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Prolog: Spiel, Spass und Spannung

Sie liegt auf dem Boden und wimmert. "Bitte, bitte. Ich mach alles was du willst." "Ich habe dir eine einfache Aufgabe gegeben. Die du anscheinend nicht fähig warst zu erfüllen. Ich frage mich was daran so schwer ist. Einen Aufsatz zu verfassen, dürfte doch eigentlich im Rahmen deiner Möglichkeiten liegen.", sage ich. Dabei schaue ich auf sie nieder, ohne jegliche Gefühlsregung. Sie schaut verunsichert zu mir auf: "A...Aber das habe ich doch." "Du kleine, dreckige Made. Ich glaube Mädels, sie will es nicht verstehen. Weißt du, ich habe keine Zeit dir ständig alles zu erklären. Solche Mädchen, wie du, brauchen vielleicht einen ordentlichen Schlag auf ihren Schädel. Damit die Information in ihren Köpfen besser haften bleiben. Was denkst du, Betty? Ich denke, dass diese Aufgabe sicherlich Dracy gerne übernimmt. Und dies auch noch zu meiner vollsten Zufriedenheit. Oder Dracy?", ich grinse das Mädchen zu meiner Rechten an. Dracy lacht ordinär auf: "Aber sicher doch. Wir werden ordentlichen Spass haben Betty." Über Bettys Wange laufen dicke Krockodilstränen. Ihr lautes Schluchzen ist mittlerweile verstummt. Sie hat sich mit dem Kommenden abgefunden. Ich nicke und wende mich von dem Ereignis ab. "Wenn du fertig bist erwarte ich einen Bericht, Dracy. Die anderen kommen mit mir.", mit diesen Worten verlasse ich die Toilette. Und ein neuer Tag auf dem Spielfeld beginnt.

1. Kapitel: Der Wolf im Schafspelz und seine Herde

Ich stolziere durch die Gänge, einige Schüler sind schon da und drängeln sich an ihren Spinden.

Manche beachten mich und meine weibliche Begleitung. Die meisten jedoch, nehmen mich nur am Rande war und das ist gut so. Es ist nicht förderlich im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit zu stehen. Denn dies bedeutet ständige Beobachtung und damit einhergehende Kontrolle meiner Handlungen. Nein, ich agiere aus dem Hintergrund heraus und habe die Kontrolle. Es ist schon lächerlich wie manche Aufmerksamkeit mit Macht verwechseln. Nein, das Einzige, was dieses Scheinwerferlicht hervorbringt ist Neid. Neid führt zu Missgunst und aus dieser entsteht meist Abneigung oder sogar Hass. Für meine Machtausübung benutze ich die Manipulation. Natürlich kann man nicht jeden beeinflussen. Aber früher oder später finde ich bei jedem die Schwachstelle.

 

Mein engstes Gefolge besteht aus drei Personen. Man könnte uns auch als manipulative Arbeitsgruppe bezeichnen. Was uns nicht passt wird passend gemacht. Jede hat dabei ihren eigenen Platz und übernimmt gezielte Aufgabengebiete. Ich persönlich sehe sie nicht als meine Freunde an, denn sie sind Erfüllungsgehilfen bei meinen Zielen. Nur wenn sie ihre Aufgabe machen, sind sie mir von Nutzen. Ich umgebe mich prinzipiell nicht mit Menschen aus denen ich keine Vorteile ziehen kann. Reine Zeitverschwendung.

 

Die große Dracy kümmert sich um die Angstverbreitung und Schlägeausteilung. Was anderes kennt und kann sie nicht. Da in ihrem Familienleben Gewalt und Misshandlung an der Tagesordnung stehen, hat sie genügend Aggressionspotential an ihre Umwelt abzugeben.

 

Trish und ich kennen uns schon seit dem Kindergarten. Das süsse, kleine Mädchen hat sich in eine ordentliche Sexbombe verwandelt. Ihre Spezialität ist die Verwirrung und Ablenkung durch die Spreizung ihrer Beine. Trish vögelt mit jedem. Wenn ich sage mit jedem, meine ich das auch so. Ihr Daddy hat sie und ihre Mummy verlassen als sie klein war. Deshalb hat sie im Laufe der Jahre einen Männerkomplex entwickelt. Im Unterbewusstsein sehnt sie sich so sehr nach Bestätigung und Zuneigung von dem männlichen Geschlecht, dass sie dieses durch Sex versucht zu kompensieren. Mittlerweile wundere ich mich schon, dass über sie noch jemand drüber will. Sie muss doch schon längst völlig ausgeleiert sein. Ich mein sie ist eigentlich nicht anders als eine Prostituierte, die alle wie wild in sich rumstochern lässt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass diese so schlau ist und sich dafür bezahlen lässt.

 

Aoki is the Brain. Was sie nicht weiß, weiß niemand. Ursprünglich kommt sie aus Asien. Ich habe sie vor zwei Jahren in die Gruppe integriert, da ich noch einen analytischen Denker brauchte. Zuerst war sie misstrauisch. Aber durch die Zuwendung und Anerkennung ihrer Leistungen, konnte ich sie als Mitglied gewinnen. Welcher Streber wünscht sich nicht, in eine coole Mädchenclique aufgenommen zu werden.

 

Zu dieser morgendlichen Zeit, suche ich eine ganz bestimmte Person. "Ach Ally, wart doch mal kurz.", ich signalisiere Trish und Aoki auf Abstand zu bleiben. "Oh hi Lia. Was gibts denn.", Ally strahlt mich an. Ich frage mich wie man um sieben Uhr schon solch äußerliche Perfektion ausstrahlen kann? Ally gehört zu dem typischen Malibu- Barbie- Verschnitt. Groß, schlank, unendlich lange Beine, blonde Haare, blaue Augen, immer der neusten Mode nachjagend und das Vorbild vieler Mädchen an unserer Schule.

Neben ihren oberflächlichen Vorzügen hat sie eine charakterliche Besonderheit, welche mir bevorzugt von Nutzen ist, nämlich ihre Naivität. Mit ein bisschen Freundlichkeit und der Anerkennung gegenüber ihrer Person oder ihrem Outfit, kann man ihre sozialen Ansprüche vollstens befriedigen.

"Weißt du, dein Dress ist ja heute wieder der Oberhammer.", sage ich mit geweiteten Augen, um meiner Bewunderung mehr Ausdruck zu verleihen. Sie kichert leise: "Danke, es ist aus dieser Saison von Dolce&Gabbana." "Na da wird es doch mal Zeit, es auf einer Homeparty auszuführen! Das würde Simon bestimmt gefallen. Du und deine sexy Beine, in diesem Kleid, da kann er doch nicht mehr wiederstehen.", zwinkere ich ihr dabei zu. "Meinst du wirklich", sie schaut mich mit grossen Hundeaugen an. Jetzt hab ich sie an der Angel. Sie soll für mich eine Party veranstalten. In dem riesen Haus ihrer Eltern, mit Swimmingpool versteht sich.

Ich selbst lade nie Besuch zu mir nach Hause ein, geschweige denn veranstalte ich eine grosse Feier, wo die halbe Schule kommt. Noch nicht einmal Trish, Dracy oder Aoki waren bei mir zu Hause. Warum auch, zu viel Stress. Ausserdem braucht niemand zu wissen wo ich wohne. Das würde mich nur erpressbar machen. Ich versuche so wenige Informationen wie möglich, aus meinem Familienleben, in die Schule durchsickern zu lassen. Denn es geht sie alle einen Scheissdreck an.

"Ich könnte für dieses Wochenende was organisieren. Meinst du Simon würde kommen?", fragt mich Ally mit einem zurückhaltenden Lächeln. "Ich werd ihn für dich fragen. Damit es nicht sofort auffällt, dass du ein Auge auf ihn geworfen hast. Und am Samstag kannst du ihn dann ganz in Ruhe abchecken." "Das würdest du machen. Ich freu mich ja schon so. Das wird total geil.", sie gibt dabei einen unnormal hohen Laut von sich. Ich kann mir gerade noch eine abwertende Grimasse verkneifen. Keine Ahnung was diese unkontrollierten Gefühlsausbrüche sollen. "Alles klar, dann sehen wir uns auf jeden Fall am Samstag. Wir sind 20 Uhr bei dir. Achso, ich werd noch paar Freunde mitbringen. Ich bin auch schon ganz aufgeregt. Wir sehn uns.", damit drehe ich ihr meinen Rücken zu und laufe wieder zu meinen Mädels. Das herablassende Lächeln, welches ich dabei aufgelegt habe, sieht Ally nicht mehr. Zum Glück weiß sie nicht, dass mit ihr und Simon nichts werden wird. Selbst wenn er ihr nicht abgeneigt wäre. Meine Schäfchen sollen sich doch nicht verbünden. Nein, nein, alle haben ihren eigenen, isolierten Platz in der Herde. Aber dies zu verhindern, wird meine Aufgabe am Samstag sein.

 

"Wir haben am Wochenende ein Partydate bei Ally.", sage ich zu der Gruppe, welche vor dem Klassenzimmer auf mich wartet. Dracy ist mittlerweile wieder zurück: "Super da komm ich endlich mal wieder raus. Es ist Anfang des Monats und mein Vater hat wieder Geld für seinen Alkohol." Mehr braucht sie nicht zu sagen. Alle wissen, was das bedeutet. Er säuft sich solange voll bis sein kompletter Verstand vernebelt ist. Danach arbeitet er sich wie ein Berserker einmal durch die ganze Wohnung und seine gesamte Familie. Bis jetzt konnte Dracy ihre Blessuren, vor den anderen in der Schule, gut verstecken. Selbst im Sommer trägt sie oft Langarmshirts und lange Hosen. Nur ihre engsten Freunde kennen ihr Familiengeheimnis.

"Man, Samstag ist meinen Eltern doch wieder zu kurzfristig. Heut ist schon Mittwoch. Das weißt du doch, Lia. Die lassen mich niemals auf die Feier. Noch dazu wenn Kerle am Start sind.", mit hängenden Schultern schaut Aoki auf den Boden. "Sorry Süsse, das hat sich jetzt kurzfristig ergeben. Hab es auch gerade erst erfahren. Wir können doch am Sonntag alle was Schönes machen. Picknick im Park, ohne Kerle versteht sich.", schlage ich einen Kompromiss für Aoki vor. Immerhin soll sie sich nicht ausgeschlossen fühlen. Unzufriedenheit zerstört die Gruppendynamik. Ich lass mir doch nicht an meinem Stuhl sägen. Außerdem wird sie am Samstag nicht zum Einsatz kommen. Obwohl zwei Augen mehr, welche die Situation objektiv überblicken können, nicht schlecht wären. Was solls, die religiöse Einstellung von Aokis Eltern werd ich wohl nicht mehr ändern. "Das wird sicher gehn.", sagt Aoki mit optimistischen Gesichtsausdruck.

"Trish, was sagst du. Die halbe Schule wird da sein. Und du weißt, was das heißt. Kerle im Überfluss. Nur für dich, Baby!" Kichernd mit der Hand vor dem Mund antwortet sie: "Du weißt doch eh, dass ich da nicht wiederstehen kann, Lia. Ich werde richtig heiss aussehen." "Na davon gehe ich doch wohl aus.", antworte ich ihr gespielt schockiert, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Denn sie weiß ja noch gar nicht, dass sie am Samstag mit Simon eventuell Sex haben wird.

 

Während wir in die Klasse gehen flüstere ich zu Dracy: "Wie gehts unserer kleinen Made Betty?" "Ich würde sagen, dass sie ihren linken Arm eine Weile nicht benutzen kann. Ich hab ihren Oberarm zwischen Rahmen und Toilettentür eingeklemmt und dann ordentlich auf die Tür getreten.", antwortet sie ebenso flüsternd und grinst süffisant. "Böse!", dabei kann ich mir ein kleines Lachen einfach nicht verkneifen.

2. Kapitel: beobachten, planen, vernichten

Ich setze mich auf meinen Platz. Allein. Während der Stunde kann ich Ablenkung einfach nicht gebrauchen. Denn umso mehr ich im Unterricht mitbekomme, desto weniger muss ich zu Hause machen. Mein Sitzplatz ist in der Mitte des Raumes. Nach der Devise: Nur nicht auffallen. Vorne sitzen meist die Streber und hinten, naja sagen wir mal, die Desinteressierten. Meine Mitarbeit ist ein Gleichgewicht zwischen aktiven und passiven Phasen. Ich will einfach in der breiten Masse untergehen.

Die Doppelstunden verlaufen ohne weitere Zwischenfälle. Mein Augenmerk liegt allerdings auf der längeren Mittagspause. Denn ich habe bis Samstag noch einige Sachen zu organisieren, um einen reibungslosen Ablauf ohne unerwünschte Komplikationen zu garantieren.

 

Als es zur Pause klingelt, gehen wir in den Speisesaal. Nachdem sich alle ihr Essen geholt haben, setzen wir uns an unseren Stammtisch. Dieser befindet sich eher am Rand des großen, pissgelben Raumes und direkt neben dem Ausgang. Damit ich die Möglichkeit habe alle Tische und Schüler zu beobachten und nach Belieben, beim Verlassen der Kantine, abzufangen.

"Ich geh nochmal zu den Schwimmern rüber wegen der Party am Samstag." "Och, kann ich mitkommen.", bettelt mich Trish an und klimpert mit ihren Wimpern. "Ernsthaft Trish? Das mit deinen Augenaufschlag kannste sicher bei den Kerlen bringen. Aber bei mir? Wohl eher nicht. Da spring ich nicht drauf an.", dabei schüttel ich vorwurfsvoll mit meinem Kopf. Sie zieht einen Schmollmund. "Ich werd ganz liebe Grüße von dir ausrichten, versprochen.", dabei zwinkere ich ihr zu: "Ach und Aoki, wo find ich denn Henna während der Pause?". "Die ist meistens im Computerraum.", antwortet mir Aoki sofort. "Alles klar bis später Mädels."

 

Mit diesen Worten steuer ich gezielt auf den Tisch der Schwimmer zu. Dabei schaue ich kurz zu Malibu- Barbie rüber, welche sofort meinen Blickkontakt erwidert. Ich nicke ihr kurz zu, damit sie weiß, dass ich mein Versprechen, Simon zur Party einzuladen, gerade einlösen will. Dies wird sicherlich kein leichtes Unterfangen. Da der intellektuelle und sportliche Simon nicht besonders viel von Homepartys für und von Schülern hält. Er ist halt was Besonderes. Fragt sich nur wo. Wir könnten die Ehre seiner Anwesenheit sowieso nicht angemessen huldigen. Kotz. Nein, er bleibt lieber unter seinesgleichen. Reich, gutaussehend, muskulös und nicht gerade mit außerordentlicher Dummheit gesegnet. Dies sind wohl die gefragten Attribute, wenn man der Sprecher für eine Gruppe von Kerlen sein will. Heissen Kerlen, zumindestens, wenn ich den anderen Mädchen an unserer Schule, Glauben schenken darf.

"Hi.", selbstsicher wie ich bin, setzte ich mich ohne Umschweife an ihren Tisch. "Wie kann ich helfen?", fragt mich Simon. "Du? Eigentlich gar nicht. Ich wollte mit den anderen reden. Ist ja nicht so als würdest du allein hier sitzen und jeder würde nur herkommen, um mit dir zu sprechen?", gespielt schockiert schaue ich ihn an. "Aber wenn du es wissen willst, wollte ich Olli, Steve und Ty am Samstag zur Party bei Ally einladen.", mit einem zuckersüßen Lächeln richte ich mich an die drei Jungs. Simon gibt ein Schnaupen von sich: "Und warum zum Teufel werde ich nicht eingeladen?" "Keine Ahnung, würdest du denn kommen, wenn ich dich fragen würde?" "Denke schon", antwortet Simon. "Also gut, ich würde mich freuen, wenn ihr alle zur Party am Samstag bei Ally kommt.", mit einem Lächeln schaue ich jeden einzeln an und schweife mit meinen Blick wieder zurück zu Simon. Die Gruppe schaut sich kurz an. Dann antwortet Simon: "Wir werden da sein." "Super. Da hätten wir das ja geklärt. 20 Uhr gehts los. Wir sehn uns, Männer.", damit verlasse ich den Tisch wieder. Hiermit ist meine Mission abgeschlossen. Mehr wollte ich von den Meerjungfrauen nicht. Und es war leichter als gedacht. Es ist doch spannend wie Simon auf den Entzug von Aufmerksamkeit reagiert hat. Es hat ungemein das Interesse an der Party angehoben. Und da soll er nochmal behaupten er wäre hoch intelligent, wenn er sich so einfach manipulieren lässt.

 

 Auf dem Weg aus dem Speisesaal, nicke ich Ally nochmals zu. Sie versteht meine Kopfbewegung richtig. Sofort setzt sie ihr 1000 Watt- Lächeln auf, rutscht hibbelig auf ihrem Stuhl hin und her und beginnt mit ihren Barbara- Millicent- Roberts- Anhängern* zu tuscheln. Das Ergebnis daraus, ist ein kollektives Gekreische der drei Mädels, welches sich durch den gesamten Raum ausbreitet. Mit rollenden Augen verlasse ich den Ort der akustischen Belästigung und peile das Computerkabinett an. Damit ich einen weiteren Checkpunkt auf meiner Liste abhaken kann.

 * vollständiger Name von Barbie

 

Henna sitzt vertieft vor einem Computer. Sie ist ein typischer Streber. In Vollmontur mit Hornbrille und Pulli aus Hanffaser. Das sowas hergestellt werden darf, ist für mich ein Rätsel. Aus solch einer bösen Pflanze. Aber wie Henna sich kleidet, soll mir egal sein. Ich möchte etwas anderes von ihr. Da sie ein echtes Genie im Umgang mit Technik ist, müsste die Zeit ausgereicht haben, um mir meine Forderung beschafft zu haben. "Na schon wieder fleißig? Wo ist der Administrator und der Login, Henna?", komme ich ohne Umwege zum Ziel meiner Begierde. "Die hab ich. Was ist mit deinem Teil der Abmachung?", fragt sie mich und streckt dabei selbstbewusst ihr Kinn raus. Mutig! "Wäre ich hier, wenn mein Teil nicht schon in Sack und Tüten wäre?!", ich ziehe die Augenbrauen hoch und schaue sie dabei von oben herab an. Wenn ich nichts von ihr bräuchte, wäre sie jetzt sowas von fällig. Sie gibt mir ohne weitere Provokation die Administration und den dazugehörigen Login für das Verwaltungsprogramm der Schule. "Wozu brauchst du eigentlich die Codes für das Zensurenarchiv? Du musst wohl sonst die Klasse wiederholen?", fragt mich Henna.

Nein, für mich brauch ich es sicher nicht. Meine Noten sind gut, wären sogar sehr gut, wenn ich nicht darauf achten würde einen konstanten 1,5 bis 2,0 Durchschnitt zu halten. Ansonsten müsste ich vielleicht noch in so einen Nerd- Club. Weil irgendein übermotivierter Lehrer meint, er müsse mein Potential noch mehr fördern und mich zu dessen Lebensaufgabe machen. Nein danke, den Stress vermeide ich einfach, indem ich gezielte Fehler in meine Arbeiten einbaue, um keine 100% zu erreichen. Dies war auch heute Morgen das Problem mit Betty. Den komplett fehlerfreien Aufsatz kann ich beim besten Willen nicht abgeben. Der würde nur meinen Notendurchschnitt versauen.

"Diesen Samstag, 20 Uhr. Wir treffen uns vor Allys Villa. Du kommst mit uns rein. Was du dann drinnen machst, ist deine Sache. Sei pünktlich, ansonsten gehen wir ohne dich.", sage ich bestimmend, ohne auf ihre Fragen einzugehen. "Was soll ich denn anziehen?", fragt sie mich verunsichert. Ich beuge mich ein Stück näher an sie ran: "Das ist mir sowas von scheißegal. Meinetwegen kannst du nackt, den Strapsen deiner Mutter oder in einer Mülltüte auf die Party gehen. Als ob mich das interessieren würde. Unser Deal ist durch. Code gegen den Einlass zu einer Party. Nicht mehr und nicht weniger. Samstag, 20 Uhr! Und zieh dir ne Windel an, nicht dass du dich vor Angst noch anpisst!"

Sie schaut betreten auf den Boden. Dabei läuft ihr eine Träne über die Wange. Echt jetzt? Das ist doch nicht ihr ernst. Mit einem angewiderten Gesichtsausdruck gehe ich weg und überlasse die Heulsuse sich selbst.

Wie immer habe ich ein perfektes Timing und mir bleiben noch fünf Minuten bis zum Unterrichtsbeginn.

 

In meinen Gedanken gehe ich meinen Plan durch.

  1. Organisieren einer Party: Check
  2. Einladen von Simon, um Allys Bedürfnisse zu befriedigen und die Party nicht zu gefährden: Check
  3. Henna den Einlass auf die Party sichern: Check
  4. Henna die Codes abknöpfen: Check
  5. Dima die Codes geben: offen
  6. Dima als meinen Mittelsmann verpflichten: offen

 

Eine weitere Audienz schaffe ich heute nicht mehr. Dima steht noch auf meiner Liste. Die letzten beiden Punkte werde ich mir morgen vornehmen.

3. Kapitel: Home Sweet Home

Nach der Schule will ich nach Hause: "Wir sehn uns morgen Mädels." Ich drehe mich um und gehe zu meinem Auto. Einen 1967 Chevy Camaro, in einem dunklen Rot. Wenn die Sonne auf mein Auto strahlt, könnte man meinen es wäre Blut. Sie heißt RedHibiskus. Weil sie mich, mit ihrer Schönheit, einfach an eine Blume erinnert. Mein Vater hatte sie mir zu meinem 16. Geburtstag geschenkt.

"Was machst du denn wegen dem Geschichtsaufsatz, der morgen fällig ist.", fragt mich Dracy. Ich wende mich zu ihr. "Na den schreib ich heute. Was soll ich schon machen.", ich schaue sie verständnislos an. Obwohl ich schon einen Verdacht habe, worauf sie hinaus möchte. "Naja, wenn das so ist... ich habe mich gefragt, ob ich da den Aufsatz von Betty abgeben könnte?", sie schaut mich mit gesenktem Kopf an. Dieses unterwürfige Verhalten ist wirklich niedlich. Als ob ich ihr gleich den Kopf abreißen könnte. Obwohl, kann man das? Mit bloßen Händen? "Meinetwegen.", antworte ich gleichgültig. "Super, danke dir. Du bist die Beste!", Dracy strahlt mich an. Ich lächle zurück und trete anschließend meinen endgültigen Weg nach Hause an.

 

Zu Hause angekommen, begegne ich Calida in der Küche. Sie ist unsere spanische Haushälterin. Meine Erzeuger sind wie sooft nicht zugegen. Meine Mutter macht sicherlich einen Wellnesstag mit ihren Society- Freundinnen und mein Vater arbeitet meist bis spät abends. Er ist Inhaber eines Bauunternehmens und hat Kunden in der ganzen Welt. Die Vorteile für mich bestehen darin, dass er selten zu Hause ist, damit genieße ich größtenteils völlige Handlungsfreiheit, und ich bekomme jeden Monat ein beträchtliches Taschengeld. Der ganze Vorgang wird durch meine Mutter unterstützt. Da sie tablettenabhängig ist, kümmert sie sich entweder um sich selbst oder nutzt ihre Wachphasen für Wellness, Beauty oder Shopping. Durch ihre ständige Abwesenheit, fallen meine Geschenke meist völlig übertrieben und überteuert aus. Sie sind wohl der Meinung, dass sie mich mit Geld kaufen könnten. Aber Liebe kann man nicht durch Geld ersetzen. Mich stört es allerdings nicht. Solange die mir nicht auf meine Eierstöcke gehen und ich machen kann was ich will, ist es mir völlig schnuppe, wo sie sich aufhalten.

Calida ist zu Hause meine einzige Ansprechpartnerin. Sie ist immer da. Sie hat sogar ein eigenes Zimmer in unserem weitläufigen Haus. Ich kenne sie jetzt schon fast 14 Jahre. Als ich drei war, ist sie aus Spanien zu uns gekommen. Seitdem lebt sie hier. Ihr kann ich leider nicht so schnell etwas vormachen. "Wie war die Schule heute?", Calida lächelt mich dabei freundlich an. "Gut. Wie immer halt. Eine Menge pubertierende Teenager auf einen Haufen. Der Unterricht war ganz ok." "Na du wirst doch nicht nachlassen? Willst du eigentlich noch was essen?", liebevoll streicht sie mir dabei über den Kopf. "Nein und nein. Ich geh dann mal in mein Zimmer. Ich muss noch einen Aufsatz über Adolf Hitler verfassen. Der ist morgen fällig." "Da fängst du jetzt erst an. Schaffst du das denn noch? Ich hab dir schon einmal gesagt, dass du nicht immer so nachlässig sein sollst. Erledige deine Hausaufgabe einfach mal eher." Manchmal fühle ich mich, als wäre unsere Haushälterin meine Mutter. "Ich werde das schaffen. Mach dir keine Sorgen. Außerdem wird sich ja was über diesen Homo Hitler finden lassen." Calida bricht in schallendes Gelächter aus.

 

In meinem Zimmer angekommen, schmeiße ich mich auf mein Bett und nehme mir,ein paar Minuten, für mich selbst. Ich schaue sein Bild, auf dem Nachttisch, an. Ich betrachte sein Gesicht, welches mir so sehr ähnelt. Wie lange ist es schon her?

Bevor das Gefühl der Trauer über mir einbricht, wende ich meinen Blick ab. Einfach tief durchatmen. Es war heute wieder ein anstrengender Organisationstag. Nachdem meine Energiereserven aufgefüllt sind, setzte ich mich an die Geschichtshausaufgabe. Die fünf Seiten schreiben sich nicht von allein.

 

Meine Eltern bekomme ich heute nicht mehr zu sehen. Also gehe ich nach Beendigung meiner Schriften einfach ins Bett und hoffe, dass morgen ein genauso erfolgreicher Tag wird wie heute.

 

4. Kapitel: sehen, packen und eintüten

Der nächste Tag in der Schule verläuft zunächst ereignislos. Ich gebe vorbildlich vor der Stunde meinen verfassten Aufsatz über den Führer ab. Unser Lehrer kaut nochmals den gesamten zweiten Weltkrieg durch. Dieser wird wohl der Schwerpunkt der diesjährigen Abschlussprüfung werden. Also markiere ich mir das gesamte Thema mit Edding. Damit ich am Ende des Jahres weiß, was ich lernen muss. Ich will so wenig Zeit wie möglich ans Pauken vergeuden. Folglich lerne ich keine Themengebiete, die nicht abgefragt werden.

 

Als es zu Mittagspause klingelt verschwende ich keine Zeit: "Aoki und Trish geht schon vor, was essen. Ich muss mit Dracy in den Dark Corner. Wenn wirs, vor der Stunde, nicht mehr zum Essen schaffen, bringt ihr uns ein Sandwich mit?". Dracy schaut mich verwundert an. Sie wusste bis jetzt nichts von meinem Plan. "Ja klar. Aber was willste denn im Corner. Dort sind doch nur irgendwelche Asoziale? Die sind doch Abschaum. Dort würden mich keine zehn Pferde hinkriegen", sagt Trish verständnislos. "Süße, dass würd ich doch auch niemals von dir verlangen. Bringt uns einfach ein Sandwich mit. Bis später dann.", versuche ich den Fragen von Trish auszuweichen.

Ich packe Dracy am Arm und ziehe sie durch den Flur hinter mir her. "Lia? Lia? Bleib doch mal stehn.", sagt Dracy und versucht zu stoppen. Ich schaue sie an und ziehe sie in das nächste leere Klassenzimmer. "Was ist denn?", frage ich leicht genervt. Für sowas hab ich jetzt echt keine Zeit. "Kannst du mir bitte verraten, was du im Dark Corner willst?", sie schaut mich verständnislos an. Der Corner befindet sich hinter der Schule. Dort ist eine Art unterirdischer Gang, welcher zum Sportplatz führt. Der Tunnel ist sehr verwinkelt und bietet einige Versteckmöglichkeiten. Diese Unterführung ist auch tagsüber relativ dunkel und verlassen. Kein Lehrer verirrt sich dorthin. Denn die meisten Nutzen den Weg zum Sportplatz über die Turnhalle. 

"Ich muss mit den Russen reden. Und die finde ich halt nun mal nur dort." Dracy schnappt nach Luft. Dabei macht sie ein Gesicht wie ein Fisch. "Verdammte Scheiße, Lia. Das ist nicht dein Ernst. Ich hab kein Bock auf Stress mit denen. Die stechen dich ab oder prügeln dir die Scheiße aus dem Leib, so schnell kannst du gar nicht schauen. Was hast du denn mit denen zu besprechen?", fragt mich Dracy mit einem hysterischen Ton und ängstlichen Augen.

Ja was will ich von Dima? Endlich mein Drogengeschäft an der Schule etablieren. Mit seiner kriminellen Ader ist er der perfekte Dealer. "Du hast Angst! Dass ich dies nochmal erleben darf.", ich muss leicht grinsen. Ich hätte vielleicht doch Trish oder Aoki mitnehmen sollen, wenn ich gewusst hätte, dass Dracy hier so einen Aufstand macht. Die müsste doch eigentlich einiges gewohnt sein. Wie im Kindergarten: Ich kann nur mit Licht schlafen! Denn ich hab so Angst vorm schwarzen Mann.

"Natürlich weiß ich, dass es nicht ungefährlich ist, in den Dark Corner zu gehen. Deswegen bist ja auch du dabei. Ich weiß einfach, dass ich mich auf dich verlassen kann. Du bleibst etwas weiter weg stehen und hälst die Stellung. Wenn etwas passiert, kannst du Hilfe holen. Du hast dabei kein Risiko. Bleib einfach auf Abstand", versuche ich ihr etwas Honig ums Kindermäulchen zu schmieren. "Dir ist es ernst, oder? Verdammt Lia!", sie schaut mich mit weit geöffneten Augen an. Dracy ist immer noch entsetzt über mein Vorhaben. Doch darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Ich habe die letzten Tage darauf hingearbeitet, um mein Ziel zu erreichen. Das lass ich jetzt nicht platzen, nur weil Miss Angsthase ihren imaginären Schwanz einzieht. Ich ergreife wieder ihre Hand und lächle sie aufmunternd an: "Komm. Wir machen das jetzt. Get ready and let´s fetz!" Ich werde keine weiteren Widerworte dulden. Sie folgt mir ohne Einwände.

 

Wir verlassen das Schulgebäude durch den Hinterausgang und nähern uns dem Dark Corner über eine kurze Rasenfläche. Wir wurden bereits von zwei bulligen Kerlen der Oberstufe entdeckt. Welche unser Erscheinen sofort nach hinten weitergeben. Die Unterführung lässt sich von hier nicht einsehen. Es ist einfach zu dunkel. Auch die anwesenden Personen kann ich nicht erkennen. Dracy wird immer langsamer. Ich lasse ihre Hand los. Soll mir recht sein, dass sie hier wartet. Es war nie meine Absicht, dass Dracy irgendetwas von dem kommenden Gespräch hört. Ich wollte nur, dass diese Penner sehen, dass ich nicht allein gekommen bin. Übers Ohr lass ich mich nämlich nicht hauen. Dima und ich hatten eine Abmachung. Und die wird verdammt nochmal von beiden Seiten erfüllt.

Warum verbringt man seine Pause eigentlich in einem dunklen, alten und modrigen Tunnel? Vielleicht wollen diese Versager auch einfach Danger rüberkommen. Bei mir wirkt das schon mal nicht.

Als ich mit festen Schritten am Eingang ankomme, zieht der eine Kerl seine Augenbrauen in die Höhe und mustert mich skeptisch. Da er an der rechten Schläfe eine fette Narbe hat, wirkt das Gesicht bei seiner Mimik, völlig verschoben. Ich muss ein Lachen unterdrücken. Man was sind hier für Gestalten. Eigentlich hab ich gedacht, ich wäre in einer Schule und nicht im Hinterzimmer eines Mafiabosses. Jetzt muss ich doch kichern. Wie unpassend. Das Gesicht des Typen verfinstert sich. Er denkt wohl, ich lache über ihn?! Soll er ruhig. Macht die Sache spannender. Unbeeindruckt, komme ich gleich zur Sache: "Ich will zu Dima!"

"Ach willst du. Und wieso denkst du, du könntest es?", er schaut sauer auf mich hinab. "Pass mal auf Schönheit. Es scheint mir als wüsstest du nicht wer ich bin. Wenn du nicht noch eine Narbe haben willst, die deine weichen und makellosen Gesichtszüge untermalt, meldest du mich jetzt bei ihm an.", ich halte mein Gesichtsausdruck neutral. Damit er weiß, dass es mir ernst ist und ich kein kleines Püppchen bin, was jetzt schreiend und heulend davon rennt. Nur weil der böse Onkel grimmig schaut.

Der Narbentyp kommt einen Schritt näher, schaut mir tief in die Augen und knurrt. "Echt mal bist du ein Hund oder was? Soll ich jetzt einen Ball werfen oder willst du deinen eigenen Schwanz jagen?" Ich stämme meine beiden Hände in die Taille und drücke meinen Rücken durch. Nur keine Angst zeigen. Aus dem Tunnel ertönt eine Stimme: "Lass sie durch Igor!". Das ist Dima. Ich grinse Igor an: "Siehste? Jetzt sei ein braves Hündchen und mach Sitz. Und wenn du nicht mehr knurrst, bekommste dann auch noch einen Knochen von mir.".

 

Ich gehe an ihm vorbei. Und würdige Igor keines Blickes mehr. Ich bin auf mein Ziel fokussiert. Dima empfängt mich mit einem Nicken und führt mich tiefer in den Durchgang. Auf der rechten Seite der Betonmauer befindet sich eine Einbuchtung. Darin stehen eine Couch, ein kleiner Tisch und ein Sessel. Hat der hier sein Büro oder was? "Setz dich doch.", bittet mich Dima und zeigt auf die Couch. Meine Körperhaltung hat sich etwas versteift, weil die Stimmung einfach zu angespannt ist. Somit sitze ich nach vorne gelehnt auf der Ledercouch. Immerhin bin ich auch nicht zum Kaffeekränzchen hier. Er selbst wählt den Sessel. Wir sitzen uns genau gegenüber und schauen uns an. Ich beschließe das Schweigen zu brechen: "Ich hab den Login für das Verwaltungsprogramm für dich. Steht unser Deal noch?" "Aber natürlich. Das ging schnell. Hätte ich dir gar nicht zugetraut. Wie bist du an die Codes gekommen?", Dima schaut mich verblüfft an. "Du weißt doch, dass man sein Gegenüber niemals unterschätzen darf.", ich grinse ihn herausfordernd an. Mit dem nächsten Atemzug verfinstert sich mein Gesicht. "Und deswegen sage ich dir schon im Voraus: Wenn du mich linken willst, kannst du dich warm anziehen. Dann werde ich dich nämlich gesellschaftlich vernichten. Sodass du dich in der nächsten Zeit nicht wieder erholen wirst. Da werden dir auch deine kriminellen Kontakte nichts bringen. Haben wir uns verstanden?" Meine Stimme wird automatisch tiefer, um meine Drohung zu verdeutlichen. "Du drohst mir?", er legt die Stirn in Falten und spricht weiter: "Du vertraust mir nicht. Das ist keine gute Basis für eine geschäftliche Beziehung.". Plötzlich hellt sich sein Gesichtsausdruck auf. Seine Augen scheinen zu funkeln. Oh, oh. "Aber ich habe eine Idee, wie wir unsere Beziehung verbessern können. Vielleicht vertraust du mir ja dann." Dabei beugt er sich langsam zu mir vor, streckt seine Hand nach meinem Gesicht aus und schaut mir tief in die Augen. Was zum Teufel... Will der mich küssen? Wie von einer Tarantel gestochen, erhebe ich mich von meinen Platz. Eine immense Wut steigt in mir auf. Meine rechte Hand schnellt zu seinem Hals und die Linke an sein bestes Stück. Ich kralle meine Finger in seine Hoden und quetsche diese. Ein wimmernder Laut kommt über seine Lippen. Diese schmierigen, Ekel erregenden, abscheulichen... am liebsten würde ich sie aus seinem Gesicht reißen.

Mit den Fingern am Hals will ich nicht seine Luftröhre abdrücken. Nein, ich drücke auf die beiden Arterien im Hals, welche die Blutzufuhr zum Gehirn gewährleisten. Wenn die Zufuhr unterbrochen wird, fehlt dem Gehirn der Sauerstoff zum Arbeiten. Als Erstes fällt man in Ohnmacht. Danach sterben langsam aber sicher die Gehirnzellen ab, bis der kleine Dima wie ein sabberndes, erwachsenes Baby vor sich hinvegetiert.

Dima bricht in Panik aus. Er weiß nicht, welche Hand er als erstes Abwehren soll. Würdest du die nehmen, die Schmerzen verursacht oder die, die dich töten kann? Bedenke, es ist eine Entscheidung, welche nur Sekunden dauert und deshalb meist intuitiv abläuft. Ob er sich seiner Situation überhaupt bewusst ist?

Ich beuge mich mehr über den Tisch, noch näher an ihn ran: "Wenn du gedacht hast ich bin Eines dieser billigen Flittchen, die deinen dreckigen Schwanz in den Mund nimmt, nur weil du sie ganz nett drum bittest, dann hast du dich getäuscht. Wenn du noch einmal versuchst mich anzufassen, werde ich dich vom Brustkorb bis zu deinen Eiern aufschlitzen und dich wie ein Schwein ausbluten lassen." Ich versuche meine Wut zu kontrollieren und unterbreche meine Rede. Ich schaue ihn an. Sein Gesicht ist gerötet und seine Augäpfel treten aus den Höhlen hervor. Der wird wohl nicht mehr lange aushalten. Damit er nicht das Bewusstsein verliert, vermindere ich den Druck auf die Arterien, um frisches, sauerstoffreiches Blut ins Gehirn zu lassen. "Hast du es begriffen?", frage ich mit Nachdruck. Ich verstärke den Griff an seinen Weichteilen. Er nickt sofort. Ich nehme die Hände von seinem Körper und setze mich zurück auf die Couch. Meinen Wutausbruch zwinge ich nieder. Meine sadistische Seite ist eindeutig noch nicht befriedigt.

Dima japst nach Luft: "Verdammt, was ist denn mit dir los?" Seine Augen sind geweitet. Ihm steht die Angst immer noch im Gesicht. Er schwitzt, ob vor Angst oder Schmerzen, kann ich nicht sagen. Kleine Schweißperlen haben sich auf seiner Stirn gebildet. Er wischt sie mit dem Handrücken weg. Dabei zittern seine Finger. "Das war gerade echt krass. Mir fehlen die Worte.", er neigt sich nach vorne und legt sein Gesicht in die Hände. Man der ist echt fertig. "Tut mir leid. Mir war nicht klar, dass mein Verhalten so eine Reaktion bei dir auslöst.", er seufzt. Einen Vorteil hatte diese Eskalation schon. Er scheint mich jetzt zu respektieren oder zumindestens zu fürchten. Und mich als Person zu akzeptieren. Jetzt muss er mich nur noch als seine Chefin annehmen. Ich nutze seinen momentanen Schockzustand und erkläre ihm die Regeln unserer Zusammenarbeit: "Pass auf. Ich werd dir jetzt sagen wie es laufen wird. Ich werde dich mit Marihuana und Kokain versorgen. Am Anfang bekommst du nur eine Probemenge. Wir werden zum Beginn testen, wie die Nachfrage sich entwickelt. Du wirst das Zeug nur an der Schule anbieten. Keine externen Leute. Du verkaufst ausschließlich meine Drogen. Kein anderer Händler, von dem du Stoff beziehst. Du bekommst erst Nachschub, wenn dein gesamter Vorrat aufgebraucht ist. Es wird keinen privaten Kontakt zwischen uns geben. Keine Telefonate, keine Treffen zu Hause. Du wirst die Drogen schon in verkaufsfertigen Verpackungen oder Tütchen bekommen. Der Marktpreis ist vorgeschrieben und von diesem wirst du nicht abweichen. Du übergibst das Zeug nicht blanko, auch nicht an deinen besten Kumpel. Nur Ware gegen Cash. Was deine Freunde aufbrauchen, wird bezahlt. Wir selbst werden nicht konsumieren. Ich muss mich auf dich verlassen können. Und als Abhängiger wärst du ein Sicherheitsrisiko. Am Anfang bekommst du 10% von der Gewinnspanne. Dein prozentualer Anteil steigt aller 6 Monate um 10%, je nach Verkaufszahlen. Deine maximale Gewinnbeteiligung liegt bei 40%." Eine kurze Pause entsteht. Ich möchte meine Worte wirken lassen. Danach spreche ich weiter: "Wie siehts aus bist du drin? Bist du bereit eine Menge Geld zu verdienen?" Mein Gesicht gleicht einer Maske. Ich empfinde keinerlei Emotion mehr. Das kalte Kalkül des Geschäfts zeigt bei mir seine Wirkung. Ich warte auf eine Reaktion. Er starrt mich einfach nur an. Nachdem einige Sekunden verstreichen, antwortet er: "Geld kann ich immer gebrauchen. Also bin ich drin." .

Ein triumphierendes Gefühl breitet sich in mir aus. Endlich kann ich mein eigenes Geld verdienen und dies in relativ kurzer Zeit. Damit kann ich unabhängig von den Launen meiner Eltern sein und aufhören am Geldhahn meines Vaters zu nuckeln.

Da Dima den aktiven Verkauf an der Schule übernehmen wird, bleibt für mich das Risiko der Strafverfolgung gering. Wer wird schon einem vorbestraften Kleinkriminellen glauben, der behaupten wird, dass er seine Drogen von einem Mädchen bezieht, dessen Vater einer der reichsten Männer der Stadt ist und überall seine Kontakte hat? Sogar mit dem Polizeipräsidenten ist er befreundet.

"Aber einige Fragen habe ich noch.", unterbricht er meine Gedanken. "Wie werden die Übergaben ablaufen?", fragt mich Dima. "Unser Umschlagplatz ist an der Schwarzenberg- Road. Kennst du die alte, verfallene Villa dort? Im verwilderten Hintergarten gibt es eine Terrasse. Dort ist eine Tonplatte locker, welche es ist, wirst du sicher allein herausfinden. Diese lässt sich anheben. Darunter platzieren wir die Ware oder das Geld für den Transfer. Wenn du mir das eingenommene Geld übergeben willst, legst du es dort ab und nennst mir anschließend nur das Datum, an welchem du es dort deponierst. Mit der Übergabe deiner Gewinnbeteiligung handhabe ich es ebenso. Wenn du die Drogen brauchst, nennst du mir Datum und Uhrzeit, wann du es haben möchtest. Ich werde mich anschließend darum kümmern, dass du es pünktlich bekommst. Mehr verbale  Kommunikation wird es nicht geben. Wenn du ein dringendes Problem mit mir besprechen willst, dann nur in schriftlicher Form. Welche sofort nach Übermittlung zerstört werden muss. Der Übergabeplatz ist auch hinter der Villa.", antworte ich ihm. "Gut. Ich merk schon du hast wirklich jedes Detail bedacht." Dima scheint zufrieden mit meinen Ausführungen zu sein. "Ein ausgeklügelter Plan gewährleistet einfach einen reibungslosen Ablauf. Bei unserem Geschäft können wir uns keine Fehler erlauben. Deswegen weise ich dich auch darauf hin, dass unsere Abmachung nichtig ist, solltest du eine meiner Bedingungen missachten. Ab dem Zeitpunkt wird keine Zusammenarbeit und kein Kontakt mehr stattfinden.", gebe ich altklug von mir. "Du stellst ganz schön viele Regeln auf. Es ist ja nicht so als wöllten wir einen Ehevertrag abschließen." "Nein, du hast Recht. Wir schließen keinen beschissenen Ehevertrag. Sondern wir wollen ein Geschäft aufbauen. Bist du nicht auch der Meinung, dass eine geschäftliche Beziehung viel ernsthafter ist. Dabei schaffen klare Regeln auch klare Fronten.", ich schaue ihn herausfordernd an. Er senkt seinen Blick auf den Boden. So ein Lappen. "Du hast Recht. Tut mir leid.", er sieht mich wieder an und fährt fort: "Wie willst du Kunden werben? Ich hätte eine Idee. Die Party am Samstag. Dort könnte ich die Drogen erstmals verteilen und abwarten wie sie ankommen." Keine schlechte Vorstellung. Darüber hatte ich auch schon nachgedacht. "Nein, ich werde selbst die Drogen auf die Party schleusen. Wenn du und deine Leute auftauchen, werden die anderen voreingenommen sein. Ihr habt keinen guten Ruf in der Schule. Die meisten Schüler haben Angst vor dir. Nein, um sich an die Drogen zu trauen, müssen die Leute Vertrauen haben. Und ich bin glaubwürdiger, als du. Ich möchte dort auch niemanden von deinen Freunden sehen. Sie würden die Stimmung verändern. Es muss ausgelassen sein und alle müssen das Gefühl von Sicherheit verspüren. Sonst wird das nix!" "Ich glaube du bist tausendmal gefährlicher als ich.", er murmelt sehr leise vor sich hin. Fast hätte ich ihn nicht verstanden. Da mag er wohl Recht haben. Aber trotzdem ändert es die Fakten nicht. "Also gut, ich bin einverstanden. Wenn du die Drogen am Samstag selbst einführen möchtest, habe ich keine Einwände.", sagt er nach einiger Bedenkzeit. "Aber eine Frage habe ich noch. Wie gewährleistest du einen kontinuierlichen Nachschub der Ware. Wie kommst du an die benötigten Mengen?", fragt Dima mich.

Ja, eine berechtigte Frage. Meine Kontakte sind vielfältig. Was Männer nicht alles erzählen, wenn sie angetrunken sind und von einem unschuldigen Mädchen umgarnt werden. Bei einem Essen meines Vaters mit Kunden aus Südamerika, habe ich meinen Lieferanten kennengelernt. Ein Mann mit gekaufter weißer Weste und einer Menge krimineller Geschäfte. Dieser Mr. Ramirez versorgt mich mit dem benötigten Verkaufsgut. "Lass das mal meine Sorge sein. Ich beschaff die Drogen und du bringst sie an den Mann. Am Sonntag werde ich die geschätzte Menge an Drogen hinter der Villa deponieren. Ab Montag startet der Verkauf."

Bevor ich gehe, gebe ich Dima noch die geforderten Codes, welche ich von Henna bekommen hatte. Dies war die Bedingung, sich meine Geschäftsidee anzuhören.

So unauffällig wie möglich, verlasse ich den unterirdischen Durchgang und geselle mich wieder zu Dracy. Als sie mich sieht, erkenne ich ihre Erleichterung: "Gott sei Dank, du bist wieder da. Ich hab schon gedacht du kommst gar nicht mehr. Ich bin fast gestorben vor Angst."

"Du benimmst dich, als wärst du gerade in der Höhle des Löwen gewesen. War halb so schlimm.", mit einem zufriedenen Lächeln gehe ich Richtung Schulgebäude. Und zurück in unser Klassenzimmer.

 

Flashback: engelsgleicher Teufel

"Salia, bist du da?... Hallo? Wo bist du denn?", mein Vater ruft nach mir. Seine tiefe Stimme dringt lautstark durch das Haus. Was will er schon zu Hause? Wie spät ist es eigentlich? Ich schaue auf meine Uhr. Die Zeiger stehen auf 19. Ok, er muss irgendetwas von mir wollen, sonst wäre er noch nicht so früh hier.

Ich öffne die Tür zum Verlassen meines Zimmers. "Ich bin hier, Daddy", antworte ich. Dabei gehe ich weiter in den Eingangsbereich meines Familienhauses. "Ach Engelchen, gut, dass du da bist.", er wirkt leicht gehetzt. Er will eindeutig meine Hilfe, fragt sich nur bei was. Ich gehe auf meinen Vater zu und gebe ihn einen dicken Schmatzer auf die Wange. Ich entferne mich wieder von ihm und täusche einen besorgten Gesichtsausdruck vor: "Daddy, was ist denn los." Meine Stimme nimmt eine solch honigsüße Klangfarbe an, dass ich mich teilweise vor mir selbst ekel. Aber wer das Eine will, muss das Andere mögen. Und ich will eindeutig, dass mein Vater denkt, dass er eine liebe, verantwortungsvolle und nette Tochter hat. Demzufolge muss ich mich in seiner Gegenwart auch so verhalten. Diese Täuschung ermöglicht mir, dass er mich weitestgehend in Ruhe lässt.  "Engelchen, ich hab heut ein wichtiges Geschäftsessen mit dem Vorstand einer südamerikanischen Hotelkette. Wenn ich den Vertrag in der Tasche habe, ist das ein Millionendeal. Es geht um den Bau von neuen Ferienanlagen. Du musst als meine Begleitung mitkommen. Zieh dir bitte etwas Schickes an. In einer Stunde fahren wir los.", er tritt fahrig auf einer Stelle und schaut mich hoffnungsvoll an. Na das, hat mir gerade noch gefehlt. Ein Haufen alter Säcke und ich mittendrin. "Puh, ich hab doch morgen wieder Schule. Meinst du es ist eine gute Idee, wenn ich mitkomme. Kann dich nicht eine deiner Sekretärinnen begleiten?", ich hoffe damit bin ich aus dem Schneider. Ich weiß, dass meine Mutter als Vorschlag ausfällt, da sie bei seriösen und geschäftlichen Treffen einfach nicht vorzeigbar ist. Daher baue ich auf die willigen und jungen Nutten meines Vaters. Als ob ich nicht wüsste, dass er seine Tippsen nur eingestellt hat, um auf Arbeit den Hengst rauszulassen. Mich würde es auch nicht wundern, wenn er ein eigenes Spielzimmer dort hätte.

"Es macht doch einen ganz anderen Eindruck, wenn ich meine wunderschöne, gebildete und charmante Tochter mitbringe.", er schaut mich eindringlich an. Verdammte Scheiße. Aus der Nummer komm ich heute wohl nicht raus. "Klar Daddy, ich gehe gerne mit. Da mach ich mich jetzt fertig.", innerlich stöhne ich genervt auf. Ich stürme anschließend in mein Zimmer hoch. Auch wenn ich keine Lust habe, will ich den Männern dort eine ordentliche Show bieten. Immerhin soll es sich lohnen. Wenn mein Vater den Vertrag abschließt, bedeutet das für ihn, dass er die nächste Zeit auf Geschäftsreise sein wird. Für mich bedeutet es mehr Handlungsfreiraum und weniger Überwachung.

Nach einer schnellen Dusche, betrete ich mein Ankleidezimmer. In meinem Kopf hat sich ein genaues Bild meiner Erscheinung geformt. Ich greife gezielt nach einem dunkelgrauen Kleid. Welches enganliegend und einfarbig ist. Es betont meine hellgrauen Augen perfekt. Es lässt mich älter wirken, jedoch ohne zuviel Haut zu zeigen. Ich will den älteren Männern dort den Kopf verdrehen. Ohne, dass sie Angst bekommen, eingesperrt zu werden, weil sie eine Minderjährigen angaffen und dreckige Gedanken haben. Nehmt acht vor der Schneekönigin. Ich komme. Das wird ein Spass.

 

In dem fünf Sterne Restaurant angekommen, stellt mich mein Vater den anderen drei Männern vor. Schon zum Beginn, begutachten sie mich genau. Mein Vater ignoriert diese unhöflichen Blicke und ich spiele das Unschuldslamm. Sie sind alle um die 40. Nur einer wirkt jünger. Wir bestellen lächerlich teure Gerichte. Man erhält für den Preis dekorative Speisen, welche mit zwei Bissen verzehrt sind. Die Aromen der Speisen gruseln  mich und meine Geschmacksnerven. Dieser ganze Gaumengraus wird als experimentelle Küche deklariert. Wahrscheinlich als Rechtfertigung dieses Desasters.

Je später der Abend wird, desto ausgelassener sind die fremden Männer. Die Gespräche drehen sich fast ausschließlich um geschäftliche Belange. Umso mehr Alkohol getrunken wird, desto lüsterner werden auch ihre Blicke. Die letzten zwei Stunden habe ich damit verbracht, rauszubekommen, wer von den Männern das Sagen hat und die Gruppe leitet.

Mein Entschluss steht fest, der augenscheinlich Jüngste der Gruppe, ist der Leitwolf. Dann gehe ich jetzt zum Angriff über und bringe den Wolf dazu, das Lamm jagen zu wollen. Unter dem Tisch strecke ich mein Bein nach ihm aus. Ich streiche mit der Spitze meiner High Heels an seinem Bein bis zum Oberschenkel entlang. Sofort spannen sich seine Sehnen und Muskeln unter dem schwarzen Anzug an. Und er schaut mit wachsamen Augen zu mir. Ich schenke ihm ein zartes und keusches Lächeln. Als ich sicher bin, dass mir seine volle Aufmerksamkeit zuteil wird, erhebe ich mich: "Die Herren entschuldigen mich, ich gehe kurz an die Bar." Dabei schaue ich mein Opfer direkt an. Mein Vater wirkt überrascht, sagt jedoch nichts.

Um mein Vorhaben durchzuführen, verlasse ich den Restaurantbereich und begebe mich in die angrenzende,  luxuriöse Szenekneipe mit gedämpften, blauen Neonröhren. Die eine geheimnisvolle und dunkle Atmosphäre erzeugen. An der Bar angekommen, bestelle ich mir einen Cosmopolitan.  Wie geplant, spüre ich kurze Zeit später einen warmen Atem an meinem Nacken. Zwei männliche Arme schieben sich an beiden Seiten meines Körpers vorbei, um sich an der Theke abzustützen. "So allein hier?", haucht die Stimme in mein Ohr. Ich kann die Konturen des männlichen Körpers erahnen, welcher sich gerade an meinen Rücken schmiegt. Ich nehme mein Cocktailglas in die Hand und drehe mich langsam zu ihm um. Dabei strecke ich meinen Po etwas nach hinten, damit dieser während meiner Drehung an seinem Schwanz reibt. Er zieht kurz und hart die Luft ein. Ich schau ihm in die Augen und nippe an meinem Cosmo. Danach stelle ich mein Getränk zurück auf die Bar. Mit meiner Zunge entferne ich die Reste des Alkohols von meinen Lippen. Er starrt mir wie gebannt auf den Mund. Für einen kurzen Augenblick ist er wie in Trance. Als er wieder zu sich kommt, rückt er mit seinem Oberkörper etwas von mir weg. Behält seine Arme jedoch am Bartresen gestützt. Er sieht für sein Alter eigentlich gar nicht schlecht aus. Er hat kurze, schwarze Haare; braune, freundliche Augen; ein Lächeln, welches sicher schon einige Frauenherzen gebrochen hat und ein gepflegtes äußerliches Erscheinungsbild. Er strahlt Gelassenheit und Selbstbewusstsein aus.

Mit einem Lächeln antworte ich: "Entschuldigen sie bitte, Mr. Ramirez. Ich brauchte kurz eine Auszeit von den Gesprächen. Es ist doch ein wenig anstrengend." "Geht mir genauso. Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dir Gesellschaft leiste? Du kannst mich auch gerne Ignacio nennen." Ja klar, wie auch immer. "Na dann Ignacio, sag mir doch wie dir die Aussicht auf das Geschäft gefällt.", frage ich mit einem provokativen Augenaufschlag. "Das ist heute nicht die einzige Aussicht, die mir gefällt.", er grinst dreckig. Ich bin froh, dass ich seine Gedanken nicht kenne. Jugendfrei sind sie mit Sicherheit nicht.

Ich beuge mich ein wenig zu ihm vor und lege meine Hände auf seine Brust. "Ich finde die Aussicht auch sehr vielversprechend.", flüstere ich: "Aber wir sind wegen anderen Interessen hier. Dessen Abschluss  eine gewichtigere Priorität hat." Mein Gott, rede ich geschwollen. Aber man muss sich ja seiner Umwelt anpassen können. Meine Augen gleiten über seine Gestalt. Dabei gehen meine Hände ebenfalls auf Wanderschaft. Ich verteile federleichte Berührungen auf seinem Anzug und dem darunterliegenden Körper. Nur ein wenig Ablenkung, damit ich schneller an mein Ziel komme. Mit dem Zeigefinger meiner rechten Hand ziehe ich seine Muskeln nach und streiche dabei gezielt über seine Brustwarzen. Er beobachtet meine Handlungen, greift aber nicht aktiv darin ein. Er wirkt sehr konzentriert. Mal sehen wie lange er es aushält, bis er seine eiserne Beherrschung verliert.

"Weißt du Ignacio. Vielleicht sollten wir wieder zurück gehen.", sage ich gespielt schmollend und will ihm meine Hände entziehen. Er packt meine Handgelenke: "Was ist wenn ich das nicht will? Wenn ich noch mit dir allein sein möchte? Wir scheinen uns doch ganz gut zu verstehen. Meinst du nicht?" "Wir sind nicht zum Vergnügen hier. Es ist ein Geschäftstreffen. Die anderen warten zu lassen, finde ich unhöflich. Das ist alles.", ich mache eine bedeutungsschwere Pause. "Wenn der Vertrag doch schon abgeschlossen wäre.", ich rede wie zu mir selbst. Aber eigentlich ist es für Ignacio bestimmt. "Was wäre dann?", ein Funkeln bildet sich in seinen Augen. Meine Hände gleiten an seinem Körper weiter nach unten, Richtung Bauch. "Dann könnte ich mich erkenntlich zeigen." Ich stelle mich auf die Zehnspitzen, bis ich nah genug an seinem Gesicht bin. Ich strecke meine Zunge raus und fahre langsam über seine Oberlippe. Meine Hände wandern währenddessen über seine Lende, bis ich sein Geschlecht in meiner Hand spüre. Ich stelle mich zurück auf meine Füße und fahre bedächtig über sein halb erigiertes Glied. Braver Junge.

Blitzschnell greift seine Hand in die Haare meines Hinterkopfes und bildet dort eine Faust. Mit den darin befindlichen Haaren, zieht er meinen Kopf zurück und lächelt mich an. Seine Erektion drückt gegen meinen Unterbauch. Er beginnt sich, mit kleinen, kreisenden Bewegungen, an mir zu reiben. An meine geöffneten Lippen haucht er: "Du kleines Biest." Er schiebt seinen Mund an meinem Gesicht vorbei. Seine Lippen streichen dabei sacht über meine Wange und anschließend über meinen Hals. Mein Puls beginnt zu rasen. Es ist mir eine ungewohnt intime Situation. Ich habe das Gefühl, sie entgleitet meiner Kontrolle. Ein unangenehmer Schauer bildet sich auf meinem Rücken. Er atmet durch die Nase einmal tief ein. Als würde er meinen Geruch tief in sich aufnehmen wollen. Danach spricht er mit rauer Stimme zu mir: "Du weißt, dass ich dich dafür bestrafen muss." Bestrafen? Ich nehme seine Lippen am Übergang vom Hals zur Schulter wahr. Seine Zähne tasten sich zaghaft an mein Fleisch vor. Die Empfindung beginnt mit einem leichten Druck und wird zunehmend schmerzhafter. Bis ich ein Keuchen nicht mehr zurückhalten kann. Erst danach löst er seine Zähne von mir. Sein Griff an meinem Haar lockert sich und er schaut mir wieder ins Gesicht. Mit Sicherheit kann er meine Fassungslosigkeit sehen, welche sich in meinen Augen spiegelt. "Du solltest nicht mit Sachen spielen, für die du noch nicht bereit bist." Er streicht meine glatten, langen Haare über meine Schulter, wo sich sicher zwei Zahnreihen deutlich abzeichnen. Sein Grinsen wirkt belustigt: "Lass uns zurück gehen. Jetzt bin ich bereit für die Vertragsgunterzeichnung."

Ich folge ihm wie eine Marionette. Völlig gefangen von dem vorherigen Geschehen. Er hat mich gebissen. Den Fakt habe ich noch nicht wirklich verarbeiten können.

Am Tisch angekommen, verhält sich Robert völlig unauffällig. Als wäre nichts vorgefallen. Die restlichen Anwesenden scheinen nichts mitbekommen zu haben. Ich setzte mich auf meinen Stuhl und lasse die kommende halbe Stunde an mir vorbeiziehen.

Die Männer verabschieden sich voneinander. Mein Vater wirkt zufrieden. Auch ich habe mich wieder gefangen und meine neutrale Maske aufgelegt. Ich setzte einen höflichen Gesichtsausdruck auf und schüttle fleißig die Hände der Geschäftsmänner. Als Ignacio meine Finger umschließt, breitet sich eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper aus. Er zieht mich in eine Umarmung: "Danke für den anregenden Abend. Ich erwarte dich beim nächsten Meeting zu sehen.". Ich kann nur ein Nicken erwidern. Ohne mich nochmals umzudrehen, folge ich meinem Vater aus dem Restaurant.

5. Kapitel: Showdown

Wieder in meinem Elternhaus zurück, führt mich mein erster Weg in die Küche. Meine Mutter steht am Ofen und erwärmt sicherlich das vorgekochte Essen von Calida. "Hi Mom", begrüße ich sie. Sie dreht sich mit dem Gesicht zu mir und begrüßt mich ebenfalls: "Na Schätzchen, hattest du einen schönen Tag heute?" Dabei schenkt sie mir ein mütterliches Lächeln. Was ist denn heute mit der los? Manchmal bekomme ich sie tagelang nicht zu sehen und heute heuchelt sie mir ernsthafte Zuneigung vor. Da sie meine Antwort sowieso nicht wirklich interessiert, fällt diese vage aus: "Ja. Wo ist eigentlich Calida?"

"Der hab ich frei gegeben. Ich hab mir gedacht wir könnten zusammen zu Abend essen und dann noch einen Film schauen? Was meinste, nur du und ich?", sie schaut mich erwartungsvoll an. Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht. Da will ich einfach nur meine Ruhe und die Drogenpäckchen für Samstag packen und diese Frau erzählt mir was von Mutter- Tochter- Abend. Der letzte liegt mindestens fünf Jahre zurück.

Wenn man die Abende zählt, an denen ich sie entweder, aus ihrer Kotze befreien musste oder ich sie fast grün und blau geschlagen habe, um sie wach zu bekommen. Weil sie sich mit irgendwelchen Beruhigungsmitteln vollgedröhnt hatte. Dann wäre unsere letzte gemeinschaftliche Zusammenkunft letzte Woche.

"Mum, hast du deine Medikamente heute schon genommen?", frage ich vorsichtig nach. Meine Mutter ist etwas empfindlich gegenüber diesem Thema. Sie nimmt Tabletten gegen ihre disharmonische Gefühlswelt. So nennt sie es. Ich nenn es Depression mit manischen Phasen. Wenn es ihr besonders schlecht geht, versucht sie sich ganz zu betäuben. Dies schafft sie mit starken Schlaf- oder Beruhigungsmitteln. "Natürlich, Schätzchen.", sie weicht meinem Blick aus. Sie schaut unruhig im Raum umher. Sie sucht eindeutig einen Fluchtweg aus der Situation. Ich schlussfolgere daraus, dass sie heute noch keine Medikamente eingenommen hat. "Fang schon mal mit dem Essen an. Ich komm gleich. Ich suche noch einen Film für später raus.", damit nimmt sie Reißaus. Mich wundert es nicht, dass ich sie den restlichen Tag nicht mehr zu Gesicht bekomme. Immerhin ist es nicht das erste Mal, dass ich mich nicht auf ihre Aussagen verlassen kann.

Ich denke, dass ich sie einfach zu sehr an ihn erinnere und an ihre Schuld. Die Schuld an seinem Tod, denn sie ist gefahren, sie war unachtsam, sie trägt Schuld. Und sie weiß es. Seitdem macht sie unser Familienleben zu einer Tortur, weil sie es nicht vergessen kann und sich lieber in ihre kleine, heile Fantasiewelt rettet. Ich habe nicht nur den Verlust meines älteren Bruders zu verkraften, sondern auch den einer abwesenden Mutter. Weil sie meinen Anblick nur selten länger, als nötig, erträgt. Ich erwarte gar nichts von ihr, denn sie hat nichts mehr zu geben. Ich spüre wie die Traurigkeit in meine Zellen kriecht und verdränge meine Gedanken an meinen toten Bruder und alles, was mich mit ihm verbindet. Ich schütze mich und stürze in die Gefühllosigkeit.

 

Nach meiner Mahlzeit begebe ich mich auf den Dachboden. Mein Drogenversteck. Hier oben befinden sich ausschließlich Erbstücke, die völlig in Vergessenheit geraten sind. Eine dicke Staubschicht bestätigt, dass sich seit Jahren niemand mehr hierhin verirrt hat. Deshalb ist der Dachboden mein Lager. Ich krame eine große, antike Holzkiste mit Eisenschloss hervor. Und öffne diese. Darin befindet sich sechs Kilo Marihuana und ein Kilo Koks. Die Vorfinanzierung meiner Geschäftsidee, habe ich durch die Rücklagen meines übermäßigen Taschengeldes der letzten drei Jahre bezahlt. Die bleibenden zwei Tage bis zur Party, werde ich wohl mit dem Verpacken brauchen. Dazu habe ich mir kleine Tütchen mit Frischhalteverschluss besorgt. Außerdem eine Waage mit Milligrammanzeige, damit ich die Drogen genau abwiegen kann. Es ist wirklich ein nervenaufreibendes Gebastel, die Drogen zu wiegen und abzupacken, ohne etwas zu verschütten. Oder mit Staub und anderen Schmutz zu verunreinigen.  Ich komme nur mühsam voran. Und langsam ist auch meine Geduld am Ende. Immer mein Ziel vor Augen, kämpfe ich mich durch die beschwerliche Handarbeit.

 

So verbringe ich geschlagene zwei Tage mit meiner Verpackungsaktion. Meine Hände schmerzen und meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Ich bin erleichtert, ohne größere Störfaktoren, fertig geworden zu sein.

 Es ist Samstag und ich habe noch eine Stunde, bis ich bei Trish aufschlage. Mit ihr und Dracy werde ich den Ablauf des kommenden Abends besprechen. Also begebe ich mich ohne Umwege unter die Dusche. Grunderneuerung ist angesagt. Ich verteile Shampoo mit Zitrusduft in meine schwarzen Haare und massiere es ein. Meine Muskeln und Gesichtszüge entspannen sich. Das Duschen ist einer der wenigen Momente am Tag, an denen ich, ich selbst sein kann. Anschließend spüle ich es wieder raus. Und mit dem Shampoo auch die lästigen Gedanken und nutzlosen Gefühle. Alle Risse in meiner Mauer sind verschwunden. Die Maske des unnahbaren Mädchens sitzt wieder perfekt auf meinem Gesicht. Ich bin zufrieden mit mir und bin bereit für mein Partystyling.

Ich stehe vor meiner Kleidung und überlege, was ich am besten anziehe. Es darf nicht zu sexy sein. Immerhin bin ich nicht dran interessiert, einen Kerl aufzureißen. Oder die Feier als Laufsteck zu nutzen. Um allen zu zeigen, wie schön und toll ich bin. Das hab ich nicht nötig. Es darf aber auch nicht zu bieder sein. Das ist zu langweilig. Also entscheide ich mich für süß und niedlich.

Denn süß und niedlich ist vertrauenswürdig.

Süß und niedlich ist ungefährlich.

Süß und niedlich ist das Gegenteil von mir.

Perfekt.

Ich nehme ein weißes Kleid aus meinem Schrank und ziehe es an. Es bringt mein Dekolleté zur Geltung. Bis zur Taille ist es enganliegend und fällt dann luftig über meine Hüften. Es endet kurz über meinem Knie. Unterhalb meiner Brust befindet sich eine kleine Schleife. Diese und der Saum des Kleides bestehen aus weißer Spitze mit Blumenornamenten. Passend zum Kleid entscheide ich mich für flache Ballerinas. Aufgrund meiner Körpergröße von 1,74 cm, kann ich auf hohe Absätze an Schuhen verzichten.  Ausgezeichnet. Ich sehe eindeutig süß und niedlich aus. Ich probiere vorm Spiegel mein Engels- und Unschuldsblick aus. Ich kann mich nicht beklagen. Ich grinse mich selbst böse an und muss über mich lachen. Ich verhalte mich schon wie bei den Sims. Die ihr Charisma vorm Spiegel üben. Ok, die Zeit für meine ganz persönlichen Albernheiten, ist vorbei. Ich rufe mich zur Konzentration. Denn ich bin noch nicht fertig. Meine Haare. Ich hasse meine schwarzen, langen Locken. Gewellte Haare sind was für lebenslustige Frohnaturen. Da ich kein inneres Bedürfnis verspüre, wie eine kleine Prinzessin über Wiesen und Felder zu springen, glätte ich sie. Danach reichen sie mir fast bis zur Hüfte. Ich beschließe sie offen über die linke Schulter fallen zu lassen. Rechts, stecke ich meine Haare mit einer weißen Blütenklemme nach hinten fest. Da heute kein Regen vorhergesagt wurde, hege ich keine Befürchtungen eines Bad- Hair- Desasters. Denn bei Nässe, kämpfen sich meine Locken wieder an die Oberfläche. Zum Abschluss, tusche ich meine Wimpern schwarz. Mehr Make up brauche ich nicht. Ich bin ja kein Clown. Ein prüfender Blick in den Spiegel verrät mir, dass ich sowas von bereit bin. Ich packe noch schnell die Probemenge an Drogen in meine Minihandtasche und begebe mich auf den Weg zu Trishs Wohnhaus.

 

Ich stehe vor einer dunkelroten Doppeltür und betätige die Hausklingel. Während ich warte, bis Trish öffnet, schweift mein Blick über den Vorgarten. Überall sehe ich Beete mit verschiedensten Blumen, aller Farben und Formen. Es wirkt gemütlich und verbreitet eine wohlige Atmosphäre. Da will wohl die Single- Mummy die heile Familienwelt vorspielen. Naja jedem das seine. Spätestens wenn sie Trishs Ruf kennen würde, wüsste sie, dass ihre theatralischen Bemühungen völlig lächerlich sind.

 

Die Tür öffnet sich und eine Trish in Mintgrün stürmt auf mich zu. Sie zieht mich in eine überschwängliche Umarmung: "LIA! Du siehst krass süß aus. Den Kerlen werden die Augen rausfallen." Na, dass wollte ich gerade vermeiden. Mist. "Wie sehe ich aus... Sag schon. Wie findest du es. Hab es mir heute extra besorgt.", fragt sie mich völlig aufgelöst. Ja, wahrscheinlich nicht nur dir selbst. Ich bin gespannt, wie sich ihre momentane Hyperaktivität entwickelt, wenn sie erst das Kokain intus hat. "Sexy, wie immer.", ich mustere ihr Outfit. Ein Kleid. Der Pushup- BH drückt ihre Brüste vulgär in den Vordergrund. Der Ausschnitt auf dem Rücken endet kurz vorm Beginn ihres Hinterns. Die gesamte Haut ist mit goldenen Glitzerpuder bedeckt. Sodass sie leicht schimmert. Wegen der Freizügigkeit des Oberkörpers, ist der Rock nicht ganz so kurz und bedeckt ihre kompletten Oberschenkel. Sie hat ihre blonden Haare hoch gesteckt. Sicher mit der Absicht ihren Rücken auch ausgiebig zur Schau zu stellen. Mensch, da hat sich aber jemand Mühe gegeben ihrem Ruf auch gerecht zu werden. Sie sieht scharf aus.

"Komm schon rein. Dracy wartet oben auf uns. Wir haben sturmfreie Bude. Also hab ich schon mal den Alkoholvorrat von meiner Mum geplündert." Sie freut sich wie ein kleines Kind und hüpft die Treppen hoch. Ich folge ihr nicht ganz so begeistert: "Ich hab was Besseres als Alkohol." Trish öffnet ihre Zimmertür: "Was ist denn besser als Alkohol und Party? ... Ok warte, lass mich überlegen...  nackte, heiße Kerle mit nem Six-pack? Du hast Recht." In ihrem Gesicht kann ich lesen, dass ihre Gedanken gerade weit abschweifen. Wahrscheinlich zu irgendeinem Sportler. "Nein, ich meine keine Muskelpakete. Da werde ich wohl heute etwas Horizonterweiterung betreiben.", ich betrete das Zimmer. Dracy sitzt auf dem Bett und kommt auf mich zu, als sie mich erblickt. "Man Trish, kannst dus mal lassen nur von irgendwelchen Typen zu schwärmen. Du bist doch keine läufige Hündin oder irgend so ein Rammelhase.", sie lächelt und gibt mir ein Küsschen auf die Wange.

Dracys kurze, braune Haare stehen verwuschelt von ihrem Kopf ab. Sie hat diesen Schlafzimmer- Lock. Ihre langen und schlanken Beine stecken in einer dunkelblauen Röhrenjeans mit Rissen an den Oberschenkeln. Sodass viel Haut zu sehen ist. Ihr Arsch sieht aus, wie ein kleiner runder Apfel. Mit den High Heels wird dieser perfekt betont. Durch das weite, ärmellose Bandshirt, kann ich ihren, zum T- shirt passenden, roten BH sehen. Sehr verrucht. Da kann die Mission sexy Biester also starten.

 

Wir setzen uns auf das Kingsize- Himmelbett. Trish gibt mir ein Sektglas: "Auf den Abend, Spass, süße Kerle, und vor allem auf uns." Wir stoßen an und trinken alle Drei einen großen Schluck. "Meint ihr ich kann wirklich so gehen?", fragt Dracy unsicher. Ok, jetzt geht das gegenseitige Beweihräuchern los. Dann bring ich halt erst das hinter mich.

"Dracy, du bist wunderschön. Red dir doch nicht immer solche Selbstzweifel ein.", sage ich vorwurfsvoll. "Lia hat Recht.", mischt sich jetzt auch Trish ein. "Ihr seit die Besten. Ich hab euch lieb.", Dracy lächelt und umarmt uns. Trish zieht eine Schnute, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen: "Ich euch auch."

Ich atme einmal tief ein. Sammeln... Und jetzt bin ich dran. "Ich hab euch auch lieb.", sage ich mit viel Überwindung. Wir lösen uns von einander. Puh, geschafft. Das reicht aber jetzt auch für eine Weile. Diese wechselseitigen Zuneigungsbekundungen.

 

"Was meintest du vorhin eigentlich mit... Horizont?", kommt Dracy auf meine Aussage zurück. "Ich habe für den heutigen Anlass etwas für uns besorgt. Trommelwirbel, bitte!", ich krame in meiner Tasche und hole das Kokain raus. Triumphierend wedle ich mit der Tüte vor ihren Gesichtern. Sie starren mich ungläubig an. "Ist es das, was ich denke?", fragt mich Dracy. "Das wirst du gleich merken, wenn du es probiert hast.", ich öffne die Tüte. "Trish, hol mal einen Spiegel.", fordere ich sie auf. Es dauert einen Moment, bis sie sich aus ihrer Starre lösen kann. Sie reicht mir den verlangten Gegenstand und ich bereite darauf zwei Lines vor. "Ab durch die Nase damit.", ich reiche den Spiegel an Trish weiter und schaue sie abwartend an. Wenn Trish mitzieht, wird Dracy sich auch überwinden. "Ich weiß nicht Lia. Meinst du das ist eine gute Idee? Ich bin zwar für jeden Scheiß zu haben. Aber sowas, dass ist ne Nummer zu krass.", Trish starrt auf das Kokain und wirkt unschlüssig. "Ach, kommt schon. Seit keine Spielverderber. Es ist nur eine kleine Menge, wirklich. Ich hab zu Hause auch schon was genommen.", versuche ich es mit einer ermutigenden Lüge. Ein Ruck geht durch Trishs Körper, als würde sie Anlauf nehmen müssen, um es sich nicht nochmal anders zu überlegen. Sie beugt sich runter und zieht die Line in einem Rutsch durch ihre Nase. Sie muss nießen und reicht den Spiegel an Dracy weiter. Auch sie nimmt die Line in einem Zug. Beide atmen schwer und schauen völlig verdattert drein. Ich fange laut an zu lachen. "Hör gefälligst auf mit Lachen, Lia. Wo hast du das Zeug überhaupt her?", fragt mich Trish leicht angesäuert. "Denkst du, ich war zum Spaß im Dark Corner? Von Dima natürlich.", werbe ich für das zukünftige Geschäft. Die Info, wo sich die Kunden die Drogen beschaffen können, muss ja auch im Umlauf sein. Immerhin kann ich nicht zu jeder Party das Zeug ankarren.

Dracy erhebt sich vom Bett und beginnt in der Mitte des Raumes im Kreis zu tanzen. Dabei wiegt sie bedächtig ihre Hüften. Ok, die Wirkung setzt wohl schneller ein, als ich dachte. "Können wir los? Ich will tanzen. BITTE!", Dracy quengelt wie ein Kleinkind. Und bewegt ihre Arme dabei in Wellen. "Nein, können wir nicht. Wir treffen uns in einer halben Stunde mit Henna. Danach wird erst getanzt. Außerdem will ich noch was mit euch besprechen.", sage ich bestimmend. Und deute, für Dracy, auf das Bett. Damit sie sich wieder setzt. Trish zieht fragend eine Augenbraue hoch: "Henna. Was wolln wir denn mit der?" Ich winke mit einer Handbewegung ab: "Nur kurz auf die Party schleusen. Danach gehör ich wieder euch. Aber wir werden nicht nur Spass haben. Denn ich will nicht, dass Ally mit diesen Lord of Gaymaniac aka Simon zusammen kommt. Ich hab kein Bock auf diesen Dreamteam- Blödsinn und den "Ach, sind wir nicht so ein hübsches Paar?"- Scheiß. Das müssen wir unbedingt verhindern." Ich verdrehe meine Augen. "Aber Simon ist echt heiß. Den könnte ich Ally wegschnappen. Als Schwimmer hat der sicher richtig geile Arme.", Trish kommt schon wieder ins Schwärmen. Dracy und ich prusten lachend los. Trish schaut irritiert: "Was denn? Schwimmer haben doch stark ausgeprägte Schulter- und Armmuskulatur. Ich steh halt auf Sex im Stehen. Wenn der Kerl mich auf seine Arme hebt und dann..." . "Schon gut, schon gut, ich denke wir haben dich verstanden. Bitte keine detaillierte Ausführungen.", unterbreche ich sie lachend. "Nein, wenn du ihn abschleppst, ist das zu auffällig. Sie soll ja nicht wissen, dass wir unsere Finger im Spiel haben. Er soll eine ihrer Freundinnen nehmen. Das gibt schönen Zickenkrieg.", meine Mundwinkel heben sich an. Ich würde zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Beziehung zwischen Simon und Ally vereiteln. Und ihren Background aus hörigen Barbiesoldaten zerschlagen. Folglich würden ihr Einfluss und ihre Macht an der Schule sinken. Damit wäre sie abhängig von mir und ich könnte sie besser für meine Zwecke benutzen. Wenn mein Plan scheitern sollte, kann ich Trish immer noch in die Spur schicken und ihr einen Ritt auf Simon gönnen. Meine Mundwinkel schieben sich noch weiter nach oben.

"Mir egal. Hauptsache es gibt bisschen Aktion zu sehen. Meinetwegen können wir der kleinen Ally nen Arschtritt verpassen.", gibt Dracy teilnahmslos von sich. Ich glaube sie ist mit ihren Gedanken schon beim Tanzen. Ihr rechtes Bein zappelt unentwegt.

Da wir uns ja anscheinend alle einig sind. Bespreche ich meine Überlegungen mit den anderen, bevor wir zur Villa von Ally aufbrechen.

 

Mit dem Taxi erreichen wir pünktlich 20 Uhr die Location. Einige Autos stehen schon im Vorpark des Hauses. Gut, dass noch nicht so viele da sind. Denn ich bin immer eine der Ersten auf einer Feier. Damit ich sehe wer, wann und mit wem kommt. Wieviel Alkohol bei den Menschen meines Interesses schon gefloßen ist und wo sie sich aufhalten.

Ich schaue mich um. Henna steht etwas Abseits vom regen Treiben. Ich steuere auf sie zu: "Hi. Du bist pünktlich, das ist gut." Meine Begleitung mustert Henna argwöhnisch. Sie wirkt fehl am Platz, wie eine Störquelle, die hier einfach nicht hingehört. "Hi Mädels. Danke, dass ihr mich mit rein nehmt.", begrüßt sie uns. Trish und Dracy kichern hinter mir völlig albern. "Ja, ja schon gut. Damit wir uns nicht falsch verstehen, mach ich dir jetzt drei Ansagen.", will ich gerade mit Sprechen ansetzen. Da unterbricht mich Trish: "Lia, sei doch nicht immer so melodramatisch." Ich drehe mich zu ihr um: "Melodramatisch also...okay. Vielen Dank für deine geistreiche Mitteilung, Trish. Ich würde dann gerne fortfahren." Ich schüttle unauffällig mit meinem Kopf und wende mich wieder Henna zu. Melodramatisch. Wo hat sie denn das Wort her. Meine Güte, ob sie überhaupt weiß, was das bedeutet?

Ohne diesem Zwischenruf weiterer Beachtung zu schenken, spreche ich weiter: "Erstens: Egal, was gleich beim Reingehen passiert, du sagst kein Wort. Ich rede. Zweitens: Du kannst vergessen, dass du uns drinnen, wie eine Klette am Arsch hängen wirst. Drittens: Tu dir und allen anderen heute Abend einen Gefallen und fang nicht an mit flennen. Noch irgendwelche Fragen?" Henna schaut auf ihre Füße und schüttelt verneinend mit ihrem Kopf. Ich klopfe ihr auf die Schulter und ziehe sie mit mir, Richtung Eingangstür: "Kopf hoch, Brust raus und Bauch rein. Du bist nicht in der Schule, wo du dich hinter deinem Computer verstecken kannst. Zeige keine Angst, sonst werden die sich gleich, wie die Geier, auf dich stürzen. Du willst hier sein. Also los jetzt und fang endlich mal an deine Frau zu stehen. Und nicht, wie ein welkes Blümchen, vor dich hin zu trocknen.", appelliere ich an sie. Die sollte sich echt mal ein Paar Eier wachsen lassen.

 

Als wir vor der Villa ankommen, wird uns bereits dir Tür geöffnet. Ally spielt heute das Begrüßungskomitee. Als sie uns erblickt, bildet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht: "Schön, dass ihr gekommen seid. Es sind noch nicht alle da. Aber das wird schon. Ist ja noch früh. Kommt doch erstmal rein. Ich zeig euch auch gleich, wo die Getränke stehen." Sie legt ihre Arme um mich und drückt mich fest an sich. Bussi rechts, Bussi links. Man, sind die heute alle körperlich. Während ihrer Umarmung entdeckt sie Henna, die sich hinter mir versteckt hatte. "Warum schleppst du die Brillenschlange mit?" Ihr Lächeln wirkt jetzt nicht mehr so freundlich. Sie mustert Henna abschätzig. "Komm runter und zick jetzt nicht rum. Ich hab doch gesagt, dass ich noch jemanden mitbringe. Ich hab auch eine angemessene Entschädigung für dich. Da wirste gleich richtig locker. Ist Simon denn schon da?", zwinkere ich ihr zu. Ich strecke meine Hand aus und lege verdeckt ein Tütchen in ihre. Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange und flüstere: "Viel Spass damit. Pass aber mit dem Alkohol auf." Ohne ihre Reaktion abzuwarten, schiebe ich mich auf die Party. Die anderen folgen mir.

 

Zwei Stunden später ist die Feier mitten im Gange. Das Haus ist voll. Alle tanzen oder reden ausgelassen. Ein erheblicher Cocktail aus Alkohol und illegalen Drogen hat sich unter den Anwesenden gebildet. Ich glaube heut wirds noch richtig dreckig. Ich grinse in mich hinein und beobachte das chaotische Partygeschehen. Der Bass übertönt, die zerstörerischen Geräusche im Haus. Ally läuft völlig panisch umher und versucht die Inneneinrichtung, vor weiteren Verlusten, zu bewahren. Keine Zeit für den armen Simon. Dessen Geschlechtsteil gerade massiv von Trishs Arsch penetriert wird. Wenn sie eins kann, dann ist es laszives Tanzen und den Kerlen ordentlich einheizen. Dracy lenkt den Rest der Schwimmer ab. Bis jetzt läuft alles nach Plan.

 

Nach meiner Beobachtung, wende ich mich zu dem Mädchen neben mir: "Komm, wir holen uns noch was zu trinken." Es ist eine der Barbiesoldaten. Und sie hatte heute eindeutig noch nicht genug Alkohol, denn ihr Vernunftsdenken ist zu aktiv. "Wollen wir nicht lieber Ally helfen. Die sieht leicht überfordert aus?", Tina betrachtet ihre BFF. Nein, wollen wir nicht. Ich verdrehe innerlich meine Augen: "Ja klar, geht gleich los. Aber vorher gibts noch paar Kurze für uns." Ich ziehe sie an die Bar und mische uns zwei Gläser Vodka- Energie für später. Anschließend befülle ich vier Schnapsgläser mit gekühlten Absolut Vodka Vanille und drücke ihr zwei in die Hände: "So, en kleines Schnäppele." Ungläubig mustert sie, erst mich und dann die Gläser: "Lia, danach bin ich doch total besoffen." Ich springe gespielt freudig in die Höhe und gebe ein mädchenhaftes Kichern von mir: "Das ist doch der Sinn der Sache. Los jetzte." Auch Tina kann sich ein Lachen über meine spontane Einlage nicht verkneifen. Ich strecke meinen rechten Arm mit dem Hochprozentigen in die Luft und brülle aus voller Kehle: "PARTY!" Es folgt ein kollektives Gegröle der umstehenden Schüler. Anschließend kippe ich mir schnell den Klaren in den Rachen. Auch Tina folgt meinem Beispiel. Es brennt höllisch. Mein Gesicht zieht sich unwillkürlich zusammen. "Los, den anderen auch gleich noch.", fordere ich sie auf. Ich warte bis sie das Glas an ihre Lippen setzt und schütte den Trink schnell über meine Schulter nach hinten. Ich will es ja nicht übertreiben. Immerhin brauche ich meine Gedanken beisammen.

"Verdammt, hast du nen Vollschatten. Das kann doch nicht wahr sein, du dumme Zicke.", erhebt sich eine laute Stimme hinter mir. Oh, oh. Da hab ich wohl jemanden getroffen. Ich sehe Tinas geweiteten Blick. Sie schrunpft in sich zusammen und versucht im Boden zu versinken. Ok, da scheint sich ja was Großes anzubahnen. Mal sehn, wer sich da in meine Zielscheibe begeben hat und jetzt nach Vodka mit Vanillearoma riecht.  Ich drehe mich um 180 Grad und muss meinen Kopf leicht in den Nacken legen. Scheiße ist der riesig. Ein wütender, braunhaariger Hüne mit enorm aufgepumpten Muskeln steht vor mir. Mit einem nicht übersehbaren dunklen Fleck auf seinem grauen Shirt. Er erscheint älter, als der Rest des Publikums hier. Sicherlich irgendein Collegefreund von Ally, der hofft auf einer High- School- Party, eine kleine, naive Jungfrau abschleppen zu können, weil er an die gleichaltrigen Vollblutweiber nicht ran darf.

"Sie wünschen?", sage ich mit fester Stimme. Ich drücke meinen Rücken durch. Trotzdem kann ich ihm gegenüber nicht mit körperlicher Überlegenheit glänzen. Also werd ich ihn wohl mit Gerhirnmasse schlagen müssen. "Eine Entschuldigung für diese Sauerei.", lallt er. Sein Atem riecht stark nach Alkohol und seine massige Statur schwankt. Ekelhaft. "Nein!", sage ich bestimmend mit ernsten Gesichtsausdruck, welcher bei nächsten Satz in ein zuckersüßes Lächeln übergeht: "Aber ich hab hier was ganz Tolles, damit dein T- Shirt wieder in der Einheitsfarbe Steingrau erstrahlt. Ich kann dir sogar versprechen, dass klebt ordentlich. Die Weiber werden wie die Schmeißfliegen an dir haften bleiben. Also wenn du noch eine Dusche willst?" Ich halte ihm das Glas mit der Vodka- Energie- Mischung unter die Nase. Dieses fällt zu Boden, als er mich schmerzhaft an den Oberarmen packt. Sein Gesicht gleicht einer zornigen Voodoo- Fratze. Gruselig. Wenn der mir eine Knallen sollte, kann ich den Abend vergessen. Das würde mich ins Reich der Dunkelheit katapultieren. Ich komme zu der Erkenntnis, dass dies nicht die beste Idee des Tages war.  Da muss ich es halt anders versuchen.

Mittlerweile hat das Theater mehrere Menschen angezogen, die das Schauspiel der ungleichen Kräfte, wie gebannt, verfolgen. Ich habe noch eine Chance, bis der Große richtig explodiert. Also setzte ich alles auf eine Karte. Ich krame aus der Tiefe meiner Selbst das schönste Lächeln, welches ich besitze. Wenn ich jetzt nicht wie eine Sonne strahle, dann weiß ich auch nicht. "Kleinstes Mäusezähnchen?", frage ich den Hünen verblüfft und gebe, zum zweiten Mal an diesem Abend, einen mädchenhaft hohen Laut von mir. Jetzt nur keine falsche Scham. Ich springe den Typen vor mir an und hänge mich an seinen Hals: "Ich hab dich gar nicht erkannt. Oh Zähnchen, warte. Ich mach dich wieder sauber." Ich rutsche an im runter. Während er verlegen in die Menschentraube blickt, lecke ich ihm übers T- Shirt. Mit völliger Inbrunst widme ich mich seinem Alkoholfleck. Und hoffe, dass ich ihn nicht gleich noch anbreche. Denn mein Würgereiz kann ich nur mit Mühe unterdrücken. Es dauert nicht lange bis er mich von sich wegdrückt: "Ihr Weiber habt doch alle einen Schaden." Ungläubig und völlig verwirrt schaut er mich an. Er schüttelt seinen Kopf und verlässt mit zügigen Schritten die peinliche Situation.

Puh, gerade nochmal davon gekommen. Jetzt ging mir der Arsch doch bisschen auf Grundeis. Zur Beruhigung und zur Desinfektion meiner malträtierten Mundhöhle greife ich doch nochmal zum Vodka und nehme einen tiefen Zug aus der halbvollen Flasche. Mein Gott, das Zeug ist eigentlich grässlich. Neben mir, vernehme ich ein lautes Lachen: "Den hast du ja echt in die Flucht geschlagen. Sone Nummer hab ich auch noch nicht gesehen." Ich schaue Tina in ihr belustigtes Gesicht und fange jetzt auch an mit Lachen. Die Anspannung fällt von mir ab und es folgt ein hysterisches Gelächter.

 

"Komm lass uns tanzen gehen. Ich brauch jetzt bisschen Spass nach der Aktion", sage ich völlig außer Atem. Wir müssen uns durch die Massen an Schülern kämpfen. Überall rieche ich den süßlichen Duft von Marihuana. Manche liegen verstreut auf den Boden und sind völlig hinüber. Tja, man sollte sich halt nicht überschätzen. Einige Pärchen haben sich knutschend in die Ecken verzogen.

Ich stelle mich auf die Tanzfläche und beginne mich, rhythmisch zur Musik, zu bewegen. Der Bass ist laut und vibriert durch meinen ganzen Körper. Ich fühle mich lebendig. Auch Tina scheint es zu gefallen. Sie wirkt gelöst, wahrscheinlich auch begründet durch den Alkoholkonsum. Ich sehe wie Trish und Simon immer noch eng umschlungen tanzen. Sie zieht ihre Bahnen um ihn, wie eine Raubkatze, die sich an ihre Beute schleicht. Seine Wangen sind vor Erregung leicht gerötet. Perfekt.

Da bin ich jetzt an der Reihe, Tina etwas Farbe ins Gesicht zu zaubern. Ich verringere den Abstand zwischen uns und tanze sie von hinten an. Bis meine Vorderseite, ihren Rücken berührt. Meine Hände legen sich auf ihre Hüften und wandern zu ihren Brüsten hoch. Zart streiche ich ihr über das Dekolletté. Sie verspannt sich sofort. Sie wirkt irritiert, über meinen Annäherungsversuch, bis ich ihr ins Ohr flüstere: "Lass uns eine kleine Show machen, da stehn die Kerle drauf." Ihr Muskeln werden lockerer, was ich als Einverständnis deute, und drehe sie zu mir um. Ich stelle mein rechtes Bein zwischen ihre und lasse meine Hüften kreisen. Durch mein offensives Verhalten, wird sie mutiger. Sie streicht zurückhaltend über meinen Bauch, runter zu meinem Po. Unsere fließenden Bewegungen werden mit jeder Minute sinnlicher. Aus dem Augenwinkel erkenne ich, dass wir einige Bewunderer angelockt haben. Als würden wir gerade den menschlichen Balztanz aufführen, um die fortpflanzungsbereiten Männchen anzuwerben. Nach drei Liedern, bin ich der Meinung, dass ihr warm genug ist. Ich gebe Trish das Zeichen, auf welches sie schon einige Zeit wartet. Ein Kopfnicken meinerseits, signalisiert ihr, dass ihre Arbeit  beendet ist. Ohne Verabschiedung, lässt sie Simon auf der Tanzfläche stehen und entfernt sich von ihm. Nach einigen Sekunden Schockstarre, folgt er ihr. Na dann, viel Spass beim Suchen. Jetzt muss ich nur warten, bis Simon zu mir findet.

 

Keine fünf Minuten später, steht ein aufgewühlter Simon vor mir: "Weißt du wo Trish ist?" Ich verbiete mir ein Lachen und täusche stattdessen Unverständnis vor. Ich nehme Tina an die Hand und signalisiere Simon, dass wir uns von der lauten Musik entfernen, um uns besser unterhalten zu können. Draußen im Garten ist es ruhiger und die Dunkelheit ist ein guter Schutz für das Kommende. "Was ist denn los?", frage ich Simon. "Was los ist? Das kann ich dir sagen. Erst macht mich Trish total an. Und dann verschwindet diese Schlampe einfach, ohne irgendein Wort. Scheiße man, was soll das denn?", er schaut wütend zu mir. Seine Hände ballen sich zu Fäusten. Der hat echt ein Problem. Nur weil Trish mit ihm getanzt hat, bedeutet das doch nicht, dass er irgendeinen Anspruch auf sie oder ihren Körper hat. Was bildet der sich eigentlich ein!

Ich stelle mir unweigerlich vor, wie er Trish in ein schummriges Zimmer zerrt und über sie herfällt. Seine Lippen pressen sich auf ihre. Sie versucht sich zu wehren und ihn von sich zu drücken. Erreicht damit nur, dass er erregt aufstöhnt. Mit Gewalt schiebt er ihre Beine auseinander und nimmt den Platz dazwischen mit seiner Hüfte ein. Erneut ein männliches Stöhnen, während er seine Erektion an ihrer Mitte reibt. Seine Hände reißen an ihrem Kleid bis ihre Brüste freiliegen. Lautes Stöhnen. Sie windet sich unter seinem Körper. Ihre Beine schlagen unkontrolliert umher, treffen ihr Ziel jedoch nicht. Trish schreit. Trish weint. Und immer wieder sein lautes Stöhnen.

Die hervorgerufene Imagination beschleunigt meine Atmung. Simon widert mich an. Der Ekel ihm gegenüber, breitet sich von meinen Gedanken in meinen gesamten Körper aus. Meine Finger kribbeln. Eigentlich will ich nur weg. Damit die anderen meine zittrigen Hände nicht bemerken, verschränke ich diese hinter meinem Rücken. Ich versuche mein Grauen wegzuschieben. Immerhin ist meine Vorstellung völlig realitätsfern. Trish und sich gegen Simon wehren? Wohl eher nicht. Soviel Selbstachtung besitzt sie schon lange nicht mehr. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte sie sich ihm völlig hingegeben. Ich lenke meine Konzentration auf das Wesentliche und verbanne meine Gefühle.

"Keine Ahnung, wo Trish ist.", ich setzte ein bedauernden Gesichtsausdruck auf. "Aber weißt du Süßer, bei uns ist es doch auch nett. Du wirst sicher auf deine Kosten kommen. Versprochen.", ich zwinkere ihm zu. Simon wechselt sofort von wütend zu interessiert. Ich kann seine Lust sehen. Seine Augen mustern mich und Tina. Das unangenehme Gefühl flammt wieder auf. Ich ignoriere meine Alarmglocken und mache unbeirrt weiter.  "Ich hab eine Idee. Ein Spiel. Wir fangen an. Danach kommst du an die Reihe.", ich entgegne seinem Blick ebenso lüstern, wie er. In freudiger Erwartung nickt er. Ok, dann lasst die Spiele beginnen.

 

Ich wende mich an Tina. Die stille Beobachterin, tritt jetzt in Aktion. Mit naiver Zuversicht entgegnet sie meinem freundlichen und vertrauensseligen Blick. Ich trete nah vor sie und streiche ihr eine wasserstoffblonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich lege meine Hände auf ihre Wangen. Meine Augen werden vom Anblick ihres Mundes angezogen. Ihre schmalen Lippen sind leicht geöffnet. Sie wirken zierlich, wie ihr gesamter Körper. Klein und zerbrechlich. Ich bin gespannt, ob sie an den heutigen Ereignissen und dessen Folgen auseinander brechen wird. Oder ihre fragile Gestalt doch widerstandsfähiger ist, als ich sie einschätze.

Ich muss mich etwas runterbeugen, um Kurs auf ihren Mund nehmen zu können. Kurz nachdem ich ihren flachen Atem auf meinem Gesicht spüre, treffen sich unsere Lippen. Mit geschlossenen Augen, bewegt sie ihre Lippen zurückhaltend und passt sich meinem Rhythmus an. Nachdem sie meinen Kuss erwidert, schließe auch ich meine Lider. Ich greife langsam nach ihrer Hand und lege sie an meine Taille. Ich sauge an ihrer Unterlippe und lecke anschließend mit meiner Zunge darüber. Im Hintergrund vernehme ich ein: "Ach du heilige Scheiße. Das ist geil.", von Simon. Ich selbst kann nicht sagen, ob der Kuss sich gut anfühlt. Denn ich spüre weder eine erotisch Anziehung, noch eine besondere Aura, welche diesen Moment umgeben sollte. Das Einzige, was ich mit Sicherheit wahrnehme, ist der Geschmack und Geruch von Alkohol. Im Endeffekt löst es in mir Abscheu gegenüber Tina und dem Kuss aus. Da es aber für mich nichts weiter als ein Spiel ist, werde ich die Spielregeln einhalten. Zu mindestens solange, wie es erforderlich ist. Als Tina beginnt sich mit ihrer Zunge vorzutasten, unterbinde ich den Kuss und der innige Moment ist vorbei.

Ich lege meine linke Hand in ihren Nacken und löse meine Lippen von ihrem Mund. Ich schenke ihr einen freundlichen und zufriedenen Blick. Welchen sie schüchtern erwidert. Meine rechte Hand wandert zu Simon und legt sich auch an seinen Hinterkopf. Mit einem dreckigen Grinsen schaut er mich an. "Jetzt bist du dran, Großer.", ich führe meine Hände zusammen und mit ihnen auch die beiden Gesichter. Triebhaft legt er seine Lippen auf ihre und beginnt einen stürmischen Kuss. In den letzten Stunden, muss sich wohl einiges in ihm angestaut haben. Doch aufgrund der umfassenden Vorbereitung von Tina, scheint sie der Überfall nicht zu stören. Mich beschleicht die Befürchtung, dass er nichts von Tina übrig lassen wird, wenn er mit ihr fertig ist.

Ich stehe hinter Simon und streiche ihm beginnend von seinen Schultern den Rücken entlang. Meine Arme greifen rechts und links an seinem Körper vorbei und fassen Tina an ihre Hüfte. Während ich mich ganz dicht an seine Rückseite stelle, ziehe ich Tina näher an Simon heran. Nun lehnen zwei weibliche Körper an ihm. Ich kann die schmatzenden Geräusche ihres leidenschaftlichen Zungenkusses hören. Mit meiner Zunge, fahre ich über die Haut an Simons Nacken und necke ihn mit zarten Bissen in die Schulter. Damit entlocke ich ihm ein Aufstöhnen. Er drückt Tina noch näher an sich und umschlingt sie mit seinen Armen. Jetzt ist der richtige Augenblick, um mich mit leisen Schritten zu entfernen. Rückwärts schleiche ich zur Tür zurück und behalte die beiden im Auge. Ich bin sicher, dass sie noch weiter gehen, wie ich sie zurücklassen werde. Die Szene wird von dem dämmrig beleuchteten Garten verdeckt. Sodass die Beiden auf den ersten Blick nicht erkennbar sind.

 

An der Tür angekommen, bricht, der bisher ignorierte Fluchtinstinkt, erbarmungslos über mich ein. Ich stürme ins Haus. Die Aktion von eben hat mir wohl mehr zugesetzt, wie ich angenommen habe. Ich lehne mich gegen eine Wand und atme den abgestandenen Dunst von Menschen, welcher sich in den Räumen angestaut hat, ein. In meinem Mund sammelt sich der Speichel, welchen ich vergeblich versuche runterzuschlucken. Ich kann ein Würgen nicht mehr unterdrücken. Ich schmecke immer noch den salzigen Geschmack von Simons Haut auf meiner Zunge. Ich rieche sein penetrantes Parfüm, dessen Geruch durch den Schweiß noch intensiver ist. Der Speichel läuft an meiner Zunge runter, in Richtung Rachen und zwingt mich zum Husten. Ich spüre den alkoholangereicherten Atem von Tina auf meinem Gesicht. Mein Magen hebt sich. Meine Speiseröhre brennt, als diese eine kleine Mischung aus Schnaps und Magensäure in meinem Mund befördert. Scheiße. Nicht kotzen, nicht kotzen. Ich schließe meine Augen und dränge die Ansammlung wieder zurück. Bevor ich mich von der Wand abstoßen kann und mich auf die Suche nach Ally begebe, nehme ich mehrere flache Atemzüge. Ich muss mich beruhigen. Wenn ich das versaue, war die ganze Schererei heute umsonst.

 

Ich stürze weiter, darauf bedacht meine Gedanken wieder zu ordnen und nicht mein Ziel aus den Augen zu verlieren. Mittlerweile hat sich das überfüllte Menschengetummel etwas aufgelöst. Ich finde Ally in der Küche. Sie kniet auf den Boden, währenddessen sie irgendwelche Scherben aufsammelt. "Hier bist du ja. Warte, ich helfe dir. Dann gehts schneller.", ich hocke mich zu ihr. Und sammle die Glassplitter in meiner Hand. Ally seufzt: "So chaotisch wars schon lange nicht mehr. Ich konnte die Party gar nicht richtig genießen." Sie macht einen niedergeschlagenen Eindruck. "Dafür wirst du aber am Montag in aller Munde sein. Alle werden von deiner Party schwärmen. Und was du für eine tolle Gastgeberin warst.", versuche ich sie etwas aufzumuntern. Ein kleines Lächeln ziert ihre Mundwinkel: "Danke Lia. Auch das du mir hilfst." "Klar doch. Mach ich doch gerne. Aber haben dir denn deine Mädels nicht geholfen?", frage ich scheinheilig. "Nein, die hab ich schon eine Weile nicht mehr gesehen. Hab mich auch schon gefragt, wo die stecken.", Ally wirkt etwas wütend. Verständlich, wenn man so im Stich gelassen wird. Dann werde ich die Bombe jetzt mal platzen lassen: "Ach stimmt ja. Tina und Simon sind vorhin im Garten verschwunden." Ally unterbricht ihre Arbeit und schaut mich bestürzt an: "Was? Warum denn das?" "Keine Ahnung. Das hab ich mich aber auch gefragt. Wollte mich nur nicht einmischen. Ich hab gedacht, dass ist unter euch abgesprochen.", gebe ich unbekümmert von mir. Ihre Gesichtszüge entgleiten und verändern sich zu einer erzürnten Grimassierung. Ally steht auf und rennt zur Hintertür. Welche in den Garten führt.

 

Auch ich erhebe mich. Lasse die aufgelesenen Scherben, aus meiner Hand, auf den Boden fallen. In aller Ruhe schreite ich zum Fenster, welches mir eine hervorragende Aussicht auf das Spektakel ermöglichen wird. Ich öffne es und mein Blick sucht die Triebgesteuerten, die unter einer Eiche stehen und Schiffe versenken spielen. Ich gehe davon aus, dass der Tiefseetaucher bereits in den Untiefen der Lustgrotte vorgestoßen ist und seine Bomber abfeuert.

Simon drückt Tina gegen den dicken Stamm des Baumes. Ihr rechtes Bein liegt auf seinem Unterarm und wird von diesem, in der richtigen Höhe, fixiert. Damit er freie Bahn auf ihre Intimzone hat. Tinas kurzer Rock ist bis zu ihrem Brustansatz hochgerutscht. Auch zum Ausziehen von Simons Hose hatten die Beiden wohl keine Zeit, denn sie sitzt immer noch auf seinen Hüften und ist nur soweit nach unten gezogen, dass sein Glied freiliegt. Mit schnellen und harten Stößen, dringt er in sie ein.

Ich muss meine Augen zwingen, sich nicht von dem Vorgang abzuwenden. Der Geschmack von Simons Haut kehrt auf meiner Zunge zurück. Mein Speichel fließt in Strömen und mein Magen fleht nach Erleichterung. Wie kann man sich freiwillig diesem selbstverliebten Monster hingeben, der auf rein egoistische Weise sein Verlangen stillen will? Sie widern mich an, sie alle!

Nachdem ich mir einen Überblick der Szene verschafft habe und den ersten Ekel überwinden konnte, höre ich ein angsteinflößendes Gekreische: "Tina? TINA!". Ally sprintet auf das menschliche Knäuel zu und zerrt Tina von Simon weg. "Du Miststück. Was soll das? Ich hab gedacht du bist meine Freundin. Und jetzt machst du mit Simon auf meiner Party rum." Eine mörderische Ohrfeige trifft ihre Wange. Tina stürzt zu Boden und beginnt sofort herzzereißend an, zu schluchzen. Ally schimpft weiter auf sie ein "Du beschissene Schlampe. Verschwinde. Wir sind die längste Zeit Freunde gewesen." Ally geht nochmal auf Tina los und schlägt unkontrolliert auf ihre Nicht- Freundin ein. Jetzt schreit auch Tina schmerzerfüllt auf und versucht sich vor ihrer Angreiferin zu schützen. Ich lege mir eine Hand auf meinen Mund, um mein Lachen abzudämpfen. Es fehlt nur noch der Schlamm und die Szene wäre pornoreif. Der wieder ordnungsgemäß bekleidete Simon ist völlig überfordert und versucht die zwei Schlammcatcherinnen zu trennen.

Es ist doch erstaunlich, wieviel Aggressionspotential in einem verletzten und hintergangenen Mädchen steckt. Wie schnell Vertrauen in Enttäuschung und Hass umschlagen kann. Man kann sich auf niemanden verlassen, außer auf sich selbst. Das habe ich bereits gelernt. Ich vertraue und glaube an mich selbst. Es ist nur schade, dass Ally jetzt erst die Erfahrung macht. Ich hoffe, dass sich dieser Reinfall in ihrem Kopf einprägen wird und sie nicht den selben Fehler wiederholt.

 

Ich habe genug gesehen und beschließe Trish und Dracy zu suchen. Ich will hier abhauen, bevor Ally noch auf die glorreiche Idee kommt, dass ich mich zum Trösten ganz gut eigne.

Ich finde Dracy auf der Couch im Wohnzimmer. Sie scheint ein Gespräch mit irgendeinem Typen zu führen. Beim näheren Hinsehen, erkenne ich Olli. Einer der Schwimmer. Seine Körpersprache zeigt mir, dass er eindeutig Interesse an Dracy hat. Sie merkt davon jedoch wieder einmal nichts. Seine Augen sind die ganze Zeit auf sie gerichtet, als würde die Umgebung für ihn überhaupt nicht existieren. Ab und zu berührt er ihren Arm oder ihre Schulter, um ihre Nähe zu spüren. Niedlich. Aber mein Freund, da kämpfst du auf verlorenem Posten. Dracys Familienleben hat sie so verunsichert und ihr Selbstbewusstsein zerstört, dass sie gar nicht mit so viel fremder Zuneigung und männlichem Interesse umgehen kann. Ich beschließe die Beiden, von ihrer zeitverschwendenden Aktion zu befreien und mische mich in ihre Zweisamkeit: "Wir sind fertig und können gehen. Wo ist denn Trish?" Dracy löst sich aus dem Gespräch: "Die ist vor ner halben Stunde mit Ty weg." "Und wohin?", frage ich etwas genervt. Ich will einfach nur nach Hause und die Eindrücke der heutigen Nacht wegschlafen. "Sicher oben in irgendeinem Zimmer. Du weißt schon.", jetzt lächelt sie verschmitzt. Ja, ich kann mir vorstellen, was sich dort gerade abspielt. Aber das nützt jetzt nix. "Alles klar. Ich geh sie holen. Sei du doch so lieb und such unsere Sachen zusammen und warte am Ausgang."

Damit drehe ich mich um und mache mich auf den Weg in den ersten Stock. Trish aus den Klauen eines Schwimmers zu befreien. Das hat mir heute noch gefehlt. Eine Menge feucht- fröhlicher, unbekleideter Körperteile von kopulierenden  Menschen. Kann es einen besseren Anblick geben?

 

Oben angekommen, kann ich vier Türen ausmachen. Ich gehe jede Einzelne durch und lausche, in der Hoffnung einen verräterischen Laut zu hören. Die Tür mit der Nummer Drei verspricht Erfolg. Ohne anzuklopfen, öffne ich sie direkt und bleibe im Türrahmen stehen. Jackpot. Sie haben ihr Ziel erreicht. DummDumm.

Trish hockt auf allen Vieren im Bett, mit dem Gesicht zu Ty gerichtet, der ohne Hose davor steht. Sein Kopf ist nach hinten gestreckt und liegt im Nacken. Sein Mund ist geöffnet und verströmt tierartige Geräusche. Die Hände befinden sich an Trishs Hinterkopf. Ty hat sein Geschlecht bis zum Anschlag in ihrem Mund versenkt. Er bewegt seine Hüfte rhythmisch vor und zurück. Darauf bedacht ihren Kopf auch nah genug an sich zu ziehen, damit sie auch alles schön in den Mund nimmt. Trish versucht, zwischen den Stößen, Luft zu holen. Es sieht anstrengend aus, denn sie schnauft laut und ihre Nasenflügel beben. Schön. Direkt sehr Schön.

Ach Trish, was machst du nur mit dir? Wie oft habe ich sie schon in dieser oder einer anderen Pose gesehen? Wie oft musste ich sie schon vor diesen ekelhaften Menschen befreien, weil sie selbst ihre Erniedrigung und Demütigung nicht bemerkt? Ich beobachte das Schauspiel mit aufsteigender Übelkeit. Ich selbst fühle die Beschmutzung, wenn ich sehe, wie Trish alles mit sich machen lässt. Und diese Perversen, sie schamlos ausnutzen. Sie, ihre Naivität und das Verlangen nach Zuneigung und Bestätigung. Wie oft habe ich Trish auf dem Boden kauern sehen, zitternd, weinend und gebrochen? Weil wieder irgend ein Kerl mit Füßen nach ihr tritt und sie körperlich und seelisch ausbeutet, bis sie nichts mehr zu geben hat und sie anschließend weggeworfen wird wie ein benutztes Taschentuch? Ich fühle mich dreckig und benutzt. Ich verstehe nicht, warum Trish es nicht wahrnimmt. Ich werde mich niemals so ausbeuten lassen. Allein mein Stolz lässt es nicht zu.

Sie sind so vertieft in ihr Vorspiel, dass sie meine Anwesenheit noch nicht bemerkt haben. Ich will die Beiden echt nur ungern stören, aber irgendwie schmerzt mein Sehnerv: "Trish, nimm den Schwanz aus dem Mund. Wir sind fertig und wollen gehen!" Erschrocken trennen sie sich und schauen mich fassungslos an. Ty verdeckt seinen Penis mit den Händen: "Verdammt Lia, verpiss dich." Nur zu gerne. "Du machst jetzt mal deinen Kopf zu und packst die Miniwurst wieder ein. Mit dir redet nämlich gerade keiner!", jetzt bin ich sauer. Als ob ich mir von dem sagen lasse, wo ich mich aufzuhalten habe. Trish schaut auch nicht gerade begeistert. Ihre Augen wirken glasig, völlig umnebelt vom Alkohol. Sie entfernt die Spuckereste von ihren angeschwollenen Lippen.  Mensch, keiner scheint sich über meine Gegenwart zu freuen. "Lia, du störst! Ihr könnt doch auch ohne mich los.", sagt sie mit Nachdruck. Ein Zeichen, dass ich die Biege machen soll. "Du kommst jetzte. Ficken kannst du morgen auch noch.", meine Augen verengen sich zu schlitzen. Die bekannte Wut strömt durch meinen Körper und scheint mich völlig auszufüllen. Sie fließt durch mich und meine Gedanken. Als würde ich in ihr baden. Das ist gar nicht gut. Ich bin müde, erschöpft, genervt, demoralisiert und will einfach nur Schlafen.

Trish bewegt sich viel zu langsam aus dem Bett. Dafür schnappt sich Ty seine Hose, umso schneller. Er streift diese über und kommt, mit geöffneten Hosenstall, auf mich zu. Ein selbstgefälliges Grinsen auf seinen Lippen. Ich stöhne auf und fixiere ihn mit einem kalten Blick. Von dem er sich nicht einschüchtern lässt und näher kommt. An der Tür angekommen, lehnt er sich dagegen und versucht diese, mit einer schnellen Handbewegung, zu schließen. Gerade rechtzeitig, stelle ich meinen Fuß dazwischen, damit die Tür offen bleibt. Mit voller Wucht, schlage ich sie zurück. Er entgegnet meiner nonverbalen Antwort nicht früh genug. Die Tür schlägt hart an seinen Kopf. Voll auf die Zwölf. "Na, da hat die Schlampe dich wohl kalt erwischt, Schätzchen.", sage ich unbeeindruckt.  Sein überhebliches Grinsen ist verschwunden und die anfängliche Verblüffung über meine Reaktionsfähigkeit, ist Ärger gewichen. Ty starrt mich an: "Erst versaust du mir die Tour. Und jetzt bekomm ich wegen dir morgen Kopfschmerzen." Er macht einen weiteren Schritt auf mich zu und dringt damit in meinen persönlichen Distanzbereich ein. Er steht eindeutig zu nah. Ich fühle mich bedroht. Da werde ich jetzt meine Krallen ausfahren müssen: "Ich warne dich. Wenn du und dein Mirkobenstachel nicht sofort abhaust, wirds gleich ein Massaker geben." Ich stelle meine Beine parallel zueinander und verlagere mein Gewicht nach vorn. Bereit ihn jeden Moment anzuspringen und die Attacke aus Beißen, Kratzen und an den Haaren ziehen, auszuführen.

"Lia, beruhig dich. Ich bin gleich unten.", ertönt es hinter Ty. Trish sitzt schwankend auf dem Bett und versucht sich im aufrechten Sitzen. Klasse, die ist ja wirklich weit gekommen. "Du trollst dich jetzt. In fünf Minuten sehe ich dich unten. Und wehe dir, ich muss dich holen kommen.", sage ich autoritär. Danach wende ich mich zum Abschied an Ty: "Hat mich gefreut dich zu stören, Arschloch." Damit trete ich den Rückzug an und begebe mich zum Ausgang. Wo Dracy und Olli warten.

 

"Na, wie wars. Haste Trish gefunden.", fragt mich Dracy lachend, als ich bei ihnen ankomme. "Ja war ganz toll. Überhaupt nicht verstörend. Sie ist gleich da.", ich atme schwer aus. "Das passt ja. Olli würde uns zu Trish nach Hause fahren.", sie klimpert ihn mit den Augen an. So ein Gentleman. Macht er doch sicherlich ohne jegliche Hintergedanken. "Gut, ich will hier einfach nur schnell weg, bevor die Hölle über uns einbricht. Ally war nicht sehr begeistert von dem Partyverlauf. Allerdings bezweifle ich, dass ich heute, wie geplant, bei Trish pennen kann. Die wirkte gerade bisschen säuerlich.", ich zucke mit den Schultern. Mir egal, dann nehm ich halt ein Taxi. "Was war denn eigentlich los. Ich hab nur Allys Geschrei gehört. Irgendjemand meinte es gab wohl eine Schlägerei.", hängt sich jetzt auch Olli ins Gespräch. Ich muss unweigerlich Lachen. Ich rufe die Bilder des Abends in mein Gedächtnis. Ja, Schlägerei? Wenn er es so nennen möchte. Dann war es halt eine.

Ich komme nicht zu einer Antwort, denn ich entdecke Trish. Sie schlürft langsam auf uns zu und murrt vor sich hin. Oh, oh. Da hab ich noch ein wenig Schadensbegrenzung zu erledigen.

 

Bei Trish angekommen, verabschieden wir uns von Olli, der sehnsüchtig hinter Dracy herschaut. Nachdem er weggefahren ist, stehe ich unschlüssig vor dem Haus. Mal sehn, was jetzt passiert. Trish schließt die Tür auf: "Kommt rein." Plural! Gut, bin ich schon mal schlauer. Nach einem kurzen Abstecher im Bad, schmeißen wir uns erschöpft aufs Bett und kuscheln uns in die Decken. Es ist so schön weich. Ich schaue auf den Wecker: "Oh Gott. Es ist erst ein Uhr und ich bin total fertig." Kurze und heftige Veranstaltung. Ziehe ich mein Fazit. Trish grummelt:  "Da hätte ich noch die ganze Nacht, Hoppe- Hoppe- Reiter spielen können." Ich verdrehe die Augen: "Man Trish, Ty ist doch ein Vollarsch. Der hat dir den Mund gestopft, als wärst du ein Mastschwein. Das ist doch bescheuert. Zumindestens sah es nicht aus, als würde es Spass machen." Sie gibt ein verächtliches Schnaupen ab: "Kann dir doch egal sein. Du bist nur neidisch, dass dir keiner an die Wäsche will." Ja, das wird es sein. "Das ist Quatsch, Trish. Ich will nur nicht, dass du dich unter Wert verkaufst. Wenn du ehrlich bist, weißt du das auch.", versuche ich es versöhnlich. Sie antwortet mir nicht darauf. Nach kurzem Schweigen, höre ich ein leises Weinen in der Dunkelheit. Ich taste nach ihrem Arm, der neben mir liegt. Bevor ich diesen umfassen kann, zieht Trish ihn weg. Ok, dann halt nicht. Somit drehe ich mich auf die Seite mit dem Rücken zu ihr. Kurz vorm Einschlafen spüre ich einen Arm an meiner Taille und die Körperwärme von Trish. Sie drückt sich an mich. Ihre noch nasse Wange liegt an meinem Rücken. Ich nehme ihre Hand und ziehe sie noch ein Stück an mich ran. Anscheint braucht sie doch etwas Zärtlichkeit, welche ihr Ty vorenthalten hat. Da ich einfach schlafen möchte, gewähre ich ihr diese. Aber nur für eine Nacht. Gemeinsam triften wir in einen Schlaf.

 

6. Kapitel: selbsterfüllende Prophezeiung oder hoher Flug und tiefer Fall

Die nächsten Wochen wollte das Grinsen nicht von meinem Gesicht weichen. So ein überhebliches und selbstsicheres Dauergrinsen. Innerlich feierte ich mich und meine Genialität, als Lobpreisung für den durchdachten Plan und dessen Umsetzung. Ich war auf meiner eigenen, geistigen 24- Stunden- Party. Das Gefühl des Höhenflugs wollte einfach nicht verschwinden und ich liebte es.

 

Trotz meines Erfolges, nistete sich in mir eine Empfindung ein, die mit Fortschreiten der Zeit an Intensität gewann. Ich kann es nicht beschreiben. Es ist wie eine böse Vorahnung, die in meinem Kopf umherschwirrt. Wie eine kleine, nervige Fliege, die einfach nicht verschwindet und die Ruhe stört.

Ich versuche mich mit Arbeit und Intrigen abzulenken. Aber es drängt sich immer wieder in meine Gedankenwelt und verursacht ein flaues Gefühl in meiner Magengegend. Welches mir meinen Schlaf raubt und ich zu allem Überfluss nachts wach liege. Aber das ist nicht der einzige Grund für meine Schlaflosigkeit.

 

Ich schließe die Haustür auf und trete ein. Sofort umgibt mich eine spannungsgeladene und unheilverkündende Atmosphäre. Calida kommt schnellen Schrittes auf mich zu und fängt mich an der Tür ab: "Komm. Ich bring dich in dein Zimmer." Okay? Das ist etwas seltsam. Eigentlich finde ich mein Zimmer auch gut allein. Immerhin wohne ich fast 18 Jahre darin.  "Was ist hier los?", frage ich misstrauisch. Da höre ich schon das Brüllen und den Grund für Calidas Sorge: "Das ist nicht dein Ernst? Sag, dass das nicht wahr ist. Ich habe meine besten Jahre an dich verschwendet und du betrügst mich. Wie lange schon?" "Ich weiß doch auch nicht. Es tut mir leid...", sagt meine Vater in einem ruhigen Ton. Meine Mutter lässt ihn nicht weiter sprechen und unterbricht ihn: "Es tut dir leid? Es tut dir leid? Was denkst du wo ich jetzt hin soll? Weißt du was? Ich hasse dich!" Mit jedem Satz wird sie lauter und ihre Stimme schriller. Ich wusste gar nicht, dass sie so ein lautes Sprachorgan besitzt. Es schmerzt schon fast in meinen Ohren. Ich höre ein dumpfen Schlag und ein darauffolgendes Klirren. Meine Mutter stürmt aus dem Wohnzimmer, mit geröteten Gesicht und feuchten Wangen. Sie bemerkt meine Anwesenheit nicht, denn sie ist zu sehr mit ihrem eigenen Leid beschäftigt. Sie läuft an mir und Calida vorbei, zur Treppe, in den ersten Stock. Es folgt ein Türenschlagen und anschließende Stille. Eine gespenstische Stille. Ich stehe zur Salzsäure erstarrt an der Eingangstür. Hätte ich nicht einfach 10 Minuten später nach Hause kommen können?

 

"Alles in Ordnung bei dir, Lia?", dabei streichelt Calida über meinen Rücken. "Ja, aber bei meinen Eltern anscheinend nicht.", sage ich wie in Trance und starre vor mich hin. In meinem Inneren forschend, suche ich nach irgendeiner Gefühlsregung. Aber dort ist nichts. Nichts, keine Trauer, keine Angst, keine Wut. Nur ein dunkles Vakuum. "Ich bin für dich da. Das weißt du doch, oder?". Sie versucht mich zu umarmen. Ich hebe meine rechte Hand und wehre ihre Handlung ab.

 

Mit steifen Gliedern gehe ich zu meinem Vater. Der mitten im Raum steht und nachdenklich ins Leere schaut. Ich räuspere mich, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Er sucht nach der Quelle des Geräuschs und sieht mich betrübt an. "Seit wann bist du schon zu Hause?" Ich verschränke meine Arme vor der Brust: "Ich denke lang genug." Er fährt sich mit einer Hand durch die grau- melierten Haare. Unschlüssig schaut er mir in die Augen und kommt langsam auf mich zu: "Es tut mir leid. Mach dir keine Sorgen, Engelchen. Es kommt alles wieder in Ordnung. Ich werde mich darum kümmern, dass es euch gut geht." Bevor er mich erreicht, strecke ich meine flache Hand nach vorn: "Stopp! Was soll das heißen?" Sich um uns kümmern. Mich und meine Mutter? Warum verwendet er, sie und mich in einem Satz? Und das auch noch in der Wir- Form. Als wären wir eine Einheit und würden zusammen gehören. Das ist doch absurd.

Er bleibt zwei Handlängen vor mir stehen. "Ich werde für deine Mutter und dich eine Wohnung kaufen. Oder ein Haus, wie ihr wollt. In welcher Stadt auch immer. Versteh doch, Engelchen. Es wird sich für dich nichts ändern. Versprochen. Auch wenn wir uns nicht jeden Tag sehen, werde ich immer für dich da sein." Will der mich verarschen? Ich nehme alles zurück. Ich bin im Stande, Gefühle zu haben. Sehr starke sogar. Ich neige zwar nicht unbedingt zu explosiven Ausbrüchen. Aber heute mache ich eine Ausnahme.

"Ich merk schon, dass hast du dir ja alles gut zurechtgelegt. Und du bleibst hier?", ich versuche mich in einem offenen Lächeln. Er wirkt erleichtert. Er hat echt nicht gecheckt, dass mein Gesichtsausdruck nur aufgesetzt ist. "Ja, ich werde weiterhin hier wohnen. Versteh mich, der Hauptsitz meiner Firma ist hier. Außerdem, bin ich oft nicht da. Du brauchst eine Bezugsperson, an die du dich immer wenden kannst." Ist er nicht herzallerliebst? Außenstehende könnten direkt annehmen, dass mein Vater in wahrhaftiger Sorge um seine einzige Tochter ist.

 

Ok, jetzt ist mein kritischer Grad der Übersäuerung erreicht. Drei, Zwo, Eins, GO! "Ja klar Daddy, ich versteh dich. Und jetzt hör genau zu, damit auch du mich verstehst. Wenn du denkst, dass meine psychisch- kranke, medikamentensüchtige Erzeugerin der richtige Umgang für mich ist, kannst du das vergessen. Du bist doch echt das Letzte. Ich hoffe du verreckst an deiner eigenen Heuchelei. Du willst mich doch nur an sie Abschieben, damit ich dir deinen Dreck abnehme. Auch wenn du die Befürchtung hast, dass sie sich umbringt, nach deiner Trennungsnummer hier, bin ich nicht die Babysitterin, die auf deine verbrauchte und weggeworfene Ehefrau aufpasst. Das ist nicht mein Problem. Nur weil sie mich vor 17 Jahren geworfen hat, bedeutet es nicht im Geringsten, dass ich irgendeine Verantwortung für euer Handeln übernehme.", ich kann meine Stimme nur schwer im Zaum halten. Jeder Muskel in meinem Körper ist angespannt. Nach meinem verbalen Faustschlag, taumelt mein Vater ein paar Schritte zurück. Er schaut mich baff an: "Was sagst du denn da? Ich verbiete dir diesen Ton. Überleg dir mit wem du hier sprichst. Ich verlange Respekt von dir. Du bist doch sonst nicht so bösartig?" Dieser Pisser. Ich fange doch gerade erst an. Zischend spreche ich weiter: "Tja, endlich merkst du mal selbst, wie schlecht du mich kennst. Ich bin gerne böse und gemein. Ich bin egoistisch. Andere kümmern mich einen Feuchten. Aber vor allem bin ich nicht NETT. Du willst meinen Respekt, alter Mann? Leck mich doch, den musst du dir erst verdienen. Den bekommt man nicht, wenn man seinen verfickten Schwanz in jede Fotze steckt. Und mir dann einreden will, dass alles wieder Gut wird. Ich bin keine..." KLATSCH!

Weiter komme ich nicht, denn die Hand meines Vaters, landet mit Schwung in meinem Gesicht. Mein Kopf fliegt zu Seite, als mich seine Ohrfeige trifft. Ich lecke über meine Lippe und schmecke Blut. Nachdem ich mich wieder aufgerichtet habe, schaue ich ihn an. Sein Gesicht und Hals ist mit roten Flecken bedeckt, sein Mund bildet einen schmalen Strich. Die Hände sind so stark zu Fäusten geballt, dass seine Fingerknöchel weiß hervortreten. Seine Arme hängen verkrampft am Körper runter. Ich verachte diesen Menschen. "Tzz...Du erträgst wohl die Wahrheit nicht, Daddy? Weißt du, was ich mich frage? Wie hast du es angestellt, Mhh? Wie dumm musstest du dich anstellen, damit deine vollgedröhnte Ehefrau, von deinen Affären, Wind bekommt? Oder war es dir einfach völlig egal. Ich meine, ich weiß schon seit Jahren, dass du deinen Schwanz gerne aus der Hose holst. Aber, mein Gott, der Junkie weiß wahrscheinlich nicht mal welcher Wochentag heute ist, ob sie heute schon gegessen hat oder wann sie das letzte Mal duschen war."

Seine Stimme erhebt sich: "Ich will nichts mehr von dir hören. Es ist beschlossene Sache. Du ziehst mit deiner Mutter aus." Kack mir doch die Wand an. Wie kann man so ignorant sein? Mit Sicherheit werde ich das nicht. Eher hack ich mir beide Beine ab oder mach ne Aggressionsbewältigungstherapie. Welche ich wohl merklich, nicht benötigen würde.

Ich reiße meinen Mund zu einem gespielten Lacher auf: "Kannste abschreiben. Aus der Sache wird nix. Ich werde nicht, allein mit dem Junkie, auf engstem Raum leben! Das Einzige, wozu ich bereit wäre, ist ein Internat. Weit weg von euch." Ein Internat? Puh, war das erst Beste was mir eingefallen ist! Vielleicht das kleinste Übel meiner, zur Auswahl stehenden, Optionen. Ich kann und werde nicht mit meinem Vater und seiner neuen Reitstute, geschweige denn mit meiner Mutter leben. Das ist unmöglich. Das wird niemals passieren.

Ich schaue ihn herausfordernd an. Damit er versteht, dass seine reizende Tochter, nicht von ihrem Standpunkt abweicht. Koste es, was es wolle. Er hat die Sache vermasselt und ich werde dafür nicht den Kopf hinhalten.

"Das hast du mit deinem Verhalten von eben verspielt. Ich werde dich nicht dafür belohnen, dass du dich hier, wie eine Wilde, aufführst." Damit scheint das Thema, für ihn, beendet. Denn er dreht sich von mir weg und will den Raum verlassen. Na warte, nicht mit mir, Freundchen. "Bist du dir da sicher? Ich bin nämlich noch nicht fertig. Ich verrate dir jetzt noch etwas über mich. Was hälst du davon, wenn ich dir sage, dass dein Engelchen, in deinem tollen Haus, eine beträchtliche Menge an illegalen Drogen gebunkert hat?" Er gibt ein abwertendes Schnaupen ab: "Was willst du damit bezwecken? Jetzt werde nicht lächerlich." Er setzt seinen Weg weiter fort, ohne mich eines Blickes zu würdigen. "Ich will auf das beschissene Internat! Ansonsten, wird die Polizei sich wohl über den Vorrat in DEINEM Haus wundern. Dann kannst du für deine Firma gleich Insolvenz anmelden und dir für den Knast deinen Arsch rasieren!", jetzt schreie ich. Ich schreie zum ersten Mal in meinen Leben meinen Vater an. Nach meinem Wutausbruch, habe ich wieder seine volle Aufmerksamkeit. Es entsteht ein unheimliches Schweigen. Wobei ich eine Stecknadel fallen, hören könnte. Schneller als ich reagieren kann, kommt mein Vater auf mich zugerast. Ich höre einen wutentbrannten Aufschrei. Mit den Händen vor seinen Körper gestreckt, rammt er mich. Ich falle gegen die Wand, mein Kopf schlägt hart an den Beton und ich stürze zu Boden. "Das wagst du nicht." Ein stechender Schmerz zieht durch meinen Schädel und ich muss meine Augen zusammenkneifen. Als ich meine Lider öffne, sehe ich kleine schwarze Punkte. Ich betaste meinen Hinterkopf. Kein Blut. Meine Atmung geht schwer.  Scheiße, damit hatte ich nicht gerechnet. Mein Vater ist kein gewalttätiger Mensch. Er hat noch nie gegen mich oder meine Mutter die Hand erhoben. Er scheint wirklich verzweifelt und wütend zu sein. Immer noch keuchend, antworte ich: "Wenn du dir da sicher bist, dann können wir es auch drauf ankommen lassen." Er schaut auf mich herab: "Wenn du das machst, bist du nicht mehr länger meine Tochter." Ich stütze mich an der Wand ab und rappel mich, ohne seine Hilfe, auf. Noch ist mein Stand leicht schwankend. "Damit kann ich leben."

"Wenn es das ist, was du willst, dann sollst du es bekommen.Ab dem heutigen Tag, gehen wir getrennte Wege.", sind die letzten Worte, bevor er endgültig das Wohnzimmer verlässt.

 

Ich bleibe allein zurück.

 

Calida betritt leise den Raum. Ganz toll. Da hatte unser Streitgespräch also einen Zuhörer. Sie umarmt mich. Während ich einfach nur ruhig stehen bleibe und es über mich ergehen lasse. "Ich bin hier, wenn du eine Schulter zum Anlehnen brauchst, Lia. Ich werde immer hier sein.", flüstert sie mit sanfter Stimme. Ich brauche keine Schulter, um mich auszuheulen. Ich brauche kein Mitleid.

Ohne auf ihr Angebot einzugehen, löse ich ihre Hände von meinem Körper und gehe in die Küche. Ich nehme aus dem cremefarbenen Holzblock ein Messer, mit glänzender Klinge. Die Größte, die ich finden kann.

 

Mechanisch, betrete ich das erste Gästezimmer, welches ich finden kann, und riegel die Tür hinter mir ab. Ich schließe meine Augen und nehme mehrere kräftige Atemzüge, bevor ich mit einem grellen Schrei auf das Bett zu renne. Die Klinge trifft auf die Daunendecke und stoppt erst, als sie bis zum Schaft in der Matratze steckt. Immer wieder steche ich brüllend und fluchend auf das Bett ein. Bis ich erschöpft aufkeuche. Mich umgibt ein Meer aus kleinen, weißen Federn. Die Sonne  lässt sie engelsgleich erstrahlen.

Ich wende mich von dem unschuldigen Anblick ab, alles um mich herum, beginnt zu verschwimmen. Die Gestalten meiner Eltern stehen plötzlich vor mir und grinsen mich hämisch an. Sie verspotten mich und meine Hilflosigkeit, meine Naivität, zu glauben sie würden mich Lieben und nicht an ihre eigenen Vorteile und Bedürfnisse denken. Dies schürt meine immense Wut ins Unermessliche. Derer ich jetzt freien Lauf lassen werde. Ich packe meinen Vater und schleudere seinen Körper, mit meiner gesamten Kraft, gegen die Wand. Das harte Material zerberstet, und es bleiben kleine Splitter zurück.  Meine Mutter zerre ich vom Fenster runter und reiße sie in Fetzen, bis ihre Einzelteile langsam zu Boden gleiten. Immer wieder trete und schlage ich auf meine Eltern ein, bis das gesamte Zimmer, in Trümmern vor mir liegt. Ich falle auf die Knie. Meine Handflächen sind gerötet und übersät mit kleinen Schürfwunden. Mein aufgewühltes Inneres hat sich beruhigt und ich spüre wieder diese allesverzehrende Leere in mir.

 

7. Kapitel: Aufbruch - "im Heute von Neuem beginnen" (Buddha Shakyamuni)

Heute ist der 2. Mai. Der Tag an dem ich alles hinter mir lasse. Meinen Vater, der sich nicht dafür interessiert, wohin seine Tochter gehen wird. Meine Mutter, die seit 5 Tage verschwunden ist, ohne ein Wort des Abschieds. Sie ist wahrscheinlich seitdem im Zustand des Dauerrausches. Meine Freunde, die eigentlich keine sind. Im Endeffekt, das Leben, wie ich es bisher kannte.

 

Zwischen mir und meinem Neuanfung stehen nur noch ein 12 Stunden Flug und ein Jetlag, auf den ich mich schon unheimlich freue. Bevor ich mein Ziel in der Schweiz erreiche.

 

Nach maximalem Reisestress, stehe ich vor einer Auffahrt, an dessen Ende ein großer Gebäudekomplex auf mich wartet. Meine Sicht wird durch ein Gatter am Eingang des Grundstücks und die dahinterliegenden Bäume versperrt. Eine winzige Kamera beobachtet meine Ankunft. Ich kann nur hoffen, dass das hier kein Jugendknast mit 24 Stunden Überwachung ist. Ich betätige die Klingel, die ich an der Ziegelmauer entdecke. "Herzlich Willkommen an der King- Joffrey- International- School. Was kann ich für sie tun?", meldet sich eine freundliche Frauenstimme. "Hi, mein Name ist Salia Black. Ich gehe ab heute auf diese Schule." "Natürlich. Melden sie sich bitte im Sekretariat im ersten Obergeschoss.", damit ist die Kommunikation beendet und die Gitter öffnen sich quietschend.

 

Das Internat ist ein großer Campuskomplex mit mehreren Gebäuden, Außensportbereich und einer Gartenanlage. Na wenigstens keine heruntergekommene Bruchbude. Die Gebäude sehen etwas älter aus, mit Stuckfassade und kleinen Türmchen. Sie wirken märchenhaft und zeitlos.

 

Nach 10 Minuten, finde ich endlich das Sekretariat und werde sofort zum Zimmer der Direktorin durchgeschleust. "Sie sind also Salia Black." Sie reicht mir ihre Hand. Mit einem Lächeln schüttel ich sie. Ich will mich von meiner allerbesten Seite zeigen. Immerhin zählt doch der erste Eindruck. "Ich bin Rektorin Tenner.", stellt sich die Frau, mit grauem Haar und Brille, vor. Als sie mit ihrem Beruf anfing, hat sie wahrscheinlich noch mit dem Rohrstock unterrichtet. Denn sie wirkt äußerst streng. "Freut mich, sie kennenzulernen.", erwidere ich ihre Begrüßung. Nach einem kurzen Einführungsgespräch, übergibt sie mir meinen Zimmerschlüssel, Stundenplan und einen Plan für die Außerschulischen Aktivitäten, die eigentlich keine sind. "An unserer Schule ist es üblich, dass sie zwei außerschulische Pflichtkurse belegen, die in die Notengebung mit einfließen. Den sportlichen Kurs dürfen sie selbst wählen. Die verschieden Arbeitsgruppen sind fächerbezogen und sollen zur Vertiefung des Unterrichts genutzt werden." Sie blättert in meiner Schulakte. "Ich sehe schon. Ihre Noten sind durchgängig gut bis sehr gut. Das ist wunderbar. Wenn sie in allen Fächern gleich stark sind, dann kommen doch auch die naturwissenschaftlichen AGs für sie in Frage?" Ich versuche meinen Mund zum Protest zu öffnen. Doch sie spricht sofort weiter. " Wir haben leider nur wenige Kandidaten für diesen Bereich, der fällt den meisten Schülern einfach schwerer. Ich werde sie gleich für die Technik- und Forschungsgruppe eintragen. Dort sind noch genügend Plätze frei. Sie haben doch nichts gegen Mathe, Physik oder Chemie?" Sie freut sich echt wie so ein kleiner Flummi und ich könnt kotzen. Das fängt ja schon super an. Prinzipiell hab ich nichts gegen Naturwissenschaften, aber gegen extra Unterricht schon. Was bitte sollen "Außerschuliche Pflichtkurse" sein, dass Wort gibts doch gar nicht. Es widerspricht sich doch, in sich selbst. Die Konstellation Freizeit- Pflicht- Schule ist doch totaler Schwachsinn. Ob ich ihr das sagen sollte?  Besser nicht. Ich lass die Alte mal lieber quatschen. Ich will ja nicht zum Anfang schon unangenehm auffallen.

"Natürlich nicht Mrs.Tenner. Ich würde liebend gern der Technik- und Forschungsgruppe beitreten.", sage ich zuckersüß. Sie klatsch in die Hände: "Wunderbar, Wunderbar. Dann wünsche ich ihnen einen erfolgreichen Start in unserer Einrichtung. Und bevor ich es vergesse, die Treffen ihrer AG sind immer Montags 17 Uhr." Also morgen schon.

 

Nach meinem Abschied von der reizenden Rektorin, begebe ich mich auf die Suche nach meinem Zimmer. Immerhin muss ich noch über ein Jahr dort wohnen. Im dritten Stock werde ich fündig und bleibe vor Nummer 22 stehen. In dem gesamten Mädchentrakt, sind die Türen mit bunten Postern, Zeichnungen oder Fotos dekoriert. Der Eingang meines zukünftigen Wohnraumes, ziert eine riesige, pinke Krepppapierblume. Ich will ja keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber das sagt doch schon alles. Ich klopfe an und öffne die Tür. "Was zur Hölle?" Ich stehe in einem riesigen Zimmer in Magenta. Magenta, eine üble Himbeer- Pink- Lila- Mischung. Ein einfaches Weiß oder Schwarz hätte es doch auch getan.

Vorsichtig, trete ich weiter in den geräumigen Raum hinein. Das Zimmer ist in zwei Hälften geteilt, welche die selben Einrichtungsgegenstände beherbergen. Nichts Außergewöhnliches, aber zum Leben und Lernen völlig ausreichend. Ein Mädchen mit blonden Haaren und einer Bob- Frisur, kommt aus einer zweiten Tür. Wahrscheinlich das Badezimmer.  "Hi, du musst Salia sein. Ich bin Tara. Ich hoffe wir werden uns gut verstehen. Aber du wirst schnell merken, dass ich ein ganz umgänglicher Typ bin!" Sie hat ein strahlendes Lächeln aufgesetzt. Es wirkt echt.  "Einfach nur Lia, bitte. Ich denke wir werden uns schon arangieren.", gebe ich gleichgültig wieder. "Ich freu mich ja so, endlich wieder eine Mitbewohnerin zu haben." Ich habe heute keinen Nerv mehr, für irgendein belangloses Gespräch. Deshalb versuche ich sie irgendwie abzuwimmeln, dass sie mich in Ruhe lässt: "Tara, sei mir nicht böse, aber ich bin unglaublich müde. Ich pack noch schnell meine Sachen aus und dann krieche ich ins Bett. Lass uns doch einfach morgen alles besprechen."  Das Bild meines Bruders bekommt den altbewährten Platz auf meinem Nachttisch. Sie wirkt etwas enttäuscht. Sagt dazu aber nichts. "Klar, kein Problem."

 

Der Wecker klingelt pünktlich um sechs Uhr und läutet den Beginn meines ersten Schultages ein. Wenn ich ehrlich bin, steigt meine Aufregung jede Minute, mit dem Heranschreiten des Unterrichtsbeginns. Tara bombardiert mich mit ihrem Geschwafel, dem ich nur mit halben Ohr folge: "Los jetzt, wir müssen uns beeilen, wenn wir noch was frühstücken wollen. Sonst kommen wir zu spät zu deiner ersten Stunde. Ich finds übrigens super, dass wir in einer Klassenstufe sind." Pff, ich bin mir nicht sicher, ob ich mich daran gewöhnen werde, dass ich eine Mitbewohnerin habe, mit der ich den ganzen Tag zusammen bin. Ohne Rückzugsmöglichkeiten, ohne Ruhe. Das Allein sein, fehlt mir jetzt schon. Einfach das Machen, wozu man Lust hat, ohne Rücksicht auf andere. Es wird eine enorme Umstellung für mich werden. Zu der ich eigentlich nicht bereit bin. "Da kann ich dir gleich meine Freunde vorstellen. Oh, ich bin ja so aufgeregt.", schwätzt sie vor sich hin.

 

Nachdem ich geduscht und angezogen bin, gehen wir in den Speisesaal. Tara führt mich an einen Tisch: "Hi Leute, das ist Lia. Sie ist gestern in mein Zimmer eingezogen. Lia, das sind meine Freunde", während ihrer Vorstellungsrunde, zeigt sie auf jede einzelne Person und stellt sie namentlich vor. Ihre Namen vergesse ich sofort, nachdem sie ausgesprochen werden. Zu sehr bin ich von dem Anblick, welcher sich mir bietet, verstört. Was zu Teufel soll das hier sein. Frankensteins- Family- Affaire? Meine Damen und Herren, ich bitte, um einen Applaus für:

Das "Goth- Girl", ein zierliches Mädchen, mit düsterem Kleidungsstil und pinken Haaren.

"Die Wasserleiche", ein Mädchen mit krankhaft- hellem Teint und sonnengelb- blondierten Haaren.

Der schmächtig wirkende Winzling, mit fettigen Haaren und Schweißflecken unter den Achseln, taufe ich auf "Mr. Ultra- Schwitz". 

Und zur Krönung dieser Skurrilität, strahlt mich ein großer Junge an. Bei ihm, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Sein Oberkörper ziert ein enganliegendes Muskelshirt, welches seine schlaksigen Arme betont. Die Hose ist eng, enger, am engsten, sodass sein Hintern völlig plattgedrückt wird. Eigentlich bin ich für  "Hackfresse", aber das ist mir zu niveaulos. Also entscheide ich mich für "Tracitrans- Transformers". Alle könnten sie die Rolle der Witzfiguren in einem Superheldenfilm spielen. Das sollen meine neuen Freunde sein? Besser nicht. Das ist eindeutig nicht die Art von Menschen, mit denen ich mich zeigen oder im Entferntesten, was zu tun, haben möchte.

Ich kann mir gerade so ein kleines Lächeln zur Begrüßung abringen, bevor ich mich an den Tisch setzte.

Nach dem ersten Schock, lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen und ignoriere die irrelevanten Gespräche am Tisch. Vom Aufbau ist der Speisesaal, wie jeder andere auch. Aber die Verteilung der Schüler an den Tischen ist anders, als ich es bisher kenne. Ich kann keinerlei typische Gruppenzusammenschlüsse ausmachen. Die Ansammlungen von Schülern sind bunt gemischt. Das ist eigenartig, denn die meisten Leute in meinem Alter, definieren sich durch ihre Umgebung.

 

Der Unterricht ist, wie der Tag schon begonnen hat, auch nicht viel besser. Die Augen des gesamten Kurses begutachten mich. Manche interessiert, Manche teilnahmslos oder argwöhnig. Ich stehe im Mittelpunkt und befürchte der heutigen Gesprächsstoff der Schule zu sein. Kann sich nicht jeder um sich selbst kümmern? Ich denke, da hätten die Meisten genug zu tun!

 

Nach den langen Schulstunden, stürme ich mit Tara zu unserem Zimmer. Jetzt muss ich mich auch noch beeilen, um pünktlich zu meinem "außerschulischen Pflichtkurs" zu kommen. Während unseren Weges, kreuzt ein blonder, schelmisch grinsender Sunnyboy unseren Weg. Ich kann eindeutig behaupten, dass ich ihn schon jetzt nicht leiden kann. Und meine erste Intuition wird auch nicht enttäuscht. Mit langen Schritten kommt er auf uns zu: "Na, wen haben wir denn da? Wer klebt dir denn an der Backe, Tara?" Sein stechender Blick fixiert mich. Ich fühle mich unwohl und versuche Tara an ihm vorbei zu ziehen. Die blöde Kuh antwortet ihm auch noch: "Das ist Lia. Meine neue Mitbewohnerin." Ja klar, bind es ihm noch auf die Nase. Die ich ihm am Liebsten einschlagen würde, als sich seine Miene aufhellt: "Was du hast neues Frischfleisch auf deinem Zimmer und sagst mir nicht Bescheid? Du weißt doch, dass ich sie erst antesten muss, bevor ich sie auf die restlichen Kerle loslasse." Er leckt sich über die Lippen, sein Blick gleitet über meinen Körper und verharrt an meinen Brüsten. Ich behalte meinen neutralen Gesichtsausdruck. Von dem werde ich mich nicht aus der Reserve locken lassen. Soll er sich doch an mir die Zähne ausbeißen. Im Gegensatz zu mir, kann Tara ihre Wut nicht verstecken: "Darius, du bist so ein Arschloch!" Er ignoriert sie und versprüht seine Charmewolke in meine Richtung: "Na Süße, haste Bock? Für nen kleinen Fick hab ich immer Zeit." Er drückt seine Brust nach vorne, sicherlich damit ich das Muskelspiel besser bewundern kann. Die sich durch das enge, schwarze Shirt abzeichnen. Ob die plumpe Masche schon mal Erfolg hatte? So richtig vorstellen kann ich es mir nicht. Aber als ich ein kleines Seufzen neben mir höre, kann ich nur genervt Aufstöhnen. Ich erhebe meinen rechten Zeigefinger und piekse ihn gegen seine durchtrainierte Brust, während ich mit gefährlich leiser Stimme spreche: " Ich weiß ja nicht, was du oder irgendwelche anderen Weiber an dir geil finden. Aber ich kann dir versichern, dass ich dein verbrauchtes und welkes Fleisch nicht mal mit einer Kneifzange anfassen würde. Wer weiß, was ich mir bei deinem herpesvergammelnden Gehänge holen kann. Also geh mir nicht auf den Sack und verpiss dich! Sonst bekommst du gleich ne volle Ladung meiner Kotze ab! Denn lange ertrage ich deinen Anblick nicht mehr." Ich mache gespielte Würggeräusche und ziehe Tara mit mir. Die mich einfach nur entsetzt anschaut und ihren Mund nicht mehr schließen kann, denn ihr läuft gleich die Spucke raus. Flo beachtet meine Aussage nicht, sonder betrachtet mich selbstbewusst an und überhört meine Beleidigung: "Dich krieg ich schon noch. Und dann wirste meinen Namen schreien, dass hat bis jetzt Jede."  Er lacht rau auf. Gleich darauf, spüre ich einen kleinen Klaps auf meinem Arsch. Ich versuche Ruhe zu bewahren und laufe unbeirrt weiter. Worte haben also keine Wirkung, somit muss ich demnächst Taten sprechen lasse. Für diesen Wichser, werd ich mir, was nettes Einfallen, lassen.

 

In der Magenta- Hölle angekommen, pfeffer ich meine Tasche aufs Bett. Meine Wut macht sich bemerkbar. "Lia, den hast du ja aufs Übelste angezickt. Ich hab gedacht du bist ne ganz Ruhige, aber deine Krallen sind auch nicht zu verachten." Tara hält sich die Hand vor den Mund und lässt ein Kichern hören. "Tja, TinkerBell, du kennst mich auch erst seit gestern." Taras lachen verstummt. Sie schaut mich aus großen, grünen Augen an: "TinkerBell?" "Was denn, du erinnerst mich halt an die kleine, niedliche  Fee von Peter Pan.", sage ich mit einem Schulterzucken. Sie wirkt wirklich wehrlos. Mit einem freundlichen und liebevollen Blick, kommt sie auf mich zu und breitet ihre Arme aus: "Ich bin so froh, dass du da bist!" Tara drückt mich an ihre Brust, mit einem kurzen Klopfer auf den Rücken, erwidere ich ihre Geste. "Ich muss jetzt aber auch los. Meine AG  ruft mich!" Damit löse ich mich von ihr.

 

 

 

8. Kapitel: Blickfick für Fortgeschrittene

Mit einer fünf minütigen Verspätung, innerhalb des üblichen Kulanzbereiches, erreiche ich mein Ziel. Ich betrete den Raum der Arbeitsgruppe. Vor mir stehen Tische für chemische und physikalische Experimente, technische Apparate, ein Wirrwarr aus metallischen Kleinkram oder kompliziert wirkende Konstrukte und Gerüste via Eigenkreation. Die zehn Schüler sind in Kleingruppen aufgeteilt. Jede arbeitet an einem eigenen Projekt. Alle sind hochkonzentriert und vertieft in ihre spannenden Aufgaben. Da ich keine Lust auf Experimente habe, steure ich den Tisch im hinteren Teil des Raumes an, auf welchem sich eine Maschine befindet. An der, drei Schüler basteln und schrauben.

 

"Ich mach bei euch mit.", ich bleibe vor dem Tisch stehen und ernte misstrauische Blicke, die mich nicht beeindrucken können: "Was klotzt ihr?" Ich ziehe meine Augenbrauen hoch und schenke ihnen ein spöttisches Grinsen. Jetzt werd ich die Streber mal ein Bisschen aufmischen. Keine Minute später muss ich jedoch feststellen, dass mein Selbstbewusstsein gleich einen ordentlichen Dämpfer bekommt. Der dunkelhaarige Typ, in der Mitte der Drei, legt seinen Schraubendreher weg und schaut mich ernst an. Sofort verstummen die Gespräche im Raum. "Und so wie du bist, kannst du dich umdrehen und gehen. Wenn es deine Gehirnwindungen erlauben, darfst du dich den Schwerkraftexperimenten widmen. Aber hier kann dich niemand gebrauchen." Oh, ich darf? Was für eine Ehre. Die Kerle scheinen hier alle ein Problem mit ihrer Penislänge zu haben, so wie die sich aufspielen. In seiner Stimme schwingt eine ruhige Aggression mit, die ich von mir selbst kenne. Ich bin zwar erstaunt, über seine klare Abneigung und Abwehrhaltung gegenüber mir, aber ich lasse mir nichts anmerken.

 

Meine Augen verengen sich. Mich umgibt eine Kälte und mein anfängliches Grinsen verschwindet unter einem neutralen und gelangweilten Gesichtsausdruck: "Und wer bitte seid Ihr, Herr Hochwohlgeborener, dass Ihr das zu entscheiden habt? Du siehst nicht so aus, als hättest du hier irgendeine tragende Rolle. Außer vielleicht einen Preis für den verklemmtesten Nerd des Monats, der noch an der Titte seiner Mutti nuckelt. Also spiel dich nicht so auf. Und glaube ja nicht, dein dramareifes Rumgezicke könnte mich beeindrucken." Ich beuge mich ein Stück nach unten, um seinem Gesicht näher zu kommen: "Das ist immer noch mein Job." Mit einem Augenzwinkern, strecke ich meinen Rücken wieder in eine aufrechte Position. Ich werde ihm meine aufkommende Unsicherheit nicht zeigen. Was er kann, kann ich schon lange. Wenn er sich mit mir anlegen möchte, wird er schon merken, wie ausdauernd ich sein kann.

Ich vernehme ein Raunen und ein empörtes Luft holen, der neugierigen Gruppenteilnehmer. Was unweigerlich mein Unwohlsein noch verstärkt. Aber ich versuche die Reaktionen der Anderen so gut, wie möglich, auszublenden und konzentriere mich auf den Wichtigtuer. Er erhebt sich von seinem Thron. Jetzt muss er nicht länger den Kopf heben, um mir ins Gesicht sehen zu können, sondern ich. Denn er überragt mich mindestens zwei Köpfe. Ich schätze seine Körpergröße auf mindestens 1. 90 Meter. Seine Körperhaltung wird feindselig, indem er seine Arme vor der Brust verschränkt. "Da du nicht weißt, mit wem du es hier zutun hast, gehe ich davon aus, dass du neu bist. Wenn du deinen Bitcharsch jetzt wegbewegst, werde ich über dein Vergehen nochmal hinwegsehen können!" Aus jeder einzelnen Pore, strahlt er Arroganz aus.

Wir liefern uns ein blitzkriegartiges, frostiges Duell mit unseren Augen. Jeder versucht den Anderen in den Boden zu starren, keiner möchte einen Rückzieher machen oder Schwäche zeigen. Seine kühle Art überträgt sich auf meinen Körper. Es fühlt sich an, als würden meine Zellen gefrieren und eine Gänsehaut breitet sich aus. Die ich versuche vergeblich abzuschütteln.

Ich beginne eine Inspektion seiner Person. Mein Blick gleitet von oben nach unten und lässt keinen Zentimeter aus. Seine Musterung erfolgt ebenso unauffällig und kalkuliert, aus kühlen und emotionslosen Augen. Kenne deine Freunde, und deine Feinde noch besser. Herzlichen Glückwunsch, er hat den Hauptgewinn gezogen, denn ab heute steht er ganz oben auf meiner Vernichtungsliste. Diese Demütigung, lass ich nicht auf mir Sitzen. Da bin ich erst einen Tag auf diesem behinderten Internat und kenne schon mehr unangenehme Zeitgenossen, als mir lieb ist. Was ist das hier für eine Ansammlung von Irren? Die sollen in ihre Gebärmutter zurück, aus denen die gekrochen sind.

 

Seine dunkelbraunen, fast schwarzen Haare sind streng und akkurat gestylt. Keine einzige Strähne hat den Mut aus der Biedermeierfrisur auszubrechen. Seine hellbraunen Augen wirken, trotz des warmen Farbtons, kalt und berechnend. Der stechende Blick wird durch die kantigen Gesichtszüge unterstützt. Seine hohen Wangenknochen werden teilweise durch die schwarze, eckige Brille verdeckt. Sodass sein Gesicht nicht ganz so schneidend wirkt.

Das nach Außen hin Unscheinbarste, erweckt jedoch mein größtes Interesse und macht mich stutzig. Seine Kleidung ist ein paar Nummern zu groß und unauffällig. Seine ausgeprägte Halsmuskulatur und die deutlich erkennbaren Venen an seinen Unterarmen, sagen mir, dass sein Erscheinungsbild nicht so deformiert sein kann, wie der Typ gerne den Anschein erwecken möchte, indem er diese gigantischen T- Shirts trägt.

 

Seine steife Körperhaltung verrät mir, dass er nicht klein Beigeben wird, genauso wenig wie ich. Deshalb entscheide ich mich für einen bühnenreifen Abgang. Ich nehme seinen zehn Zentimeter langen Schraubenzieher in die Hand und ramme ihn mit voller Wucht durch das metallische Gehäuse der Maschine, vor mir. "Dann werd ich mal meine Gehirnwindungen überstrapazieren gehen. Und dir wünsch ich noch viel Spass beim Bauen, Looser. Übrigens ich denke, du hast da ein Loch in deinem technischen Wunderwerk!" Damit mach ich einen Abflug und vergesse natürlich nicht, meine Hüften ausgiebig zu schwingen. Ha, Bitcharsch? Das ich nicht lache.

 

Am Tisch mit dem, mir netterweise zugewiesenen, Projekt, setze ich mich. Alle beteiligten Schüler versuchen meinem fragenden Blick auszuweichen und ignorieren mich einfach. Unbeirrt, machen sie weiter im Programm. Nach einigen Minuten reicht es mir: "Könntet ihr vielleicht mal aufhören, so zu tun, als wäre ich nicht anwesend? Jetzt bin ich hier und will auch was machen!" Dabei höre ich mich an, wie eine versetzte Geliebte. Ein Mädchen mit enorm viel Schminke, seufzt ergeben: "Also gut." Damit beginnt sie, mir das Projekt zu erklären. Wir sollen die Beschleunigungszeit von einzelnen Gegenständen mit unterschiedlicher Masse, in Bezug auf verschiedene Höhen, messen.  Unter einer Herausforderung, verstehe ich allerdings etwas anderes.

Immer wieder spüre ich stechende Blicke in meinem Rücken, die mich dazu bringen, mich paranoid umzudrehen. Ab und zu treffe ich die glühenden Augen, von diesem Penner. Aber alles, was er von mir bekommt, ist ein herablassendes Lächeln. Welches er mit einer versteinernden Miene beantwortet. Ich kann die Kälte förmlich spüren, die wir uns  entgegen schleudern. "Lass das!", zischt mir meine Projektpartnerin zu. "Was denn?", frage ich unschuldig. "Tu nicht so. Du weißt genau was ich meine! Du hast ihn schon genug gereizt. Ich gebe dir den dringlichen Rat, hör auf ihn zu provozieren. Gab, kann sehr ungemütlich werden.", flüstert sie weiter. Mich überkommt ein freudiges Gefühl und ich pruste ein herzhaftes Lachen heraus: "Scheiße man, der heißt nicht wirklich wie ne Handtasche, oder? Was für ne Schwuchtel! Ne, das ist einfach zu geil!" Das Mädchen reißt ihre Augen auf und fuchtelt mit ihren Armen vor meinem Gesicht rum: "Psst, bist du bescheuert?" Ich kann nicht richtig nachvollziehen, was sie gerade für ein Problem hat. Denn ich hab eindeutig meinen Spass und muss vor lauter Lachen meinen Bauch halten.

 

Ein kratzendes Geräusch und ein darauffolgendes Poltern lässt meine Hysterie enden. Jetzt ist es mucksmäuschenstill. Langsam suche ich nach dem Ursprung des Lärms. Eine wütende Gab- Handtasche steht vor seinem umgestoßenen Stuhl und fixiert mich. Er ballt immer wieder seine Hände zu Fäusten, um sie danach wieder zu entspannen. Trotz seines erkennbaren Zorns, spricht er mit gelassener und beherrschter Stimme: "Wie ich merke, lässt eure Konzentration nach. Ich würde sagen, wir sind für heute fertig. Wir machen dann nächsten Montag weiter. Wen ich bis dahin nicht mehr sehe, wünsche ich eine angenehme Woche." Er spricht zwar zu Allen, aber seine Augen ruhen auf mir. Die Kälte kriecht unbarmherzig meinen Nacken entlang und verursacht Gänsehaut. Ich hoffe, ich muss jetzt keine Angst haben.

 

Die Gruppe löst sich hektisch auf. Alle wollen schnell dieser angriffslustigen Stimmung entfliehen. Auch ich verlasse den Raum. Zum ersten Mal fällt mir auf, dass auch diese Arbeitsgemeinschaft aus den unterschiedlichsten Leuten zusammengewürfelt ist. Sie gehören alle unterschiedlichen Beliebtheitsgruppen an und scheinen irgendwie miteinander auszukommen. An meiner alten Schule habe ich dieses Phänomen nie beobachten können. Jeder ist in seinem Kreis geblieben, ohne Ausnahme. Da gab es keine konstruktiven Gespräche zwischen Sportlern und Strebern. Außer, um sich gegenseitig fertig zu machen oder körperliche Bedürfnisse auszutauschen. Aber niemals ein freundschaftliches und respektvolles Verhältnis. Was ist hier los?

 

Ich beschließe, es einfach noch eine kleine Weile aggressiv zu beobachten und mache mich auch vom Acker, Richtung Bett. Denn es ist später, als ich gedacht habe. Tara empfängt mich: "Na, wie wars?" Ich geh mal davon aus, dass sie meine "außerschulischen Aktivitäten" meint. "Ganz lustig. Hab mich fast mit ner Handtasche gefetzt!", sage ich mit einem leisen Kichern. Ich komme einfach nicht drüber weg. Tara schaut mich dämlich an und zieht die Nase kraus: "Wie meinst du das? In welche AG gehst du überhaupt?" "Ich hab heute die Technik- und Forschungsgruppe mit meiner Teilnahme beehrt. Und der Typ hieß Gab, der war vielleicht ein Eisklotz. Der hat sich aufgespielt, wie ein Oberguru und, weil er sich so toll fand, habe ich seine Weltanschauung gerade gerückt. Das hat ihn wohl ein bisschen desillusioniert." Weiter komme ich mit meinen Ausführungen nicht, denn Tara schnappt schockiert nach Luft: "Lia, sag mir bitte nicht, dass es Gabriel Winter war." Ich kann einfach nur mit meinen Schultern zucken, denn ich weiß es nicht genau. "Scheiße, hatte er wunderschöne braune Augen, die einem diesen glühenden und durchdringenden Blick schenken? Und war er zu allem Überfluss noch richtig scharf?", ein kleines, seeliges Lächeln bildet sich auf ihren Lippen. Kommt die gerade ins Schwärmen? Von Mr. Gefrierschrank? Ich glaub es nicht. Ich verfall fast in Schockfrost und Tara ist total begeistert von diesem gleichgültigen und eingebildeten Typen. "Keine Ahnung, könnte sein. Wieso?"

Ihr entspannter und träumerischer Gesichtsausdruck verschwindet, so schnell, wie er gekommen ist: "Wieso?! Ich werd dir mal was über Gabriel Winter oder Gab, wie sein Spitzname ist, verraten. Er ist einer der reichsten, gutaussehendsten, intelligentesten und einflussreichsten Schüler hier. Er und Darius sind so...", sie überkreuzt Zeige- und Ringfinger, um ihre Verbundenheit zu verdeutlichen: "Und du hast Beide an einem Tag beleidigt und verärgert? Ich fasse es nicht."  Mein Gott, was ist denn mit Allen los, dass die solche Panik vor diesem Gab haben. Erst die Tussi aus der AG und jetzt auch Tara, die mich aus ihren großen, grünen Augen anstarrt, als wäre ich das achte Weltwunder. Wieder kann ich nur mit meinen Schultern zucken, nicht weil es mir egal ist. Sondern weil ich nicht wirklich was dazu sagen kann: "Vielleicht, war ich nicht besonders nett." Langsam wird mir doch etwas mulmig, weil Tara kurz vorm ausrasten ist. Man könnte schon fast meinen, sie bekäme gleich einen Nervenzusammenbruch. War mein Auftritt doch etwas zu krass? Nein eigentlich nicht, ich kusch doch nicht vor dem, nur weil er ne schwuchtliche Handtasche ist und alle ihn anhimmeln. Er ist ein Mensch, wie wir alle, und kein Übergott. Die solln mal nicht so übertreiben.

"Er wars bestimmt nicht.", versuche ich die Situation zu verharmlosen. Tara stößt die Luft aus: "Wem willst du hier was vormachen? Eigentlich kannst du dich gleich unter einem großen Stein verstecken und hoffen, dass er dich nicht findet. Ansonsten macht er dir das Leben hier zur Hölle. Sei ab jetzt einfach nett zu ihm, kriech ihm meinetwegen auch in den Arsch. Aber bitte, geh dem Ärger aus dem Weg und leg dich nicht ständig mit irgendwelchen Leuten an.", gibt sie mir einen gutgemeinten Rat. Den ich aber nicht befolgen werde.  Egal was als nächstes kommt, aber ich werde in niemandens Arsch kriechen. Das habe ich noch nie und werde ich auch nicht. Nein, dafür bin ich zu stolz. Schon gar keinem Typen, der denkt er ist hier König. König von was? Einem Königreich von Eliteschülern? Das ist in meinen Augen nichts. 

 

Trotz meiner schlechten Zukunftsaussichten, lege ich mich ins Bett und schließe die Augen. Doch der Schlaf, lässt auf sich warten, denn das Kältekribbeln ist zurückgekehrt. Ich stelle mir seine gefühlskalten und unnahbare Augen vor. Ich spüre seine intensive Blicke auf mir. Was ist nur mit mir los, ich fürchte mich doch sonst vor niemanden oder schrecke vor Konfrontationen zurück. Vielleicht sollte ich Taras Anweisung befolgen und mein Mundwerk geschlossen halten.

 

9. Kapitel: Ich bin eine Insel und was bist du? (in Arbeit)

 Die Eisprinzessin alias Gefrierschrank, Übergott oder Handtasche konnte ich über Nacht, erfolgreich aus meinem Kopf aussperren. Jetzt kann er mit seine schrecklichen Augen woanders herumgeistern und nerven. Auch an die zahllosen Augenpaare, die meine Schritte verfolgen, habe ich mich bereits gewöhnt. Viele Schüler mustern mich aus dem Verborgenen heraus. Als wäre ich eine verbotene Frucht, von der sie sich fernhalten müssen, aber die einfach zu interessant ist, um sie völlig zu ignorieren. Ich schätze in wenigen Tagen hat sich die anfängliche Neugier gegenüber meiner Person gelegt und ich kann wieder mein gewohntes Dasein im Fischschwarm genießen, wo ich in der Menge untergehe. Im Großen und Ganzen war der Schutag entspannt.

 

"Komm schon Salia. Ich hab hunger!", Tara steht zappelig an unserer Zimmertür und wartet darauf, dass ich mir endlich meine schwarze, löchrige Jeans angezogen habe. "Geduld TinkerBell, Geduld.", sage ich angestrengt und versuche springend meine enge Hose über meinen Po, zu ziehen. "Was machst du denn da? Dein Arsch ist doch gar nicht fett." Ich bemerke ihr Lächeln in der Stimme. "Puh, geschafft. Die Hose ist einfach so knalleng. Betont den Arsch besser", schnaufe ich, als ich es endlich geschafft habe. Irgendwie bin ich heut gut drauf und trage Klamotten, die meine Rundungen betonen. Denn ich fühle mich gut und selbstsicher. Ein letzter Blick in den Spiegel, sagt mir, dass meine Augen strahlen und meine Lippen nach oben geschwungen sind. Ich bin mir über den Grund nicht genau bewusst. Ich denke, es hat damit zu tun, dass ich Abstand von meinen Eltern habe. Keine Streiterein, keine unterschwelligen Aggressionen, kein Psychoterror. Und Tara nimmt mir etwas von meiner Einsamkeit. Was ich natürlich niemals offen zugeben würde.

"Solange ich heute noch was zum Essen bekomme." Tara öffnet die Tür, gemeinsam gehen wir zum Abendbrot.

Nachdem wir eine Mahlzeit ergattert haben, setzten wir uns an einen freien Tisch. Fast wäre ich gestoplert, weil ich wieder mal von den ungewöhnlichen Schülerkonstellationen  abgelenkt wurde. Ich beschließe Tara einfach danach zu fragen: "Weißt du, was ich mich frage, seitdem ich hier bin? Warum verstehen sich hier Alle eigentlich so gut miteinander?"

"Wie meinsten das jetzte?", spricht sie mit vollem Mund. Auch ich beiße in meine Schnitte. "Naja, die Cliquen sind bunt gemischt. Hier hängen alle zusammen ab, ob beliebt oder nicht."

"Aso. Wir verbringen eine menge Zeit in den extra Kursen außerhalb der Schulzeit. Deswegen hat man viel mit Schülern Kontakt, mit denen man in der Regel, nicht befreundet wäre. Wie bei mir. Ich bin auch meistens mit den Leuten aus meinem Theaterkurs zusammen, aber die hab ich dir ja gestern schon vorgestellt. ", sie zuckt mit ihren Schultern, als wäre es das Normalste der Welt. Ist es aber nicht. Jeder sollte sich dort aufhalten, wo sein Platz ist. Und nicht irgendwelchen Wunschvorstellungen nachhängen. Es ist eine lästige, menschliche Angehwohnheit, nach dem Höherem, dem Besten, der reinen Perfektion zu streben. Leider ist das Ultimative für die Meisten unerreichbar. Früher oder später zerplatzt jede Seifenblase und man wird mit der grausamen Wahrheit konfrontiert. Dass man selbst, nicht für den höheren Zweck bestimmt ist. Diese Pleite kann man sich doch schenken. Wenn Alle dort bleiben, wo sie hingehören, dann gibt es auch keine Komplikationen und Enttäuschung, wenn man feststellen muss, dass man nichts weiter, als ein nerviges Anhängsel und Balast ist. Die Maus unter der Sohle eines Elefanten. Abhängig von dessen Güte und Gewissen, nicht zertreten zu werden. Natürlich wird auch das einfache Fußvolk benötigt, um den kleinen Teil der Besonderen auf Händen zu tragen. Niemals selbst denkend oder selbstbestimmt handelnd, nur im Dasein des Dienens existierend und Anweisungen befolgend.

Die Grusel- Gruppe passt eindeutig nicht zu der kleinen Tinkerbell. Sie ist freundlich, fröhlich und besitzt diese natürliche Schönheit mit ihren strahlend, blonden Haaren, den ehrlichen, grünen Augen, der ebenmäßigen Haut, der kleinen Stupsnase und ihrer kleinen, schlanken Gestalt. Die man weder mit Schminke, noch mit anderen Kosmetika erzeugen kann. Egal wieviel Geld man dafür aussgibt.

"Da fällt mir ja ein Stein vom Herzen. Ich hab schon gedacht diese Spasten sind wirklich deine Freunde." Aber das erklärt Einiges. Sie kann ja nichts dafür. Die Kurse werden durch die Direktorin verteilt. Jetzt weiß ich wenigstens, dass Tara keine von diesen Loosern ist. Sie unterbricht das Essen. Ihr Gesichtsausdruck wirkt schockiert, als ich das erkenne, wechselt dieser in Ärger: "Weißt du was Lia, es sind meine Freunde. Und es sind gute Menschen. Aber langsam glaube ich, du bist eine von den Schlechten." Mit ihrem Tablett und zackigem Schritt, verlässt sie den Raum. Ich kann einfach nur auf meinem Platz sitzen und meine Schnitte anschauen. Mir will einfach nicht in den Kopf, warum sie diese Menschen, als ihre Freunde bezeichnet. Sieht sie denn nicht, wie würdelos das ist. Vielleicht reicht ihre Gehirnfunktion auch nicht aus, um die Gesamtheit der Dinge zu begreifen. Soll sie machen, was sie will. Ihr Pech. Damit ist das Thema für mich abgehakt. Warum sollte ich mir auch über Dinge oder Tara den Kopf zerbrechen, wenn es mir im Grunde egal ist. Soll sie doch sehen, wie sie kommt. Solange sie einen Klotz aus Behinderten mit sich rumschleppt, wahrscheinlich nicht besonders weit.

 

Um meinen Serotoninspiegel wieder auf das angemessene Niveau anzuheben und die Auseinandersetzung mit Tara zu verdrängen, beschließe ich mir eine Portion Glück, in Form einer süßen Versuchung, zu holen. Ich stelle mich an die Schülerschlange vor dem Buffet, die kurz vorm Ende der Essenszeit immer noch lang ist. Ich will gerade nach einem Schockopudding und einem Apfelsaft greifen, für meine volle Zuckerdröhnung, da fange ich ein kaum hörbares Gespräch auf: "Hey, weißt du, wer die Neue ist? Die ist echt scharf!" Ich? Hasse es, wenn ich nur auf mein Äußeres reduziert werde. "Die, hält sich für ganz besonders. Hab sie schon kennen gelernt, eine unangenehme Person. Glaub mir Kumpel, die hat sicherlich Fangzähne in ihrer Vagina, so bissig, wie die ist.", antwortet eine tiefe, männliche Stimme. Die bekannte, unwillkommene Kälteschauer bei mir auslöst. Ich drehe mich in die Richtung, wo ich die Unterhaltung vermute. Meine Befürchtung wird bestätigt. Es ist Gab. Uns trennen nur einige Schüler, die zwischen uns stehen. Meine Augen treffen auf sein helles Braun, das mich versucht zu durchbohren. Und schon ist die Kälte von gestern zurück, die mich von Innen verbrennt. Was macht der da nur mit mir? Ich muss ihn endlich abschütteln und diese unmögliche Gefühlsregung.

"Am Besten du hälst dich von ihr fern. Wenn du mich fragst, bringt die nichts als Ärger." Während er zu seinen Freund spricht, schaut er mich mit undurchdringlicher Miene an. Ich kann die Feindseligkeit, mit der er mich betrachtet, in seinen Augen sehen.

Wie kann ein Mensch nur so schauen? Ich verstehe es nicht. Ich ärgere mich über mich selbst, dass er solche Reaktion bei mir auslöst. Ich werde ihn einfach als Ventil benutzen und meinem eigenen Missmut an ihm auslassen. Was will er schon machen? Mich schlagen? Wurde ich von meinem Vater schon. Mich beleidigen? Wurde ich in der Vergangenheit auch schon. Das bringt bei mir nichts. Dafür bin ich zu selbstbewusst.  Und Freunde werden wir sicher auch nicht mehr.

Ich ergreife das Glas mit Apfelsaft und lasse den Pudding stehen. Mit einem breiten Grinsen gehe ich auf Gab zu. Ohne eine Erwiederung auf seine Beleidigung, schütte ich ihm das volle Getränk über den Kopf. Es fließt über seine Schultern, das T- Shirt runter und bildet eine klebrige Spur auf seinem Körper. Seine tadellose Frisur ist klatschnass. Einzelne Strähnen seines dunkelbraunen Haares fallen ihm in die Stirn. Seine Stirn legt sich in Falten. Mensch, der hat ja noch einen anderen Ausdruck,als ernst. Nämlich wütend. Mit einem Lachen drehe ich mich um und verlasse den Saal und die Zuschauer meines Saftangriffes. "Das hast du nicht umsonst gemacht, Black.", brülltmir Gab hinterher, bevor die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fällt.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich unser Verhältnis, nach meiner Aktion, nicht gerade verbessern wird. Aber momentan ist mir das egal. Ich war wütend und manchmal muss man seine Emotionen rauslassen und nicht immer alles in sich reinfressen.

 

In meinem Zimmer angekommen, treffe ich Tara nicht an. Also gehe ich einfach allein ins Bett und hoffe das Tara nicht lange sauer sein wird.

 

 

Auch in den folgenden Tagen, werde ich mit der restlichen Schülerschaft nicht wirklich warm. Ich werde weitestgehend gemieden. Wenn ich durch die Flure laufe, wenden sich die Anderen von mir ab. Ich betrete einen Raum und die laufenden Gespräche verstummen. Niemand schaut mir in die Augen oder spricht mich an, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist. Dabei bin ich ganz brav, wirklich. Keine zynische oder boshafte Bemerkung verlässt meinen Mund. Ich fühle mich, wie die Medusa. Denn, Alle die mir begegnen versteifen sich, als würden sie gleich zu Stein verhärten.

Impressum

Texte: Von daInge für euch. 2014
Bildmaterialien: Das verwendete Bild ist durch mich entstanden. Mit dem Einverständnis der Blume versteht sich.^^
Tag der Veröffentlichung: 19.05.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle Nerds. Und die, die es werden wollen.

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