Top Ten - Star Club Bandfotograf
Ende der Lehrzeit
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Im „Top Ten“ war ich Stammgast, da dort nur gute englische Gruppen spielten. Eigentlich achtete man in der Anfangszeit nicht besonders auf die Namen der Gruppen. Wichtig war, dass die gute Musik machten, um danach zu hotten. So nannte man das(Tanzen). Später kristallisierten sich bei mir schon einige Namen heraus. Isabella Bond mit ihrer Band fiel mir als erstes auf.
Dann kam die Ankündigung zur Eröffnung des „Star Clubs“. Alle glaubten, das wäre das Ende des Top Ten. Das genaue Gegenteil war der Fall. Das Top Ten hatte die besten Zeiten und wurde immer besser und länger besucht.
Was mir auffiel war, dass kaum Leute fotografierten. Es war wohl auch verboten. Mir kam der Gedanke, dass die Musiker doch Bildmaterial für ihre Gastspiele brauchten. Ich sammelte die Bandadressen ein. Der Star Club hatte auch einen schlechten Ruf durch zu viele Schlägereien und ein mehr aus Rockern bestehendes Publikum.
Einmal sah ich zufällig spät in der Nacht - es war kaum noch einer in dem Laden - die Beatles, die damals noch völlig unbekannt waren und später auch Jimmy Hendrix, der gerade seinen ersten Nr. 1 Hit - Hey Joe - unglaublich laut präsentierte.
Bei mir verfestigte sich immer mehr der Gedanke, nun endlich all diese Leute abzulichten. Das Top Ten blieb mein Stammladen und später ging ich mit meiner Kamera auch dort überall ein und aus.
Ich fing also an, die Musiker zu fotografieren, aber nicht einfach abzulichten, sondern schon mit einem eige¬nen Stil, also Effekten. Unscharfes Schlagzeug und scharfe Nase. Die Musiker kauften mir die Fotos komplett ab. Ich machte von den einzelnen Musi¬kern bis zu 20 Aufnahmen, aus jeder Lage von un¬ten von oben – halbes Gesicht ganzes Instrument mit direktem und indirektem Blitz. An manchen Gruppen wurden bis zu 100 Großfotos verkauft.
Ich vergrößerte die Aufnahmen gleich auf 18 x 24 cm Großformat und verkaufte jedes Bild für 4 Mark. In Hamburg wuchsen die sogenannten Beatgruppen wie Pilze aus der Erde. Ich fotografierte fast alle Gruppen im „Top Ten“ – „Starclub“ – „Kaiserkeller“. Viele spätere Stars, die zu diesem Zeitpunkt noch kein Mensch kannte wie Elton John, der lange Zeit im Top Ten spielte, und viele andere wurden abgelichtet.
Auch die Beatles spielten in all diesen Clubs. Leider habe ich die Negative nicht aufbewahrt, da ich den kommenden historischen Wert nicht er¬kannte.
Die Gewinner der Musikszene waren die cleveren Wirte, die zuerst auf diesen Zug sprangen und Beat¬gruppen verpflichteten. Die Jazzkeller wie „Mumme“, „Riverkasematten“ und viele andere hatten starke Rückgänge. Erfolgreich waren die Lä¬den wie das Top Ten, die vom bloßen Musikboxbe¬trieb auf Livegruppen aus Liverpool und London umstellten.
Später habe ich dem Besitzer Eckhorn für einen aus¬gefallenen Tourneetag die „Kinks“ - (Lola- you really got me) verkauft. Das endete im Desaster, da die beiden Kinks Brüder Davies sich auf der Bühne in die Wolle kriegten und nach 20 Minuten den Auftritt abbrachen. Eckhorn hat dar¬aufhin die Anlage mit seinen Kellnern konfisziert und erst nach langen Verhandlungen wieder freige¬geben. Meine damalige Freundin Anne hat mich mit ihren nahezu perfekten Englisch Kenntnissen gerettet. Eckhorn wollte für den zwanzig Minuten Auftritt der Kinks nichts zahlen und die Kinks wollten die volle Gage, weil Eckhorn an die Gäste nichts zurückge¬zahlt hat. Man einigte sich auf 75 % und das war auch fair. Eckhorn verstarb kurze Zeit später an Nierenkrebs. Er soll einfach zuviel Preludin, ein damals beliebtes Aufputschmittel, geschluckt haben.
Das Top Ten hatte täglich einen Durchlauf von bis zu 2000 Personen, zugelassen waren vielleicht 300 und das bei einem Eintrittspreis von 2 DM. Ein Eldorado für meine Leica. Josef, ein Mitarbeiter von Kleinhempel, hatte einen VW, noch mit geteilter Scheibe und mit Zwischen¬gas zu fahren, da das nicht synchronisierte Getriebe genau geschaltet werden musste.
Josef und ich fuh¬ren von Club zu Club und fotografierten alles was glaubte, es den Beatles gleich zu tun. Im „Top Ten“, „Kaiserkeller“ und dem „Star Club“ lichteten wir alles ab, was ein Mu¬sikinstrument halten konnte. Die meisten hatten ja keine Plattenverträge und dadurch auch kein Werbebildmaterial.
Zuhause wurden die Fotos vergrößert und getrock¬net. Mutter Gerda war glücklich, dass ihr Sohne¬mann endlich ein bisschen Geld verdiente und ertrug die Unbill des Großlabors. Langsam stieß ich auch an meine Grenzen, denn es gab ein Problem.
Das Einkassieren bei den armen Musikern. Die meisten Musiker hatten kein Geld und wir mussten nicht selten warten, bis die Abendgage vom Wirt endlich ausgezahlt wurde. Die Gagen bewegten sich für die ganze Band zwischen 150 und 250 DM und reichten oft nicht um die Bilder zu bezahlen.
Die Schuldscheine stapelten sich. Alle wollten die Fotos haben, aber sie hatten kein Geld. Ich musste mich wieder mit der Gruppe treffen um dann zu kassieren.
Nebenbei musste ich ja noch meinen Lehrlingsauf¬trag erfüllen und kam meist übermüdet bei Klein¬hempel in der Kunsthalle an.
Bis es eines Tages über die Hausanlage krächzte: „Herr Glantz bitte ins Büro“. Das Herz rutschte in die Hose, Gedanken schossen durch den Kopf, ob ich irgendetwas kaputt gemacht oder vernachlässigt hatte.
Es war das erste Mal, dass er mich ausrief. Nein, ich hatte sogar viele Über¬stunden und manchmal sogar sonntags gearbeitet - das wurde auch nicht bezahlt, sondern nur 1 : 1 mit Freizeit verrechnet. Das schoss mir alles durch den Kopf auf dem Weg zum Chef und meine rote Bombe meldete sich wie¬der.
Im Büro saß jemand den ich kannte, wusste aber im Moment nicht woher. Er hatte so ein nichts¬sagendes Breigesicht und grinste wenn er sprach. Das liebe ich so, sprechende ewig grinsende Ge¬sichter, die Dir die größten Ge¬meinheiten an den Kopf schmeißen. „Dieser Herr“ – so mein Chef – „behauptet, dass Sie nachts durch die Hamburger Beatschuppen - speziell auf der Reeperbahn im Top Ten und Kaiserkeller die englischen und deutschen Beatgruppen fotogra¬fieren und Mengen von Bildern an diese Gruppen verkaufen.“
Er forderte meinen Chef auf, mich zu entlassen. Jetzt hatten sie mich, dachte ich und meine rote Bombe wurde noch roter und größer und entwickelte sich zur Langzeitrotbombe. Der Grinsende war also auch Fotograf und daher kannte ich ihn. Er fotografierte aber mit einer So¬fortbildkamera und machte immer von jeder Gruppe auf Wunsch nur ein Sofortfoto, war also nicht son¬derlich geschädigt.
Ich fand mit meiner hochroten Birne dennoch die richtigen Worte. Jedenfalls stand mein Chef auf und sagte, dass er das prima fände, wenn Lehrlinge in ihrer Freizeit auch noch fotografieren und wenn dabei noch etwas Geld verdient wird – umso besser, streckte dem Grinsenden die Hand hin und bedankte sich, denn jetzt wüsste er endlich, warum Herr Glantz immer übermüdet in die Firma käme. Grinsi zog ab, und von nun an grüßte er mich immer freundlich, mit einem etwas gefrorenen Grinsen.
Er mit seiner Polaroid und ich mit der Leica auf der Reeperbahn.
Bald danach beendete ich meine Lehre, nicht ohne noch einmal die unendliche Güte meines Lehrherrn kennen zu lernen. Am Ende der Lehrzeit mussten 36 Monatsberichte mit praktischen Ausarbeitungen, also Aufgaben, Bilder, unterschrieben vom Lehr¬herrn bei der Handwerkskammer zu einem Stichtag um 16 Uhr abgeliefert werden. Eigentlich sollte das jedes Jahr in Parts von 12 Monaten passieren, aber das hatte ich verdrängt und immer weiter rausge¬schoben. Also musste ich alle 36 Berichte in einer Nacht schreiben. Ein schier unmögliches Unterfangen. Ich rief meine Ex-Lehrlingskollegen an, um deren Be¬richte einfach abzuschreiben mit individueller Bear¬beitung. 16 Uhr war Deadline der Abgabe. 14 Uhr stand ich mit abgeschriebenen 36 Berichten in der Tür des Herrn Kleinhempel.
Vor der Tür ein laufendes Taxi, das Kleinhempel schon geortet hatte. Ich legte ihm den Haufen der Berichte hin mit den praktischen Fotos. Er schaute sich zuerst die Fotos an, rief seine Frau ins Büro und sagte zu ihr: „Schau Dir das an und den haben wir gehen lassen, Liebling“.
Höchstes Lob dachte ich, jetzt nur noch die Unter¬schriften, dann ist es geschafft. Mitten drin setzte er ab, schüttelte den Kopf und sagte: „Eigentlich ist das eine bodenlose Frechheit. In letzter Sekunde bei mir anzukommen, mir 36 Berichte vorzulegen und Un¬terschriften zu verlangen. Ich kann mir doch die Be¬richte nicht alle durchlesen, Sie können ja sonst was in diese Schriftstücke reinschreiben. Sie kommen hierher mit laufendem Taxi“.
Oha, jetzt wird’s brenzlig. Meine rote Birne mel¬dete sich wieder. Es war nur eine Kurzrotbombe. Denn da fiel mir etwas ein. „Gut“, sagte ich, „Herr Kleinhempel, sagen sie drei Zahlen zwischen
1 und 36 und wir lesen kurz den Bericht an um zu prüfen, ob irgend etwas Unpassen¬des in einem der Berichte steht“.
Er lachte, ver¬zichtete darauf und unterschrieb. Die Prüfung wurde mit Praktisch 1 und theoretisch 3 bestanden. Danach hörte ich, dass er diese Story oft erzählt hat; „Ich hatte mal einen Lehrling, der mit laufendem Taxi 36 Berichte vorlegte.“ Allerdings konnte er das nicht mehr allzu lange sagen, da er, wie schon erwähnt, nicht mehr sehr viele Jahre erlebte.
Experiment Electrophorus - Kurzbeschreibung
Manfred Säuerling und Georg Rosenrunge, zwei Männer mit unterschiedlicher Hautfarbe, zwei Wissenschaftler auf zwei unterschiedlichen Gebieten, zwei Freunde mit unterschiedlichen Interessen, zwei Welten, die aufeinander treffen. Und doch haben die beiden etwas gemeinsam: die Vorliebe für das Abenteuerliche und die Faszination der Natur.
. Während einer Forschungsreise durch den tropischen Regenwald machen er und Rosenrunge schließlich eine bahnbrechende Entdeckung: biologische Energieressourcen, das Tier als Kraftwerk – die Operation Electrophorus beginnt. Aus der Entdeckung wird erst eine utopische Idee, dann eine Vision und schließlich gelingt es den beiden – ganz nach Alexander von Humboldts Theorien und einer Menge Experimente später – genau diese ungeahnte Stromquelle massen- und auch netztauglich zu machen.
Eine ganze neue Ära der Energiegewinnung beginnt und bedeutet somit das Aus für monopolisierte Preistreiberei herkömmlicher Energieerzeuger. Doch diese weltbewegende Entdeckung bringt nicht nur weitere Nominierungen für den Nobelpreis, sondern auch Schattenseiten – der Kampf der Giganten beginnt.
Texte: Copyright- Th.+C.Glantz
Tag der Veröffentlichung: 04.03.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
In Gedenken an alle Mucker(Musiker)
die ich abgelichtet habe. Die Schuldscheine habe ich zerrissen und erlasse sie euch. Ist eh verjährt.
Und nicht zuletzt an meinen Lehrherren Kleinhempel, der viel zu früh verstarb.