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Pioniertuch & Nietenhose passt das zusammen.


Meine Mutter Gerda, die inzwischen regen Handel mit dem Westen aufgenommen und beste Kenntnisse über die zu erwartende Grenzziehung hatte, ernährte uns redlich mit den getauschten Waren, so dass ich immer Lederschuhe trug und es in dieser schwierigen Zeit an nichts allzu sehr mangelte.

Opa Albert und ich holten Holz, Muttern handelte zwi¬schen Ost und West und Oma Ella organisierte den Haushalt. Klein Thomas holte täglich 2 Liter Milch aus Unterschierke und es ergab sich einmal, dass ich alle 100 Meter einen Schluck aus der großen Kanne nahm die dann, angekommen bei Oma Ella, leer war. Die zwei Liter Milch habe ich zur Freude meiner Oma dann vor die Tür gekotzt. Seither trank ich nie wieder Milch.

Bis sich meine Mutter eines Tages verabschiedete – es war inzwischen 1949/50, also zur Zeit der Gründung der DDR - und für immer in den Westen ging mit dem Versprechen, mich eines Tages nachzuholen. Nun lebte ich allein bei Oma und Opa. Für meine Erziehung sicherlich nicht förderlich, denn Oma liebte ihren Enkel und ließ mehr durchge¬hen, als normale Elternteile. Aber die Jugenderzie¬hung übernahm das Leben in der DDR, insbeson¬dere die nun stark aufkommenden Kommunisten, die auch Schierke nicht verschonten. Und sie kamen in Form von neuem Schulleiter und neuen Lehrern.

Ich hatte von nun an einen etwas schwereren Stand, da meine Mutter in den Westen gegangen war, es aber zu dieser Zeit noch nicht als sogenannte Republikflucht bezeichnet wurde. Jedenfalls habe ich im Zusammenhang mit der Flucht meiner Mutter diesen Vorwurf nie gehört.

Meine Mutter bekam in Hamburg sofort auf Grund ihrer Sprachkenntnisse einen Job im Im- und Export und wurde später Chefsekretärin des Juniors vom alten Rothfoss der „DEUTSCHE EXTRAKT KAF¬FEE“, dem größten Kaffeeimporteur Europas. Wenn man nun glaubt, das wäre ein hoch bezahlter oder recht gut bezahlter Job, dann hat man die Rechnung ohne den Wirt, besser noch ohne die Hamburger Kaffeesäcke gemacht.

Gerdchen wurde nach heutigen Gesichtspunkten stark unterbezahlt und ausgenutzt. Diese honorigen Herren dachten nicht daran, Mitarbeiter zu motivie¬ren und angemessen zu entlohnen. Das waren eben noch Domestiken oder Leibeigene.

Von nun an schickte meine Mutter fast wöchentlich Pakete mit Kaffee, Socken, Aufziehautos, eine Nietenhose(Jeans), oder mal eine Lederhose von ihrem schwer ver¬dienten Geld. Diese Lederhose war viel zu groß und ich konnte sie fünf Jahre tragen, ohne Größenprobleme zu bekommen. Heute würde man sich biegen vor Lachen, wenn man sich mit einer Lederhose zeigen würde, die fünf Nummern zu groß war, doch in dieser Zeit war es fast ein Statussymbol.

Dieser westliche Kleidungseinfluss war in dem neuen DDR-Schierke unübersehbar und führte dann mit den linientreuen Lehrern und Pionierlei¬tern zu einer sehr kuriosen Szene. Man bat mich in das Lehrerzimmer, wo alle Lehrer mit den Elternbeiräten versammelt waren.

Dann machte man mir zum Vorwurf - ich war damals in der fünften Klasse, also 11 Jahre alt - dass meine Kleidung, also Nietenhose, mit Pionierhemd und Tuch doch nicht zusammenpassen. Als ich dann ganz langsam das Pioniertuch löste und abband mit der Bemerkung, dass ich ja wohl schlecht die Nietenhose ausziehen könne, fing das ganze Lehrerkollegium plötzlich an zu lachen. Sie konnten sich einfach nicht zurückhalten und prusteten und prusteten.

Ich wusste nicht wie mir geschah, doch von nun an trug auch ich die dunkelblaue abgewetzte Pionier¬hose.

Sie verschonten uns auch nicht mit stundenlangen Phrasen über die Völkerfreundschaft mit der Sow¬jetunion.
An jedem 1. Mai mussten wir Jungen Pio¬niere, das wurde man zwangsläufig, eine fünfstün¬dige Rede über uns ergehen lassen, in denen sie nichts weiter als unendliche Tiraden über die Kriegstreiber,
Kriegshetzer, Stummpolizei in Berlin, Bonner Ultras und Kapitalisten in uns reinpeitsch¬ten.

Als ich hörte, dass Fidel Castro auf Kuba das noch um zwei Stunden überboten hatte, taten mir die armen Menschen leid, die diese verbale Folter so lange ertragen mussten. Diese Selbstdarsteller mit ihrer geschulten Rhetorik waren und sind uns allen noch nachhaltig gegenwärtig.

Eigentlich war Schierke in der Anfangs DDR Zeit ein dröger und langweiliger Kurort.
Es gab vielleicht drei übrig gebliebene Kaffees und zwei Kneipen für die in der Anfangszeit der DDR spärlich erscheinenden Kurgäste. Das meiste spielte sich in den Erholungs¬heimen ab.

Aber Schierke hatte zu dieser Zeit ein gut organisiertes Sportleben. Vornehmlich im Win¬tersport. Es gab ein Eisstadion, eine Bob- und Ro¬delbahn und zwei Sprungschanzen, über die DDR Spitzenspringer wie Helmut Recknagel oder Harry Glas auch ihr Bestes für den Nachweis der Existenzberechtigung der DDR gaben. In der DDR gab es nur zwei Maxime, in diesem System einigermaßen zu überleben.

Entweder war man ein guter Sportler oder ein mehr oder weniger Überzeugter des Systems. Wenn man beides nicht war, hatte man schlechte Karten.
Ich strebte an, ein guter Sportler zu werden. Noch wusste ich nicht, ob es gelang auf legalem Weg diese politische Fehlmutation – DDR zu verlassen.



Experiment Electrophorus - Kurzbeschreibung

Manfred Säuerling und Georg Rosenrunge, zwei Männer mit unterschiedlicher Hautfarbe, zwei Wissenschaftler auf zwei unterschiedlichen Gebieten, zwei Freunde mit unterschiedlichen Interessen, zwei Welten, die aufeinander treffen. Und doch haben die beiden etwas gemeinsam: die Vorliebe für das Abenteuerliche und die Faszination der Natur.

. Während einer Forschungsreise durch den tropischen Regenwald machen er und Rosenrunge schließlich eine bahnbrechende Entdeckung: biologische Energieressourcen, das Tier als Kraftwerk – die Operation Electrophorus beginnt. Aus der Entdeckung wird erst eine utopische Idee, dann eine Vision und schließlich gelingt es den beiden – ganz nach Alexander von Humboldts Theorien und einer Menge Experimente später – genau diese ungeahnte Stromquelle massen- und auch netztauglich zu machen.

Eine ganze neue Ära der Energiegewinnung beginnt und bedeutet somit das Aus für monopolisierte Preistreiberei herkömmlicher Energieerzeuger. Doch diese weltbewegende Entdeckung bringt nicht nur weitere Nominierungen für den Nobelpreis, sondern auch Schattenseiten – der Kampf der Giganten beginnt.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.03.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
In Gedenken an meine Lehrer in Schierke, die mich zu einem strammen linientreuen Pionier erziehen wollten.

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