Innerhalb von 48 Std müssen sie das DDR Territorium verlassen.
Ab in die Freiheit.
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„So mein Großer“, so nannte mich meine Oma Ella:“Schau mal was ich hier habe“
und hielt mir ein bräunliches Papier vor die Nase. Dein Ausreiseantrag ist endlich bewilligt. Aber Oma, sagte ich, schau mal was da steht. Innerhalb von 48 Stunden, bis zum 5.11.1958 muss ich die DDR verlassen. Ich habe ja keine Zeit, mich von meinen Freunden zu verabschieden. Nein, das wollen die auch nicht. Das bringt doch nur Andere auf falsche Gedanken.
Meine Freunde in Schierke, das schaffe ich, aber die Sportsfreunde in Ilsenburg, Halberstadt, Elbingerode und Wernigerode, das war nicht mehr möglich. Na gut, dann muss ich denen schreiben. Telefon hatte kaum jemand.
Eine gewisse Traurigkeit befiel mich schon, nun alles hinter mir zu lassen und ganz allein in Hamburg zu sein.
Ich verabschiedete mich und alle haben mich bewundert und auch insgemein beneidet, dass ich legal abhauen durfte. Oma Ella packte die wenigen Klamotten, und in aller Herrgottsfrühe machten wir uns auf den Weg ins gelobte Land, dem "goldenen" Westen.
Mit dem Taxi zur Bahnstation namens Elend. Dann mit der Bahn über Wernigerode, Aschersleben, Magdeburg. Dann endlich das metallische Bremsgeräusch. Stillstand an der Grenzstation Marienborn/Helmstedt. Ein Blick aus dem offenen Zugfenster. Diese kalte beklemmende Atmosphäre. Grenzsoldaten mit Trommelgewehren und fletschenden geifernden scharfen Hunden.
Überall die mit Vopos besetzten Aussichtstürme. Dieser ekelhafte schweflige Geruch und trockene Geschmack auf der Zunge. Ringsum betretene Gesichter. Die Menschen hatten Angst vor diesen oft peinlichen Kontrollen. Betretenes Schweigen. Stoisches ‚Auf-den-Bodengeglotze’. Leere Gesichter. Und mittendrin die fröhliche, aber besorgte Oma Ella mit ihrem Enkel. Besorgt fragte sie alle paar Minuten, ob ich nicht noch Pippi müsse. Ohne fremde Person in der Nähe wäre diese Frage nicht so peinlich.
Aber sie fragte das permanent, auch im Beisein anderer Leute und bei allen Gelegenheiten. Grabesstille, alles starrte betroffen ängstlich auf den Boden. Verlegenes Räuspern hier und da. Da kam es wieder, unüberhörbar laut: „Thomas musst Du noch mal Pippi?“ Ich wäre fast im Boden versunken. „Nein Oma“. antwortete ich schnell, um der Peinlichkeit einer Nachfrage zu entgehen.
Und wieder bekam ich eine rote Bombe. Es war aber nur eine Kurzrotbombe. Oma Ella war aus heutiger Sicht die coolste an Bord dieses Zuges. Sie unterhielt sich fröhlich unentwegt, ohne sich von der Atmosphäre anstecken zu lassen, ebenfalls mit einem etwa gleichaltrigen älteren Herren. Bei einer kurzen Unterbrechung des Gespräches kam wieder diese Frage.
Aber Oma, ich bin doch kein Baby mehr. Von da an war Ruhe. Mit weniger Leuten im Zug, da die Vopos einige rausgeholt hatten, und hörbarem allgemeinem Aufatmen und einsetzenden lauteren Gesprächen, fuhr dieser Zug endlich, nach einer Wartezeit von eineinhalb Stunden, ruckelnd ganz langsam in Richtung Freiheit.
Es war, auch für mich als Jugendlicher, eine bedrohliche und schwer zu ertragende Bürde, nicht das sagen zu dürfen, was man wollte. Unverständlich für mich, dass es wirklich Menschen gibt, die die Mauer wiederhaben wollen. Es war damals schon unerträglich, als es noch keine Mauer gab. Der Erhalt dieser DDR-Ordnung funktionierte doch nur über den vielgepriesenen, aus der Not geborenen Zusammenhalt. Mangel wurde mit: „Kennst du einen, der einen kennt, und das oder das besorgen kann?“
Nach etlichen Umsteigeaktionen kam Oma Ella und ich ins gelobte Land. Endlich Hamburg. Endlich Muttern. Mit riesigen Augen bestaunte ich das bunte Treiben. Bisher kannte ich nur die Farbe grau. Noch besser grau in grau.. Keine riesigen Tafeln mehr mit den Bekundungen der sozialistischen Errungenschaften und der Freundschaftsversicherung mit den sowjetischen Freunden. Verklärte Blicke auf die schönen Autos. Ob man sich so etwas jemals kaufen kann?
Das Heimweh hielt sich in Grenzen. Ich vermisste meine Freunde und Schierke.
Gut, Schierke war noch nicht die richtige DDR. Schierke war im Sperrgebiet und die normalen DDR Bürger durften nur mit Sondererlaubnis nach Schierke. Es war ja das Erholungsgebiet für die Elite der arbeitenden Bevölkerung.
Eine Auszeichnung, dort die Ferien zu verbringen. Sperrgebiet, damit die Bürger nicht über die Grenze abhauen, obwohl das nur für Ortskundige durch die Sümpfe über den Brocken möglich war. Später war es auch nicht mehr möglich, da die Grenze dann doch hinter den Sümpfen verlief.
Es ging sogar soweit, dass ehemaligen Schierkanern diese Sondergenehmigung versagt wurde und auch die nur bis Wernigerode / Dreiannenhohne fahren durften. Diese schmerzliche Erfahrung musste ich bei einem Besuch mit der Absicht Schierke wiederzusehen machen. Die späte Rache der Genossen. Ich hätte ja über die Grenze zurückflüchten können.
Damals fuhr ich mit Mutter Gerda einmal zu den alten Wirkungsstätten mit den erwarteten Schikanen. An dem Kontrollhäuschen wagte ich es, 50 cm weiter zu fahren und schon schrie der Vopo - Grenzer aus seinem Grenzhäuschen auf Hochsächsisch: „Foahren se ruhig weider, dann kann ich endlich mein Magazin leerballern“.
Schaute sich den Pass an, deutete auf den Bundesadler und sagte: „der Bundesdeutsche Pleidegeyer“. Eine wirklich hübsche Grenzsoldatin schob mit eisiger Miene die Spiegel unter das Fahrzeug und ich wunderte mich, wie so ein hübscher Mensch eine derartige Kälte ausstrahlen kann.
Sie gab sich alle Mühe, ihre Verachtung zu zeigen, und es kam kein Sterbenswörtchen über ihre anmutigen Lippen. Puh, mich friert heute noch, wenn ich daran denke. Viele der Schierkaner nutzten die Möglichkeit über Berlin, um mit der S-Bahn durchzukommen.
Auch das war gefährlich, denn dort wurde auch hart gesiebt und viele Republikflüchtige landeten in Bautzen. Einige meiner ehemaligen Klassenkameraden meldeten sich später bei mir und gaben damit Vollzug ihrer gelungenen Flucht. Unter anderem mein Skatfreund Schinkus, der mit Muttern über Berlin nach Braunschweig zu seinen Verwandten flüchtete. Nach dem Mauerbau war dann diese Chance auch vorbei.
Nun starrte ich wie ein Neugeborenes in diese noch fremde Welt. Aber die Realität war zunächst äußerst schwierig.
Jetzt lag die Integration in den neuen Schulstoff und in die neue Gesellschaftsordnung vor mir. Diese ständigen politischen Einpeitschungen hatten auch bei mir einen Schwall von Vorurteilen in meinen Erinnerungen hinterlassen. Aber diese Vorurteile wurden im Laufe der Zeit abgebaut.
Dem Bildungsanspruch meiner Mutter gerecht zu werden, war schwierig. Sie konnte mir nicht helfen, da sie morgens um 6 Uhr aus dem Haus ging und erst um 20 Uhr zurückkam. Ich war ein Schlüsselkind.
Experiment Electrophorus - Kurzbeschreibung
Manfred Säuerling und Georg Rosenrunge, zwei Männer mit unterschiedlicher Hautfarbe, zwei Wissenschaftler auf zwei unterschiedlichen Gebieten, zwei Freunde mit unterschiedlichen Interessen, zwei Welten, die aufeinander treffen. Und doch haben die beiden etwas gemeinsam: die Vorliebe für das Abenteuerliche und die Faszination der Natur.
. Während einer Forschungsreise durch den tropischen Regenwald machen er und Rosenrunge schließlich eine bahnbrechende Entdeckung: biologische Energieressourcen, das Tier als Kraftwerk – die Operation Electrophorus beginnt. Aus der Entdeckung wird erst eine utopische Idee, dann eine Vision und schließlich gelingt es den beiden – ganz nach Alexander von Humboldts Theorien und einer Menge Experimente später – genau diese ungeahnte Stromquelle massen- und auch netztauglich zu machen.
Eine ganze neue Ära der Energiegewinnung beginnt und bedeutet somit das Aus für monopolisierte Preistreiberei herkömmlicher Energieerzeuger. Doch diese weltbewegende Entdeckung bringt nicht nur weitere Nominierungen für den Nobelpreis, sondern auch Schattenseiten – der Kampf der Giganten beginnt.
Texte: Copyright Thomas + C. Glantz
Tag der Veröffentlichung: 18.04.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
In Gedenken an meine Freunde, Sportkameraden und ehemaligen Klassenkameraden.