigkeiten wirklich wach zu werden. „Wer ist Carter?“, fragte mich eine junge weibliche Stimme. „Ist das dein Freund?“ Plötzlich war ich hellwach und sprang erschrocken auf. Ich taumelte rückwärts und starrte dann in das Gesicht meiner Schwester. Sie war jetzt zu einer jungen Frau herangewachsen. Noch ein Jahr dann würde sie volljährig sein.
Ich schüttelte vehement den Kopf und stammelte: „Nein. Das ist unmöglich … oh mein Gott. Ich bin tot, nicht wahr? Oh Gott.“ Schnell sehe ich mich um, jedoch sieht das nicht gerade wie der Himmel aus.
Scheiße. Ich war in der Hölle!! Aber meine Schwester kann doch nicht in der Hölle gelandet sein …
„Nein. Du lebst. Oh Alyssa. Ich dachte ich würde dich nie wiedersehen“, sagte Stefanie und hatte Tränen in den Augen. Völlig perplex starrte ich sie an und brauchte einen Monat, bis mein Gehirn das verarbeitete. Meine Schwester war nicht tot. Sie war …
„Stef“, schluchzte ich jetzt und umarmte sie fest. „Oh Stefanie.“ Die Tränen brachen aus mir hervor, Schluchzer durchschüttelten meinen Körper. Ich umklammerte den dünnen Körper meiner kleinen Schwester und hatte Angst, dass sie sich einfach in Rauch auflösen würde. Doch sie bestand aus Fleisch und Blut. Sie war wahrhaftig hier! „Wo warst du die ganze Zeit?“, fragte ich sie leise und sah ihr in die Augen. Sie lächelte mich fröhlich an und machte eine ausschweifende Bewegung. „Ich war hier.“ „Hier? Und wie bist du hier her gekommen?“, durchbohrte ich sie mit meinen Fragen weiter.
Kurz ließ ich den Blick über das kleine Camp schweifen. Es waren nicht viele Menschen hier. Ich konnte sechs zählen, ich entdeckte sogar ein mir bekanntes Gesicht. Es war Antonia. Ich freute mich, dass sie es lebend aus den Camp geschafft hatte, jedoch gefror mir das Lächeln auf den Lippen als ich Kai erblickte. „Was macht der denn hier?“, zischte ich aufgebracht und deutete auf den Drecksack, der mich vergewaltigen wollte. Stefanie fuhr sich nervös durch das Haar und murmelte schnell: „Er ist unser Anführer.“ Dann sprang sie auf und wollte gehen. „Was. Wie bitte?“, brachte ich schockiert heraus und stand ebenfalls auf.
„Aly lass es einfach. Sprich ihn nicht darauf an und bitte sag deinen Leuten sie sollen ihn zufrieden lassen. Du sollst uns nicht falsch verstehen, aber ...“ Jetzt wurde ich panisch. Jede Faser meines Körpers war in Alarmbereitschaft. „Stefanie. Wo sind meine Leute!“, quiekte ich aufgebracht und machte mir große Sorgen um meine Familie.
Doch Stefanie konnte mir nicht in die Augen sehen. So befürchtete ich das schlimmste. Wehe die hatten ihnen irgendetwas getan, dann wird Kai der erste sein der seinen Kopf verliert.
Ich ballte leicht die Fäuste und forderte meine Schwester auf, mich zu meinen Leuten zu bringen. Noch druckste sie herum, doch letzten Endes gab sie dann doch nach und führte mich in eine Scheune. Ich konnte es kaum erwarten bis sie endlich das Scheunentor beiseite schob. Doch als ich meine Leute erblickte, blieb mir die Luft weg. Keuchend starrte ich auf meine gefesselte Familie und konnte nicht fassen, was ich da erblickte. „Was habt ihr getan“, zischte ich sie an und schüttelte fassungslos den Kopf. Alle sieben waren gefesselt und einige von ihnen hatten sogar unschöne Wunden vorzuweisen. „Es tut mir leid, Alyssa. Aber … wir konnten ihnen nicht vertrauen“, meinte sie kleinlaut und sah auf ihre Schuhspitzen. Ich umfasste ihre Schulter und schüttelte sie aufgebracht. „Stefanie. Sieh mich an!“, forderte ich sie auf und fixierte sie mit einen durchdringenden Blick.
Zaghaft blickte sie auf und unsere Blicke trafen sich. Ich erkannte sie kaum wieder. Seit wann ließ sie sich so bevormunden? Immer war sie das sturköpfige Mädchen gewesen, dass sich nichts bieten hat lassen. Jetzt … jetzt war sie das Schoßhündchen von einem Drecksack! Einem Drecksack, der wohlgemerkt nicht davor zurückschreckte Frauen zu vergewaltigen. Wütend war gar kein Ausdruck, ich war außer mir vor Zorn. Sofort preschte ich auf meine Freunde zu und begann sie zu entfesseln. „Nein, Aly. Was machst du denn da?“, piepste meine Schwester, die mir so fremd geworden war und versuchte mich aufzuhalten, doch ich schüttelte sie harsch ab. „Ich befreie meine Familie, was denn sonst. Wir sind hier weg. Du kannst gerne mitkommen, aber ich bleibe hier keine Sekunde!“
Plötzlich hörte ich ein Klicken und hielt bei Abigail mit der Entfesselung inne. Langsam sah ich auf und starrte in den Lauf einer AK47 Kalaschnikow 1947. „Ihr geht nirgendwohin“, schnauzte uns Kai an und hatte seine ganze Crew bei sich versammelt. „Aufstehen.“ Ich presste die Lippen aufeinander, doch kam seiner Aufforderung nach. Schließlich war er der Kerl mit der Waffe. Mir wurden sie ja abgenommen.
„Und jetzt wegtreten“, forderte er mich weiterhin auf. Ich ballte die Hände zu Fäusten, aber tat wie mir geheißen. „Wieso lässt ihr uns einfach nicht gehen?“, platzte es wütend aus mir heraus. „Wir packen unsere Sachen und dann sind wir hier weg und ihr könnt tun und lassen, was ihr schon vorher getan habt.“ Kai lachte und die restliche Gruppe stimmte mit ein, sogar meine kleine Schwester lachte nervös mit.
Fassungslos sah ich Stefanie an und verschränkte dann die Arme. Lediglich Antonia war still und hielt sich im Hintergrund. „Hör zu, Schätzchen. Wir brauchen erstens eure Waffen und zweitens brauchen wir alle Kräfte, die wir kriegen können.“ Dann begann er auf die Personen zu deuten und zählte deren Namen auf. Antonia Watson, Stefanie Stone, Conrad Lincoln, Marcel Everett, Charlet Jenkins.
Doch mich interessierten nicht die Namen seiner Komplizen. Ich wollte hier fort und ich würde Stefanie und Antonia mit mir nehmen! Aber soweit kam ich nicht, denn die Leute, die ich entfesselt hatte, wurden wieder gefesselt und ich wurde mit nach draußen geschleift. „LASST SIE LOS!“, brüllte Ian. „ICH SCHWÖRE BEI GOTT, WENN IHR SIE ANFASST ...“ Doch dann war er still.
Ich wollte zurück sehen, doch schon war ich aus der Scheune und wurde in die entgegengesetzte Richtung geschleift. „Lass mich los“, brüllte ich und biss Kai in den Arm. „Ah. Bitch“, fluchte er laut und ließ mich los. Sofort rannte ich los, doch wurde von meiner eigenen Schwester aufgehalten. „Stef“, rief ich fassungslos, bevor ich eine Faust ins Gesicht geschlagen bekam. Das letzte was ich hörte war. „Ganz schon kampflustig, die Schlampe.“
„Alyssa!“, rief jemand nach mir. Langsam kam ich zu mir und konnte dann das Gesicht von Ian über mir sehen. „Ian“, flüsterte ich und spürte gleichzeitig die Fesseln, die mir scharf ins Fleisch schnitten. Meine Sicht wurde mit jeder Sekunde wieder klarer. Wir waren in einer Kirche und zu meiner Erleichterung waren alle da und wohlauf. Jedoch Stefanie war weit und breit nicht zu sehen, was mich traurig stimmte. Also hatte sie Kai gewählt und nicht ihre eigene Schwester. „Wie fühlst du dich?“, fragte mein Freund besorgt und fuhr mir sanft über meine Schläfe. Ich hatte Kopfschmerzen und die Fesseln nervten.
Doch ich antwortete automatisch mit einem gut. Ian sah mich skeptisch an, jedoch ließ er es dabei. Auch er war gefesselt, schmutzig und voller Blut. Mit großer Mühe saß ich mich auf und musterte ihn besorgt. „Du siehst schrecklich aus, Ian. Was haben die mit dir angestellt?“
„Alles gut, Süße“, versuchte er mich zu beruhigen und schenkte mir ein kurzes Lächeln. Seine Hände waren genau, wie bei mir auf den Rücken gefesselt worden. Es war kaum möglich sie so zu lösen. Doch aus den Augenwinkeln sah ich Andrew, wie er seine Handgelenke rieb und dann den Rest von uns ebenfalls entfesselte. Alle bis auf Carter.
Ich warf Andy einen bösen Blick zu und tat es dann selbst. „Andrew, Carter gehört zu uns“, brummelte ich und befreite ihn von den Fesseln. Doch unser Anführer zuckte lediglich mit den Schultern und steckte dann mit Madelyn den Kopf zusammen. Ich seufzte schwer, sah dann zu Carter und klopfte ihm auf die Schulter. Doch bevor ich meine Hand wieder zurückziehen konnte, hielt er sie fest und sah mir tief in die Augen. „Hat er dir etwas angetan?“ Ich schüttelte leicht den Kopf und lächelte ihn dann kurz dankend an. „Danke, Carter. Ohne dich hätte er mich vergewaltigt.“ Er drückte meine Hand und lächelte mich mit einen liebevollen Lächeln an. „Kein Thema. Würde ich jederzeit wieder tun“, erwiderte er und ließ dann endlich meine Hand los.
„Wir haben ein Problem, Leute“, erklang da Dominics Stimme. Sie hallte durch die Kirche und ließ uns alle herumfahren. „Welches?“, fragte ich leise und stand auf. Meine Füße trugen mich automatisch zu Ian. Er legte einen Arm um mich und zog mich an seinen wärmenden Körper. Dom sah uns alle ernst an und deutete dann auf die große Eichentür der Kirche. „Verschlossen. Da kommen wir nicht raus. Was auch immer die vorhaben, es ist nichts gutes“, sagte er und presste die Lippen aufeinander. Ich konnte Abigail erschrocken Einatmen hören und dann hörte ich Andrews tiefe, sanfte Stimme. Er stand am Kirchenfenster und sah hinaus. „Was es auch immer ist. Dort draußen stehen die Leute mit Waffen und richten sie auf die Kirche. Auch wenn wir durch's Fenster springen, würde es uns nur den Tod bringen. Wir sollten abwarten was geschieht. Vielleicht wollen sie nur reden.“ „REDEN?!“, schnaubte Carter und schüttelte über diese Aussage den Kopf.
Er saß sich auf eine der umgeworfenen Kirchenbänken und sah in die Runde. Ich konnte nicht anders als ihm Recht zu geben. Denn ich hatte Kai erlebt. Das war ein Arschloch hoch drei, der sogar meine Schwester so unterm Griff hatte, dass sie sogar ihre eigene Schwester verriet. Ich wollte ja gar nicht wissen, was er mit ihr angestellt hatte. Wehe er hatte sie angefasst, dann werde ich ihm seine Männlichkeit abschneiden und sie an die Ziegen verfüttern!
Madelyn seufzte, fuhr sich durch's Haar und sagte dann mit fester Stimme: „Ich glaube auch nicht, dass sie reden wollen. Aber uns bleibt jetzt nichts anderes übrig als abzuwarten.“ Die komplette Gruppe nickte einstimmig.
Gemeinsam mit Ian saß ich mich in eine ruhigere Ecke. Ich sah Antonia, die sich mit Madelyn zu anfreunden schien. Anscheinend hatte sie sich gegen Kai gestellt und musste jetzt gemeinsam mit uns auf ihre Strafe warten. Mit jeder Sekunde die verstrich, stieg meine Angst. Ich wollte nicht sterben. Aber ich war zu stolz, als dass ich Kai gewinnen ließ! Ich wollte nicht hier bleiben und dem Kerl die Füße lecken und ihm in den Arsch kriechen.
„Wieso bist du eigentlich mit Abigail, Carter nachgerannt?“, fragte mich plötzlich Ian und ich konnte an seinem verkniffenen Gesicht sehen, dass er eifersüchtig war. Eifersüchtig auf Carter, obwohl ich IHN liebte. Ich liebte ihn seit 3 Jahren aber dennoch hatte er Angst, dass ich mir einen anderen Kerl nahm. „Ich bin ihm nicht nachgerannt“, fauchte ich schärfer als beabsichtigt.
„Die Zombies kamen und es blieb uns keine andere Wahl. Wir mussten eine andere Richtung einschlagen. Ich wollte euch suchen, aber Abi und Carter wollten lieber Läden plündern, da eben die Horde fort war. Ich musste doch auf Abi aufpassen, deswegen bin ich mit.“ Ian nagte an seiner Unterlippe. Seine blauen Augen waren immer noch skeptisch und sein Gesicht verhärtet. „Magst du ihn, Aly?“, bohrte er weiter nach. Ich schnaubte, rückte von ihm weg und verschränkte jetzt die Arme vor meiner Brust. „Willst du mir was unterstellen, Ian? Ja ich mag ihn, aber nicht auf diese Weise. Er hat mir schon oft das Leben gerettet. Aber Ian ich LIEBE dich! Wieso bist du plötzlich eifersüchtig? Auf was denn?!“, knurrte ich wütend an. Ian zuckte leicht zusammen, nahm meine Arme und zog mich dann in eine Umarmung. „Tut mir leid, Aly. Bitte lass uns nicht streiten. Es tut mir leid. Ich liebe dich auch. Du bist alles für mich. Du bist meine ganze Welt.“ Ich schlang die Arme um ihn und schmiegte mich dann mit einem dicken Kloß im Hals an ihm.
Ich liebte Ian über alles. Auch wenn jetzt Carter in mein Leben getreten war, gehörte mein Herz immer noch Ian. Ich mochte Carter als guten Freund, aber nicht mehr. Ich vertraute Carter nicht immer. Manchmal hatte ich das Gefühl er verbarg etwas vor mir und den anderen. Doch dann wieder hatte er Momente, wo man ihm sogar sein Leben anvertrauen konnte. Während ich mich an Ian kuschelte, sah ich über Ians Schulter zu Abi und Carter. Ich riss die Augen auf und traute kaum dem, was ich da sah. Die beiden küssten sich tatsächlich. Schnell machte ich die Augen zu und wieder auf. Das war bestimmt eine Einbildung gewesen, aber nein. Beide knutschten als gäbe es keinen Morgen mehr, was vielleicht auch so zutraf, doch mein Beschützerinstinkt war einfach viel zu groß ausgeprägt.
Plötzlich öffnete Carter seine eisblauen Augen und sah mich an, während er meine beste Freundin küsste. Ich kniff die Augen zusammen, löste mich von Ian, doch wurde von ihm wieder zurückgezogen. „Hey wo willst du hin?“, fragte er leicht lachend und küsste mich sanft auf die trockenen Lippen. Plötzlich war alles vergessen. Ich grinste an Ians Lippen und erwiderte mit purer Leidenschaft.
Mein Freund zog mich auf seinen Schoß, umschlang meinen Körper mit seinen Armen und presste sich enger an mich. Ich löste mich keuchend und strahlte ihn verträumt an. „Ich könnte ohne deine Küsse nicht leben“, hauchte ich, doch bevor ich unsere Lippen wieder miteinander vereinen konnte, tippte mir jemand auf die Schulter. „Aly. Kann ich kurz mit dir sprechen?“, erklang die Stimme von Owen an mein Ohr.
Ian sah enttäuscht aus, doch ich nickte und drückte dann meinen Freund noch kurz einen Kuss auf die Mundwinkel, bevor ich mit Owen mitging. Wir kamen an Abi und Carter vorbei, die immer noch weiter knutschten. Ich kniff die Augen zusammen, ging an beiden vorbei und trat mit meinen Fuß gegen Carters Hintern, bevor ich dann schnell Owen nachrannte. „Au!“, konnte ich noch hören. Ich konnte sehen, wie er sich im Raum umsah und dann mich fixierte.
Shit. Woher weiß er, dass ich es war? Ich versuchte mein Grinsen zu verbergen und konzentrierte mich dann auf den alten Mann. Owen deutete mit einen langen krummen Finger auf Carter und dann auf mich. „Was ist das?“ „Was ist was?“, fragte ich verdutzt und runzelte verwirrt die Stirn. „Na das zwischen dir und Carter.“ Jetzt seufzte ich und wurde mal wieder wütend. Was war nur mit den Leuten los? „Da ist nichts“, knurrte ich erbost und presste die Lippen aufeinander. Doch der alte Mann schüttelte den Kopf und hob dann mein Kinn an. Er lächelte mich großväterlich an und erklärte: „Ich weiß, dass du keine romantischen Gefühle gegenüber Carter hegst, aber er gegenüber dir. Deswegen will er dich mit Abi eifersüchtig machen, weil er weiß, dass sie dir viel bedeutet. Du musst ihm sagen, dass du nicht an ihm interessiert bist, bevor Abi's Gefühle verletzt werden.“
Ich nahm langsam seinen Finger weg von meinem Kinn und schüttelte ungläubig den Kopf. „Er hat keine romantischen Gefühle, er will mich nur flachlegen und Ian ärgern, weil er Ian hasst. Aber ich werde ihm sagen, dass er die Finger von Abi lassen soll.“
Mit diesen Worten stand ich auf und marschierte direkt auf Carter und Abi zu, der mich keine Sekunde aus den Augen ließ. Doch der Ruf von Andrew ließ mich in der Bewegung innehalten. „SIE BRENNEN DIE KIRCHE AB!“, brüllte er außer sich und presste sein Gesicht gegen die Scheibe. Sofort rannte ich auf unseren Anführer zu und presste ebenfalls die Nase an die Scheibe. Ich konnte sehen, wie sogar meine kleine Schwester eine Fackel in der Hand hielt und sie gegen das alte Holz der Kirche hielt. Die Flammen leckten an dem Holz und züngelten nach oben. In binnen zwei Minuten begann das Gotteshaus lichterloh zu brennen.
„FUCK!“, fluchte Andrew und zog mich von dem Fenster fort. Doch ich war wie erstarrt. Meine eigene Schwester wollte uns abfackeln. Das konnte doch nicht wahr sein. Hatte ich irgendetwas getan, was sie zu solchen Taten führt? Ich war immer nett zu ihr gewissen, ich hatte sie immer beschützt und ich hatte sie vier Jahre lang gesucht.
Jetzt spürte ich die Tränen über meine Wangen laufen. Langsam füllte sich Rauch in der Kirche an. Er ließ meine Augen brennen und ich begann keuchend zu husten. Dann packte mich eine Hand und zog mich weiter, ohne darauf zu achten, ob ich nun mitkam oder nicht. „Willst du sterben?“, fauchte er mich wütend an und schob mich eine Treppe hoch zur Orgel. Ich konnte Carter hinter mir spüren, ich fühlte seinen Atem und spürte sogar das hektische auf und ab seiner Brust. „Nein“, schluchzte ich und wischte mir dann trotzig die Tränen fort.
Jetzt hielt er inne, nahm mein Gesicht zwischen seine Hände und zwang mich ihn anzusehen. „Ich weiß es sieht schlimm aus und deine Schwester ist in allem verwickelt. Aber glaub mir, wenn ich dir sage, dass deine Schwester dich liebt, egal welcher Gehirnwäsche sie unterzogen worden ist!“
Dann ließ er mich los und zog mich weiter zu dem Rest der Gruppe. „Der einzige Weg hier raus, ist das Fenster. Ich werde springen und euch dann unten aufmachen“, sagte Andrew mit ernster Stimme und stellte den Kragen seiner Jacke auf. „Ich springe mit“, rief Carter neben mir und marschierte zu unseren Anführer. Andy nickte ihm kurz zu, dann rannten sie los und brachen durch das Glas des Fensters. Ich machte mir Sorgen um die Beiden. Die Kirche war nicht gerade niedrig. Schnell rannte ich zu dem zerbrochenen Glas und sah nach unten. Doch der Rauch war einfach zu dicht. Ich musste zurücktreten und hustete mir die Seele aus den Leib. Auch wurde es immer heißer hier drinnen.
„Wir sollten wieder nach unten“, hörte ich Dominic, seine Stimme war rau und brüchig. Abi hustete neben mir und fragte ängstlich: „Glaubt ihr sie haben das überlebt?“ „Ja natürlich“, erwiderte Madelyn fest überzeugt. „Andrew hat das überlebt. Er war in der Armee. Er schafft das schon.“ „Und was ist mit Carter?“, kreischte Abigail. Stimmt was war mit Carter? Wir wussten über ihn eigentlich so gut wie nichts.
Der Rauch kratzte in meinem Hals und bereitete mir Übelkeit. Ich stolperte und wäre beinahe die Treppe runtergestolpert, wenn mich Ian nicht aufgehalten hätte. „Achtung, Aly“, raunte er mir zu, hielt mich fest und brachte mich sicher nach unten. „Ich kann nicht mehr“, murmelte ich und hustete weiter. Meine Lungen schrien nach frischer Luft und dann sah ich, wie sich die zwei Türen öffneten und Sonnenstrahlen ihren Weg in das Kircheninnere suchten. „Schneller“, rief uns Andrew zu. „Die Kirche bricht gleich zusammen!“
Wir nahmen unsere letzten Kräfte zusammen und rannten nach draußen. Sobald wir der Hölle entronnen war, krachte das Bauwerk zusammen. Ich ließ mich auf die Knie fallen und hustete den Ruß aus meiner Lunge. Gierig zog ich die frische Luft ein und krallte mich in die Grashalme. Ich wischte mir über das dreckige Gesicht, hob den Blick und war sofort wieder auf den Beinen. „ZOMBIES!“, rief ich erschrocken. Wir hatten keine Waffen. Ohne Waffen hatten wir gegen die Untoten keine Chance. „Lauft!“, brüllte Ian und zog mich mit sich, doch ich schüttelte den Kopf und wollte den anderen Weg einschlagen. Den Weg ins Lager. „Was machst du?“, brüllte er außer sich. „Ich werde meine Schwester befreien“, rief ich und rannte los, bevor er mich aufhalten konnte. „Scheiße!“, hörte ich ihn fluchen. Dann rannte er mir nach und ebenso folgten Carter und Antonia.
Wir vier schlugen uns durch die Büsche und verschanzten uns dann hinter einen großen unbrauchbaren Autowrack. „Was willst du jetzt tun? Willst du einfach hinein spazieren und mal sie lieb bitten, ob sie dir deine Schwester überreichen?“, fragte Carter sarkastisch und drückte sich enger an das Autowrack. Ich rollte mit den Augen, beobachtete die Gruppe und zischte dann ungehalten: „Nein natürlich nicht. Für wie naiv hältst du mich eigentlich?! Ich habe mir noch keinen Plan zurecht gelegt. Das kommt spontan.“ Dann wollte ich schon weiterkriechen, doch Carter zog mich wieder zurück. „Bist du verrückt?!“, staubte er mich wütend zusammen und sah um die Ecke, wo gerade zwei in unsere Richtung kamen und ein Loch in unserer unmittelbarer Nähe aushoben. „Nein bin ich nicht“, flüsterte ich und löste seinen Griff um mein Handgelenk.
„Carter hat recht“, schaltete sich jetzt auch Ian ein und legte seine Hand auf mein Knie. „Diese Leute sind gefährlich. Ohne einen Plan werden wir drauf gehen. Wirst du draufgehen. Das lasse ich nicht zu, Aly.“ Am liebsten wollte ich frustriert aufschreien, doch das würde die Leute nur auf mich aufmerksam machen. Also schrie ich innerlich und schlug innerlich um mich, wie ein kleines Kind, dass seine Süßigkeiten nicht bekam. Also beobachtete ich die beiden Leute, die weiter ihr Loch aushoben. Der Himmel verdüsterte sich langsam mit einer dicken Wolkendecke. Trüber, eiskalter Nebel legte sich über uns alle. Mit der Zeit, wo wir uns einen provisorischen Plan zurechtgelegt hatten, wurde der Nebel dichter und zudem hat es sich zu einen gewaltigen Sturm mit Blitz und Donner entwickelt. Carter, Ian und Antonia sahen mich zweifelnd an, doch die wilde Entschlossenheit in meinen Augen, ließ sie schweigen. Es wurde dunkel. Die Eichen in der Nähe warfen riesige Schatten und deren Äste wurden vom Wind drangsaliert. Jetzt packte Carter mich am Arm. Ich sah kurz zu ihm und musste mich zu ihm näher beugen, damit ich verstehen konnte, was er wollte. „Wir sollten umkehren. Es wird dunkel und ein Sturm zieht auf. Wir müssen einen Unterschlupf finden, oder der Sturm wird uns alle töten, Aly!!“ „Nein. Nicht ohne meine Schwester“, rief ich, riss mich los und rückte nun vorwärts. Die Dunkelheit schützte mich vor den Blicken der Anderen. Doch ich konnte sehen, dass sich Zombies uns näherten, ebenfalls die Anderen, die mit ihren Gewehren die Beißer töteten. Doch durch den Lärm wurden mehr angelockt. Und man möchte meinen, nach all diesen Jahren hätten die Menschen gelernt, dass Lärm diese Viecher nur anlockte.
Ich fetzte über den feuchten Gehweg, drückte mich an die Hauswand, wurde aber dann zu meiner Rechten von einem Zombie überrascht. Ich hielt mir den Beißer eine Armlänge von mir entfernt und versuchte seinen schnappenden Bewegungen auszuweichen. Die Mistviecher hatten eine enorme Kraft. Angetrieben von der Blutgier und dem Hunger nach Frischfleisch. Ich zog ein Bein ein und kickte den Zombie weg von mir. Er torkelte rückwärts, aber kam gleich wieder auf mich zu. Ich wich zurück und scannte in der Zwischenzeit den Boden, dann entdeckte ich einen großen Stein, den ich sofort aufhob. Ich wartete bis der Beißer näher kam und schlug dem Zombie den Stein solange gegen die Schädeldecke bis das Gehirn herausquoll und die Schädeldecke nur Matsch war.
Plötzlich spürte ich, wie jemand mich von hinten packte. Schon wollte ich um mich treten, mein Herz raste und ich wartete eigentlich nur noch auf den Biss, den ich mir qualvoll vorstellte. Doch er blieb aus. Ich wurde gegen die Hauswand gedrückt und jemand legte mir einen Finger auf die Lippen. Ich blinzelte und sah erleichtert ins Gesicht von Ian. Ich blieb still, konnte hören, wie sich jemand uns näherte und dann ging alles unglaublich schnell.
Ian stieß zu, kickte dem Mann in die Eier und schnappte sich die Waffe. Ohne zu zögern, erschoss er den Kerl und bedeutete mir, ihm zu folgen. Ein wenig geschockt starrte ich auf das viele Blut, dass aus seiner Brust quoll. Das war so eiskalt gewesen … wobei dieser Kerl uns bestimmt ohne mit der Wimper zu zucken, kalt gemacht hätte …
Ich schüttelte leicht den Kopf und folgte dann schnell Ian, der mich zu Carter und Antonia führte, die hinter einem Traktor in Stellung gegangen waren. „Da vorne ist Stefanie“, flüsterte Carter und zeigte mit dem Finger auf eine beleuchtete Fläche. Ich schob mich ein wenig an ihm vorbei, um besser sehen zu können. Sie lebte noch. Das war gut und ich würde sie hier rausbringen. Nach all den Jahren in denen ich sie gesucht habe … endlich hatte ich sie gefunden.
„Wir müssen sie da rausholen“, flüsterte ich und zählte die Schritte zu ihr. Doch es war zu weit, um unbemerkt zu ihr zu sprinten. „Dann erzähl mir mal deinen tollen Plan, denn so wie es aussieht, geht bei dir alles in die Hose“, zischte Carter und handelte sich einen bösen Blick von mir ein.
„Aber irgendetwas müssen wir ja tun!“, knurrte ich verzweifelt. Dann hörten wir Schüsse und die Hölle brach los. Eine Herde Beißer machte sich auf den Weg zu uns, die Anderen schossen auf die Biester aber auch auf andere und da wusste ich, dass unsere Gruppe da war. Sie mussten wohl noch Waffen gefunden haben. Ich sah meine Chance kommen und bevor mich Carter aufhalten konnte, war ich schon an ihm vorbei geschlüpft und rannte durch den Nebel auf meine Schwester zu. Ich sprintete bis mir die Lungen brannten. Es war nicht mehr weit, nur noch ein paar Meter. Ich konnte sie sehen und leider auch Kai, der neben ihr stand, aber mit den Zombies ringsum beschäftigt war.
Ich zügelte mich, um nicht ihren Namen laut zu schreien. Hoffnung durchströmte mich und das Adrenalin pumpte durch meine Venen. Ich wusste ich würde es schaffen. Doch dann entdeckte mich Kai. Er drehte seinen Arm mit der Waffe, hielt den Lauf an ihren Kopf und schoss. „NEIN!“, kreischte ich durch die Nacht, schlitterte die paar Meter zu meiner Schwester und nahm ihr Gesicht mit zitternden Händen. Blut trat aus der Kopfwunde und sie war tot.
„Oh Gott. STEFANIE!“, kreischte ich und brach in Tränen aus. Das konnte doch nicht wahr sein! Nach so vielen Jahren hatte ich sie wiedergefunden, nur um sie wieder zu verlieren …
„DU VERDAMMTER MISTKERL“, brüllte ich außer mir vor Wut und fixierte nun Kai, der die Waffe auf mich richtete. „Schade, Schätzchen. Wir hätten soviel Spaß haben können“, säuselte er, wollte gerade abdrücken, als ihm jemand ins Bein schoss. „SCHEISSE!“, fluchte er lautstark, verlor seine Waffe und humpelte dann davon. Ich verlor ihn aus den Augen, als der Nebel ihn verschluckte. Ich wusste nicht, ob er es schaffte, oder ob sich die Zombies ihn holten, doch in diesem Moment dachte ich nur an meine tote Schwester. Ich wiegte sie in meinen Armen und war völlig neben mir. Mein Lebenswille war auf Null gesunken, ich erwischte mich sogar, dass ich mir wünschte ein Beißer würde mich verschlingen. Doch dieser Wunsch blieb mir verwehrt.
„Aly wir müssen hier weg“, hörte ich jemanden aus weiter Ferne sagen, dann versuchte man mich von Stefanie zu lösen. Doch ich hielt verbissen an ihr fest. Ich würde nicht ohne sie gehen. Stef hatte ein richtiges Begräbnis verdient. „Alyssa“, hörte ich Ian schimpfen, dann rissen sie Stefanie von mir. „NEIN!“, kreischte ich, spürte im nächsten Moment eine Hand auf meinen Mund und wie Ian mich hoch hob. „Sh. Nicht alle Beißer sind tot.“ Wieder traten mir die Tränen in die Augen und vernebelten mir die Sicht. Ich konnte verschwommen wahrnehmen, wie jemand Stefanies Leiche schulterte und dann bekam ich rein gar nichts mehr mit, da ich einfach so zusammenbrach.
~
Am frühen Morgen hob ich gemeinsam mit Ian und Dominic stillschweigend ein Grab für Stefanie aus. Der Schweiß lief mir in Strömen über den Rücken. Ich hatte die ganze Nacht geweint, doch nun war ich wie ausgetrocknet. Keine einzige Träne wollte mehr aus meinen Augen treten und manchmal hatte ich das Gefühl, dass mit Stefanie meine Stimme ebenfalls gestorben ist.
„Wie geht es dir, Aly?“, fragte Dominic leise und stupste mich vorsichtig an. Ich sah ihn kurz an, zuckte mit den Achseln und grub verbissen weiter. Eine mechanische eintönige Arbeit, die Sonne brannte erbarmungslos hinunter. Die anderen aus meiner Gruppe saßen im Gras oder auf der Ladefläche des Trucks. Unser Wasservorrat ging langsam zu Neige. Wir waren wieder zurückgegangen, um deren Lager auszuräumen, doch irgendjemand war hier gewesen und hatte das Essen und ein paar Waffen mitgenommen. Ich tippte auf Kai. Als ich an ihn dachte überfiel mich wieder die Wut. Wenn er noch lebte, dann würde ich ihn töten, sobald ich ihn wiedersah. Jetzt buddelte ich wütend weiter. Trieb die Schaufel so weit in die Erde, wie nur möglich.
Andrew kam jetzt auf uns zu und meinte: „Wir lösen ab, okay? Carter, Owen und ich.“ Während Ian und Dominic auf Andy horchten, grub ich weiter. „Alyssa. Bitte. Du brauchst eine Pause“, versuchte er mir sanft mitzuteilen, doch ich schüttelte nur den Kopf und machte weiter. Andrew seufzte, nahm ebenfalls eine Schaufel, sowie Carter. Owen schenkte mir einen mitleidigen Blick , den ich geflissentlich ignorierte.
Gefangen in meinem eigenen Schmerz, schaufelte ich weiter.
~
„Willst du irgendetwas sagen, Alyssa?“, fragte Andrew und sah mich an. Ich starrte auf die aufgewühlte Erde, wo jetzt meine Schwester unten rotten wird. Sie hatte das Glück, dass sie niemals ein Zombie werden würde und sie musste nicht mitansehen, wie die Welt von den Toten übernommen wird. Denn früher oder später wird es genau darauf hinauslaufen. Ich starrte immer noch darauf, unfähig was zu sagen. Jetzt räusperte sich Carter und sprach: „Ich kannte Stefanie nicht persönlich. Aber ich bin mir sicher, sie war eine wundervolle Person, so wie ihre Schwester. Sie war stark, freundlich und sie hat ihre Schwester geliebt, auch wenn es vielleicht so aussah, dass sie sie verraten hatte. Aber das hat sie nicht. Da bin ich mir sicher. Also Ruhe in Frieden Stefanie. Dein Kampf ist vorbei.“ Wortlos sah ich Carter an, drehte mich um und ging dann.
Meine Füße führten mich zu unserem Auto, wo ich mich hinein saß und einfach nur hoffte, dass alles bald ein Ende haben wird.
Unsere Reise ging weiter. Wir folgten der Straße nach Butte. Das lag im Staat Montana. Dort fuhr Owen in eine ruhige Straße und hielt den Motor an. Die ganze Zeit hatte ich aus den Fenster gestarrt. Hab beobachtet, wie ein paar Walker im Gras geschlurft waren, konnte den Verfall der Zivilisation sehen, der immer schlimmer wurde. Ob es da draußen noch eine Stadt gab, die sicher war? Ganz am Anfang, als die Epidemie ausgebrochen war, da hatte man uns geraten zum Militärstützpunkt zu gehen. Dort hätte es angeblich sicher sein sollen. Ich weiß nicht, warum ich nicht hingegangen bin. Ich war raus aus der Vorstadt und war auf's Land marschiert. Dort hatte ich mich viel sicherer gefühlt. Mit der Zeit war das Radio fort gewesen und auch das Internet und dann herrschte Funkstille. Als hätte es einen Blackout gegeben. Die ersten Monate waren hart gewesen, aber in den ersten Monaten gab es noch reichlich Essen und Trinken. Jetzt musste man Glück haben, um etwas zu finden. Auch das Wild wurde weniger, weil die Beißer sich die Tiere schnappten …
„Aly“, riss mich plötzlich mein Freund aus den Gedanken an früher. Ich sah auf, lächelte ihn kurz an und hob fragend eine Augenbraue. „Wir wollen Vorratssuche machen“, fuhr er fort, küsste mich kurz sanft auf die Lippen und stieg dann aus. Ich tat es ihm gleich. Die grelle Sonne stach mir in die Augen und verursachte Kopfschmerzen. Ich schirmte sie vor der Sonne ab und sah mich nun um. Butte musste einmal eine sehr schöne Stadt gewesen sein. Ein wenig wehmütig betrachtete ich den Dreck auf den Straßen, die verlassene Wohngegend und die Efeuranken, die sich an der Fassade der Häuser hoch schlängelten. Die kleinen Häuser wurden von einer sehr breiten Straße getrennt und schienen noch intakt zu sein. Langsam ließ ich den Blick schweifen, doch konnte nirgendwo ein Zombie erkennen. Manchmal hatte ich das Gefühl die Untoten waren nachts aktiver. Vielleicht lag es an der Sonne, die ihre Haut austrocknete und sie somit langsamer werden ließ oder die Sonne stach ihnen in die trüben milchigen Augen. Was es auch war, es brachte uns einen Moment der Ruhe.
„Wir teilen uns auf. Es sind eine Menge Häuser zum Abklappern hier“, sprach Andrew laut und hatte uns alle um sich gescharrt. „Madelyn und ich nehmen die linke Seite, erstes Haus. Dominic, Antonia und Abigail das zweite Haus. Ian und Owen ihr nehmt die rechte Seite erstes Haus und Carter und Alyssa das zweite. Bleibt bitte zusammen. Wir wollen niemanden verlieren.“ Dabei sah er insbesondere mich an, schenkte mir ein warmherziges Lächeln und ging dann gemeinsam mit Madelyn los, als es keine Einwände gab. Ich beobachtete wie sie alle verschwanden. Ian wirkte nicht glücklich. Er hatte mich umarmt und wollte mich gar nicht loslassen, aber ich wusste warum mir Andrew Carter gegeben hatte, denn Carter war meine Verantwortung und anscheinend vertraute Carter auch nur mir und Abigail.
Jetzt musterte ich Carter eingehend und fragte mich, was eigentlich da zwischen ihm und Abigail lief. Ich wurde aus dieser Sache einfach nicht schlau. „Na los, Prinzessin. Lass uns das süße Häuschen durchsuchen“, sagte er mit einen schiefen Lächeln.
Das Zombie stand etwa vier Meter von mir entfernt, als ich mich umdrehte. Mit den typischen langsamen, steifen Bewegungen der Untoten wankte es auf mich zu. Es war mal ein Mädchen im Teenageralter gewesen, blond und hübsch, sofern ich das jetzt noch beurteilen konnte. Sie trug die Highschool-Lederjacke ihres Freundes, die ihr viel zu groß war. Ihr Mund bewegte sich lautlos, nur das Klackern ihrer blutigen, gelben Zähne war zu hören.
Die Jacke war offen, die untere Hälfte ihres T-Shirts war zerrissen und blutgetränkt, und auch ihre Jeans hatte sich bis kurz unter den Knien mit Blut vollgesogen. In ihrem Unterleib klaffte eine riesige, etwa dreißig Zentimeter lange Wunde. Sie hatten ihr sämtliche Organe herausgerissen, als sie sie getötet hatten. Sie stöhnte nicht, wie Zombies das normalerweise taten, weil sie keine Lungen mehr hatte. Man konnte direkt auf ihre Rippen und ihre Wirbelsäule sehen. Anders als bei den Wunden lebendiger Menschen glänzte oder tropfte nirgendwo Blut; ihres war dunkel, vertrocknet und verkrustet.
Das Zombie kam näher, langsam, aber unerbittlich. Ohne groß zu überlegen ging ich auf sie zu, aber zog nicht meine Waffe. „ALYSSA! Was machst du denn da?! Töte doch das Biest. SCHEISSE!“, hörte ich ihn fluchen. Tränen stiegen mir in die Augen. Sie war jung gewesen … meine Schwester war auch jung gewesen. Sie war doch noch ein halbes Kind gewesen, wieso war die Welt nur so ungerecht?
Schon war Carter bei mir, rammte sein Messer in die weiche Schädeldecke des Zombiemädchens und tötete sie damit endgültig. „Was sollte das denn werden?“, zischte er wütend, aber als ich ihm in die Augen sah, konnte ich Angst sehen. Nackte Angst. Er umfasste mit zitternden Händen mein Gesicht und zwang mich ihn weiterhin anzusehen. „Tu das nie wieder, verstanden?! Stefanie ist tot. ABER du lebst. Aly du lebst.“ Kurz fuhr er mir mit dem Daumen über die Wange, nahm dann meine Hand und zog mich mit sich.
Eigentlich wollte ich alleine sein, um den Verlust meiner Schwester trauern, doch in dieser Welt bedeutete auch dies schon deinen Tod, denn mit der Trauer kam die Unachtsamkeit. Ich atmete tief ein und versuchte mich für diesen Moment zusammenzureißen. Carter zählte auf mich. Ich konnte es mir nicht leisten, dass er wegen mir draufging. Carter kletterte als Erstes über den Zaun, dann folgte ich ihm. Wir teilten uns in dem Garten auf, während Carter die Vorderfront durchsuchte, nahm ich mir den Schuppen vor. Dort fand ich ein paar sehr nützliche Werkzeuge. Ich nahm den Werkzeugkasten und schleppte ihn nach draußen, dort sah ich in der Ferne Carter, der einer hängenden Frauenleiche, den letzten Frieden schenkte. Er sah mich mit diesen funkelnden blauen Augen strahlend an und reckte den Daumen hoch. Ich konnte nicht anders und musste ein klein wenig lächeln.
Carter hatte etwas an sich, was mir irgendwie innere Ruhe schenkte. Er war ein wirklich guter Freund geworden und was wir schon alles in dieser kurzen Zeit erlebt hatten …
Mein Blick wanderte langsam zu der Hundehütte. Ich runzelte leicht die Stirn und fragte mich, was wohl aus dem Hund geworden war, als es auf einmal krachte und so klang, als ob ein Riese von innen gegen die Wände des Hüttchens hämmern würde. Carters Lächeln erstarrte auf seinem Gesicht, und sein Daumen senkte sich langsam. Als er begriff, dass in der Hundehütte etwas war, das sich bewegte, und der Gedanke über sämtliche Synapsen endlich sein Gehirn erreicht hatte, war es längst zu spät.
Eine schmächtige Kreatur schnellte aus dem gewölbten Eingang der Hundehütte!
Ich hatte bereits die halbe Strecke zu Carter im Sprint zurückgelegt, als ich sah, dass die Kreatur, die gerade aus der Hundehütte hervorgeschossen war, tatsächlich menschlich war – oder zumindest das verwesende, bläulich verzerrte Abbild eines menschlichen Wesens. In den verfilzten roten Strähnen klebten Blätter und Hundekot, und Ketten hingen um seine kleine Taille und an seinen Beinchen.
„FUCK“, brüllte Carter und schreckte vor dem zwölfjährigen Untoten zurück, als sich das Wesen, das einmal ein Kind gewesen war, auf Carters schlankes Bein stürzte.
Carter warf sich zur Seite und riss sein Bein gerade noch rechtzeitig zurück. Das verzerrte Gesichtchen, das eher einem verschrumpelten Kürbis mit ausgehöhlten Löchern denn lebendigen Augen glich, biss an jener Stelle in den Rasen, wo Sekundenbruchteile zuvor noch Carters Bein gewesen war.
Ich hatte noch gute zehn Meter zwischen mir und Carter zu überbrücken. Ich rannte, so schnell ich konnte, auf die Hundehütte zu. „CARTER!“, kreischte ich panisch, das erste Mal, dass ich wieder meine Stimme gebrauchte und zog im Laufen meine Pistole heraus und konnte sehen, wie Carter nun rückwärts durch das feuchte Gras kroch. Dazwischen fluchte er immer wieder lautstark und sah, dass seine Pistole meilenweit von ihm entfernt lag, da er sie in seinem Schock fallen gelassen hatte.
Das Monster bewegte sich mit der wenig eleganten Energie einer Tarantel weiterhin auf Carter zu. Carter versuchte aufzustehen und wegzulaufen. Doch er rutschte auf dem feuchten Gras aus und landete wieder rückwärts auf den Rücken.
Vier Meter trennten mich noch von Carter, als ich bemerkte, dass ich es nicht mehr rechtzeitig schaffen werde. Carter versuchte den Beißer von sich zu kicken, krabbelte weiterhin rückwärts. Ich blieb abrupt stehen, hob blitzschnell die Pistole und schoss. Ich war eigentlich eine miese Schützin. Ich traf niemals auf dem ersten Versuch, doch dieses Mal war das Adrenalin und die Angst um meinen Kumpel so hoch, dass die Kugel das Hirn des Monsters zerfetzte, bevor es seine Beißerchen in Carters Fuß schlagen konnte. Carter zuckte erschrocken zusammen, als er jedoch sah, dass das Zombie tot war, ließ er sich erleichtert ins Gras sinken. Jetzt überbrückte ich die paar Meter im Sprint, ließ mich auf die Knie fallen und zog Carter zu mir, in eine feste Umarmung, die ihm wahrscheinlich die Luft nahm. Doch er schob mich nicht weg, sondern zog mich zu sich und umarmte mich in der gleichen Intensität. „Ich hätte gedacht dein erstes Wort wäre Arschloch, aber es war mein Name“, murmelte er in mein Haar. „Arschloch“, setzte ich dann hinzu, aber umklammerte ihn weiterhin. Mein Herz pochte noch hart gegen meinen Brustkorb. Ich konnte nicht noch jemanden verlieren, der mir am Herzen lag und ja Carter lag mir am Herzen.
~
Als wir alles zusammengetragen hatten, was wir gefunden haben, war der Truck randvoll und ein zweites funktionierendes Auto gehörte ebenfalls zu unserem Fundschatz. Aber jetzt wurde es langsam dunkel und wir brauchten einen sicheren Schlafplatz, am besten ein hohes Gebäude, wo wir vor den Beißern sicher waren.
„Waren die Schüsse von euch?“, fragte mich Ian, der neben mir im Auto saß. Mit uns waren noch Owen und Madelyn. Der Rest war im anderen Auto. „Ja. Ich hab Carter's Leben gerettet und er meins.“ „Und was hat dich umgestimmt? … Wieder zu sprechen?“, fragte er weiter. Langsam löste ich den Blick vom Fenster und sah ihn an. Ein zärtlicher Blick wanderte über meine Gesichtszüge, dann zog ich ihn zu mir und küsste ihn. „Ich liebe dich, Ian und das wird sich nicht ändern. Ich weiß du siehst ihn als Bedrohung, aber Carter ist nur ein Freund. Du bist der Mann den ich liebe.“ Kurz sah ich zu den beiden Lauschern. Sie taten zwar so, als würden sie nicht zuhören, aber das taten sie.
Ian strich mir über die Wange. „Ich dich auch, Aly.“ Er zog mich in eine Umarmung, strich mir sanft durch's rote Haar und schenkte mir die Geborgenheit, die ich bitter nötig hatte. Im Rückspiegel begegnete ich dem Blick von Owen, der mir ein kleines Lächeln schenkte. Ich erwiderte es und ließ dann meinen Gedanken freien Lauf. Die Landschaft zog an uns vorbei, ließ die Wohnsiedlung hinter uns und dann sah ich Wolkenkratzer, die hoch über unseren Köpfen, den Himmel zu berühren schienen. „Dort werden wir unser Lager aufschlagen“, sagte Madelyn, sah kurz zu uns und wies dann Owen an, dort stehen zu bleiben. Wir sprangen aus dem Auto, holten alles raus und gingen dann alle neun ins Hochhaus.
Wir mussten die ganzen Stufen hochsteigen. Wir alle kamen keuchend in den zehnten Stock und fanden dort erst einmal die Ebene voller Blut wieder. Im Glas war ein Loch, wo der Wind durch pfiff und dort stand ein Kinderwagen, der durchtränkt war, von Blut. Ich sah kurz zu Abigail, die mit Tränen auf den Kinderwagen sah. Unsere Blicke trafen sich. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich zwischen uns einen breiten Graben gegraben. Unabsichtlich, aber er war dennoch da. Kurz schenkte ich ihr ein aufmunterndes Lächeln, dann half ich Ian, eine Schlafstätte einzurichten. Wir legten Decken aus, sicherten die Ausgänge und stärkten uns dann mit den Kräckern, die wir gefunden hatten. „Glaubst du wir können uns hier ein Feuer machen?“, fragte Abigail, die sich an Carter gekuschelt hatte. Er hatte ihr fürsorglich eine Decke über die Schultern gelegt und wärmte sie mit sanften Reibungen seiner Hand auf ihrem Körper. „Ja können wir machen. Wir müssen halt vorsichtig sein“, erwiderte Owen und machte sich daran Papiermüll zusammenzusammeln.
Plötzlich gellte ein schriller Hilfeschrei durch die Gänge. Sofort war ich auf den Beinen, mit mir kamen Andrew und Ian. Gemeinsam rannten wir die Flure entlang, schlitterte über den Boden und folgten dann atemlos dem Schrei. „Wo ist der hergekommen?“, fragte Andy und drehte sich um die eigene Achse. Wir waren in einer Kreuzung gelangt. Ian bedeutete uns still zu sein. „HILFE!“, brüllte der Mann. „Rechts“, sagte Ian und führte uns an. Vor einer Türe, die halb zerstört war, versuchte ein Zombie, dass wahrscheinlich erst verwandelt worden war, an den Überlebenden ranzukommen. Ian setzte den Lauf seiner Pistole an das Gehirn des Zombies und tötete es mit einem Schuss. Dann sah er durch das Loch der Türe und musterte den blonden jungen Mann, der am Arm verletzt war. „Alles gut? Bist du okay? Wurdest du gebissen?“, fragte er atemlos, öffnete die Türe und kam dann zu ihm hinein, der vor ihm zurückwich.
Ich drückte mich an ihn vorbei und kniete mich jetzt vor den Fremden. Mit einen freundlichen Lächeln fragte ich, ob er okay wäre. Jetzt antwortete er: „Nein. Ich habe mich verletzt, als ich vor meinen eigenen Bruder weggerannt bin, aber ich wurde nicht gebissen.“ „Darf ich die Wunde sehen?“, fragte ich, woraufhin er nickte. Sein ganzer rechte Arm war blutrot. Ich zog meinen Cardigan aus und zerlegte ihn in Streifen. Während ich den Überlebenden versorgte, achteten Andrew und Ian, dass uns keine Zombies überraschten.
„So. Fertig“, sagte ich, sah stolz auf mein Werk und half ihm dann auf die Füße. „Danke. Toby Cullen“, stellte er sich vor und gab mir die Hand. „Alyssa, das ist Ian und Andrew. Wir sind eine große Gruppe Toby. Du könntest zu uns kommen.“ Doch der junge Mann schüttelte den Kopf, sah uns drei an und meinte: „Ich muss weiter. Ich habe meine Familie draußen versteckt. Ich wollte nur gucken ob es hier Decken gibt, aber mein Bruder hatte einen Herzinfarkt bekommen. Und ja …“ „Okay. Dann viel Glück“, sagte ich nur und sah ihm nach, als er verschwand. Andrew führte uns wieder zurück. „Glaubt ihr dieses Gebäude ist sicher?“ „Keine Ahnung. Bis jetzt habe ich nur diesen einen Zombie gesehen, vielleicht sind sie alle irgendwo eingesperrt. Hoffen wir nur, dass wir für die Nacht sicher sind.“ Ich nickte beiden zu und saß mich dann wieder auf den Boden. In der Zwischenzeit waren die anderen auf die Suche nach Matratzen und anderen Dingen gegangen. Ein schönes Feuer prasselte und etwas warmes aus der Dose wurde in einem Topf gekocht.
Langsam entspannte sich die Lage. Alle wurden munter und fröhlich, nur über mir hing immer noch die Wolke der Trauer. Hier wäre es Stefanie gut gegangen. Hier hätte sie eine Familie gefunden, die sich um sie sorgt. Ich stocherte ein wenig in meinem Essen herum und sah dann, wie sich Abigail neben mich saß. Abi räusperte sich leicht und senkte die Stimme. „Kann ich dich was fragen?“ Ich legte das Essen weg und sah nun zu ihr. Ich lächelte sie an und nickte dann. „Ja natürlich. Was gibt’s?“ Abigail wurde jetzt leicht nervös. Ihr Blick wanderte zu Carter, der abseits der Gruppe saß und sein Essen verspeiste. Ich folgte ihrem Blick. „Hast du noch Kondome?“, fragte sie dann endlich und sah mich jetzt mit einen schiefen Lächeln an.
Hätte ich etwas im Mund gehabt, dann wäre ich bestimmt daran erstickt. „Wozu brauchst du Kondome? Und bist du nicht Jungfrau?“, zischte ich mit leiser Stimme und hoffte, dass niemand diese Konversation mitbekam.
Abigail kaute auf ihrer Lippe herum, presste sie dann zusammen, als sie die Missbilligung in meiner Stimme hörte. „Ja. Aber wozu wird man wohl Kondome brauchen.“ Sie rollte mit den Augen und sah wieder zu Carter. „Wir haben bei der Expedition ein Zimmer gefunden, dass sauber ist und dort steht ein großes Bett drinnen. Ich wollte mich mit ihm wegschleichen. Bevor ich sterbe, möchte ich gerne diese Erfahrung machen.“ „Aber doch nicht mit Carter“, schimpfte ich leicht und sah sie bestürzt an. „Wieso nicht?“, fauchte sie jetzt ebenfalls und sah mich wütend an. „Willst du ihn etwa für dich selbst beanspruchen?!“ „Was? NEIN! Ich will nur, dass du nicht verletzt wirst. Aber das wird passieren, Abigail.“ Jetzt stand sie auf, funkelte mich an und ging dann ohne ein weiteres Wort zu Carter, der uns die ganze Zeit beobachtet hatte.
Ich seufzte, fuhr mir über's Gesicht und nahm dann mein Essen wieder. Warum nur wollte sie nicht auf mich hören? Ich weiß, dass Carter es nicht ernst mit ihr meinte oder dachte ich das bloß, weil unsere erste Begegnung nicht wirklich toll abgelaufen war? Auch er hatte seine Schwester verloren und er hatte mich nur entführt, damit er sie retten konnte …
Seither hatte er mir viele Male das Leben gerettet. Vielleicht war er ja doch der Richtige für sie und ich machte mir nur umsonst Sorgen. Mit Unbehagen jedoch beobachtete ich, wie sie Beide aufstanden, Abigail ihn mit sich zog und ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen hatte. Doch bevor ich ihnen folgen konnte, hielt mich Ian auf und lächelte mich schief an. Fragend sah ich ihn an, dann ging er plötzlich vor mir auf die Knie und holte einen Ring hervor. „Ich wollte dich schon lange heiraten, aber nie fand ich einen Ring. Aber heute hab ich ihn zufällig in einen der Räume entdeckt. Also Alyssa Stone. Willst du meine Frau werden?“
Völlig überrumpelt starrte ich auf Ian, dann auf die Gruppe, die mich anlächelten. Dann sah ich wieder zu Ian und mir traten Tränen in die Augen. „Ja. Ja ich will“, sagte ich dann und ließ mir den Ring an den Finger stecken. Völlig fasziniert starrte ich ihn an und zog Ian dann unter lautes Gejuble und Geklatsche zu mir hoch, um ihn zu küssen.
Es würde zwar keine traditionelle Hochzeit geben, von der ich früher geträumt hatte, aber man war schließlich im Herzen verheiratet und nicht, weil es ein Blatt Papier sagte. Ab heute würde ich nicht mehr Alyssa Stone heißen, sondern Alyssa O'Neills.
Als ich die Augen öffnete, schliefen noch alle. Alle bis auf Carter, der mit seinem Messer spielte. Unsere Blicke trafen sich, schweigend und einvernehmend. Langsam erhob ich mich von der Matratze, achtete darauf, dass Ian nicht aufwachte und ging dann auf Carter zu. „Wir müssen reden“, wisperte ich, packte ihn am Ärmel und zog ihn mit. Ohne einen Mucks des Widerstandes ließ er sich von mir weg von den anderen führen. Dann plötzlich übernahm er die Führung, packte meine Hüften und zog mich in ein Zimmer. Ich konnte noch nicht einmal protestieren, so schnell ging das. „Was soll das“, zischte ich, als er die Türe hinter uns schloss und nachsah, ob das Zimmer zombiefrei war. Aber das war es nicht. Hinter der Badezimmertüre hämmerte es, doch das ignorierte Carter geflissentlich und kam nun auf mich zu. Instinktiv wich ich zurück bis ich an die Wand stieß und nicht mehr vor ihm flüchten konnte.
„Also. Warum ziehst du mich von den anderen weg?“, fragte er nun und blieb dicht vor mir stehen. Ich konnte seinen heißen Atem spüren, der mein Gesicht streifte und der mein Herz zum Rasen brachte.
„Weil ich mit dir reden muss“, sagte ich mit wackliger Stimme, räusperte mich und schob ihn dann demonstrativ weg. Er marschierte grinsend rückwärts, hob die Hände und ließ dann den Blick über mich gleiten. „Okay. Dann rede.“ Ich ging durch den Raum, krallte mir die Bürste, die auf der Kommode lag und fuhr mir durch's Haar. Die Bürste stieß auf viel Widerstand, doch mit einen Ruck zog ich sie durch und verzog nur kurz die Miene. „Soll ich dir jetzt beim Haare kämmen zusehen, Prinzessin?“, meinte er jetzt und kam wieder näher zu mir. Ich bürstete ungerührt weiter bis meine Haare wieder seidig über meine Schultern fielen. „Du und Abigail. Wie ernst ist es?“, fragte ich und fixierte ihn jetzt. Ich reichte ihm die Bürste, die er mit einer hocherhobenen Augenbraue entgegennahm. Langsam drehte er sie herum und wollte sie schon wieder weglegen, als ich sie wieder an mich nahm und ihn aufforderte sich zu setzen.
Nur sehr widerwillig saß er sich hin. „Wieso willst du das wissen?“, fragte er jetzt und sah stur gerade aus, aber ließ mich sein schwarzes Haar mit stoischer Geduld kämmen. Mir fiel auf, dass es an den Seiten länger war. Er brauchte wirklich mal einen Haarschnitt. Doch hier konnte ich keine Schere entdecken. Doch ich wusste, dass wir eine hatten, vielleicht ließ er mich ja sein Haar schneiden. Ich leckte mir über die trockenen Lippen und sagte dann schließlich: „Weil Abigail meine beste Freundin ist. Sie liegt mir sehr am Herzen. Also … hast du mit ihr geschlafen?“ Jetzt stand er auf, um mir in die Augen zu sehen. Sein Gesicht war ausdruckslos, seine Miene steinern. „Soll das heißen ich bin nicht gut genug für sie?“, fragte er jetzt verletzt.
Geschockt riss ich die Augen auf und überdachte meine Worte. „Nein. Das soll es nicht heißen. Ich will nur … Carter du liegst mir am Herzen. Wäre es nicht so, hätte ich dich sterben lassen. Wenn du es ernst mit ihr meinst, dann ist es okay. Nur pass auf, dass sie nicht schwanger wird. Ein Baby in dieser Welt aufzuziehen, ist die größte Herausforderung überhaupt und der ist sie nicht gewachsen, sie kann noch nicht einmal richtig schießen.“
Carter seufzte, kam auf mich zu und in dem Moment als ich dachte er würde mich einfach küssen, bremste er ab und nahm nur mein Gesicht zwischen die Hände. „Ich habe nicht mit ihr geschlafen. Sie wollte es, aber ich nicht. Und nein es ist mir nicht ernst mit ihr … ich wollte nur dich eifersüchtig machen, was aber nicht klappt, weil du … weil du eben Ian liebst. Aber … aber ich liebe dich Alyssa. Das tue ich und weil ich dich liebe, kann ich nicht weiterhin mit Abigail zusammen sein. Es wäre nicht fair und ich würde dadurch nur auch deine Gefühle verletzen. Es war dumm. Ich dachte wirklich, du würdest etwas für mich empfinden und als du mich gerettet hattest und mich umarmt hast, da hatte ich Hoffnung gehegt, verstehst du?“ Völlig sprachlos sah ich in seine eisblauen Augen und versuchte irgendeine Lüge zu erkennen. Doch es schien ihm wirklich ernst zu sein. „Aber du kennst mich doch gar nicht wirklich.“ „Ich kenne dich jetzt schon drei Wochen Alyssa. Du bist wunderschön und so .. du bist einfach du. Du bist echt.“ Ich nahm seine Hände von meinem Gesicht und sah ihn traurig an. Ich wollte seine Gefühle wirklich nicht verletzen, aber ich konnte sie nicht erwidern. Deswegen hob ich langsam meine Hand und präsentierte ihm den Ring. „Carter ich liebe Ian. Und gestern haben wir geheiratet.“ „Geheiratet? Aber … das geht nicht. Das ...“, stammelte er und wich jetzt vor mir zurück.
Sein Gesicht war ein Meer aus purem Schmerz. „Heutzutage ist es egal ob man einen Ring hat oder einen Priester. Er hatte Glück gehabt und einen gefunden. Anscheinend wollte ein Mann hier seiner Zukünftigen einen Antrag machen. Kam aber nie dazu. Aber … ich bin jetzt verheiratet und es tut mir leid, dass ich deine Gefühle nicht auf diese Weise erwidern kann. Ich mag dich Carter. Aber nur als … Freund.“ Diesen verletzten Blick in den Augen meines Gegenübers zu sehen, zerriss mir förmlich das Herz. „Na dann … herzlichen Glückwunsch“, murmelte er, drehte sich um und ging. Ich sah ihm solange nach, bis die Türe ins Schloss fiel, dann ließ ich mich auf den Sessel fallen und rieb mir die Schläfen. Das nervige Pochen des Beißer ließ mich dann aufstehen. Ich musste hier weg. Gemeinsam mit der Bürste machte ich mich auf den Weg zurück zur Gruppe, wo sie bereits alle frühstückten. Dort kam mir auch schon Ian entgegen, der mich freudig küsste und dann mit sich auf die Matratze zog. Ich konnte es nicht verhindern, aber mein Blick wanderte zu Carter, der nun noch mehr im Abseits saß, noch nicht einmal Abigail kam mehr zu ihm. Sie sah wütend und verletzt aus und mampfte verbissen ihr Frühstück.
„Alles okay mit dir?“, fragte Ian, als ich schweigend mein Mahl vertilgte. „Ja. Alles gut“, beruhigte ich ihn mit einen kurzen Lächeln. Andrew stand auf, sah durch die schmutzigen Scheiben der Fenster und reckte sich dann. „Okay Leute. Lasst uns das Sonnenlicht ausnutzen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, sagte er und begann die Sachen einzupacken. Dominic versuchte Abigail zum Lachen zu bringen, was ihm nur teilweise gelang. Aber allein der Versuch war echt niedlich. Abigail brauchte so jemanden. Wieder wanderte mein Blick zu Carter, der nun ebenfalls hersah. Doch als er bemerkte, dass ich seinen Blick erwiderte, sah er demonstrativ weg.
Ich seufzte schwer, packte meine Sachen ebenfalls ein und ging dann gemeinsam mit der Gruppe nach unten zu unseren Fahrzeugen.
Es dauerte nicht lange und da waren wir schon wieder auf der Straße. Jedoch kamen wir nicht weit, denn vor uns kam eine Horde und hinter uns ebenfalls. Es waren zu viele, um einfach durchzufahren. „Wir müssen aussteigen“, sagte da Madelyn und sah zu uns zurück. „Wir müssen die Fahrzeuge hier lassen und zurückkommen, wenn die Horde vorübergezogen ist.“ „Aber wohin?“, fragte ich jetzt unruhig, als sie immer näher kam. Madelyn sah sich um und deutete dann auf das Krankenhaus. „Da rein. Sofort.“ Dann gab sie über Funk Bescheid.
Wir alle verließen unverzüglich das Fahrzeug und rannten mit nichts als unseren Waffen über die Straße und kletterten durch das Loch ins Krankenhaus. Als wir ins Loch stiegen, sahen wir direkt neben dem Loch die Überreste mehrerer Zombies liegen, die entweder mausetot waren, weil ihnen Glassplitter oder Mauerwerk im Körper steckten, oder die von den herumfliegenden Trümmern außer Gefecht gesetzt worden waren, weil sie ihnen die Beine oder den Oberkörper zerfetzt hatten.
Wir traten in den Korridor, der glücklicherweise vollkommen verlassen war, aber dennoch bot sich uns dort ein grausames Bild. Möbel und Gerätschaften lagen überall verteilt, und man hätte nicht sagen können, ob sie als Barrikaden aufgestellt, von Leuten auf der Flucht kreuz und quer durch die Halle geschleudert oder in den vergangenen Jahren von den Zombies durch den Raum geschleift worden waren. Es sah aus, als lägen Millionen Blatt Papier im ganzen Raum verstreut. Natürlich war überall Blut, und teilweise war es von den Sprinklern verdünnt worden, sodass es nun schmutzig-rosa schimmerte; die Flecken auf dem Fußboden waren dunkler, an den Wänden war Blut großflächig verschmiert, und teilweise konnte man noch immer Handabdrücke darin erkennen. Ich war mir ziemlich sicher, dass der Boden eines Schlachthauses ganz ähnlich aussah. Aber genau das war das Krankenhaus vor Jahren auch gewesen.
Zum Glück befand sich das Treppenhaus nicht weit von der Stelle, an der wir eingetreten waren. Während wir uns darauf zubewegten, schlitterte ein menschlicher Torso durch den Flur auf uns zu. Er trug einen Arztkittel und zog blutige Kleider-, Fleisch- und Eingeweidenfetzen wie ausgetrocknete Tentakel oder Kletterranken hinter sich her. Ich wich automatisch aus und versteckte mich hinter Carter, der genau wie ich die Front unserer Gruppe bildete. Er sah kurz zu mir zurück, hob seinen Stiefel und zerquetschte dann mit einen nassen, knirschenden Geräusch den Kopf des Zombies. Jetzt war es endgültig tot. Carter wischte seinen Stiefel am Rücken seiner Uniform ab und ging weiter, ohne sich weiter um mich zu kümmern. Irgendwie machte mich die Kälte zwischen uns traurig. Wieder kam mir der Tod meiner Schwester in den Sinn, der nur 24 Stunden her war. Wieder konnte ich jemanden auf die Liste setzen … die Liste der Verlorenen, wie ich sie insgeheim nannte.
Madelyn passte sich meinem Gang an und stupste mich dann leicht an. „Ist alles in Ordnung?“ „Ja. Es wird schon. Ich reiße mich zusammen“, murmelte ich nur. Sie drückte kurz meine Schulter und meinte: „Und was ist mit Carter? Der Kerl hat an dir geklebt, wie eine Klette … ist was passiert?“ Ich sah sie kurz an und zuckte dann mit den Achseln. Ich konnte einfach niemanden sagen, was er mir gesagt hatte … denn … ich konnte es selbst nicht wirklich verarbeiten oder gar glauben. Warum ausgerechnet ich? Was war an mir denn so toll? Vor allem warum ausgerechnet war so ein Kerl, wie Carter es war in mich verliebt … nein nicht verliebt. Er hatte gesagt er liebt mich. Wie kann er von Liebe sprechen, wenn wir nie etwas hatten? Jäh fällt mir dieser eine Moment ein, als er mich küssen wollte. Ich hatte ihn gerettet, aber da hatte ich einfach nur gedacht er wollte in meine Hose …
Ohne, dass ich es wahrgenommen hatte, hatten wir das Treppenhaus erreicht und stiegen hinauf. Es war kein riesiges Krankenhaus, nur fünf Stockwerke hoch, sodass wir nicht weit gehen mussten. Das Treppenhaus war leer, aber wir duckten uns trotzdem auf jedem Absatz, wenn wir an den Feuerschutztüren mit den kleinen Fenstern vorbeigingen, um nicht von untoten Augen erspäht zu werden.
Im fünften Stock stellten wir fest, dass die Treppe nicht ganz bis zum Dach führte. Wir mussten wieder ins Gebäudeinnere gehen, um die richtige zu finden. Glücklicherweise sah die Etage verlassen aus.
Der Flur im fünften Stock war nicht annähernd so grauenvoll wie der im Erdgeschoss. Natürlich konnte man hier und da getrocknetes Blut erkennen, doch anscheinend hatten sie diese Etage schon frühzeitig verlassen. Die Treppe zum Dach befand sich ein Stück hinter dem Schwesternzimmer neben den Fahrstühlen, und die Tür zum Treppenhaus schien nicht verschlossen zu sein. Bevor wir hinaufgingen, sahen wir jedoch eine Doppeltür etwas weiter den Flur entlang, die auf unserer Seite mit einer Kette verschlossen war. Auf dem Schild über der Doppeltür stand 'Neugeborenen-Intensivstation'. Mir drehte es leicht den Magen um. Ich wollte mir nicht vorstellen, was hinter dieser verschlossenen Türe war, doch die Neugierde der anderen war einfach zu groß. Sie schwärmte alle auf die Türe zu, um hineinzusehen. Ich blieb, wo ich stand und hielt Carter auf, als er ebenfalls dorthin gehen wollte. „Hör zu Carter. Es tut mir Leid. Können wir das nicht einfach vergessen und wieder Freunde sein?“, fragte ich leicht flehentlich.
Carter sah kurz zu den anderen und beugte sich dann zu mir vor. „Ich soll vergessen, dass ich dich liebe? Was du da von mir verlangst ist unmöglich, Alyssa! Ich kann meine Gefühle nicht einfach so abstellen. Ich bin kein Zombie!“ Er sah mich wütend an und wollte sich abwenden, doch ich hielt ihn wieder auf. „Bitte, Carter. Versuche zumindest damit klarzukommen. Ich kann dich nicht auch noch verlieren“, flehte ich und sah ihm in die Augen. Doch er schüttelte den Kopf, löste meinen Griff um seine Jacke und schloss sich nun der Gruppe an.
Ich lehnte mich gegen die blassgelbe Wand und seufzte. Ich wollte hier einfach weg. Ich wollte eine Siedlung finden, die sicher war. Ein Haus in das man schlafen konnte, ohne sich darüber Gedanken machen zu müssen, dass womöglich ein Zombie, dich im Schlaf überfiel. Einen kurzen Moment schloss ich die Augen und stellte mir so einen Ort vor. Aber so etwas gab es nicht. So etwas wird es nie wieder geben. Sicherheit werde ich nie wieder fühlen.
„Leute wir sollten weiter“, sagte ich und ging dann in die Richtung der Türe. Ein paar Minuten später war Ian neben mir und der Rest folgte auch.
Das Treppenhaus hinter dem Schwesternzimmer führte nur zum Dach, nicht in die anderen Stockwerke hinunter, sodass wir uns über weitere unschöne Überraschungen keine allzu großen Sorgen machten. Ich ging die Stufen hinauf. Die Tür zum Dach schien nicht verschlossen zu sein. Ich legte meine Hand auf die Klinke. „Hey“, flüsterte Andrew, „Sei vorsichtig, Aly. Holt eure Waffen raus.“ Ich zog meine Pistole und drückte dann die Klinke hinunter. Die Sonne schien so grell auf das Dach herab, dass wir für eine Sekunde geblendet wurden, als die Tür aufschwang. Zu unserem Glück war nichts und niemand auf dem Dach. Jedoch ließ mich etwas stutzen. Eine lange Leiter führte wie eine Brücke vom Dach des Krankenhauses zum Dach des Nachbargebäudes. Sie sah ziemlich sicher aus, da sie auf der Krankenhausseite über einem Metallpfeiler lag und an beiden Enden gut festgebunden zu sein schien.
Andererseits brauchte man schon einen wirklich überzeugenden Grund, um im fünften Stock über den Köpfen einer Meute hungriger wandelnder Leichen über eine knarrende Aluminiumleiter zu spazieren. Natürlich wurde uns dieser Grund nachgeworfen als wir schlurfende Bewegungen hören konnten. Anscheinend wurden sie von unserem betörenden Duft angelockt. Schnell legte Ian die Verriegelung der Türe vor, doch lange würde es die Untoten nicht davon abhalten zu uns zu gelangen. „Leute, wir müssen über diese Leiter“, sagte er und kam auf mich zu. „Ich weiß du hast Höhenangst, Aly. Aber das ist unsere einzige Chance.“ Ich schluckte heftig, spürte, wie mein Herz zum Rasen begann, aber nickte letztendlich. Welche andere Wahl blieb uns denn? Zuerst schickten wir Andrew hinüber. Mit langsamen Schritten, überbrückte er die Distanz der zehn Meter und kam wacklig aber sicher auf der anderen Seite an. „Der nächste“, rief er hinüber und positionierte sich am Rand der Leiter. „Abigail. Du bist dran“, sagte Madelyn und schob die Blonde zum Anfang der Leiter.
Sie sah ängstlich zu mir, doch ich schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, obwohl mir es genauso wenig behagte. Sie atmete tief ein und aus und balancierte dann in kleinen Schritten über die Leiter. Am anderen Ende zog Andrew sie zu sich. Ich atmete erleichtert aus. „Antonia“, sagte Maddie und ließ nun Annie vortreten, die mutig darüber balancierte, als würde sie keine fünf Stockwerke über dem Boden schweben. Doch sie schaffte es. Langsam fasste ich Mut. Jetzt ließ Madelyn Dominic vortreten, dann Owen, dann schickte Ian Maddie hinüber und wollte dann mich schicken, doch ich schüttelte den Kopf. „Erst du.“ „Nein. Du, Aly. Keine Diskussion.“ „Nein. Du. Ich muss wissen, dass du in Sicherheit bist, oder ich werde es nicht schaffen“, sagte ich stur. Aber eigentlich wollte ich es nur hinauszögern. Ian sah zur Türe die schon richtig eingedellt war. Für eine Diskussion war keine Zeit. „Na gut. Aber dann du“, sagte er und stieg auf die wacklige Leiter. Er ging ein wenig unkoordiniert hinüber und einmal wankte er gefährlich nach rechts, was mir beinahe das Herz stehen bleiben ließ, doch er schaffte es.
Langsam entspannte ich mich und sah nun zu Carter. „Jetzt du.“ „Kommt gar nicht in Frage, Prinzessin“, knurrte er und schob mich jetzt an den Rand der Leiter. „Du bist dran.“ „Aber..“, begann ich, denn als ich hinuntersah wurde es mir ganz anders. „Ich lasse dich hier nicht zurück. Kommt gar nicht in Frage“, zeterte er weiter. Und dann brach die Türe auf und die Zombies strömten auf's Dach. „Scheiße“, stieß ich hervor, starrte wie erstarrt auf die Untoten, die schlurfend auf uns zukamen. „Na los“, sagte Carter und schob mich auf die Leiter. Er folgte mir kurz darauf. Wir balancierten über den Abgrund, hinter uns die Meute, die uns nach wollte, jedoch nach unten fiel und unten zu Brei wurde. Mit ausgestreckten Armen versuchte ich die Balance zu behalten. Nur noch fünf Meter, bläute ich mir ein. Der Schweiß rann mir über die Stirn. Kurz sah ich über meine Schulter, um zu gucken, ob Carter noch da war. Doch dann verhedderte ich mich in einer Sprosse, stolperte und flog. Ich drehte mich im Sturz und bekam mit einer Hand die Leiter zu fassen, was mir wahrscheinlich das Leben rettete, doch wenn jemand nie Klimmzüge gemacht hatte, und jetzt auf die Probe gestellt wurde, das Gewicht seines eigenes Körpers zu tragen, war es fast unmöglich.
Meine Finger rutschten immer mehr ab, ich konnte die Rufe von der anderen Seite hören und dann spürte ich einen Druck um mein Handgelenk. „Ich hab dich“, sagte Carter, der auf der wackligen Leiter kniete und mich festhielt. Die Tränen flossen über mein Gesicht und die Angst durchströmte meinen Körper, doch er hielt mich fest. „Du schaffst das Aly. Gib mir deine zweite Hand.“ „Ich kann nicht“, sagte ich verzweifelt, als ich versuchte mit der zweiten Hand seine zu greifen. „Doch du kannst das, Aly. Streng dich an. Du darfst nicht aufgeben“, presste er hervor. Meine Hand rutschte von der Leiter und jetzt war es nur noch Carters Kraft und Muskelmasse, die mich vor dem Tod bewahrte. Ich konnte sehen, wie sein Gesicht vor Anstrengung rot wurde. Würde er mich weiterhin halten, würde er gemeinsam mit mir abstürzen. Doch er hielt verbissen weiter fest, versuchte mich nach oben zu ziehen.
Verzweifelt versuchte ich ebenfalls ihm dabei zu helfen, doch meine Beine baumelten in der Luft unter mir konnte ich die Meute der Zombies sehen. „Aly. Greif meine Hand. Komm schon. Du kannst das“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und sah mich an.
Unsere Hände waren ganz schwitzig und ich entglitt seinem Griff immer mehr. Dadurch beugte er sich noch weiter nach vorne, damit er mich halten konnte. „Lass los, Carter“, sagte ich mit Tränen erstickter Stimme. „Du musst loslassen oder du stürzt mit mir ab.“ Die Tränen rannen mir über's Gesicht, doch ich war mir sicher, dass ich zumindest ihn retten musste, wenn ich mich selbst nicht retten konnte. „Das kannst du nicht von mir verlangen“, sagte er jetzt und hatte selbst Tränen in den Augen. „Rette dich selbst. Lass los“, hauchte ich und sah schon meinen Tod kommen, als sein Griff immer lockerer wurde.
„NIEMALS!“, knurrte er verbissen, krallte sich fest und schob sich zentimeterweise mit der Hand an mein Handgelenk entlang hoch. Mit jedem Stück zog er mich weiter nach oben, bis ich die
Chance hatte nach der Leiter zu greifen. Er griff mir unter die Achsel und dann konnte ich mein Bein darüber schwingen und lag bäuchlings auf der wackligen Leiter.
„Jetzt vorsichtig“, wies Carter mich an. Ganz langsam, zog ich mich auf die Knie. „Wir krabbeln jetzt rüber, dann hast du mehr Stabilität. Und nicht nach hinten sehen. Ich weiß dort sind Zombies, aber du musst immer nach vorne sehen. Zu Ian. Guck zu Ian. Er wartet schon auf dich.“ „Danke“, hauchte ich mit Tränen erstickter Stimme. „Dafür musst du dich nicht bedanken. Also jetzt geh.“ Dann begann ich langsam zu krabbeln. Mit jedem Meter den wir so überwanden, konnte ich Ian und die anderen immer größer sehen, bis ich dann von Ian von der Leiter gezogen wurde und in seine Arme. „Aly.“ Auch Carter wurde von Andrew hinübergezogen.
In diesem Moment wusste ich, dass er zur Familie gehörte. Die anderen hatten ihn akzeptiert. Er hatte sich bewiesen. Sie hatten Respekt vor ihm und vertrauten ihm und das fand ich gut. Denn Carter brauchte eine Familie, denn auch er hat viel zu viel verloren.
Ich klammerte mich an Ian, spürte dann wie es schon bald in einer Gruppenumarmung ausartete. Alle waren erleichtert uns beide lebend vorzufinden und ich war das auch. Als ich mich dann endlich von allen lösen konnte, ging ich auf Carter zu und umarmte ihn ebenfalls, voller Dankbarkeit. „Du hättest mich einfach loslassen können. Aber das hast du nicht getan“, sagte ich, als ich mich an ihn schmiegte. Er erwiderte die Umarmung herzlich und meinte: „Das hätte ich niemals verkraften können. Ich wäre dir dann gefolgt, Alyssa. Aber ich hänge irgendwie an meinen Leben, deswegen musste ich dich wieder hochziehen.“ Sein Ton wurde scherzhaft, was mich zum Lachen brachte. „Idiot.“ „Ich weiß.“ Wir beide seufzten und lagen in den Armen des Anderen. „Freunde?“, fragte ich dann und löste mich nun, um ihn anzusehen. Er lächelte kurz und nickte dann. „Ja. Freunde.“
~
Wir blieben auf dem Dach bis die Horde endlich weitergezogen war, dann kletterten wir über die Feuerleiter nach unten und töteten die Nachzügler, die noch gegen unsere Wagenfenster schlugen. Sobald auch diese erledigt waren, konnten wir endlich weiterfahren.
Mein Hintern begrüßte den abgesessenen Sitz freudig. Dieses Mal fuhr Ian, auf dem Beifahrersitz saß Carter und hinten bei mir waren Antonia und Abigail. Wir verließen Butte und kamen auf den Weg in die nächste Stadt an ein Schild vorbei, das auf eine Safezone hinwies. Schlitternd stoppte Ian und stieg aus. Ich folgte ihm sofort, kniff die Augen zusammen, als die Sonne über den Horizont verschwinden wollte und mir ein letztes Mal in die Augen schien. Dann fragte ich: „Glaubst du die Safezone existiert noch?“ Ian kam am Wagen herum zu mir und betrachtete das Schild genauer. Der zweite Wagen hielt ebenfalls und die meisten der Gruppe stiegen aus, und scharrten sich um das Plakat. „Die Farbe ist gar nicht so alt“, meinte Ian, fuhr mit dem Finger über die Buchstaben und rieb leicht Daumen und Zeigefinger aneinander. „Vielleicht ein paar Tage alt.“
Jetzt musterte Andrew das Plakat eingehend und sah sich um. „Es zeigt die Straße runter. Vielleicht finden wir dort ein weiteres, aber es wird dunkel. Wir sollten einen sicheren Unterschlupf suchen und bei Tagesanbruch gleich weiterfahren.“ Alle nickten einstimmend und saßen sich dann wieder in die Fahrzeuge. Meine Gedanken wanderten zu dem Schild und an die Nachrichten damals. Das Militär hatte solche Zonen eingerichtet, um die Leute zu evakuieren. Vielleicht gab es sie doch noch, diese Safezone. Vielleicht waren wir dort dann endlich sicher.
Wir folgten dem Verlauf der Straße und kamen dann an einem Farmhaus vorbei, wo wir die Nacht verbringen wollten. Sofort sicherten wir die Räume, erledigten die drei Beißer, die hier herumgeisterten und vernagelten dann die Türen und Fenstern mit Brettern, damit wir alle schlafen konnten. Denn morgen mussten wir fit sein. Ein langer Weg stand bevor und auch wenn wir alle noch nicht explizit darüber gesprochen hatten, war ich mir sicher, dass wir diese Safezone suchen werden. Denn jeder hier wollte endlich Sicherheit wieder verspüren. Natürlich sollte man niemals vergessen, wie die echte Welt war, aber ein wenig Normalität konnte nicht schaden.
~
Ich lag neben Ian im Bett, fest an ihn gekuschelt und sah in die Dunkelheit hinein. Wir hatten das große Glück gehabt, dass dieses Haus vier Schlafzimmer hatte. Owen lag im Wohnzimmer auf dem Schlafsofa und sonst hatten sich immer zwei zusammengesucht und teilten sich ein Bett. Ian strich mir sanft über's Rückgrat und war ebenfalls noch wach. Das Fenster war gekippt. Frische Luft strömte herein und mit ihr das Zirpen der Grillen. „Glaubst du Madelyn und Andrew haben was miteinander?“, fragte Ian plötzlich und sah zu mir hinunter. Ich begegnete seinem fragenden Blick und grinste dann leicht. „Das fällt dir jetzt erst auf? Du bist so blind Ian. Natürlich haben die beiden was miteinander. Schon lange. Sie haben es nie offiziell gesagt. Wahrscheinlich wollen sie ihre Privatsphäre bewahren, aber man sieht doch, wie sie sich ansehen.“
„Ich hatte eben die meiste Zeit nur Augen für dich“, brummelte er leicht. Ich kicherte, zog mich zu ihm hinauf und küsste ihn dann auf die Lippen. „Mein wundervoller Ehemann. Ich sag dir jetzt mal was. Madelyn und Andrew lieben sich. Dominic ist in Abigail verliebt, aber sie rafft es nicht. Owen ist eben Owen. Antonia weiß ich auch noch nicht wirklich viel, aber da bekomme ich noch ihre Vergangenheit heraus. Und ich liebe dich.“
Ian lächelte mich an, küsste mich kurz auf die Mundwinkel und fügte hinzu: „Und Carter liebt dich.“ Ich nagte an meiner Unterlippe, seufzte und nickte dann. „Ja … ich weiß. Aber ich liebe dich, Ian. Und das wird sich niemals ändern.“ „Wenn es mich nicht mehr gibt ...“ „Nein, hör auf“, fuhr ich ihm dazwischen, umfasste sein Gesicht und zwang ihn mich anzusehen. „Du und ich. Wir sind für die Ewigkeit. Wir bleiben zusammen egal was passiert. Wir überleben. Wenn du sterben würdest … ich könnte nie wieder jemanden lieben. Du bist meine Welt, Ian. Ich liebe dich und ich bin jetzt deine Frau, also lass uns nicht davon reden, was morgen geschieht, sondern lass uns diesen Moment genießen, den wir haben.“ Ian sah mich zärtlich an, zog mich näher an sich heran und hauchte: „Ich liebe dich Alyssa. Nach dir würde ich auch nie wieder eine Frau lieben können.“ „Ich liebe dich auch, Ian und das wird auch so bleiben. Carter und ich sind Freunde. Ich habe ihm gesagt, dass ich nur dich liebe. Und ich meine das auch so.“
Jetzt küsste mich Ian leidenschaftlich. Er zerrte mir die Klamotten vom Leibe, verwöhnte mich mit zärtlichen kleinen Küssen, den ganzen Körper entlang. Ich hatte gar nicht gewusst, wie sehr mir das doch gefehlt hatte. Ian hatte einfach das Geschick, mich zum Leben zu erwecken. Ich schwor mir, dass ich nie einen anderen Mann mehr in mein Bett lassen würde, falls Ian vor mir sterben sollte. Was ich aber hoffentlich nie erleben musste. Ein Leben ohne ihn, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. „Mrs. O'Neills. Wir sollten die Hochzeitsnacht einläuten. Findest du nicht auch“, meinte er mit einen Grinsen, als er wieder über mir war. Ich öffnete die Augen und funkelte ihn jetzt voller Verlangen an. „Darauf kannst du dein Leben verwetten, Mr. O'Neills“, schnurrte ich, machte mich jetzt daran meinen Liebsten ebenfalls aus den Klamotten zu schälen. Sobald er nackt war, umschlang ich seine Hüften mit den Beinen und küsste ihn leidenschaftlich, doch Ian hatte was ganz anderes vor. Es würde eine sehr lange, lustvolle Nacht werden.
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Der nächste Morgen war trist, grau und regnerisch. Das Prasseln des Regens weckte mich auf. Langsam öffnete ich eines meiner grünen Augen, erkundete meine Gegend und stellte mit Erleichterung fest, dass wir die Nacht überlebt hatten. Ich fühlte mich heute richtig gut. Befriedigt, ausgeschlafen und rundum glücklich. Was auf jeden Fall an diesem Gott neben mir lag, der mir die Nacht meines Lebens beschert hatte. Langsam drehte ich mich um, legte mich bequemer hin und beobachtete Ian beim Schlafen. Seine Gesichtszüge waren komplett entspannt. Sein Mund war leicht offen und er schnarchte leise. Langsam reckte ich mich und küsste ihn auf diese wundervollen Lippen. Ich konnte einfach nicht widerstehen.
In einem tiefen Atemzug wachte er auf, zog mich an sich und erwiderte. „Morgen meine allerliebste Frau“, begrüßte er mich schlaftrunken und verwöhnte mich mit zarten Küssen in der Halsregion.
„Morgen, mein Ehemann“, erwiderte ich zärtlich, küsste ihn noch einmal und stand dann auf. Mein Blick glitt aus dem Fenster, wo es immer noch ununterbrochen regnete. „Funktioniert hier die Wasserversorgung“, fragte ich und sah über meine Schulter zu Ian, der mich unverhohlen ansah. „Nein. Aber draußen ist ein Brunnen und eine Außendusche. Wird zwar kalt, aber das sind wir ja schon gewöhnt.“ Ich wandte mich wieder zu ihm um und schlüpfte unter die Decke. „Wollen wir gemeinsam duschen?“, fragte ich mit einen zuckersüßen Lächeln auf den Lippen. Er lachte heiser, fuhr mir über die Hüfte und meinte: „Dann kommen wir da nie wieder raus.“ „Ist doch egal“, lockte ich weiter, doch er schüttelte den Kopf und küsste mich unters Kinn. „Ich würde liebend gerne, aber ich will keine Zuschauer. Weil all das“, dabei deutete er auf meinen nackten Körper. „gehört nur mir.“ Ich schmunzelte, küsste ihn noch einmal und zog mich dann an.
In den Schränken fand ich Klamotten, die mir passten, auch Ian fand welche, sowie die anderen. Wir duschten uns alle, zogen die frischen Klamotten an und frühstückten, danach saßen wir uns drinnen, bei einen prasselnden Feuer im Kamin, ins Wohnzimmer und besprachen unsere weitere Vorgehensweise. „Wir sollten diesem Plakat folgen“, sagte Andrew und sah in die Runde. „Seid ihr ebenfalls dafür?“ Dominic sah Andy an und nickte ebenfalls. „Wenn es dort draußen tatsächlich einen Militärstützpunkt gibt, der umzäunt ist und wo Menschen sicher leben können, dann bin ich auf jeden Fall dabei. Wir sollten es versuchen.“ Abigail sah zu Dominic dann in die Runde. „Ich kann nur zustimmen, aber ich bin mir nicht sicher, ob es … ob es da wirklich noch so etwas wie Sicherheit gibt. Nach all den Jahren?“ Ich beobachtete sie alle, viele schienen dafür zu sein, jedoch waren Madelyn und Owen entschieden dagegen. „Ich glaube das ist eine Falle“, sagte Maddie unverblümt und bekam kräftige Unterstützung von Owen. „Das glaube ich auch. Irgendetwas stimmt hier nicht.“
Ich nagte an meiner Unterlippe herum, zupfte an meinem Shirt und sagte dann endlich meine Meinung. „Ich würde es gerne versuchen wollen. Wenn es dort wirklich so etwas gibt, dann sollten wir dorthin fahren. Vielleicht sind dort Familien. Bestimmt habt ihr da draußen noch Familie. Vielleicht sind sie dort.“ Sie alle sahen mich an, doch dann stimmten auch Madelyn und Owen ein. Wir packten zusammen und brachen auf.
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Der Regen wollte gar nicht mehr aufhören, wenn es so weiterging, würden die Flüsse übergehen und zu den Zombies würde eine Überschwemmung kommen. Antonia saß neben mir und sah genauso wie ich dem Regen zu. „Wo kommst du eigentlich her?“, fragte ich nun Annie und sah sie neugierig an. „Ohio“, erwiderte sie mit einen kleinen Lächeln. „Wow. Das ist echt weit weg von hier. Wie bist du überhaupt bei Vincent gelandet?“, fragte ich weiter. Annie machte es sich bequemer im Sitz und begann zu erzählen: „Mein Freund und ich waren beim Zelten als es ausbrach. Wir hatten die Schule geschwänzt und dann plötzlich hörten wir etwas im Unterholz knirschen. Eins dieser Beißer kam auf uns zu. Wir wussten nicht, was es war und Frank wollte nachsehen … da wurde er gebissen. Ich bin schreiend davongelaufen. Ich weiß das war feige gewesen, aber heute weiß ich, dass ich sowieso nichts tun hätte können, also hatte mir die Flucht das Leben gerettet. Ich bin nach Hause gelaufen, um dort nach meinen Eltern zu suchen, aber die waren nicht da. Keine Ahnung, ob sie noch lebten oder ob sie gefressen wurden … aber ich hatte nie wirklich die Hoffnung aufgegeben. Vielleicht sind sie ja in einer Safezone untergekommen. Wer weiß das schon.“
Ich lächelte sie freundlich an, klopfte ihr dann auf die Knie und meinte: „Immer die Hoffnung behalten. Ich hatte auch nicht aufgegeben. Am Ende habe ich Stefanie gefunden ...“ Dann wurde ich still und sah wieder aus dem Fenster. Meine Gedanken wanderten wieder zu meiner Schwester, die ich nach vier Jahren nur ein paar Stunden wiedertreffen durfte … jetzt war sie tot.
Unwillkürlich traten mir wieder die Tränen in die Augen und ich schluchzte auf und fand mich dann in den Armen von Antonia wieder, die mir tröstend über den Rücken strich.
~
Wir hielten vor einem Waffenladen, dessen Schaufenster zerstört war. Ich war mir nicht sicher, ob wir dort noch was finden würden, aber ein Versuch war es wert. Ich stieg aus und ging dann mit ihnen gemeinsam hinein. Auf unseren Weg hinein, mussten wir ein paar der Beißer erledigen und dann begann das große Suchen. Leider waren die größten Waffen bereits alle mitgenommen worden, doch Carter fand eine Armbrust mit einigen Vorrat an Pfeilen. Er grinste wie ein kleiner Junge als er die Waffe in den Händen hielt. Ich schmunzelte leicht, kramte in den Zwischenräumen und fand ein paar Messer, die ich Andrew reichte. Dann durchsuchte ich Schränke, Vitrinen und fand im Hinterzimmer ein Schwert. Ich zog es aus der Scheide, überprüfte die Schärfe der Klinge und packte es dann zufrieden wieder weg, dann schulterte ich das Schwert und durchsuchte den Raum bis zum letzten Winkel, konnte jedoch nichts mehr nützliches finden.
„Wow. Tolles Schwert“, sagte Dominic und grinste mich an. „Ja, nicht wahr. Finde ich auch“, erwiderte ich stolz und ging dann gemeinsam mit ihm wieder nach draußen. „Habt ihr was gefunden?“, fragte ich dann Andrew, der den Kopf schüttelte. „Nein außer der Armbrust und den paar Messern war nichts mehr da. Sogar die Munition wurde leer ausgeräumt.“ Dann fiel sein Blick auf mein Schwert. „Wo hast du denn das aufgetrieben?“, fragte er mit einen schiefen Lächeln. „Im Hinterzimmer war es“, meinte ich und stieg dann wieder in den Truck.
Andrew saß sich ans Steuer und startete den Motor. „Ein Schwert ist sehr praktisch. Lautlos und effizient.“ „Ja und einfacher zu benutzen, wie eine Pistole.“ Er lachte und nickte. „Ja das stimmt allerdings.“ Die anderen stiegen ebenfalls ein und dann fuhren wir los.
„Ich habe zwanzig Meter von hier entfernt eine Schießhalle gesehen. Dort könnten wir trainieren und die Schwächeren können dort das Schießen lernen“, teilte er uns mit und lenkte das Auto in diese Richtung. „Das ist wirklich eine gute Idee“, sagte ich und dachte dabei an Abigail, die im anderen Auto saß. „Und ich könnte auch ein wenig Übung gebrauchen.“ Ich lächelte Andrew kurz an, sah zu Antonia und kuschelte mich dann an Ian, der mich mit offenen Armen empfing.
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Nach dem Schießtraining, dass wir bis es dunkel wurde, gemacht hatten, lagen wir alle gemeinsam auf blauen Matten, die hart und unbequem waren, aber für diese eine Nacht reichen würden. Carter hatte sich zu mir gelegt, lag auf der Seite und sah mich an. Ich lauschte in die Dunkelheit hinein, hörte die gleichmäßigen Atemgeräusche der anderen und lag mich dann ebenfalls auf die Seite, um ihn ansehen zu können. Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit, aber dennoch konnte ich nur einen schwachen Umriss seines Gesichtes wahrnehmen. Lediglich der Vollmond spendete uns ein wenig Licht. „Glaubst du wirklich es gibt die Safezone?“, flüsterte er nun und sah mich fragend an. Ich nickte leicht und wisperte: „Ja. Es muss sie noch geben. Ich meine das Militär hat Waffen. Waffen, die wir nicht haben und vielleicht gibt es dort ebenfalls ein Labor. Vielleicht wird dort ein Heilmittel hergestellt? Vielleicht kann es wieder so werden wie früher.“
„Das sind viele Vielleichts“, erwiderte er leise und war dann mit den Gedanken woanders, bevor er weitersprach: „Aber es ist schön, zumindest jetzt ein Ziel zu haben. Hoffnung. Verstehst du?“ „Ja“, hauchte ich, rollte mich zusammen und sah in die Dunkelheit hinein. „Hoffnung brauchen wir oder wir würden keinen weiteren Tag überleben.“ Er nickte und dann war er still. Ich sah kurz zu ihm und musste feststellen, dass er eingeschlafen war. Ich lächelte kurz, zog die Decke fürsorglich über seine Schulter und drehte mich dann wieder zu Ian, der tief und fest schlummerte. Ich kuschelte mich an seine breite Brust und lauschte seinem beruhigenden Herzschlag. Ich konnte mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Es war einfach unvorstellbar. Ich wusste, würde Ian sterben, dann würde unwiderruflich ein Teil in mir ebenfalls sterben. Ich würde nie wieder die Gleiche sein. Carter war ein toller Mann und ich hoffte auch für ihn er lebte lange und dass er eine Frau fand, die seine Liebe so erwiderte, wie er es verdient hatte. Aber mein Herz wird für immer Ian gehören. Nichts auf dieser Welt konnte das verändern.
~ vor vier Jahren
Ich hatte mein Zuhause fluchtartig verlassen. Die Welt schien unterzugehen, je näher man der Stadt kam, desto lauter wurden die Schreie, desto schlimmer das Massaker. Gebäude brannten, Panzer fuhren durch und die Luft war erfüllt von Hubschraubern des Militärs, doch nicht einmal das Militär konnte der Apokalypse Herr werden und so zog ich mich zurück. Die Stadt war zu gefährlich, ich musste raus auf's Land. Ich rannte so schnell wie ich konnte, guckte unterm Rennen natürlich nach meiner Schwester, doch sie war nirgendwo zu finden.
Meine Beine wurden schwer und schon bald plagte mich ein scharfer Seitenstich, doch ich musste weiter rennen. Ich musste einfach, oder ich würde tot sein. Nein nicht tot. Ich würde so ein Zombie werden. Dieses Schicksal wollte ich niemals teilen.
Also rannte ich, rannte bis ich ein Pferd fand, dass von den Beißern bedrängt wurde. Ich wusste nicht, woher ich damals den Mut nahm, aber ich schlich mich von hinten an die Zombies heran und jagte ihnen beiden ein Messer durch den Kopf. Vielleicht hatte ich einfach Angst um das Pferd gehabt. Es war ein sehr elegantes, schönes Tier gewesen. Sie hatte mir ein Jahr gute Dienste geleistet, hatte sich aber jedoch den Fuß gebrochen und ich musste sie töten, um ihr ein grausames Schicksal zu ersparen. Danach war ich auf meine jetzige Gruppe gestoßen. Auf meine Familie. Erst als ich diese Menschen gefunden hatte, hatte ich mich ein Stückchen sicherer gefühlt.
~ Gegenwart (genau 1460 Tage)
Der nächste Tag war kalt, regnerisch und eine Gewitterfront zog auf. Es war der fünfte September und der Herbst nahte. Wir brachen alle schon sehr früh auf, aßen unterwegs und folgten den Schildern, die alle paar Kilometer auftauchten. Während der Fahrt war es ungewöhnlich still im Wagen. Jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen, doch dann machte das erste Auto einen Ruck und dann war der Sprit leer. „Verdammt“, fluchte Carter, der am Steuer saß, fuhr rechts ran und sah auf die Tankanzeige, die rot blinkte. „Leute wir haben ein Problem“, meinte er, raufte sich die Haare und stieg aus. Ich starrte jetzt auf das Blinken, seufzte und stieg dann auch aus. Der zweite Wagen hielt ebenfalls und Andrew stieg aus. „Was ist passiert?“ „Der Tank ist leer“, sagte ich, begann die Sachen auszupacken und in den anderen Wagen zu räumen. „Wir müssen zusammenrücken, bis wir einen neuen Wagen finden, der Fahrtüchtig ist.“
Andy nickte und öffnete dann die Türe. „Gut dann steigt ein.“ Dann stieg er selbst wieder auf die Fahrerseite ein und wartete bis wir uns alle hineingequetscht hatten. Wir saßen wie die Sardinen in der Büchse. Eingepfercht und konnten uns kaum rühren, doch es dauerte nicht lange und der Reifen platzte. Schlingernd kamen wir zum Stillstand.
„Mist“, fluchte Andrew, schlug auf das Lenkrad ein und schimpfte wie ein Rohrspatz. „Wir müssen zu Fuß weiter.“ Jetzt stiegen wir alle aus und sahen uns um. Wir waren im Nirwana gelandet. Nur weite Graslandschaft, ein paar Berge und die lange Straße, die in die nächste Stadt führen würde. Wir schulterten unsere gesamten Sachen, Waffen und mehr und wanderten dann zu Fuß weiter.
Donner grollte über dem Himmel, keine paar Minuten später prasselte der kalte Regen hinunter und durchnässte uns bis zu den Knochen. „Die Welt geht unter, aber das Wetter überdauert“, meinte Ian, legte einen Arm um meine Schulter und küsste mich auf die Schläfe. Ich grinste leicht und nickte: „Da hast du Recht. Und die Insekten werden auch überleben, denn Zombies haben kein Interesse an solchen Tierchen.“ „Die sind zu sehr damit beschäftigt uns abzuschlachten“, meinte er schmunzelnd und dann wanderten wir weiter. Ich hatte bestimmt zehn Blasen auf den Füßen, hinzu kam, dass mich der Marsch unglaublich müde machte. Es schien kein Ende zu nehmen. Es wurde sogar langsam dunkel, als wir endlich Häuser sahen. Wir jubelten lachend, mobilisierten unsere letzten Kräfte und wanderten zu den Häusern, wo ein Mann Holz hackte.
„Miguel?“, rief Ian überrascht und beschleunigte seine Schritte. Der junge Mann, mit den schwarzen kurzen Haaren und den blauen Augen sah auf und dann strahlte er über's ganze Gesicht. „Ian“, rief er lachend, legte die Axt fort und kam nun meinem Mann entgegen. Die beiden Männer umarmten sich fest und grinsten sich an, dann zog mich Ian an seine Seite und meinte: „Miguel. Das ist meine Frau Alyssa.“ „Eine Ehre, dich zu treffen“, meinte dieser, nahm meine Hand und küsste sie galant. Ich hob schmunzelnd eine Augenbraue und nickte ihm zu. „Ganz meinerseits. Freut mich Freunde von Ian kennenzulernen.“ Miguel grinste und dann stellte Ian ihm den Rest der Gruppe vor. „Sag mal hast du ein Auto für uns?“ „Klar, aber ich komme mit“, meinte Miguel, packte seine Axt und führte die Gruppe zu seinem großen Familienauto, wo alle Platz hatten. „Das Baby hatte ich von den Nachbarn geklaut. Die war eine sehr große Familie“, erzählte er mit einem Grinsen und packte unsere Sachen hinein. „Gut zu wissen“, meinte Ian lachend. Es freute mich ihn so glücklich zu sehen. Ob das ein Freund der früheren Zeit war oder ein Kerl den er in der Apokalypse kennengelernt hatte?
Ian musste wohl meinen neugierigen Ausdruck gesehen haben, denn er meinte mit einen sanften Lächeln, dass er Miguel seit dem Kindergarten schon kannte. wir waren nämlich auf den Weg in seine Heimatstadt. Jetzt sah ich in die Weite, machte große Augen und sah dann meinen Ehemann grinsend an. „Wir sind echt weit gekommen“, hauchte ich, kam auf ihn zu und schmiegte mich dann in seine Arme. Er umarmte mich fest, küsste mich auf den Scheitel und seufzte glücklich. „Ja das sind wir. Wir haben vier Jahre der Hölle hinter uns und leben. Wären wir in einen anderen Leben dann würde ich mit dir schon zwei Kinder haben und Lehrer sein.“ „Wir hätten einen Sohn und eine Tochter und ich wäre eine berühmte Bestsellerautorin. Wir hätten ein schönes Haus und ...“ „...einen Hund“, vollendete er meinen Satz und sah mich jetzt mit einem unglaublich zärtlichen Blick an. „Genau so ist das“, hauchte ich und küsste ihn jetzt. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und presste mich an ihn.
Jeder Faser meines Körpers sehnte sich nach ihm. Doch wir wurden jäh auseinandergerissen, als Abigail sich dazwischen drängte. „Leute wir müssen weg“, sagte sie panisch und deutete nun auf etwas in der Dunkelheit. Ich kniff die Augen zusammen und konnte dann was erkennen, aber mehr hörte ich es. Eine große Herde kam auf uns zu. Eine gigantische, sie kamen hinter uns in unsere Richtung. „Scheiße“, fluchte Carter und sprang hinein, nach ihm sprangen alle rein. Ich starrte voller Entsetzen auf die Zombies. Es sah einer Völkerwanderung ähnlich. „Aly komm“, rief Ian, packte meinen Ärmel und zog mich mit sich. Wir stiegen ins Auto und schon düsten wir davon.
~
Wir konnten nicht schneller als fünfzig Stundenkilometer durch die Nacht fahren, denn die vierspurige Straße war mit zurückgelassenen Autos übersät. Die Straße führte in die Richtung der damaligen Heimat von Ian zu, doch wir waren gezwungen, uns langsam durch die Wracks zu schlängeln, immer bewusst, dass hinter uns eine Horde schlurfte, die uns alle töten würde, wenn sie uns erwischte.
Angst durchfuhr meinen Körper und Übelkeit bahnte sich an. Ich sah in jedes einzelne Gesicht meiner Familie. Ich wollte niemanden verlieren. Ich konnte niemanden verlieren, das würde immer mehr von mir zerstören. Ich schmiegte mich an Ian, der mich sofort in den Arm nahm und mich mit zärtlichen Küssen übersäte. „Alles wird gut, Schatz. Wir schaffen das“, flüsterte er mir beruhigend zu und fuhr mir tröstend über den Rücken. Die Angst verklang, doch die Übelkeit blieb.
„Mist!“ Dieser Ausruf kam von vorne, wo Miguel am Steuer saß und zu seiner Rechten durch eine Schneise im Wald sah. Ein seltsames Licht schimmerte durch die Bäume. Circa fünfhundert Meter vor ihnen machte die Straße eine lange Rechtskurve durch ein Stück Wald, um sich dann in Richtung Nordwesten weiter auf die Stadt zuzuschlängeln. Hinter den Bäumen sind Flammen zu sehen.
Die Autobahn stand in Flammen. „Verflucht!“, entfährt es Owen, während Miguel den Fuß vom Gas nahm, um die Situation erst einmal etwas besser einschätzen zu können. Sekunden später sehen sie einen umgestürzten Tankwagen, der in zwei Teilen in lodernden Flammen mitten auf der Straße lag. Anscheinend wollte da jemand den Wagen holen, hatte aber eine riesen große Explosion verursacht. Er versperrte den Weg in das Innere der Stadt. Das Führerhaus hat sich beim Aufprall oder der darauf folgenden Explosion über die gesamte Fahrbahn verstreut. Ein großes Teil klemmte zwischen zwei Fahrzeugen und versperrte nicht nur den Mittelstreifen, sondern auch die gegenüberliegenden Fahrspuren. Die ausgebrannten Karossen anderer Autos lagen hinter dem Tanker.
Miguel fuhr an die Seite und hielt den Wagen auf dem Standstreifen keine fünfzig Meter von den lodernden Flammen entfernt an. „Was machen wir jetzt?“, fragte ich panisch, denn weiter kamen wir nicht. Plötzlich kommt ein Klatschen völlig unerwartet aus dem Nichts und lässt mich erschrocken zusammenzucken. Ein verkohlter Leichnam kratzte am Fenster. Das Zombie hatte sich in der Dunkelheit an uns herangeschlichen. Der Beißer drückte sich gegen die Fensterscheibe. Man konnte es kaum mehr als menschlich erkennen, derart schwarz und verbrannt war seine Haut.
Ian suchte nun nach seinen Messer und ließ dann das elektrische Fenster herunter. Der verkohlte Zombie streckte sofort einen versenkten Arm ins Auto und stieß ein kehliges Stöhnen aus. Ehe er jedoch Ian töten konnte, hatte er bereits das Messer in seinen Schädel gerammt.
Die verkohlte Leiche fiel zu Boden. Seufzend schloss Ian wieder das Fenster und sah mich an. Erleichtert lächelte ich und küsste ihn voller Liebe. Doch die Übelkeit wollte einfach nicht vorübergehen.
Ich legte meinen Kopf gegen seine Brust und hoffte einfach, dass es endlich weg war. „Okay Leute wir fahren jetzt außenrum“, konnte ich Miguel hören, der den Rückwärtsgang einlegte, bremste und dann vorpreschte. Er lenkte den Wagen über den Mittelstreifen – ein flacher Abwasserkanal, der von Unkraut überwuchert war. Die Hinterräder griffen gut in der zerfurchten Erde. Als wir beinahe auf der anderen Seite sind, gibt er etwas mehr Gas, sodass das Auto hochschießt und mit voller Wucht auf der gegenüberliegenden Fahrbahn aufkommt.
Miguels Hände schienen am Lenkrad festgewachsen zu sein, als er auf den Standstreifen zufuhr. „Festhalten!“, warnte er erneut uns Mitfahrer, als wir plötzlich eine mit Unkraut überwucherte Böschung hinabstürzten. Der Wagen neigte sich wie ein sinkendes Schiff zur Seite. Ich klammerte mich an Ian, der mich umschlungen hielt. Ich konnte die Flüche der anderen Hören, das Aufquieken von Abigail und das Gejubele von Dominic. Miguel riss das Lenkrad herum und trat dann aufs Gaspedal.
Der Wagen schlingerte in Richtung der schmalen Lücke zwischen den Wracks. Drei Äste lagen im Weg, doch Miguel achtete nicht auf sie. Einen Moment lang griffen die Hinterreife nicht, fanden dann aber wieder Halt im Schlamm. Er kämpfte wie ein Wilder am Lenkrad. Wir hielten alle den Atem an, als er sich durch die Lücke zwängte und atmeten entspannt aus, als wir ohne Schwierigkeiten durchpassten. Vor uns erstreckte sich ein Meer an kaputten Autos. Eine Massenkarambolage hatte auf der Gegenfahrbahn stattgefunden. Rauchende Karosserien, ausgeweidete Autos.
Miguel trat aufs Gas und schaffte das Auto zurück auf die Straße. Er riss das Steuer erneut herum, wodurch der Wagen hinten ins Schlittern geriet. Irgendetwas lief schief. Ich bemerkte, wie wir für einen Augenblick die Bodenhaftung verloren. Plötzlich heulte der Motor auf. Alle hielten den Atem an. Der Wagen steckte fest.
Miguel nahm den Fuß vom Gas und begann laut zu fluchen. „MIST MIST MIST MIST!!!! Okay alle Mann raus. Wir müssen hier weg.“ Sofort strömten alle aus den Wagen, öffneten den Kofferraum und holten die Sachen heraus.
Abigail begann plötzlich wie wild an meinem Ärmel zu zupfen. „Was ist?“, fragte ich leicht gehetzt, sah sie an und folgte dann ihrem Finger. Ich konnte mindestens ein Dutzend Schatten erspähen, die auf uns zukamen und uns zu umzingeln drohten. „Scheiße. Leute wir müssen SOFORT hier weg!“, rief ich jetzt und packte Abigails Hand. Die Zombies überquerten den Mittelstreifen. Andere erschienen hinter dem lodernden Haufen der Wracks, wieder andere wankten aus dem nahegelegenen Wald auf uns zu. Sie kamen in allen Formen und Größen, doch ihre Gesichter hatten stets die Farbe vom grauen Beton. Verfaulte, eingefallene Gesichter, die nach unseren Fleisch dürsteten.
„Wir müssen uns durchkämpfen“, rief Andrew uns zu und sah alle ernst an. Ich nickte, zog mein Schwert aus der Scheide und dann begann der Zombiemassenmord. Jeder der in meine Quere kam verlor seinen Kopf. Ich konnte Schüsse durch die Nacht hallen hören, das angestrengte Keuchen und die kleinen Flüche. Wir kamen nur langsam voran, doch endlich bildete sich eine große Schneise und wir konnten losrennen.
Wir sahen nicht zurück, töteten nur die Zombies, die uns den Weg versperrten und konnten schon die Stadt vor uns sehen als alles schief ging, was nur schief laufen konnte. Wir hörten einen gellenden Schrei, dann einen Schuss. Schlitternd blieb ich stehen und rannte zurück. Ich konnte sehen wie Dominic und Madelyn Owen stützten. An seinem Bein klaffte eine große Bisswunde. „Nein“, hauchte ich entsetzt. „Nein. Nein. Nein.“ „Alles gut“, versuchte er mich mit einen kleinen Lächeln zu beruhigen. Sofort nahm ich Dominic die Last ab und half Owen zu stützen.
Wir verschanzten uns in die Schule, die außerhalb der Stadt stand. Es sah nach einer Grundschule aus. Sie war nicht besonders groß, aber würde uns hoffentlich vor den Zombies schützen. Owens Stirn war schweißnass. Vorsichtig legten wir ihn auf den Boden und plötzlich schob mich Miguel unsanft von ihm fort. „Wir müssen sein Bein abhacken. Vielleicht breitet es sich dann nicht weiter aus“, meinte er ohne jegliche Emotion im Gesicht. Entsetzt sah ich zu Owen und dann zu Miguel. Sofort schüttelte ich den Kopf. „Das bringt ihn um.“ „Tu es“, sagte da plötzlich Andy und sah auf die Axt in Miguels Hand. „WAS?!“, kreischte ich außer mir und sah panisch zu Owen. „Hat er denn gar nichts zu sagen?“ Jetzt richteten sich alle Augen auf Owen, der uns schwach anlächelte. „Ja tu es“, murmelte er leicht benebelt. Panisch umklammerte ich Owens Hand und versuchte die Tränen hinunterzuschlucken. Er war für mich immer wie ein Großvater gewesen. Wie konnte man ihm einfach den Fuß abhacken? Aber dennoch würde es nichts ändern … er wurde gebissen und wird so oder so sterben.
Jetzt kamen Ian und Carter, hielten Owen rechts und links fest, während Madelyn mich von den alten Mann zog, dann holte Miguel aus und schlug mit der Axt auf sein Bein. Owen schrie sich die Seele aus den Leib. Es brauchte Miguel drei Schläge, bis er durch Knochen, Sehnen und Fleisch komplett durchgekommen war. Natürlich fiel nicht nur Owen in Ohnmacht.
~
Als ich wieder aufwachte, sah es schlecht um meinen alten Freund aus. Das Fieber hatte sich ausgebreitet. Seine Stirn war glühend heiß und der Stumpf blutete immer noch.
Mit der Zeit jedoch hörte er auf, doch das Fieber stieg unerträglich und schon bald entzündete sich der Stumpf.
Drei Tage später war Owen tot.
In der Zeit hatten wir die Schulsanitätszimmer geplündert, fanden sogar Verbände und Medikamente, jedoch half alles nichts. Owens Haut wurde fahler und blasser und dann starb er an einer Blutvergiftung. Anscheinend hätte es was geholfen, nur war Owens Körper zu schwach gewesen und der Blutverlust hatte ihm letztendlich den Rest gegeben. Die Stimmung war bedrückt. Die Männer hatten Owen hinausgeschleppt und auf dem Schulhof verbuddelt. Ein schiefes Kreuz zeigte an, wo er lag. Und dort saß ich gerade. Ich saß auf der aufgegrabenen Erde, starrte das Kreuz an und war wie tot. In so kurzer Zeit hatte ich zwei Menschen verloren, die mir alles bedeutet hatten. Meine Familie … mein Blick glitt zu Ian, der gemeinsam mit Carter Armbrustschießen übte. Beide Männer kamen plötzlich besser miteinander aus. Die Feindschaft von früher war gar nicht mehr zu spüren.
Es war schön den beiden zuzusehen, doch so wirklich brachte es mich nicht von den Gedanken weg. Eine Gewitterwolke hatte sich über meinen Kopf zugezogen und kein Sonnenstrahl wird für eine lange Zeit seinen Weg zu mir durch finden.
Es war als hätte ich mich in einer Blase zurückgezogen. Alles um mich herum wurde gedämpft. Der Schmerz pochte in meinen Herzen, doch die Tränen wollten nicht kommen. Ich hatte das Gefühl erstarrt zu sein. Jetzt blickte ich wieder auf das schiefe Kreuz und wollte es einfach nicht glauben, dass Owen tot war. Nach drei Jahren voller Angst und Überlebensinstinkt war er einfach so gestorben. Das gute war … ich konnte mich verabschieden, was ich bei Stefanie nicht konnte. Doch das machte es nicht leichter. Es ließ den Schmerz nicht weniger stark werden. Die Leere kam auch dieses Mal wieder. Es würde nie wieder wie früher sein. Kein Owen, der mir einen Rat gab. Kein Owen, der mich zum Lachen brachte.
Heute war der 8. September 2018. Der Tag war trist und trüb. An den Gittern drückten sich die Zombies, die zu uns hereinwollten. Bei einem Teil bog sich das Gitter schon gefährlich nach innen. Kurzerhand hievte ich mich auf meine Beine, zog mein Schwert aus der Scheide und ging zielstrebig auf diese Biester zu. Ich hatte die Schnauze voll von ihnen. Sie sollten endlich sterben!!! Es musste doch irgendwann ein Ende haben, warum nur wollte dieser Albtraum einfach nicht enden?! „Aly?“, rief da plötzlich Miguel, der nicht weit entfernt vom Sportplatz seine Axt schärfte. Doch ich ignorierte seine Rufe. Alles was ich wollte, war jedem einzelnen Beißer den Kopf abzusäbeln. Ich vergrub die scharfe Spitze in deren verfaulten Schädel und konnte mit Genugtuung sehen, wie sie einem nach dem anderen fielen.
Doch zu mehr kam ich nicht, denn Miguel riss mich zurück. „Hör auf.“ „Was?! Wieso?“, wetterte ich fassungslos und versuchte mich von ihn loszureißen, doch er hielt mich beständig fest. „Ich war mal genau an denselben Punkt wie du angelangt. Wollte alles vernichten und wäre beinahe selbst draufgegangen. Wobei es bei mir egal gewesen wäre, aber du bist mit Ian verheiratet. Mit meinem besten Freund und er liebt dich über alles. Vor allem bist du schwanger.“ Wie vom Blitz getroffen starrte ich Miguel ungläubig an. Schwanger? Ich? Woher wollte der das bitteschön wissen?!
Doch Miguel lächelte mich nur nachsichtig an. „Ich hab des Öfteren bemerkt, wie du dich übergeben hast, auch wenn du versucht hast es zu verheimlichen. Ich kenne die Symptome. Meine Verlobte war schwanger gewesen als alles ausbrach … ich … ich hatte sie verloren und auch das Baby. Glaub mir das verfolgt mich noch heute in meinen Träumen, also bitte … bitte tu das nicht Ian an. Ich kenne ihn. Er ist zu sensibel und wird eingehen.“
Ich presste die Lippen aufeinander und musste erst einmal die Informationen verdauen. Schwanger? Scheiße …
Jetzt traten mir die Tränen in die Augen. Ein Baby in die Welt zu bringen … das sollte so nicht sein. Das Baby sollte in normalen Verhältnissen aufwachsen. Ich konnte nicht schwanger sein. Miguel legte mir eine Hand auf die Schulter und zwang mich ihn anzusehen. „Aly. Das ist nicht der Weltuntergang. Sag es Ian. Bitte sag es ihm.“ Doch plötzlich krachte das Gitter mit den Zombies um und andere versuchten über ihre gefallenen Kameraden zu klettern. „Scheiße“, rief Miguel, packte mein Handgelenk und riss mich mit sich. „ALLE REIN. SIE SIND DURCHGEKOMMEN!“, brüllte Miguel und alarmierte somit Carter und Ian, die jetzt schnell die Pfeile einsammelten und in unsere Richtung liefen. Wir huschten in die Schule, verriegelten die Türe und hetzten weiter den Korridor zu den anderen, die gerade miteinander sangen und lachten, denn Dominic hatte eine Gitarre im Musikraum gefunden.
Doch als wir vier so panisch rein stürmten, war die fröhliche Stimmung sofort verflogen. „Was ist passiert?“, wollte Abigail sofort voller Angst wissen. „Sie sind durch den Zaun gebrochen“, erklärte Carter schnell die brenzlige Lage. „Und die Türe wird sie auch nicht lange aufhalten. Wir müssen hier fort und zwar schnell!!!“ Sofort waren sie alle auf den Beinen, packten die restlichen Sachen und marschierten los. „Wo lang?“, fragte Andrew Ian, der hier ja mal zur Grundschule gegangen war. Ich hatte mir in den drei Tagen die kleine Schule genauer angesehen und sie war damals wohl sehr schön gewesen. Ich hatte mir sogar Ian vorgestellt, wie er als Erstklässler das erste Mal in die Schule kam. Aufgeregt und hibbelig. Bei dem Gedanken musste ich lächeln und dann verschleierten mir die Tränen wieder die Sicht.
Unser Baby würde niemals sowas haben. Niemals würde es die Schule kennenlernen oder Probleme mit Jungs oder Mädels haben. Das größte Problem werden die Zombies sein. Das war kein Leben. Ich wollte kein Kind in diese Welt setzen!!!
„Alyssa, alles okay?“, fragte mich Ian besorgt und nahm nun meine Hand. Seine Wärme umhüllte mich und brachte mich zum Lächeln. Ich wischte mir die Tränen fort und nickte. „Ja. Natürlich. Du bist ja bei mir.“ Das brachte ihn zum Strahlen, dann waren wir draußen. Er zog mich weiter und rief: „Dort ist die Polizeistation. Wir könnten gucken ob dort paar Waffen sind. Auch müssten große Polizeiautos dort sein. Vielleicht sind die Schlüssel drinnen, wenn nicht schließen wir es kurz.“ Madelyn dirigierte die Gruppe zur Polizeistation und meinte: „Carter, Andrew und ich bleiben draußen und erledigen Beißer. Dominic, Antonia und Abigail, ihr guckt nach den Autos und Miguel, Ian und Alyssa. Ihr seht nach den Waffen.“
Alle nickten und rannten zu ihren Tätigkeitsbereich. Gemeinsam mit Miguel und Ian rannte ich nach drinnen ins Gebäude. Dort begegneten wir nur einem einzigen Polizisten, den wir schnell erledigten. Wahrscheinlich waren sie alle ausgeschwärmt, als die Katastrophe kam.
Wir marschierten weiter und dann konnte ich Miguels Blicke auf mir spüren. Er wusste, dass ich es Ian noch nicht gesagt habe und anscheinend versuchte er mich zu drängen, doch ich konnte nicht. Also sah ich zurück und kniff die Augen zusammen. So nach dem Motto, wehe du verratest es ihm, dann mache ich dich zum Hackfleisch. Miguel seufzte schwer, wuschelte Ian kurz durchs Haar und verschwand dann in der Waffenkammer. Ian schmunzelte leicht und sah mich nun an, froh darüber, dass wir kurz alleine sind.
„Alles okay bei dir. Du siehst aus, als würde dich etwas bedrücken, Schatz.“
Schon wollte ich wieder nicken, doch dann fiel mein Blick auf den Ring. Wir waren verheiratet und ich liebte ihn über alles. „Aly?“, fragte Ian jetzt leicht besorgt und umfasste mein Gesicht liebevoll. Aus den Augenwinkeln konnte ich Miguel sehen, der neugierig lauschte. „Ich bin wahrscheinlich schwanger, Ian“, sagte ich jetzt direkt heraus und sah in seine wunderschönen blauen Augen. Sie weiteten sich, dann lag ein unglaublich zärtlicher Ausdruck in seinen Augen. „Oh Baby.“ Er war zu überwältigt, sodass er kaum Worte fand, was wiederum mich zu Tränen rührte. „Wenn es wirklich so ist … ich hab Angst Ian.“ „Ich weiß, Schatz. Ich weiß. Aber wir schaffen das. Gemeinsam. So wie wir immer gemeinsam alles schaffen“, hauchte er und küsste mich liebevoll. Ich erwiderte, zog ihn an mich und sog begierig seine Liebe auf. Er gehörte mir für die Ewigkeit.
Ein Räuspern ließ uns wieder in die Wirklichkeit zurückkehren. „Ich will euch ja nicht stören oder so“, meinte Miguel mit einem verschmitzten Lächeln, „aber es ist Zeit aufzubrechen, ihr Schnuckis.“ Er drückte uns eine Tasche voller Waffen und Munition in die Hand und nahm die andere selbst. Ian grinste leicht und meinte: „Warte einen Moment.“ Dann verschwand er plötzlich. Ich sah zu Miguel und er zu mir. „Danke“, sagte ich dann schließlich und meinte es ehrlich so. „Nein ich danke dir. Ian ist mein bester Freund und er ist schon viel zu oft durch die Hölle gegangen. Wir hatten uns aus den Augen verloren als die Apokalypse begann und er war da am Ende gewesen, sowie ich selbst. Aber als ich ihn dann wieder sah in Begleitung mit dir … er war wie ein anderer Mensch. Er strahlt richtig. Jedes Mal wenn er dich erblickt, dann geht er an wie ein Weihnachtsbaum. Er liebt dich über alles. Ach nein er vergöttert die Alyssa und auch wenn es scheiße ist hier. Ein Kind mit dir, macht es für ihn perfekt. Lässt ihn ein wenig Normalität schnuppern.“
Gerührt von seinen Worten, hatte ich wieder Tränen in den Augen. Heute war ich ziemlich nah am Wasser gebaut. Er sah es und nahm mich dann grinsend in den Arm. „Oh Alyssa. Ich bin ja so froh, dass er jemanden wie dich gefunden hat.“ „Und ich bin froh, dass ihr euch beide wiedergefunden habt“, sagte ich schniefend und lachend und erwiderte die Umarmung herzlich.
„Spannst du mir gerade meine Frau aus?“, fragte Ian mit gespielt bösem Ton. Wir beide ließen voneinander ab und grinsten ihn an, dann fiel mein Blick auf die Uniform, die er trug. „Hallo Police Officer“, schnurrte ich, kam auf ihn zu und gab ihm einen langen sehnsüchtigen Kuss. Er sah heiß darin aus, vor allem dieser Hut stand ihm gut. Wieder räusperte sich Miguel und brachte uns beide zum Lachen. „Leute lasst uns hier verschwinden und ihr könnt euch austoben, solange und so laut wie ihr wollt.“ Ein verschmitztes Grinsen trat auf sein Gesicht, dann packte er beide Taschen und marschierte hinaus.
Ich konnte darüber nur den Kopf schütteln. Wir hatten zwar Owen verloren aber jemand neues tolles gewonnen. Und vielleicht schafften wir es nun ohne Verluste bis zur Safezone.
„Na dann lass uns gehen“, meinte Ian, hob mich plötzlich hoch und trug mich grinsend nach draußen, wo schon die Anderen auf uns warteten. Sie hatten einen großen Polizeibus gefunden. In dem hatten wir sehr viel Platz und sollte es mal vorkommen, dass wir keinen Unterschlupf fanden, konnten wir auch locker dort drinnen schlafen. „Alle einsteigen“, sagte Andrew grinsend. Ich grinste und stieg mit Ian ein. Von ganz automatisch zählte ich alle durch und saß mich dann zufrieden mit Ian hinter Carter, der sich sofort zu uns umdrehte.
„Na. Bist jetzt Sheriff, huh?“, fragte er grinsend. „So sieht's aus“, meinte Ian, nahm seinen Hut ab und platzierte ihn auf Carters schwarzes Haar. Carter grinste schief und sah wieder nach vorne. Ja sie waren Freunde geworden, was mich ungemein freute.
Der Bus fuhr an und die Reise ging weiter. Wir fuhren aus der Stadt raus und machten uns auf den Weg nach Helena in Montana auf. Wieder zäumte alle paar hundert Meter so ein Schild auf dem die Safezone versprochen wurde. Aber ob es sie wirklich noch gab?
Es war bereits dunkel als wir in Helena ankamen. Wir wollten eigentlich ein Lager aufschlagen, doch die seltsamen Lichter bei der Kirche und dem angrenzenden Friedhof machten uns neugierig. „Was ist das?“, fragte Antonia und deutete auf das Flackern. Ian kniff die Augen zusammen und kratzte sich leicht am Kopf. „Ich glaube das sind große Lagerfeuer.“ „Auf dem Friedhof?“, fragte Madelyn ungläubig und machte sich nun auf den Weg in diese Richtung. Andrew folgte ihr sofort und hielt sie auf. „Das ist eine dumme Idee. Nachts auf den Friedhof zu gehen!“ „Aber bist du nicht neugierig was da vor sich geht?“, meckerte Madelyn mit ihm und versuchte sich loszumachen. „Nein. Nicht wenn es dein Leben kosten könnte“, meinte er stur und sah zu uns. „Wir fahren noch ein wenig und suchen uns dann ein sicheres Plätzchen.“ Doch Madelyn dachte nicht daran, riss sich von ihm los und marschierte weiter.
Wir anderen sahen uns unschlüssig an, aber dann folgten wir Madelyn, die schon einen guten Vorsprung vor uns hatte. Andy fluchte leise und folgte schließlich dann auch.
Als wir näher kamen, erkannten wir tatsächlich Feuerstellen. Es waren große Lagerfeuer, dessen flackernder Schein geisterhafte Schatten auf die Gräber warf. Hier und dort konnte man Zombies umher wanken sehen, die wie Motten vom Licht angezogen wurden und in die Flammen fielen und verbrannten. Diese Szene konnte aus jedem Horrorfilm stammen. Wieso konnten wir nicht einfach wieder umkehren und die Zombies, Zombies lassen?
„Alles okay bei dir?“, fragte mich Carter und setzte nun mir den Hut von Ian auf, den er immer noch trug. Ich lächelte kurz und nickte. „Ja. Ich weiß nur nicht, ob das eine gute Idee ist“, flüsterte ich besorgt und musste unwillkürlich an das Baby in meinen Bauch denken, falls dort ein Baby war. Ich konnte ja schlecht einfach mal einen Schwangerschaftstest machen.
Carter drückte kurz meine Schulter und lächelte leicht. „Das wird schon. Wir bleiben einfach oben.“ Dabei deutete er auf den Pavillon, der ein Flachdach hatte und im griechischen Stil erbaut worden war. Ich sah zu ihm, nickte und machte mich dann gemeinsam mit Carter auf den Weg zum Pavillon, der in unserer Nähe war. Carter machte eine Räuberleiter und half mir auf den Pavillon zu klettern, er selbst kletterte ohne jegliche Hilfe hoch. Wir konnten sehen, wie sich die anderen in Stellung stellten und die Zombies in ihrer Nähe killten.
Plötzlich hörte ich, wie jemand sang. Irgendetwas lateinisch hallte durch die Nacht und ließ die Zombies aufhorchen. Sie folgten dem Gesang und versuchten die Person zu erreichen, die sich auf einer höheren Plattform verschanzt hatte und die Arme in die Luft gereckt hatte. Völlig verstört beobachtete ich die verrückte Frau und nahm mir jetzt das Scharfschützengewehr, um besser sehen zu können.
Ich sah durch das Fernrohr und sah eine ältere Frau, mit stark gelockten Haaren und einer dicken Brille, die ihre Augen übermäßig groß machten. „Wer ist das? Beziehungsweise was macht die da?“, fragte Carter genauso verwirrt wie ich. „Ich hab keine Ahnung. Es sieht beinahe so aus, als würde sie irgendetwas anbeten oder so.“ Mein Blick fiel auf Madelyn, die gemeinsam mit Andrew die Frau flankierten und dann hallte deren Stimme durch die Nacht. „Was machen Sie da? Kommen Sie da runter“, hörte ich Madelyn zischen. Der Gesang brach ab, die alte Frau sah sich verwirrt um und entdeckte dann die Gruppe. „Oh. Wie wundervoll. Wollt ihr ebenfalls teilnehmen“, säuselte sie beschwingt und verfiel wieder in ihrem Singsang. Andrew und Madelyn sahen sich verwirrt an und begann dann gemeinsam mit den anderen die Zombies zu töten. Ich half ihnen indem ich sie mit dem Scharfschützengewehr erledigte.
Plötzlich begann die Frau zu kreischen. „NEIN. NEIN! WAS TUT IHR DA?!! Ihr tötet die Todesengeln. Gott hat sie uns gesendet. Er will, dass wir als Engel aufsteigen und dann wird die Welt neu erschaffen“, plärrte sie durch die Nacht und lockte noch mehr von den Beißern an. Vollkommen perplex beobachtete ich die Frau und konnte nicht fassen, was sie da für ne Scheiße daher laberte. „Okay, Miss“, versuchte Madelyn sie zu beruhigen. „Sie irren sich. Das alles hier stammt vom Ebolavirus ab. Er ist der Grund, weshalb die Toten auf der Erde wandeln.“ „NEIN!“, kreischte die Frau weiterhin. Dann aber fuhr sie ruhiger fort und hatte ein nachsichtiges Lächeln auf den Lippen. „Ihr versteht das nicht. Das ist okay. Komm herauf, liebes Kind. Ich zeige es dir. Mein Name ist Charlie Cross und ich bin Gottes Bote. Ich kann sie verstehen. Ich höre was sie sagen“, trällerte sie weiter und sah verzückt auf die Zombies, die versuchten sie zu erwischen.
„Die ist komplett irre“, murmelte Carter und konnte darüber nur den Kopf schütteln. Ich hatte bei dieser Frau ein wirklich sehr ungutes Gefühl. Die Jahre in der Zombieplage hatten ihr Gehirn wohl ein wenig durcheinander gebracht! Todesengel?! Sowas existiert nicht, ich war mir noch nicht einmal sicher, ob ich überhaupt an eine höhere Macht glaubte. Früher vielleicht schon, aber jetzt? Nach allem was wir durchgemacht hatten?!
Wieso würde Gott so etwas zulassen, wo er doch gütig und barmherzig beschrieben wird. Madelyn sah zu Andrew, dann zu der verrückten Frau. „Ich rede mal mit ihr von Angesicht zu Angesicht. Entweder sie kommt mit oder sie bleibt hier.“ Sie küsste Andrew und dann kletterte sie nach oben auf die Plattform. Andrew war darüber nicht besonders glücklich. Aber er wusste, dass Maddie wusste was sie tat.
Doch was dann geschah, hatte niemand vorhergesehen. Die alte Frau, packte Madelyn plötzlich blitzschnell und schnitt ihr die Kehle auf, bevor sie überhaupt was sagen kann. „NEIN!“, konnte ich mich kreischen hören, mit den anderen, die geschockt von dieser Wendung waren. Ohne groß zu überlegen, schoss ich der Bitch in den Schädel. Die verrückte Frau fiel tot hinunter. Die Beißer stürzten sich gierig darauf und ignorierten die andern. Ich konnte Andrews Wehklagen hören. Er hievte sich hoch, rutschte ab und fiel in den Schlamm. Ian half ihm hoch und machte dann eine Räuberleiter, damit er zur sterbenden Madelyn hochkam.
Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. Maddie würde überleben. Maddie war tough und sie wird das überleben. Ich wurde ganz hysterisch, meine Hände begannen unkontrolliert zu zittern und die Waffe fiel aus meiner Hand. Ohne auf Carter zu achten, sprang ich vom Pavillon, purzelte durch das Gras, kam aber wieder auf die Beine und rannte auf die Gruppe zu.
Hinter mir hörte ich Carter, wie er ebenfalls hinuntersprang und mir folgte. Bitte lieber Gott, mach, dass sie überlebt, betete ich und spürte, wie sich wieder Tränen in meinen Augenwinkeln ansammelten. Bitte gab es einen Gott. Bitte. „Maddie“, brüllte ich schluchzend und kam in den Moment als Andrew sie von der Plattform hinunterbrachte. Er saß mit ihr im Gras, wiegte sie hin und her und weinte bitterlich. „Nein. Bitte. Sie überlebt doch, oder?“, schniefte ich, nahm ihre Hand, doch ich war zu spät. Ihre Augen waren bereits glasig. „Nein. Nein wach auf. Ich konnte mich nicht verabschieden. NEIN!“
Irgendetwas lief gewaltig schief. Irgendetwas wollte mich doch verhöhnen. Wieso passierte das plötzlich? Warum starben sie alle?! Ich hatte den kompletten Nervenzusammenbruch. Ich bekam kein Wort mehr heraus, war plötzlich komplett leer und wusste nicht was ich tun sollte.
„Wir müssen hier weg“, sagte Dominic leise, der ein Auge auf die Zombies hatte, die eindeutig alles von der Frau abgenagt hatten und nun die Aufmerksamkeit auf uns richteten. Andrew jedoch rührte sich kein Stückchen. Und dann kam der Moment, der kommen musste. Madelyn wurde zum Zombie und wollte sich an Andrew festbeißen. Doch Carter zog seine Armbrust und schoss ihr in den Kopf. Niemand anderer konnte sich rühren. Sie alle waren wie erstarrt gewesen, genau wie ich. „Jetzt kommt!“, rief Carter, packte mich und stellte mich auf die Beine, dann riss er Andrew unsanft auf die Beine und zwang ihn Maddie loszulassen. „Heute stirbt mir niemand mehr!“, knurrte er und scheuchte sie alle weiter. Langsam kam Leben in uns und wir rannten los. Carter führte uns zur Kirche, ließ alle hinein und machte dann die Tore zu. Mit einem Balken sicherte er die Türe und sah uns alle nach der Reihe an.
Sogar Miguel stand unter Schock, obwohl er Madelyn noch nicht einmal lange gekannt hatte. Wir alle sahen aus, als wären wir mit ihr gestorben. In so kurzer Zeit hatten wir zwei von unserer Familie verloren. Wie viel Verluste konnten wir noch verkraften, bevor wir uns selbst den Garaus machten? Völlig erschöpft ließ ich mich auf den kalten Boden sinken und schlief mit schmerzendem Herzen ein.
Der nächste Tag war klar und warm, doch ich zitterte wie Espenlaub. Noch immer sah ich, wie Madelyn getötet wurde. Hätte ich nur eine Minute früher abgedrückt, dann würde sie noch am Leben sein. Doch ich hatte es nicht getan und so ging es wohl auf meine Kappe, dass sie tot war. „Aly?“, riss mich Ians Stimme aus den Gedanken und ließ mich hochsehen. „Hast du Hunger?“ Er hielt mir eine Schüssel mit brühend warmer Suppe hin und lächelte mich mitfühlend an. Auch er sah aus, als hätte er die Nacht über nicht schlafen können. „Ja“, sagte ich, nahm sie dankend an und machte ihm Platz, als er sich neben mich auf den kalten Fliesenboden saß. „Ist dir kalt?“ Ich schüttelte den Kopf, lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter und begann zu essen. Durch die großen bunten Fenster der Kirche, kämpften sich die Sonnenstrahlen durch.
Doch hier war es still. Kaum einer sagte etwas. Jeder aß stillschweigend und war in seinen eigenen Gedanken versunken. Irgendwann räusperte sich Carter und meinte: „Wir müssen weiter, Leute. Wir sollten hier raus … raus aus dieser Stadt.“ Er schulterte seine Armbrust und marschierte dann zielstrebig zu den großen Toren der Kirche. Dann zog er den Balken heraus und öffnete sie dann quietschend. Sonnenstrahlen durchfluteten den verstaubten Kirchenraum und ließ uns die Augen zusammenkneifen. Die Zombies waren bereits weitergezogen, auf der Suche nach mehr Fleisch. „Na los. Wir müssen weitermachen“, sagte Carter und sah uns alle in die Augen. „Das hätte sie gewollt!“ „Du hast keine Ahnung, was sie gewollt hätte!“, brüllte Andrew außer sich und sah ihn wütend an. Carter fuhr sich durchs schwarze Haar und kam auf Andy zu, der ihn jedoch fort schubste. „Ich weiß es ist scheiße jemanden zu verlieren den man liebt, Andrew. Aber wenn wir nicht weitermachen, unvorsichtig werden, dann sind wir die Nächsten.“
Ich aß fertig auf und raffte mich dann ebenfalls hoch. Carter hatte Recht. Wir mussten weitermachen und wenn wir diese Safezone erreichen wollten, mussten wir jetzt weiter bevor es zu spät war. „Carter hat Recht. Maddie hätte gewollt, dass wir weiter diese Biester töten. Dass wir die Welt von ihnen erlösen.“ Dann marschierte ich hinaus und versuchte tief ein und auszuatmen. Madelyn, Owen, Stefanie. Sie alle drei waren tot und würden nicht mehr der Welt beim Zerfall zusehen müssen. Doch dennoch schmerzte deren Tod sehr. Ich versuchte den Schmerz zu verdrängen, doch es gelang mir nicht. Mein Herz pochte schmerzhaft und sendete diesen Schmerz durch meinen ganzen Körper, doch ich marschierte weiter und kam bald dort an, wo wir eigentlich unser Auto abgestellt hatten. Doch …
Es war nicht mehr da.
„MIST!“, rief ich außer mir und guckte um die Ecke. Vielleicht hatte ja jemand den Wagen woanders geparkt. Doch er war nirgendwo mehr zu finden. Scheiße, jemand hatte ihn geklaut. Dass ich das auch noch einmal erlebe. „Wo ist das Auto?“, wollte Dominic verwirrt wissen und sah mich fragend an. Ich hob die Hände und sah ihn ratlos an. „Keine Ahnung. Weg.“ „Wie weg?“, fragte jetzt Abigail und machte große Augen, als auch sie bemerkte, dass unser tolles Auto fort war. „NEIN. Mein Auto“, jammerte Miguel und raufte sich leicht die Haare. Ich konnte ihn verstehen. Mir wäre es auch lieber, wenn wir nicht zu Fuß weitergehen müssten, doch Jammern brachte uns keinen Schritt weiter. Also marschierte ich los. „Wo willst du denn hin?“, rief mir Miguel nach. „Na wohin will sie wohl“, meinte Ian lachend und holte dann auf. Er grinste mich an, nahm meine Hand und hielt dann mit mir Schritt.
~
Wir spazierten durch die ganze Stadt, gingen den Beißern aus den Weg, versuchten so wenig wie möglich Pause zu machen und kamen dann endlich auf eine Ackerfläche, die sich in die Weite ausstreckte. Der Vorteil. Hier konnten wir absolut kein Zombie entdecken. Der Nachteil. Es gab keinen Unterschlupf und langsam aber sicher, neigte sich der Tag dem Ende zu. Ich sah zu Andrew, der wie eine wandelnde Leiche hinter uns hertrottete. Er tat mir richtig leid. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie es war, jemanden zu verlieren, den man über alles liebte. Doch bevor ich zu ihm gehen konnte, hörte ich einen lauten Aufschrei. „DOMINIC!“, kreischte Abigail plötzlich und rannte auf einen großen tiefen Graben zu, der von Menschenhand gegraben worden war. Dort drinnen waren drei Zombies gefallen und kamen nun auf Dominic zu, der versuchte an den glatten Wänden wieder hochzukommen.
„Schießt die Zombies ab“, kreischte Abigail und versuchte Dominic hinaufzuziehen, doch er rutschte immer wieder ab. Carter versuchte einen guten Winkel zu erwischen. Er schoss und traf dem ersten Zombie in der Schulter. „Scheiße. Dominic beweg dich nicht so.“ „Soll ich mich etwa fressen lassen“, brüllte er zurück und wich jetzt zurück. Sobald er aus dem Schussfeld war schoss Carter wieder und traf dem ersten Zombie im Schädel, auch die anderen schossen und durchlöcherten die Übrigen. Sobald die Zombies tot waren, packten die Männer Dominics Hände und zogen ihn wieder nach oben. Sobald er wieder oben war, stürzte sich Abigail auf ihn und küsste ihn. Vollkommen überrascht, riss Dominic die Augen auf, doch zog sie dann an sich und erwiderte. Ich konnte nicht anders, als wie ein Trottel zu grinsen. Ich wusste doch, dass Dominic auf sie stand. Es freute mich zu sehen, dass ich Recht hatte.
Einfach aus dem Affekt heraus begann die gesamte Gruppe zu klatschen und lachen. Es war als wäre ein Ventil aufgemacht worden und die ganze Traurigkeit wurde in die Luft getragen.
Doch das Lachen verging uns, als wir von Menschen umstellt wurden, die Waffen auf uns richteten. „Wer seid ihr?“, fragte der Anführer unter ihnen und musterte uns sorgfältig. Schon wollten unsere Hände zu unseren Waffen greifen, doch Carter trat vor und legte die Armbrust auf den Boden. „Hören Sie. Wir haben schon viel zu viele Verluste erlitten. Lasst uns gehen und ihr seht uns nie wieder. Wir wollen niemanden wehtun. Einer von uns ist in die Falle gefallen. Wir haben ihn gerettet und jetzt werden wir gehen.“ Er nahm wieder seine Armbrust auf und ging los. Noch zögerte der Anführer und schon dachte ich, dass er Carter erschießen wollte, doch sie traten beiseite und ließen ihn durch. Die Waffen wurden hinunter genommen und die Gesichter wurden freundlicher. „Okay. Aber ich möchte euch nicht mehr hier sehen“, brummelte der bärtige Kerl. Diesen Wunsch würden wir ihm natürlich gewähren, denn wir wollten aus dieser Stadt so schnell wie es nur ging.
Also marschierten wir alle an der Gruppe vorbei und marschierten entschlossen weiter. Es würde noch ein langer Weg werden. Aber ich war mir sicher, dass am Ende unserer Reise eine Belohnung auf uns warten würde. Ich wusste es einfach. Ich spürte es. Mit einem kleinen Lächeln nahm ich Ians Hand und lehnte mich gegen ihn. Solange ich Ian hatte, konnte ich alles überstehen.
Great Falls. So hieß die Stadt, dessen Willkommensschild wir passierten. Es war eine ziemlich altbackene Kleinstadt, aber dennoch besaß es noch seinen früheren Charme, obwohl die Toten durch ihre Straßen wandelten. „Lasst uns hier rasten“, meinte Dominic und deutete auf einen kleinen Kleidershop, der noch voll mit der Mode von vor vier Jahren gespickt war. „Dort drinnen holen wir uns frische Klamotten und dann suchen wir uns irgendwo einen Platz zum Duschen. Das haben wir bitter nötig.“ Abigail, die glückselig an Dominic gekuschelt dalag, nickte erfreut und meinte: „Ich habe das Shirt bestimmt schon seit Wochen an. Und ich müffel wie die Pest. Ich halte es schon gar nicht mehr in meiner eigenen Haut aus.“ Andrew fuhr an den Rand und stellte den Motor aus.
„Ihr habt Recht. Wir sollten das wirklich tun“, meinte er leise und stieg aus. Noch immer machte ihm der Tod von Madelyn zu schaffen, genau auch wie mir und den Anderen. Doch wir alle versuchten uns zusammenzureißen. Wir versuchten alles zusammenzuhalten und das Leben weiterzuleben, auch wenn es nicht gerade angenehm war.
Alle stiegen aus inklusive mir und machten sich dann auf den Weg zu dem Shop, wo drei der Beißer an die Scheiben kratzten. Ian küsste mich kurz und erledigte dann gemeinsam mit Dominic und Andrew die Zombies, dann bedeuteten sie uns draußen zu warten, während sie den Laden sicherten. „Weißt du schon ob es ein Mädchen oder ein Junge wird?“, fragte mich Abigail und legte ehrfurchtsvoll ihre Hand auf meinen Bauch. Ich lachte heiser und beobachtete sie dabei. „Ich hab keine Ahnung in welchem Monat ich bin. Vielleicht zweiter? Da ich die Morgenübelkeit habe, aber bis jetzt gabs noch nicht mal ein Kitzeln. Ich glaube das kommt erst im fünften oder vierten Monat Abigail. Und nein weiß ich nicht.“
Abigail kicherte leicht, ließ die Hand sinken und sah mich dann verschmitzt an. „Ich glaube das ist ein Mädchen und die wird genauso tapfer wie du und so schön.“ Ich sah Abi liebevoll an und umarmte sie dann fest. „Du bist so süß, Schwester im Herzen.“ „Nicht so süß wie du.“ „Willst du wieder streiten?“, meckerte ich scherzhaft. Abigail lachte und nickte. „Ja aber wie. Ich suche mir kurz Boxhandschuhe.“ Wir sahen uns beide an und brachen dann in Gelächter aus. Auch Carter grinste leicht und konnte darüber nur den Kopf schütteln.
„Es ist sicher, Leute. Ihr könnt reinkommen“, rief Ian und winkte uns hinein. Ich marschierte durch die Türe, umarmte Ian kurz mit einem breiten Lächeln und zog dann Abigail zu den Klamotten. Es war schon beinahe normal. Abi und ich gingen 'shoppen'. Bei diesem Gedanken musste ich leicht lachen. Abigail sah mich grinsend an und stupste mich dann in die Seite. „Du hast dir auch grade vorgestellt, wie es wäre wenn wir beide tatsächlich shoppen würden.“
Ich nickte grinsend und wühlte mich durch die Sachen. „Ich glaube wir würden das gesamte Angebot aufkaufen. Aber hey. Wer bekommt schon mal Klamotten gratis.“ Wir beide lachten und krallten uns dann einiges an Klamotten. „Zombieschlussverkauf, meine Damen und Herren“, trällerte ich grinsend und legte die Klamotten in Tüten hinein. Abigail tat es mir gleich, auch die anderen holten sich Tüten und verstauten ihre Sachen dort drinnen, dann ging es auch schon weiter. Great Falls war beeindruckend. Richtig historisch. Die Gebäude glichen einer anderen Zeit. Ich wünschte ich hätte eine Kamera, wo ich alles festhalten könnte. So könnte ich auch Fotos von meiner geliebten Familie machen und niemals ihre Gesichter vergessen, falls wieder ein Unglück geschah. Doch auf meiner Reise hier her, hatte ich bisher noch nichts gefunden, noch nicht einmal eine Einwegkamera. Was ich wirklich schade fand, aber das konnte man nun mal nicht ändern.
Andrew fuhr durch die Kleinstadt und hielt dann vor der Ursuline Academy an. Es war ein großes beeindruckendes Gebäude. Ganz hoch oben prangte ein Kreuz, das Gebäude war aus rotem Backstein und weißem. Es war sehr groß und hatte auch einen Campus mit einer Kirche. Ich fragte mich, wie viele Studenten hier unterrichtet worden waren. Es war traurig das Gebäude so verlassen vorzufinden. „Wir gehen da rein und gucken ob es vielleicht dort noch Strom gibt. Meistens sind in Krankenhäusern oder Universitäten Notstromgeneratoren. Vielleicht haben wir Glück und das Wasser fließt ebenfalls. Dann könnten wir uns dort duschen“, meinte Carter und sah in die Runde. Wir nickten alle, denn wir alle sehnten uns nach einer Dusche. Egal ob sie kalt war oder nicht.
Ich hakte mich bei Ian unter und zog ihn dann zielstrebig mit hinein. Die Halle war riesig, riesig und leer, doch ich konnte die Zombies über uns schlurfen hören, was hieß, dass wir hier sicherlich nicht alleine waren. Langsam marschierten wir gemeinsam durch den Flur und kamen bei einer Türe an, die verkettet wurde und auf ihr stand, dass keine Überlebenden da drinnen waren. „Wir sollten diese Türe zulassen“, meinte Andrew und steuerte den Keller an, doch auch diese Türe war verschlossen. „Aber diese müssen wir öffnen“, meinte er und sah uns an. „Hat jemand nen Bolzenschneider oder so?“, fragte Carter und kratzte sich am Kopf. „Nein aber ich habe Büroklammern“, meinte Miguel grinsend, schob die beiden weg und hockte sich vor das Schloss. Er bog zwei Büroklammern zurecht und begann dann im Schloss herumzufummeln.
Wir hielten Wache, während er sich daran versuchte. Nach fünf Minuten hatte er es tatsächlich geschafft. „Ich will dass Carter, Ian und Miguel mit mir kommen“, sagte Andrew und deutete dann auf Dominic. „Pass du auf die drei Mädels auf.“ Dominic nickte und hielt mich zurück, als ich eiskalt mich Andy widersetzen wollte. Sorge spiegelte sich in meinen Augen wider. Ich wollte nicht, dass ihm etwas passierte. Dass unser Baby ohne Vater aufwachsen musste. Ian sah meine Besorgnis, kam auf mich zu und küsste mich sanft auf die Lippen. „Ich bin gleich wieder da, Schatz“, meinte er mit einen Lächeln, doch da klopfte Dominic auf seine Schulter und meinte er solle hier bleiben. Bevor Ian protestieren konnte war er schon mit den anderen in der Dunkelheit verschwunden.
Abigail starrte besorgt in die tiefe Schwärze und wurde unruhig, als wir Laute davon vernehmen konnten. Die Warterei war schier unerträglich. Dann plötzlich flackerten die Deckenlampen und dann ging das Licht an. Doch wir starrten nur gebahnt auf die Türe, wo wir dann Schritte vernahmen. Mein Körper spannte sich von ganz alleine an, doch ich seufzte erleichtert als die Männer unversehrt wieder hochkamen. Blutverschmiert, aber unversehrt. Abigail stürzte sich sofort auf Dominic und umarmte ihn fest. „Ich hab mir solche Sorgen gemacht“, murmelte sie an seinen Hals. „Ach. Mich killt nichts so schnell“, meinte er grinsend, strich ihr liebevoll über die Wange und umarmte sie fest. Ich lächelte Carter, Miguel und Andrew erfreut an und konnte nicht verhindern, dass ich sie nach Wunden inspizierte. Aber sie waren tatsächlich unversehrt, was mich ungemein erleichterte. „Okay. Leute wir suchen jetzt die Duschen“, meinte Carter verschmitzt und dann ging die große Suche los.
~
Nach einer halben Stunde fanden wir sie endlich. Es gab zwei verschiedene Räume. Einmal für die Frauen und einmal für die Männer. Ich zog Abigail und Antonia mit in den Duschraum. Nach gründlicher Absicherung verschwanden wir in die Kabinen und wuschen uns den Dreck der Tage ab. Es war richtig befreiend. „Wo glaubt ihr wird diese Safezone sein?“, fragte Antonia über das Rauschen des Wassers hinweg. „Ich hab keine Ahnung“, zwitscherte Abigail und summte leise vor sich hin. Ich schmunzelte leicht, wusch mir alles ab und wickelte dann ein Handtuch um meinen nackten Körper. „Ich weiß es auch nicht, Annie. Vielleicht ist es gar nicht mehr so weit entfernt.“ Ich trocknete mich ab und zog mir dann bequeme Unterwäsche an, plus Jeans und ein rotes Top, dann schnappte ich mir die schwarze Lederjacke, die ich mitgenommen hatte und zog diese ebenfalls an. Mit den Socken und Schuhen ging ich nach draußen, damit sie nicht zu nass wurden.
Weiße Socken und weiße Turnschuhe. Alles war richtig schön bequem. Es fühlte sich beinahe wie früher an. Nur waren ausgestorbenen Hallen der Universität ein krasser Kontrast zu diesem Gefühl.
Nach einer Weile kamen auch die andern beiden Frauen heraus und dann gingen wir gemeinsam in die Aula, wo die Jungs bereits saßen und aßen. „Na ihr“, begrüßte uns Ian und klopfte neben sich. Ich ließ mich zu ihm fallen, kuschelte mich an ihn und nahm dankend das mir angebotene Essen an.
Doch plötzlich durchrollte die Stille ein Schlurfen, Stöhnen und Klacken. Alarmiert standen wir auf und konnten sehen, wie eine Horde Zombies auf uns zu kamen. „Scheiße“, fluchten wir gleichzeitig und rannten aus der Hintertür des Gebäudes, da sie von der Vorderfront kamen.
„Schneller“, rief Carter und dirigierte uns über den Campus, jedoch blockierten dort weitere Zombies den Weg und zu allem Überfluss gongte die Glocke der Kapelle.
„Oh nein.“ „Die Kirche.“ Wir rannten auf die Kirche zu, preschten hinein und rannten dann die Treppenstufen des Turmes nach oben. Die Zombies kamen uns nach. Unaufhaltsam. Doch wir rannten weiter hoch und hofften über das Dach in Sicherheit laufen zu können. „Komm schon Aly“, sagte Ian, packte meine Hand und zog mich weiter, als ich langsamer wurde. Ich merkte schon, dass ich leicht schwerer geworden bin und ich wurde schneller müde.
Die andern waren bereits durch das Fenster aufs Dach geklettert, als wir beide dann endlich oben angelangt waren. „Gleich haben wir's Schatz“, sagte Ian und lächelte mich liebevoll an. Ich lächelte ihn zärtlich an, drehte mich um und dann geschah es. Ich konnte Ian aufschreien hören, wie in Zeitlupe – so hatte ich das Gefühl in diesem Moment – wandte ich mich zu ihm um und konnte sehen, wie ein Zombie, dass am Glockenturm hang, Ian packte und mit sich zog.
Ich kreischte auf, packte mein Schwert und stieß die Spitze durch seinen Schädel, dann wollte ich Ian meine Hand reichen, doch er stolperte und fiel nach unten. Gerade noch so konnte er sich festhalten. „IAN!“, brüllte ich panisch, packte sein Handgelenk und versuchte ihn hochzuziehen. Unwillkürlich stiegen mir die Bilder auf, als ich beim Abgrund hang. Carter hatte mich da damals hochgezogen. Er hatte enorme Kräfte entwickelt und das würde ich auch. Ich würde meinen Ehemann hochziehen. Das Problem war, die Zombies stolperten immer weiter nach oben und würden bald hier sein. Ich musste also schnell sein. Schon zog ich an ihn, doch er war viel schwerer als er aussah. „Aly“, hauchte er und versuchte selbst hochzukommen, doch schaffte es nicht. Mir traten die Tränen in die Augen und würde ihn sicherlich nicht loslassen. „Halt durch Ian. Ich hol dich da rauf“, schniefte ich und versuchte wieder.
„Aly du musst gehen. Sie sind gleich da.“ Er rutschte immer mehr ab, aber ich hielt ihn tapfer weiter. „Nein. Ich gehe nicht ohne dich“, heulte ich und konnte in seinen Augen die Liebe zu mir sehen. Auch in seinen blauen Augen standen die Tränen. „Du musst unser Baby beschützen, Alyssa. Sag dem Baby, dass sein Daddy ihn über alles geliebt hatte.“ „Wehe du lässt los“, brüllte ich hysterisch und spürte wie sein Griff immer lockerer wurde. Ich rutschte über den Boden, im Versuch ihn festzuhalten. „Bitte. Ian wenn du da runter stürzt, kann es sein dass du noch lebst. Dann fressen sie dich beim lebendigen Leibe. Bitte tu mir das nicht an. Ich liebe dich, Ian. Oh Gott. Bitte.“ Seine Augen sahen ruhelos zu den Zombies, die jetzt gleich da waren. „Alyssa ich liebe dich auch. Ich werde dich immer lieben. Aber du musst loslassen. Bitte du musst loslassen.“ „Nein, Ian“, heulte ich und hielt ihn verkrampft weiter fest.
„Aly!!“, konnte ich Carter hören und spürte wie die Erleichterung durch meine Adern strömte. „Carter!! Hier schnell, er stürzt ab“, kreischte ich und sah wieder zu Ian. Die Schritte kamen immer näher, doch Ian rutschte ab und dann …
Ian fiel. Ich sah wie er nach unten fiel und unten aufschlug. Ich konnte sein Wehklagen hören, sein Schmerzensschrei und dann konnte ich sehen, wie die Zombies auf ihn zu wankten. „NEIINNNNNNNNNN!“, kreischte ich, spürte Hände an meinen Hüften, die mich wegzogen. „Aly. Wir müssen weg. Es ist zu spät. Es tut mir so leid. Es ist zu spät.“ „NEIN! IAN!“, brüllte ich außer mir und trat um mich, doch Carter packte mich, steckte ohne mit der Wimper zu zucken die Schläge ein und ersparte mir den Anblick wie die Liebe meines Lebens von Zombies aufgefressen wurde. Ich schrie und heulte mir die Seele aus den Leib, doch Carter trug mich weiter fort. Fort von dem Schauplatz, wo Ian starb. Aber in dem Moment starb ich ebenfalls.
Ian war tot. Nein. Nein das war ein Albtraum und ich würde gleich wieder aufwachen, doch so war es nicht. Ich wachte einfach nicht auf. Immer noch sah ich die Bilder vor mir. Sah wie er starb. Sah wie er einfach losließ … hörte die Worte, die er mir gesagt hatte, bevor er fiel. Alyssa ich liebe dich auch. Ich werde dich immer lieben. Aber du musst loslassen. Bitte du musst loslassen. Nein ich werde die Apokalypse nicht überleben. Ich will sterben. Ich will einfach nur sterben.
Es sind bereits zwei Monate vergangen, doch für mich war es als wäre es erst gestern passiert. Ich war schwanger. Ich konnte das Baby in mir fühlen. Manchmal trat es, doch nicht oft. Oftmals hatte ich das Gefühl das Baby war tot. So tot wie sein Vater. Wieder traten mir die Tränen in die Augen. Mein Mann war tot!!! In diesen acht Wochen war ich kaum ansprechbar gewesen. Ich habe mich abgekapselt von jedem, auch von Abigail und von Carter.
Ich konnte jeden Tod bisher verkraften, nur nicht Ians. Mit ihm starb ich ebenfalls und wandelte nur noch, wie tot durchs Leben. Ich konnte mich locker zu den Zombies gesellen, die unser Leben zu bestimmen schienen. Meine Haut war blass, ich konnte nicht mehr wirklich essen, doch ich zwang mich dazu. Für das Baby. Das Baby war das einzige was mich am Leben hielt. Wäre ich nicht schwanger gewesen, dann wäre ich Ian nach gesprungen.
„Aly?“, flüsterte neben mir eine Stimme und strich mir kurz sanft über die Wange. Mit glanzlosen Augen sah ich auf und begegnete dem besorgten Blick von Carter. In den zwei Monaten war er es gewesen, der nicht mehr von meiner Seite wich. Ich weiß nicht wieso, aber er schien darauf erpicht zu sein mich am Leben zu halten. „Lass mich zufrieden, Carter“, murmelte ich und schubste ihn halbherzig von mir. Dann verkrümelte ich mich wieder in meine Ecke zog die Beine an und ließ meine Gedanken zurück zu Ian wandern.
Seine Augen, sein Lächeln, sein Lachen ...seine Stimme. Meine Sicht verschwamm als mir erneut die Tränen kamen und dann schluchzte ich laut auf und versteckte das Gesicht in meinen Händen. Sofort drückten mich warme Arme an eine Brust und trösteten mich, stillschweigend. Ich verstand es einfach nicht. Warum musste er sterben? Warum war ich nur nicht stärker gewesen. Wo waren die anderen nur gewesen, als ich nach Hilfe gerufen hatte! Der einzige, der zurückgekommen war, war Carter gewesen, aber da war es bereits zu spät gewesen. Plötzlich wurde ich unglaublich wütend und musste ihr Luft machen. Ich sah hoch und sah nun zornig in Carters Gesicht. „WIESO BIST DU NICHT EHER GEKOMMEN!“, brüllte ich ihn an und konnte sehen, wie sich die anderen nach uns umdrehten. Als Ian starb war Miguel gegangen und mit ihm Antonia.
Ich wusste nicht, ob die beiden überhaupt noch lebten, doch Miguel konnte meinen Anblick nicht mehr ertragen und ich ehrlich gesagt seinen ebenfalls nicht. Immer wieder erinnerte mich Miguel an Ian. Doch auch wenn er weg ist, geht’s mir dennoch nicht besser.
Carter sah mich traurig an, versuchte mir über die Haare zu streichen, doch ich schlug boshaft seine Hand weg. „FASS MICH NICHT AN!“ „Alyssa. Du musst dich beruhigen“, sagte er in leiser, sanfter Stimme und sah mich immer noch mitfühlend an. „Nein. Du hättest früher da sein müssen. Dann würde IAN NOCH LEBEN!!!!“ Ich brüllte, schubste ihn von mir und war außer mir. Zwei Monate. Ian ist tot. Keuchend sackte ich zurück auf meine Knie und weinte wieder bitterlich. „Ich weiß. Ich habe es zu spät gemerkt, dass ihr nicht hinter uns wart. Aber … Ian hat mich gebeten auf dich aufzupassen. Er hat mich gebeten, dich am Leben zu halten. Und dieses Versprechen werde ich halten. Ian hat dich geliebt Alyssa! Er hat dich über alles geliebt und das Baby. Alyssa du hast noch einen Teil von ihm. Er ist nicht für immer fort.“
„Aber er ist tot“, heulte ich und ließ mich nun von Carter umarmen und trösten. „Ich weiß. Ich weiß. Ich vermisse ihn auch. Stell dir nur mal vor. Wir sind Freunde geworden“, versuchte er mich aufzumuntern, doch ich konnte sehen, dass auch er ziemlich schlucken musste. Er versuchte für mich stark zu bleiben, obwohl er sich wahrscheinlich genauso zerrissen, wie ich fühlen musste. Fest schlang ich meine Arme um seinen Nacken und drückte mich an ihn, um ihn jetzt ebenfalls zu trösten. Ich wollte endlich diese Safezone erreichen. Dort wollte ich mein Baby bekommen und sicher sein. Ich wollte nie wieder jemanden beim Sterben zusehen müssen. Nie wieder. Ich verkraftete Ians Tod einfach nicht und konnte meine eigenen Todessehnsüchte spüren.
~
Nach einem Tag des Wanderns, fanden wir endlich ein Auto, dass sogar noch Sprit hatte. Ich war erleichtert, denn meine Füße taten unglaublich weh und ich war ständig müde. Die Schwangerschaftssymptome brachten mich noch um. Doch wir kamen nicht besonders weit, denn schon versperrte uns ein Tor den Weg. „Was ist denn jetzt los?“, wollte Abigail wissen und beugte sich über mich, um aus den Fenster sehen zu können. Andrew stieg langsam aus und ging auf die beiden bewaffneten Menschen zu. Er hob die Hände und meinte: „Wir kommen in Frieden. Aber dürften wir wissen, warum hier ein Tor ist? Wir müssten da durch, da es die einzige Straße ist.“ Einer der bewaffneten Menschen kam langsam auf Andrew zu und suchte ihn nach Waffen ab, doch die hatte Andy im Wagen gelassen.
„Wer seid ihr?“, wollte der Mann wissen und sah noch misstrauisch auf unsere Gruppe. Andrew sah müde aus, deswegen seufzte er nur und gab dem Mann die Informationen, die er wollte: „Ich bin Andrew. Das ist Dominic, Abigail, Carter und Alyssa. Wir wollen einfach nur die Safezone erreichen, aber wir müssten hier durch.“ Der bewaffnete Mann lächelte jetzt leicht und sank die Waffe. „Willkommen in Eden. Das ist zwar nicht die Safezone, aber hier ist es sicher. Aber wenn ihr hier rein wollt, dann müsst ihr mir eure Waffen aushändigen. Dieses Areal ist mit einer Mauer umschlossen. Hier gibt es ein Tor und am Ende dieses Paradieses ebenfalls.“
Andrew sah kurz zu uns, dann zu dem Mann und nickte schließlich. „Okay.“ Dann kam er auf uns zu und sah uns ernst an. „Wir können umdrehen und einen anderen Weg finden, oder wir lassen die Safezone, die Safezone sein und bleiben hier. Die Mauer sieht solide aus. Wir könnten hier wirklich sicher sein oder zumindest solange bleiben bis Alyssa ihr Baby hat.“
Ich sah zu dem abgeschotteten Ort und konnte die Sehnsucht nach Sicherheit spüren. Also nickte ich. „Ja. Ich bin auf jeden Fall dabei. Ich kann mein Baby nicht dort draußen bekommen.“ Also stieg ich aus, übergab den Leuten meine Waffen und marschierte hinein. Was mir da geboten wurde, konnte man wirklich als Paradies bezeichnen. Die Häuser waren sauber und gepflegt, Kinder spielten hier und sogar Tiere liefen herum. Es dauerte nicht lange und schon war Carter neben mir und auch der Rest meiner Familie. Sie waren alle erschöpft. Die vielen Verluste, zerrten auch an ihren Nerven und vielleicht ging es uns hier ja wirklich gut. Zumindest hoffte ich es, denn wir hatten es wirklich verdient.
~ 5 Monate später
Der Entbindungstermin war gar nicht mehr so weit weg. Sie hatten hier in Eden einen Arzt und sogar eine Krankenschwester. Und genau wie es der Name versprach, war es hier wie im Paradies. Wir hatten ein eigenes Haus bekommen, konnten täglich duschen und uns frisch anziehen. Auch das Essen war frisch und lecker. In diesen fünf Monaten spürte ich das Baby viel öfters kicken und auch wurde ich kugelrund. Die Männer trainierten miteinander, wir knüpften neue Kontakte, doch blieben meistens unter uns. In diesen Monaten eigentlich hätte ich glücklich sein sollen, aber der Tod von meinen geliebten Ian lastete immer noch auf mir und dieser Schmerz wird niemals weggehen. Viel öfter fragte ich mich, wie es ihm wohl hier gefallen hätte …
Wir hätten hier ein glückliches Leben führen können. Vielleicht wären wir beinahe wie eine normale Familie gewesen, doch er war tot. Diese Erkenntnis brachte mich jäh wieder in die Wirklichkeit zurück. Dort draußen waren immer noch die Zombies und hier gab es keine Wissenschaftler, die dieses Elend endlich beendeten.
Ich musste hier weg, sobald mein Kind auf der Welt war. „Und weißt du schon, wann es soweit ist?“, fragte mich Carter und riss mich aus den Gedanken. Ich sah kurz zu ihm, lächelte und verneinte. „Ich weiß nur, dass es bald sein muss.“ „Und dann willst du diesen Ort verlassen, nicht wahr?“ Völlig geschockt und überrascht starrte ich ihn an und fragte mich, woher er das wusste. Er lachte heiser, saß sich neben mich in die Hollywoodschaukel und grinste breit. „Ich sehe es dir an. Du bist ruhelos. Du musst da einfach raus. Du hast das Gefühl, dass du diese Welt retten musst und hier finden wir keine Lösung für das Zombieproblem. Hier wird einfach vergessen, dass es diese Beißer dort draußen überhaupt gibt.“ Ich nickte, tätschelte seine Hand und streichelte mit der anderen meinen Bauch. „Ja. Ich bin es Ian schuldig. Er wollte, dass das hier alles aufhört und das will ich auch. Nur so kann ich diese Leere in meinen Herzen bekämpfen.“
Carter nickte ebenfalls, sah sich um und meinte: „Du hast Recht. Das sind wir ihm schuldig. Ich komme mit. Vielleicht kommen die anderen auch mit.“ Ich rückte den Hut von Ian zurecht und lächelte jetzt. „Ja vielleicht. Aber wenn sie hier bleiben wollen, dann können sie das gerne machen. Ich werde sie nicht zwingen, da wieder rauszugehen.“
Dann hievte ich mich hoch und zog Carter mit auf die Beine. „Kommst du mit zur letzten Untersuchung?“ „Aber klar doch“, sagte er mit einen breiten Lächeln, küsste mich auf die Stirn und begleitete mich dann zum Doktor.
Die Untersuchungen verliefen gut, das Baby war nach Aussagen des Doktors kerngesund, was mich enorm erleichterte. Und immer näher rückte der Termin, wo das Baby kommen würde.
Genau eine Woche nach der letzten Untersuchung war es soweit. Ich hatte ja keine Ahnung, was für Schmerzen das waren. Kein Wunder, dass die Frauen immer so schrien und genau das Gleiche tat ich ebenfalls. Ich schrie mir die Seele aus den Leib und zerquetschte beinahe Carters Hand, die er mir gereicht hatte, damit ich mich daran festhalten konnte. Doch er zuckte mit keiner Wimper, strich mir immer wieder beruhigend über die Hand und freute sich wie ein Kind am Weihnachtsabend, als das Baby auf die Welt kam. Es war ein Mädchen. Wir hatten eine Tochter bekommen. Oh Ian, wärst du nur hier und könntest dein kleines Mädchen in den Arm nehmen. Die Hebamme gab mir das Baby und strahlte mich an. Doch ich hörte schon gar nicht mehr zu, was die da sagte. Meine vollkommene Aufmerksamkeit war auf das kleine Baby gerichtet, dass mich mit ihren großen blauen Augen ansah. „Sie ist wunderschön, Alyssa“, hauchte Carter, küsste mich kurz auf die schweißnasse Stirn und strich meinem Baby über den Kopf.
„Sie soll Hope heißen“, sagte ich leise und lächelte sie mit Tränen in den Augen an. „Hope.“ Die Hoffnung. Ein Lichtblick in all dieser Dunkelheit. Ich liebte mein Baby vom ersten Tag an. Sie war der Grund, weshalb ich weitermachen wollte. Weshalb ich einen Grund wieder zum Leben gefunden hatte. Ich musste zu dieser Safezone. Für Ian. Für Hope! Wir müssen diese Zombieplage stoppen, koste es, was es wolle.
~ 3 Wochen später
Drei Wochen später war ich wieder bei Kräften und hatte alles zusammengepackt. Ich wollte endlich weiterziehen. Jedoch wollte niemand von den Anderen mitkommen. Sie versuchten mich zu überreden, doch hier zu bleiben, doch ich konnte nicht. Ich musste einfach diese Safezone finden und die Welt retten. Carter kam mit mir, so wie er es versprochen hatte.
Die Menschen in Eden waren auch nicht wirklich begeistert, dass wir gingen. Doch sie gaben uns Proviant, Waffen und ein Fahrzeug und wünschten uns viel Glück auf unserer Reise. Und das würden wir auch wirklich gebrauchen.
Mehr als ich gedacht hatte.
„Glaubst du wir müssen wirklich in diese Richtung?“, fragte mich Carter ungläubig, als wir bei einer Weggabelung anhalten mussten. Wir waren jetzt schon zwei Tage unterwegs, doch nach der Zeit kamen nur noch immer weniger die Schilder und so kam es, dass wir uns verirrten. „Ja. Ich meine man fährt immer nach rechts“, versuchte ich es mit einen verschmitzten Grinsen. Hope schlief selig in meinen Armen. Sie war ein sehr ruhiges Baby. Ich war unglaublich froh darüber. Manchmal hatte ich das Gefühl sie wusste genau, was hier abging. Aber natürlich täuschte ich mich. Sie war schließlich nur ein Baby. Aber naja. Intuition vielleicht.
Carter seufzte, grinste und fuhr dann rechts weiter. „Ich hoffe du hast Recht“, meinte er und sah kurz zu uns Beide. „Ich hab immer recht“, meinte ich mit nen kleinen Lächeln und streichelte ihm über die Hände. Carter war ein wundervoller Mensch. Meine Liebe gehörte bedingungslos nur Ian, doch langsam entwickelte ich Gefühle für Carter. Er war wie ein Felsen im Fluss. Jemand auf dem man sich abstützen konnte. Anfangs war es zwar holprig gewesen, doch er hatte mir eigentlich nie wirklich wehgetan.
Das hatte ich ihm schon längst verziehen. Ihm konnte man gar nicht nachtragend sein. Ich nahm meinen Hut und setzte ihn ihm auf dem Kopf. „Aly... das ist Ians ...“ „Ich weiß. Aber er war ebenfalls auch dein Freund und er steht dir viel besser als mir, Carter.“ Jetzt grinste er verschmitzt und sah ziemlich stolz aus. „Ja hast Recht. Mir steht er definitiv besser.“
Empört starrte ich ihn an und schlug ihm dann gegen die Brust. „Arsch!“, meckerte ich lachend und im gleichen Moment schrie ich: „DA!“ Vor uns war wieder ein Plakat, was die Safezone ankündigte. Ich sagte: „Na siehst du. Ich hatte Recht.“ Er lachte und küsste mich plötzlich aus dem Affekt heraus, nachdem er das Auto zum Stillstand gebracht hatte. Ich riss die Augen auf, doch erwiderte plötzlich. Ich wusste nicht wieso, aber in diesem Moment vergaß ich alles um mich herum und schloss die Augen, um ihn zu genießen.
Als wir uns wieder voneinander lösten, sahen wir uns atemlos an. Seine blauen Augen strahlten und unwillkürlich wanderten seine Finger zu seinen Lippen, dann lächelte er mich zärtlich an. Ich grinste schief, doch dann ging alles schief. Ich Idiot hatte das Fenster aufgemacht, um frische Luft die Fahrt über hineinzulassen und jetzt beim Stillstand hatte ich nicht bemerkt wie etwas näher gekommen war. Hope kreischte, ich zog sie aus der Reichweite des Zombies, wollte es abwehren und dann vergruben sich seine verfaulten Zähne in mein Fleisch. Ich kreischte auf, versuchte es loszumachen, dann hörte ich ein Brüllen und einen Schuss. Das Zombie ließ meinen Arm los und fiel in sich zusammen. Völlig erstarrt sah ich, wie das Blut meinen Arm hinunterlief. Rot glänzend konnte ich die Bissspur erkennen, die wie ein Warnschild von meiner blassen Haut ab stand.
„Nein“, keuchte Carter. „Nein. Nein. Nein. Das bekommen wir hin. Wir hacken dir den Arm ab. Du lebst.“ „NEIN!“, rief ich entschieden, versuchte Hope zu beruhigen und sah jetzt Carter an. „Ich werde mir nicht den Arm abhaken, Carter.“ Ich war plötzlich ganz ruhig. Carter traten die Tränen in die Augen und er schüttelte immer wieder den Kopf.
„Nein. Bitte verlass mich nicht Aly“, weinte er und umfasste mein Gesicht. Ich gab ihm Hope und stieg nun aus. Scheiße. Ich wurde gebissen. Verdammt. Ich wurde tatsächlich gebissen. Ich werde sterben …
Carter legte Hope auf die Rückbank, befestigte sie gut und sicherte den Wagen, bevor er ausstieg. „Alyssa. Bitte es ist noch nicht zu spät“, flehte er mich mit Tränen nassen Gesicht an, doch ich schüttelte weiterhin stur den Kopf. „Du hast gesehen, was mit Owen passiert ist. Carter... es ist okay.“ „NEIN ES IST VERDAMMT NOCHMAL NICHT OKAY!“, brüllte er mich jetzt an und sackte auf seine Knie. Ich kniete mich zu ihm hin, nahm sein Gesicht zwischen meine Hände und zwang ihn mich anzusehen. „Carter. Versprich mir, dass du auf Hope aufpasst. Finde die Safezone und rette die Welt.“ Ich lächelte ihn liebevoll an, wischte ihm seine Tränen fort und wartete auf seine Zustimmung. Doch er schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht. Ich kann nicht ohne dich weitermachen.“ „Doch, Carter.“
Ich zog ihn näher zu mich ran. „Doch du kannst das. Du musst! Für Hope. Für Ian. Für … mich. Du bist mir unglaublich wichtig und ich wünschte ich könnte mit dir weiterreisen. Aber das geht nicht. Meine Reise ist nun vorbei. Ich werde wieder bei Ian sein.“ Jetzt kamen auch mir die Tränen. „Ich werde wieder bei ihm sein und wo ich auch bin, ich werde glücklich sein. Aber bitte passe auf mein Baby auf. Bitte. Kannst du das für mich tun?“ Er schluchzte, aber nun nickte er. „Ich liebe dich, Alyssa.“ „Ich weiß“, hauchte ich, umarmte ihn fest und dann küsste ich ihn zärtlich auf die Lippen, als Abschiedsgeschenk. „Du musst mich erschießen. Direkt in den Kopf. Ich kann das nicht selber“, sagte ich dann als ich mich von ihm gelöst hatte, dann stand ich auf.
Carter sah mich nun an, als hätte ich ihm ins Gesicht geschlagen. „Ich … ich soll dich töten?“, keuchte er geschockt und stand auf. Ich nickte.
Ich wusste es war viel verlangt, aber ich konnte es nicht. Aber ich wollte sicherlich nicht eins von diesen Dingern werden. Ich ging rückwärts und sah ihn ernst an. Jetzt konnte ich Ian sehen, Owen, meine Schwester und Madelyn. Sie alle waren da und sie alle warteten auf mich. Auch meine Eltern kamen dazu. Sie lächelten mich an. Die Sonne erwärmte mein Gesicht.
Ich konnte nicht anders als zu lächeln dann sah ich wieder Carter an. „Tu es Carter. Bitte.“
Carter nahm eine Pistole und richtete sie nun auf mich. Ich konnte sehen, dass seine Hände zitterten. Tränen schossen aus seinen Augen. „Es tut mir so leid. Vergib mir, Aly.“ „Ich verzeihe dir, Schatz.“ Carter schluchzte auf, sein Finger spannte sich und dann knallte ein Schuss. Ich spürte kaum etwas. Es ging so schnell. Es fühlte sich an, als wäre ich schwerelos. Losgelöst. Ich konnte das berühmte warme Licht sehen, in das ich hineinging und dann war ich endlich wieder Zuhause.
Der Schuss knallte durch die Stille. Vögel wurden aufgescheucht und schwärmten aus. Ein Körper fiel auf den Boden und dann hörte man ein Wehklagen, dass Bände sprach …
Der Tod lächelt uns alle an, das einzige was man machen kann ist zurücklächeln.
Tag der Veröffentlichung: 23.08.2015
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