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Verhalten lächelt sie mich zwischen roten und grünen Äpfeln und anderem Obst an. Welch Ironie des Schicksals. Ausgerechnet zwischen Äpfeln sich zu begegnen. Zwei Jahre sind nun vergangen. Himmel, was war das für eine Achterbahnfahrt der Gefühle! Dieses wundervolle Lächeln, erneut gilt es mir. Es ist als wären diese zwei Jahre nie gewesen. Als wäre es nie passiert. Vergessen ist die vergangene Zeit. Vergessen ist alles um uns herum. Wir sehen einander an, können den Blick nicht voneinander abwenden. All die Gefühle von damals sind wieder da. Das Herzklopfen, die weichen Knie, der schnelle Atem. Erinnerungen prasseln bunt auf mich ein. Viele Bilder prasseln auf einmal auf mich ein. Vergessen ist warum ich hier bin.

„Es tut mir leid, Alexandra. Dein Brief, dein Geständnis hat mich wirklich zu Tränen gerührt und ich fühle mich geschmeichelt, doch ich glaube nicht das selbe für dich zu empfinden. Du bist ein wundervolles Mädchen mit einem ausgesprochen liebenswürdigen Charakter, sehr talentiert. Es hat mich sehr gefreut dich kennenzulernen, doch ich kann es nicht erwidern.“ Mit all ihrer Aufrichtigkeit sah sie mich an. Sorgsam darauf bedacht so mitfühlend und sensibel zu sein wie nur irgendwie möglich. Tränen waren mir in die Augenwinkel getreten. Ich blinzelte. In dem Augenblick wollte ich nicht weinen. Ihre Worte gingen mir die nächsten Monate durch den Kopf bis ich einigermaßen darüber hinweg war.



„Alexandra, was für eine nette Überraschung. Wie geht es dir?“, bricht sie schließlich das Eis. Mit einer kleinen Geste streicht sie über meine Schulter. Sofort beginnt meine Haut zu kribbeln. „Hallo, Frau Kees. Mir geht es gut. Und wie geht es Ihnen?“ Mit warmem Blick sieht sie mich an. Unter diesem Blick könnte ich jedes Mal dahin schmelzen. Das wird sich wohl nie ändern und wenn doch, dann wohl nicht so schnell. „Na du weißt doch, wie das so ist in der Schule. Der übliche Stress.“, antwortet sie nach einem Augenblick. Um uns herum herrscht die alltägliche Hektik der Menschen, doch die kann uns augenblicklich nichts anhaben. Zu schön ist dieses Wiedersehen.

Mit großen Augen sah ich von meinem Papier, auf welchem ich vor mich hin gekritzelt hatte, auf. Die neue Lehrerin war reingekommen, der sofortigen Stille nach zu urteilen, die eintrat nachdem die Tür sich geöffnet hatte. Neben dem Pult stellte sie sich hin. Mit gestrafften Schultern warf sie erst mal einen Blick über die Klasse. Mir blieb bei ihrem Anblick die Luft weg. Hätte ich nicht auf meinem Stuhl gesessen, dann hätte sie mich wohl mit ihrem reinen Auftreten umgehauen. Sie war eine dieser Frauen, die unumstritten schön sind. Naturschönheiten. Doch es war nicht direkt ihr Aussehen, das mein Herz höher schlagen ließ. Es war ihre Ausstrahlung. Das Selbstbewusstsein mit dem sie vor unsere Klasse getreten war und die damit dann auch verbundene Schönheit.



„Wie läuft es denn mit deinem Studium?“, holt mich Frau Kees zurück in die Gegenwart. Einen Moment denke ich nach. Hilfe, diese Frau schafft es noch immer mich so vom Hocker zu reißen, dass mir einfach die Worte fehlen. Nur von ihrer bloßen Anwesenheit. Auf eine angenehme Weise überfordert mich die Situation. Für einen Augenblick nehme ich den Blick von ihren Augen, atme tief durch. Dann erst kann ich antworten. „Es läuft alles bestens. Endlich kann ich mein Hobby, meine Leidenschaft beinahe ohne Ende ausüben. Nun kann ich zeichnen wenn ich gerade inspiriert bin. Es achtet niemand mehr so genau was ich tue. Nicht wie in der Schule.“, mit einem frechen Grinsen sehe ich Frau Kees an. Sie schenkt mir ihr wunderbarstes Lächeln. Ich muss schmunzeln.

„Alexandra, würdest du bitte den Stift zur Seite legen und zuhören?“, ermahnte mich Frau Kees. Ich sah auf, wollte entgegnen, dass ich doch aufpassen würde. So konnte ich mich nun mal besser konzentrieren, wollte ich mich verteidigen. Jedoch vergaß ich die braunen Augen. Wobei braun schon fast wieder zu hell ist. Ihre Augen waren so dunkel, dass sie beinahe schwarz waren. Sie wirkten geheimnisvoll in dem Gesicht, welches die sanfte bräune des Sommers trug. Von diesen Augen war ich wie hypnotisiert. Ich wollte in sie eintauchen, ihr Geheimnis lüften. Bevor ich jedoch dazu kam entfernte sie sich bereits wieder von meinem Tisch und schritt vor der Tafel auf und ab. So als wäre die Unterbrechung durch mich nie gewesen. Beinahe so als würde sie rein gar nichts anderes tun lief sie hin und her, die ganze Stunde über. Ihre Ausstrahlung erhellte den ganzen Raum. Das Klassenzimmer war ihr Laufsteg. Hier nahm sie uns alle in Beschlag. Jeder folgte ihren Schritten, ihren Worten hochkonzentriert. Auf einmal wurde unsere Klasse in Mathe deutlich besser. Und das nur durch das Auftauchen einer neuen Lehrerin.


Wie sie hier nun vor mir steht, mich ansieht, mich anlächelt ist sie eine ganz andere Person als es die Frau in der Schule gewesen war. Im Unterricht war sie kompetent, immer beherrscht und auch auf ihre ganz eigene, jedoch liebevolle Weise streng. Nun ist sie ruhig, wirkt sehr unsicher und überhaupt nicht streng.

Diese Seite erkannte ich an ihr bereits während meiner Schulzeit sehr schnell. Sie befasste sich gerne mit meinen Zeichnungen außerhalb der Unterrichts. Einerseits liebte ich beide Seiten und war glücklich, dass ich beide kennenlernen durfte, doch zeitgleich war es sehr schmerzhaft, da ich von Beginn an wusste, dass diese Gefühle, die sie in mir auslöste nicht sein durften. Ständig hielt ich mir vor Augen, dass ich sie nicht lieben durfte, da sie meine Lehrerin war und es verboten war. Ich hatte mich verboten verliebt. Um diesen Gefühlen nicht noch mehr Möglichkeit zu geben tiefer zu werden wollte ich auf Abstand gehen. Reine Konzentration auf den Unterricht nahm ich mir immer und immer wieder vor wenn ich die Schule verließ, abends im Bett lag und an sie dachte. Am nächsten Tag waren diese Vorsätze jedoch sehr schnell verschwunden wenn ich sie sah. Diese dunkle, lange, weiche, sanft gewellte Haarpracht, die ein sehr ebenmäßiges und freundliches Gesicht umspielte. Durch ihre dunkelbraunen Augen und ihr dunkles Haar wirkte Frau Rees auf den ersten Blick unnahbar, kühl und distanziert. Trotz allem strahlte sie etwas aus, das mich zu ihr hinzog, mir den Atem raubte, mein Herz wild schlagen ließ und meine Knie erweichte.



„Eigentlich ein sehr ironischer Zufall, dass wir uns ausgerechnet hier treffen.“, spreche ich nun den Gedanken aus, der mir vom ersten Augenblick in dem ich sie hier sah, durch den Kopf streift. Ein wenig verwirrt sieht Frau Kees mich an. Erneut zieht sich ein Lachen über mein Gesicht. Statt zu erklären greife ich nach einem roten Apfel. Frau Kees Gesicht erhellt sich erkennend. „Du siehst mich als eine verbotene Frucht?“ „Nun ja, ja irgendwie schon.“ Frau Kees senkt ihre Stimme. „Das war damals so, doch nun sind zwei Jahre vergangen.“ Es ist beinahe nur ein Flüstern, doch ich höre ihre Worte klar und deutlich. Nun bin ich diejenige, der die Bedeutung der Worte keinen Sinn geben. „Alexandra, damals war dein Brief einfach sehr überraschend für mich. Ich war irritiert. Seitdem hatte ich aber zwei Jahre zum Nachdenken. Damals konnte ich bereits deine Gefühle erwidern, doch war ich mir dessen nicht bewusst. Es war ein neues Gefühl, welches ich zu verdrängen versuchte, doch es war erfolglos. Eines kann ich dir sagen. Die zwei Jahre in denen du nicht mehr meine Schülerin bist musste ich immer wieder an dich denken. Nie konnte ich dich vergessen.“ Stumm sah ich Frau Kees an, konnte nicht glauben was ich da hörte. Diese wundervolle Frau hatte die gleichen Gefühle für mich wie ich für sie? Gemeinsam verließen wir den Supermarkt mit gefüllten Einkaufswägen. Auf dem Parkplatz sahen wir uns an. Nun sollten sich unsere Wege trennen. Das wollte ich nicht. Außerdem war ich Frau Kees noch eine Antwort schuldig. Ich hatte auf ihr Geständnis nämlich noch nichts erwidert. Tief atmete ich durch. „Es sind zwei Jahre vergangen. Es ist viel passiert seit ich sie zum letzten Mal gesehen habe. Es ist vier Jahre her, dass meine Gefühle auflebten und sie sind nie gestorben. Nun stehe ich hier vor Ihnen, meine Hoffnungen waren alle bereits gestorben und nun stehen Sie vor mir und sagen mir, dass Sie meine Gefühle doch erwidern. Ich stehe hier, mein Herz schlägt wie verrückt und ich weiß nicht ganz was ich nun denken soll, sagen soll.“ „Dann sage einfach gar nichts.“, sagte Frau Kees und zog mich an sich. Sanft legte sie ihre Lippen auf meine.

Impressum

Texte: Katharina Tomala
Tag der Veröffentlichung: 27.08.2012

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