Ich bin gern alleine. Ich liebe die Einsamkeit. Ich liebe es selbst darüber bestimmen zu können, ob ich nun Ruhe oder laute Musik will. Wenn ich alleine bin, muss ich nicht meine Gedanken für mich behalten. Nein, ich kann sie einfach laut in die Welt schreien. Schon immer liebte ich das alleine sein. Als kleines Mädchen spielte ich nie mit anderen. Im Kindergarten saß ich immer in einer Ecke und malte oder spielte mit meinen Puppen. Ich hatte nie Freunde, doch das genoss ich. Keine Freunde bedeutet auch, dass du keinen verärgern kannst. Mit niemand streiten und um niemanden weinen. Das ist das perfekte Leben.
In den Ferien ist es am Morgen schon früh hell. Wenn ich Glück habe, schon bevor meine Mama in die Arbeit fährt. Ich mag es, wenn ich die erste im Haus bin die aufsteht. Dann schaut das ganze Haus noch so unberührt und friedlich aus. Das ist dann immer ein fast magischer Moment. Ich freue mich schon darauf, wenn ich mal selbst ein Haus habe. Dann kann ich diesen Moment jeden Tag aufs Neue erleben. Ein Haus ganz für mich alleine. Davon träume ich schon seit ich ein kleines Kind war.
Ich ziehe mir meine Sandalen an. Sie sind braun mit kleinen weißen Muscheln. Dann gehe ich nach draußen und sauge die frische Morgenluft ein. Es ist ganz still. Nur das Rauschen des Meeres ist zu hören. Wir wohnen nicht direkt am Meer, aber man muss nur durch ein kleines Wäldchen gehen und schon ist man am Strand angelangt. Jeden Tag bewundere ich den herrlichen Anblick des Meeres. Was Wasser schaut so unendlich weit aus. Die Wellen sind so kräftig, dass kein Mensch sie bezwingen könnte. Hier fühlt sich das Leben noch kostbar an, weit weg von aller Oberflächlichkeit.
Ich gehe den Strand entlang. Meine langen roten Haare wehen mir ins Gesicht. Sie fühlen sich verfilzt und rau an, doch das tun sie eigentlich immer, da ich einfach nicht der Typ dafür bin, der sich viel um sein Aussehen kümmert. In der Entfernung sehe ich jemanden sitzen und Richtung Meer schauen. Ich überlege ob ich umdrehen soll. So früh am Morgen will ich mit keinen in Kontakt kommen. Ich drehe mich um, doch auf der anderen Seite des Strandes hat es sich ein verliebtes Pärchen gemütlich gemacht, und darauf habe ich noch wenger Lust. Ich hasse es anderen Menschen zuzusehen wie sie Glücklich sind, und ich hasse es wie verliebte Paare miteinander umgehen. Es macht mich nur traurig. Ich frage mich dann immer, ob ich auch jemals so etwas fühlen kann, oder ob ich schon zu abgestumpft dafür bin.
Als ich dem Menschen näher komme, bemerke ich, dass es ein Junge ist. Er ist ungefähr in meinem Alter, vielleicht ein bis zwei Jahre älter. Er bemerkt mich nicht. Auch als ich schon ziemlich nahe bei ihm bin, würdigt er mich keines Blickes. Das macht ihn interessant. Ich starre ihn im Vorbeigehen an. Einen Jungen mit so einem Aussehen habe ich noch nie gesehen. Er schaut anders als die Jungs in meiner Schule aus. Ich kann es nicht beschreiben, doch irgendwie kann ich meine Blicke nicht von ihm abwenden.
Ok, ich bin normal nicht so. Ich achte immer sehr auf meinen Gang. Ich passe immer gut auf so unauffällig wie möglich zu sein, doch dieser Junge hat mich in seinen Bann gezogen. Und so passe ich dummerweise nicht auf wo ich hinsteige, und stolpere direkt über einen großen Stein der mitten am Strand liegt. Als wäre das nicht schon peinlich und demütigend genug, falle ich direkt neben den Jungen hin. Der Junge erschrickt, als hätte ich ihn aus seinen Gedanken gerissen. Er dreht seinen Kopf rasch zu mir und blickt auf mich, das Häufchen Elend mit Sand in den Haaren.
Ich hatte das Mädchen gar nicht bemerkt. Wahrscheinlich war ich wohl wieder in meine Gedanken versunken. Das passiert mir ständig. Es gibt einfach zu vieles über das ich nachdenken muss. Ich sehe sie an. Sie hat Sand in den Haaren. Sie hat hübsche Haare. Sie sind rot und lang und wild. Irgendwie tut sie mir leid. Soll ich ihr helfen? Ich bin schlecht in interagieren mit anderen Menschen. Das konnte ich noch nie. Ich glaube ich bin einfach ein Einzelgänger. Schon des Öfteren habe ich probiert mit Mädchen auszugehen, doch das ist bis jetzt immer eskaliert. Ich benutze die Mädchen nur. Ich glaube ich habe etwas an mir das Mädchen verzaubert. Ich kann alles mit ihnen machen, denn sie lassen alles zu. Dann fühle ich mich immer so krank und unmenschlich. Ich will wenigstens dieses Mädchen vor mir schützen, doch sie ist so wunderschön und anders und ich fühle mich ihr hingezogen.
Ich gehe zu dem Mädchen hin und strecke ihr die Hand entgegen. Sie blickt mir verwundert in die Augen. Ich glaube, dass ich sie kurz lächeln bemerkte. Das Mädchen nimmt meine Hand, steht auf und putzte sich den Sand vom Körper. Dann schüttelte sie ihre Haare aus. Ich nehme einen Duft nach Lavendel da. Als sie wieder ruhig dasteht, schaute sie zu Boden. Wahrscheinlich will sie sich bedanken. Da bemerkte ich, dass ich noch immer ihre Hand halte. Sie ist klein und weich und am Liebsten will ich sie gar nicht loslassen.
Sie machte kurz den Mund auf, als will sie etwas sagen. Dann aber schliest sie ihn wieder und sieht traurig und bedrückt aus. Sie lässt meine Hand los. Das Mädchen dreht sich um und geht mit langsamen Schritten davon. Ich stehe nur da und sehe ihr hinterher. Ihre roten Haare leuchten in der Sonne. Und bald ist sie um die Ecke gebogen und nur mehr ein leerer Sandstrand liegt vor mir. Ich habe die Chance verpasst, das wunderschönste Mädchen auf Erden kennen zu lernen, doch das ist glaub ich auch besser so. Auf jeden Fall ist es besser für sie. Aber trotzdem habe ich ein Verlangen sie wieder zu sehen.
Ich setze mich wieder auf den weichen warmen Sand und schaue aufs Meer. Hier kann ich nachdenken. Nachdenken über all die Dinge die in den letzten Jahren passiert sind. Ich suche in den tiefen meiner Gedanken nach ein paar glücklichen Erinnerungen, doch die sind bloß so winzig klein und schon so lange her, dass sie in dem Meer meiner Gedanken untergehen.
Es ist Mittag und ich sitze am Esstisch. Meine große Schwester Karoline steht währenddessen in der Küche. Es riecht nach Pizza. Nicht so eine Tiefkühlpizza, die man nur in den Ofen geben muss, sondern eine richtige selbstgemachte. Meine Schwester liebt das Kochen. Sie könnte stundenlang neue Rezepte ausprobieren. Sie ist nicht so wie die anderen jungen Frauen in ihrem Alter. Jungs, Schminken und Feiern interessiert sie nicht. Ich glaube wir sind uns sehr ähnlich, nur das sie etwas fröhlicher und offener ist. Allerdings schauen wir ganz anders aus. Karoline hat aschig blonde glatte Haare. Sie ist sehr groß und weiblich. Ich bin eher klein und sehr zierlich. Meine Haare sind rot und wild. Karoline sagt immer, sie hätte gerne meine Haare weil ihre so langweilig sind. Dafür hätte ich gerne ihre Figur, da ich noch wie ein Kind aussehe. Meine Schwester sagt immer die Rundungen kommen erst, da ich erst 16 bin, doch da bin ich mir nicht so sicher.
Das Essen ist fertig. Die Pizza schmeckt sehr gut, hatte ich auch nicht anders erwartet. Ich glaube bei Pizza kann man sowieso nicht viel falsch machen. Die Haustür geht auf. Meine kleine Schwester kommt herein. Sie heißt Miriam und ist 14. Ich hasse Miriam. Sie schleppt jede Woche einen neuen Freund mit zieht sich an als wäre sie 18. Mama merkt davon nichts. Für sie ist meine kleine Schwester das Wunderkind. Miriam ist nämlich hochbegabt und geht in eine beondere Schule für intelligente Kinder. Damit prallt sie oft vor mir. Überhaupt weil ich nicht die besten Noten habe. Ich quäle mich Jahr für Jahr durch die Schule.
Plötzlich bemerke ich, dass hinter Miriam noch ein Junge ins Haus kommt. Es ist der Junge von heute Morgen.
"Das ist Thomas. Er saß so alleine am Strand und da habe ich ihn dazu gebracht mit uns zu Essen."
Ich schaue ihn entgeistert an. Da hatte ich einmal einen besonderen Jungen gefunden, der mich einfach nur verzaubert hatte und schon schnappt ihn mir meine Schwester weg. Ok, sie kann natürlich nichts von unserer Begegnung wissen und ich habe ja auch keinen Anspruch auf ihn, doch trotzdem macht mich die Situation traurig. Ich bin doch irgendwie selber schuld. Warum hatte ich ihn auch nicht angesprochen? Vielleicht wäre er dann mit mir nach Hause gekommen und nicht mit dieser Schlampe Miriam.
"Entschuldigt mich bitte"
Ich lasse meinen Teller stehen und verschwinde aus der Haustür. Im Vorbeigehen streife ich Thomas Arm. Meine Haut fängt an zu kribbeln. Bin ich etwa verliebt? Ich kenne den Jungen doch überhaupt nicht. Meine Schwestern sehen mir verwirrt hinterher. Ich glaube Miriam Lachen zu hören. Sie verstand mich noch nie. Eingebildete Schlampe.
Ich habe vergessen mir Schuhe anzuziehen und so ist es unangenehm als ich über die Äste und Wurzeln im Wald gehe, doch das Rauschen des Meeres lässt es mich vergessen. Das Meer hat mich schon immer beruhigt. Als mein Papa noch nicht im Gefängnis war, und er wütend auf Mama war dann rannte ich immer zum Strand. Ich setzte mich dann so dicht an die Felswand wie es ging und hörte nur dem Meer zu. Alles anderer ignorierte ich. Leider passierte es oft, dass er wütend auf Mama war. Einmal habe ich vergessen im Sommer die Milch in den Kühlschrank zu stellen. Damals musste ich um die5 Jahre alt gewesen sein. Als Papa seinen Kaffee trinken wollte war die Milch schlecht. Er schimpfte Mama was für eine schlechte Hausfrau sie sei und das das wichtigste in ihrem Leben das Wohl unserer Familie sei. Manchmal in der Nacht bilde ich mir noch ein ihn schreien zu hören. Dann schleiche ich mich zu meiner Schwester ins Zimmer und schlafe bei ihr. Sie ist die einzige Person die mich trösten kann.
Ich wollte gar nicht mit dem Mädchen mitgehen, doch sie lies mir keine Ruhe. Schon am ersten Blick mochte ich sie nicht. Ihr Ausschnitt war viel zu groß und ihr Rock viel zu kurz. Außerdem quasselte sie die ganze Zeit. Sie Mädchen wie sie hatte ich schon in Massen. Einmal benutzt und dann weggeworfen. Ich fühle mich nicht einmal schlecht dabei. Diese Mädchen haben es nicht anders verdient.
Als ich dann das rothaarige Mädchen sah war ich sehr überrascht. Ich glaube ich habe sie enttäuscht. Jetzt glaubt sie von mir, dass ich so ein Typ bin der auf Mädchen wie ihre Schwester steht. Nein, so Mädchen verachte ich nur. Ich will dieses rothaarige Mädchen. Bei ihr spüre ich etwas was ich glaubte nicht spüren zu können und es ist Liebe. Mit diesem Mädchen will ich alt werden. Dieses Mädchen ist mein fehlender Teil. Ich bin eigentlich nicht so der Romantischte aber vor diesem Mädchen würde ich auf Knien fallen. Bin ich verrückt? Vielleicht ein bisschen. Aber das war ich ja schon immer
Ich gehe zum Strand in der Hoffnung sie dort zu finden. Miriam hatte ich gesagt, mein Opa liege im Krankenhaus. Das dumme Blondchen hat mir natürlich sofort geglaubt. Nur ihre große Schwester hatte mich etwas eindringlich gemustert. Sie ist anscheinend etwas klüger. Als ich vor dem blauen Meer angekommen war, sah ich einen roten Punkt in der Ferne. Das musste das Mädchen sein.
Als sie mich sieht schaut sie in eine andere Richtung. Sie will mir nicht ins Gesicht sehen. Ich glaube sie hat geweint. Ich hoffe nicht nur wegen mir.
"Hallo ich bin Thomas"
Ich versuche ein Lächeln, doch ich hatte lange nicht mehr gelächelt darum fällt es mir etwas schwer. Das Mädchen antwortet nicht.
"Wie heißt du?"
Sie schaut weiterhin nur aufs Meer doch ich bin sicher, dass sie mich wahrnimmt. Plötzlich öffnet sie ihren Mund. Ich bemerke wie wunderschöne Lippen sie hat.
"Sarah"
Sarah. Ein wunderschöner Name für ein wunderschönes Mädchen.
"Nur das du es weißt, ich will nichts von deiner Schwester. Sie hat mich am Strand vollgequatscht und damit sie ruhig ist bin ich eben mitgegangen."
Sarah drehte sich endlich um und ich sah nun wie verweint sie war. Ihre Wimperntusche war ganz verschmiert und ihre Augen sahen gerötet aus.
"Willst du mit mir irgendwas machen? Also...ähm... so eine Art Date?"
Mein bis jetzt schlechtester Anmachspruch. Naja normal kamen ja die Mädchen zu mir. Ich bin es nicht gewohnt den ersten Schritt zu machen. Normal bedeuten mir auch die Mädchen nichts und mir ist es egal wie ich mich ihnen gegenüber verhalte, doch bei Sarah ist es anders. Sie ist etwas Besonderes.
"Ok"
Ich bin überrascht, dass Sarah einwilligt. Eigentlich habe ich mit einer Abfuhr gerechnet. Sie wischt sich die Tränen von den Wangen und versucht sich die verschmierte Wimperntusche so gut wie möglich wegzumachen. Ich beobachte sie dabei. Dieses Mädchen ist wirklich wunderschön. Sarah steht auf und schaut mich erwartungsvoll an. Ich sehe, dass ihr T-Shirt von den Tränen etwas nass ist.
"Und was machen wir jetzt?"
Ihr Stimme ist fein und zart und ich glaube sie ist jetzt sogar etwas glücklich.
Das ist mein erstes Date. Normal bemerken mich Jungs nicht wirklich und wenn sie dann mich ansprechen bemerken sie wie langweilig ich bin. Deswegen freue ich mich das Thomas und ich jetzt ein Date haben. Ich habe es noch nicht ganz realisiert. Ich weiß noch nicht genau was ich von ihm halten soll. Wir sitzen gemeinsam in seinem Auto. Ich weiß nicht was das für ein Auto ist. Ich kenne mich da nicht so gut aus. Wir fahren zu ihm. Ich weiß, dass ich nicht kenne aber ich habe irgendwie so ein Gefühl bei ihm. Ein Gefühl das alles gut wird. Er ist anders als normale Jungs in dem Alter. Ich glaube er ist tiefgründiger. Ich glaube er ist ein bisschen so wie ich.
Thomas dreht Musik auf, dass es nicht ganz so still zwischen uns ist. Ich kenne das Lied nicht. Ich glaube es geht in Richtung Punk Rock. Hört sich nicht schlecht an, aber ist nicht so meins.
"Wie heißt da Lied?"
Thomas schaut etwas überrascht. Wahrscheinlich dachte er sich die ganze Zeit das ich nichts von ihm will weil ich nichts rede. Das stimmt gar nicht, ich bin bloß schüchtern. Ich hoffe, er glaubt nicht, dass ich ihn nicht mag.
"Ich weiß nicht. Das ist eine CD von meinem Bruder."
"Du hast einen Bruder?"
Sein Gesicht verdüstert sich etwas und er sieht traurig aus. Anscheinend habe ich einen wunden Punkt getroffen. Ich frage nicht mehr nach, denn ich will ihn nicht traurig sehen. Das sollte doch ein schönes erstes Date werden. Zum Glück lächelt er mich nach einer Weile wieder an. Thomas hat ein komisches Lächeln. Es sieht aus als versucht er zwar zu lächeln, aber schafft es nicht ganz. Es macht mir etwas Angst. Schon langsam denke ich darüber nach, ob es wirklich so eine gute Idee war einfach in sein Auto zu steigen. Vielleicht hätte ich lieber Karoline Bescheid sagen sollen. Ich such in meiner Hosentasche nach meinem Handy, um ihr eine Sms zu schreiben. Scheiße, ich hab es als ich aus dem Haus gestürmt war am Esstisch liegen lassen. Ach ist ja egal, wird schon nichts Schlimmes passieren.
Das Auto bleibt stehen und Thomas steigt aus. Ich folge ihm. Wir sind bei ihm zu Hause. Es ist ein großes, altes Haus. Es gefällt mir sehr gut. Ich liebe alte Häuser. Der Vorgarten ist liebevoll bepflanzt. Große Rosenbüsche machen einen romantischen Eindruck. Ich weiß nicht wieso, aber ich habe damit gerechnet, dass Thomas in einer ganz gewöhnlichen Wohnung wohnen würde. Das Haus überraschte mich und machte ihn sympathischer. Ich lächle Thomas an. Ich glaube er freut sich darüber. In so einem Haus könnte ich alt werden und das vielleicht sogar zu zweit.
"Kommst du?"
Thomas führt mich zur Haustür. Er öffnet sie und lässt mich als erste hinein. Drinnen schaut das Haus so liebevoll aus wie draußen. Er führt mich in ein großes buntes Wohnzimmer. Überall hängen Bilder und stehen Blumenvasen mit duftenden bunten Blumen.
"Ist dir kalt in den Zehen? Willst du Socken?"
Ich bemerke, dass ich ja schon die ganze Zeit keine Schuhe anhabe. Das ist mir etwas peinlich. Ich nicke ihm zu und er verschwindet kurz die Treppe hinauf. Ich schaue mir in der Zwischenzeit die Bilder an den Wänden an. Die meisten Bilder zeigen Landschaften, das Meer und Berge. Vor einem Bild bleibe ich etwas länger stehen. Es zeigt einen Jungen um die 10 Jahre. Er sieht Thomas sehr ähnlich, nur seine Haare sind etwas heller. Das Bild ist gemalt mit ganz feinen Pinselstrichen. Nur ein begabter Maler ist zu so was in der Lage.
Thomas kommt zu mir mit ein paar blauen Socken in der Hand.
"Danke"
Ich setze mich auf das grün karierte Sofa und ziehe die Socken an. Währenddessen bemerke ich, das Thomas auf das Gemälde des Jungen blickt. Er schaut traurig aus. Sogar so traurig gefällt er mir noch. Plötzlich ändert er seine Miene und schaut wieder zu mir.
"Willst du was essen?"
Ich bemerke wie Hunger ich habe, da ich heute ja noch nicht wirklich viel gegessen hatte.
"Oh ja und wie"
Er lächelt wieder sein komisches Lächeln und geht in die Küche. Ich glaube Thomas kann nicht wirklich kochen, denn er macht nur Nudeln mit Tomatensauce aus der Dose. Aber das stört mich nicht. Wenn man Hunger hat kann man alles essen.
Thomas zeigt mir sein Haus. Seltsamerweise ist nur er daheim. An 2 Zimmern geht er nur still vorbei und schaut etwas verlegen. Ich frage nicht nach was dahinter ist. Vielleicht ist gerade nicht aufgeräumt und ich will ihn nicht in Verlegenheit bringen. Am Schluss zeigt er mir sein Zimmer. Es ist klein, aber gemütlich. Eine Staffelei steht mitten im Raum. Darauf ist ein Bild vom Strand zu sehen. Es ist eindeutig der Strand an dem ich auch immer bin.
"Hast du das selbst gemalt?"
"Ja, auch die ganzen anderen Bilder im Haus sind von mir?"
Ich denke an das Bild mit dem Jungen. Thomas hat wirklich ein riesen Talent.
"Wow, die sind wirklich schön. Ich bin beeindruckt."
Thomas lächelt, und diesmal schaut sein Lächeln schon ein bisschen echter aus. Ich lächle zurück. Wir setzen uns auf sein Bett. Es ist bequem und es riecht gut. Es riecht nach ihm.
"Wieso hast am Strand geweint?"
Thomas sieht mich an. In seiner Stimme ist Mitgefühl. Ich blicke auf den Holzfußboden. Darauf entdecke ich ein paar Farbkleckse, wahrscheinlich vom Malen.
"Ich habe mich zurückerinnert. Naja... meine Kindheit war nicht gerade die Beste."
Ich mache eine Pause. Es fällt mir sehr schwer darüber zu sprechen. Thomas legt seinen Arm um mich. Ich kuschle mich an ihn. Ich fühle mich wohl bei ihm. Ich will bei ihm bleiben. Zu Hause holen mich nur die Erinnerungen von früher ein. Karoline und Miriam kommen schon ohne mich aus und mit Mama streite ich mich sowieso nur. Sie will nicht, dass ich schlecht über Papa rede. Sie liebt Papa noch. Früher dachte ich immer ich könnte nie einen Jungen lieben weil ich einfach zu große Angst hatte es würde das gleiche passieren wie zwischen Mama und Papa. Doch jetzt habe ich Thomas und Thomas ist gut für mich. Es vergehen Minuten oder Stunden, ich weiß es nicht genau, wo wir einfach so im Bett dasitzen.
Meine Augen werden schwerer und ich bemerke wie anstrengend der heutige Tag war. Ich bin plötzlich richtig müde und kuschle mich noch näher an Thomas. Er streichelt mir liebevoll über den Kopf.
"Du brauchst nicht darüber reden wenn du nicht willst."
Ich will noch antworten aber mehr als ein "Mhm" bekomm ich nicht mehr heraus, denn dann bin ich schon eingeschlafen.
Das wunderschönste Mädchen auf der Welt schläft in meinen Armen. Ich habe sie Situation noch nicht so ganz realisiert. Ich bin glücklich, richtig glücklich. Sarah hat es geschafft mein Herz wieder zu öffnen. Nun ist es offen und voller Liebe. Voller Liebe und Freude. Ich sehe meine wunderschöne Sarah an. Mein kleiner Engel. Ich streiche über ihre Haare. In ihnen ist noch etwas Sand von heute Morgen. Ich muss schmunzeln. Sie ist mir direkt vor die Füße gefallen, wie wenn sie für mich bestimmt wäre. Und das ist sie auch, für mich bestimmt.
Aber was soll ich denn jetzt machen? Ewig wird sie nicht schlafen. Solange halten die Drogen die ich in ihr Essen gegeben habe auch nicht an. Sarah will sicher bald wieder nach Hause. Ich kann sie doch nicht nach Hause lassen. Sie gehört doch zu mir. Was ist, wenn sie zu Hause einen neuen Typen kennenlernt? Jemand der muskulöser und gutaussehender ist als ich? Nein das geht nicht ich muss sie vor anderen Jungs fern halten. Ich höre Sarah atmen. Gleichmäßig und sanft. Ihre zarten Lippen sind leicht offen. Ich würde sie gerne küssen, doch dann wacht sie auf und merkt wie spät es ist. Ich muss schnell etwas unternehmen.
In meinem Haus ist ein Keller. Er ist so groß wie ein normales Schlafzimmer und hat sogar ein eigenes Bad. Ich bin nicht gerne im Keller. Dort unten ist es passiert. Dort holen mich die Erinnerungen ein. Sarah hat mir erzählt, ihre Kindheit wäre schlimm gewesen. Ich wette ihre war nichts gegen meine. Die Gedanken darüber machen mich traurig. Ich bin nicht gerne traurig. Ich zeige nicht gerne Emotionen.
Sarah ist sehr leicht. Sie ist ja auch nicht besonders groß. Ich bin vorsichtig als ich sie hochnehme. Zum Glück rührt sie sich nicht viel. Wahrscheinlich hat sie einen tiefen Schlaf. Ich trage sie vorsichtig die Treppe runter. Das ist komplizierter als ich gedacht hätte.
"Wie...? Was...?"
Verdammt sie ist aufgewacht.
"Schhhh... schlaf weiter mein Engel"
"Was machst du da?"
"Ich zeige dir nur einen schönen Ort. Alles wird gut."
"Wie spät ist es?"
Schon langsam wird Sarah munter und bekommt mit das etwas nicht stimmt. Ich öffne die Kellertür und setzte Sarah auf eine alte Matratze. Sie sieht verwirrt aus, doch selbst verwirrt ist sie noch bildhübsch.
"Ich sagte wie spät ist es!"
Sarahs Ton wird ernster. Oje jetzt muss ich schnell antworten.
"Ich will nach Hause"
Ich beachte sie nicht, obwohl es mir sehr schwer fällt.
"Bring mich sofort nach Hause!"
Sarah steht auf und blickt mir direkt in die Augen. Obwohl sie klein und zierlich ist wirkt sie nun groß und mächtig. Ich mache einen Schritt zurück. So darf mein Schatz nicht sein. So will ich sie nicht. Wenn sie so weiter macht, wird es ihr wie den anderen Mädchen geschehen. Wieso kann sie nicht einfach wieder ruhig, nett und nachdenklich sein? Ich stoße sie weg mir. Ich höre sie leise weinen. Ich bin zufrieden. Weinen ist besser als wütend sein. So hab ich wenigstens etwas Kontrolle über sie.
Ich schließe die Tür und sperre sie zu. Jetzt gehört sie mir. Sarah mein Ein und Alles. Mit ihr will ich alt werden. Mit ihr will ich mein Leben verbringen. Ich höre sie durch die massive Tür nur mehr leicht wimmern und ich bin glücklich.
Manchmal denke ich mir manche Menschen haben einfach Pech im Leben. Ich meine hab ich jemals etwas Böses getan? Ich hab mich noch nie mit wem gestritten, ok meine Mama lassen wir da einfach mal aus dem Spiel. Ich hab noch gestohlen oder wem verletzt. Ich bin ja sowieso immer so gut wie unsichtbar, dann kann man ja gar nicht viel Schlechtes machen. Oder meinen Mama. Die hat auch nie etwas Schlechtes getan und trotzdem hat sie so einen Mann wie Papa bekommen. Vielleicht sind auch nur die Männer die alles verderben, die die ganze Welt schlecht machen. Ohne Männer würde es keinen Krieg geben und nicht mehr so viele Verbrecher.
Ich weiß nicht wie lange ich jetzt schon in diesem Keller sitze. Ich habe so lange geheult, bis die Tränen weg waren. Jetzt bin ich irgendwie leer. Ich kann es nicht ganz erklären. So einen Zustand hatte ich noch nie. Ich fühle mich wie eine leere Hülle. Äußerlich noch da aber innen ist nichts kein Gefühl, kein Schmerz, nichts. Ich hab mich noch gar nicht in dem Keller umgesehen. Vielleicht gibt es eine Tür und ich bin frei. Oder ein offenes Fenster, man weiß ja nie. Aber ich weiß nicht genau ob ich überhaupt weg will. Ok, Thomas ist ein Psychopath, aber das ist doch nicht so schlimm, also denke ich.
Meine Beine tun schon langsam vom einfach da sitzen weh und meine Schulter schmerzt von Thomas seinen Stoß. Ich stehe auf und mir wird sofort leicht schwindlig. Was ist nur mit mir los? Ich bin wütend auf mich selbst weil ich genau das tue was Thomas sehen will, das kleine Mädchen das ihm gehorcht und diese Rolle spiele ich schon viel zu lange. Wegen meinem Papa habe ich mich nie getraut laut zu sein und mich bemerkbar machen. Ich hatte Angst, sobald ich mich näher mit wem anfreunde würde alles mit meinem Papa ans Licht kommen und sie würden mich auslachen das ich so ein kleines wehrloses Dummchen bin.
Die Tür geht auf. Ich rechne mit dem schlimmsten und bereite mich darauf vor Thomas anzugreifen falls er mir zu nahe kommt. Ich würde ihm alles zutrauen. Vielleicht würde er mich sogar vergewaltigen. Doch andererseits ist er mir so vertraut und ähnlich. Spüre ich etwa Liebe für ihn? Ich bin verwirrt und enttäuscht über mich selbst, dass ich mich in so ein Monster verlieben kann. Ich schätze das ist als Teenager eben so. Scheinbar komme ich gerade in die Pubertät. Einen unpassenderen Moment gibt es wohl nicht.
Thomas kommt in den Keller und riegelte die Tür hinter sich zu. Ich weiß nicht was ich machen soll. Er ist viel zu stark. Desshalb stehe ich blos da und blicke ihm ernst entgegen Aber das funktioniert nicht so ganz dann er blickt voller Liebe zurück.
"Was passiert jetzt mit mir?"
"Wir teilen uns ab jetzt ein Leben."
Ich starre in sein Gesicht. Ich würde nie mit ihm sein Leben teilen wollen. Nicht unter diesen Umständen. Vielleicht wenn wir uns ganz normal kennengelernt hätten und uns ganz normal verliebt hätten, aber nicht so.
"Du bist wunderschön"
Ich bin verwirrt was ich antworten soll. Das ist das erste Mal das ich von einem Jungen ein Kompliment höre. Sollte ich mich bedanken? Ich starre auf die Wand links neben mir. Sie ist weiß und schmutzig und Spinnweben hängen in den Ecken. Ich glaube er erwartet eine Antwort. Thomas schaut mich an. Ich schaue zurück.
"Weißt du es gab schon viele Mädchen in meinen Leben, doch sie bedeuteten mir alle Nichts. Sie überlebten nie lange bei mir. Meistens blieben sie bloß einen Nacht. Dann gingen sie mir auf die Nerven. Ich hasse diese Mädchen, die nur auf Äußerlichkeiten achten und dehnen es egal ist wenn ich sie wie Dreck behandle."
Er macht eine kurze Pause. Er sieht wütend aus. Sicherheitshalber gehe ich ein paar Schritte zurück. Ich glaube er bemerkt es nicht. Jetzt erst realisiere ich das er gesagt hatte diese Mädchen würden bei ihm nicht mehr als eine Nacht überleben. Bringt er sie um? Ist er ein Mörder? Soll ich nachfragen? Ich glaube ich verärgere ihn nur noch mehr wenn ich jetzt nachfrage. Ich blicke wieder still zur Wand. Plötzlich fängt er wieder an zu sprechen.
"Hier unten passierte es. Hier verlor ich meine Eltern."
Ich sehe, dass er weint. Hat er seine Eltern auch noch umgebracht? Ich kann es ihm nicht zutrauen. Ich glaube nicht, dass er dazu in der Lage ist. Er wirkt doch viel zu anft auf mich. Allerdings hat er mich auch hier eingesperrt. Ich kann ihn nicht einschätzen.
"Ich komme gleich wieder"
Die Tür ist wieder zu und Thomas ist weg. Ich bin ganz still und versuche zu hören was er macht, allerdings nehme ich nicht viel war. Jetzt bin ich wieder alleine. Ich bin froh darüber. So macht mir das Gefangen sein weniger Angst. Schon komisch. Am Morgen war ich noch frei und spazierte am Strand und blickte auf das Meer. Achja das Meer. Ich vermisse es. Ich vermisse es einfach nur am Strand zu gehen und über nicht nachzudenken. Einfach alle Sorgen vergessen. Doch das geht hier nicht. Hier ist es so kalt und unnatürlich. Ich hasse Keller. Ich hasse es zu wissen, irgendwo unter der Erde zu sein. Menschen sollten nicht unter der Erde sein. Dort ist man erst wenn man tot ist. Wenn ich so darüber nachdenke, passt es aber unter der Erde zu sein, denn ich fühle mich auch wie tot.
Ich gehe nicht mehr zu Sarah zurück in den Keller. Die Gedanken an meine Eltern sind einfach zu schmerzlich. Ich vermisse sie. Jede Minute meines Lebens. Ich habe mich nie gestritten mit meinen Eltern. Sie waren immer für mich da. Seit acht Jahren sind sie nun fort und ich habe es noch immer nicht verkraftet. Ich werde morgen wieder nach Sarah sehen. Alles was man zum Leben braucht ist e unten im Keller. Sogar ein kleiner Schrank mit Konserven und ein paar Küchengeräte befinden sich unten. Auch eine kleines Badezimmer gibt es. Es ist zwar nicht das schönste und Sarah hat sicher Besseres verdient, aber für den Notfall reicht es.
Ja, Sarah hat eigentlich viel Besseres verdient. Ein riesiges Schloss mit einem schönen Garten voller Rosen. Dann wäre sie wieder so glücklich, wie draußen, als sie meinen Garten sah. Ich habe kein Talent zum Gärtnern, aber mein Bruder Leo. Er hat unseren Garten so schön gemacht. Ich weiß noch, als wir in unser Haus einzogen. Muss jetzt etwa neun Jahre her sein. Damals sah der Garten schrecklich aus. Alles war verwuchert und wuchs wild in irgendwelche Richtungen. Aber Leo machte daraus ein Paradies. Er hat einfach ein gutes Gefühl für Pflanzen. Er lebt für die Pflanzen. Er kann mit ihnen besser umgehen als mit Menschen, viel besser.
Ich schaue auf die Uhr. Es ist bereits später Abend. Normal kommt Leo um diese Zeit nach Hause. Meistens freue ich mich auf ihn. Heute wünschte ich, es würde ihn nicht geben. Ich hab Angst. Was wenn er Sarah bemerkt? Er würde wütend werden und wenn er wütend ist, ist er unberechenbar. Ich schalte den Fernseher ein, weil es mich ablenkt. Ich starre auf den Fernseher. Trotzdem habe ich keine Ahnung was gerade läuft. Leo bringt mich zu sehr durcheinander. Er will keine fremden Menschen im Haus.
Ich höre ein Auto die Straße entlangkommen. Es wird langsamer bis es schließlich vor meinem Haus hält. Meine Angst wird immer größer. Ich höre wie Schritte auf den Treppenstufen vor der Haustür. Sie werden immer lauter. Dann ist es kurz ruhig, bis ein Schlüssel im Schloss landete und die Tür langsam aufgeht. Und da steht er, Leo.
Ich bin froh endlich wieder zu Hause zu sein. Die Arbeit kotzt mich an. Sind doch alles nur Vollidioten, die mich grundlos aufregen. Ich hasse es. Mein kleiner Bruder sitzt am Sofa. Er schaut angespannt und sagt nicht einmal hallo.
"Alles ok?"
Thomas nickt. Er schaut mir nicht in die Augen. Er verheimlicht mir etwas. Ich gehe zu ihn und bemerke, dass seine Stirn voller nassen Schweiß ist. Für diesen Anblick könnte ich ihn auslachen. Er schafft es nicht etwas vor mir zu verheimlichen. Dazu ist er viel zu dumm. Vor den Mädchen gibt er immer den coolen, geheimnissvollen Macho, doch in echt ist er nur erbärmlich. Ich bin für ihn wie ein Gott, obwohl ich ihm schon so vieles angetan habe.
Ich gehe näher zu Thomas und bemerke, dass er sich mit jedem Schritt kleiner macht.
"Hey kleiner Bro. Was verheimlichst du mir?"
Ich bermerke, dass er etwas zusammenzuckt, doch er gibt mir keine Antwort.
"Hast du schon wieder eine abgeschleppt? Wo ist sie? Schläft sie gerade in deinem Bett? Du weißt das ich nicihts mit anderen Menschen zu tun haben will. Diese Mädchen sind Abschaum für mich, für nichts zu gebrauchen."
Thomas blickt nervös zur gegenüberliegenden Wand. Ich gehe näher zu ihm und hocke mich vor sein Gesicht. Ich spüre, dass er nervös atmet.
"Wo ist?"
"Im Keller."
Thomas schaut mich jetzt mitten ins Gesicht und ich bemerke, wie gerötet seine Augen sind. Er schaut so richtig scheiße aus.
Ich stehe wieder auf und gehe in Richtung Kellertür. Mein kleiner Bruder versucht nicht mich aufzuhalten. Er weiß, dass er keine Chance gegen mich hat, weil ich viel stärker als er bin. Langsam öffne ich die Kellertür.
Ich werde wach weil jemand die Tür öffnet. Komisch, hatte gar nicht bemerkt, dass ich eingeschlafen war. Vorher hatte ich mich im Keller umgeschaut. War eigentlich gar nicht so schlimm, wie es im ersten Moment aussah. Vielleicht könnte ich hier sogar längere Zeit ohne Probleme verbringen. Nein, so dürfte ich nicht denken. Meine Schwestern hatten bestimmt schon die Polizei gerufen und die würden mich finden. Ich kann mir zwar nicht so ganz vorstellen wie, aber ich würde sicher gerettet werden.
"Hi Thomas. Und wie lange muss ich noch hier drinnen sein?"
Ich öffne langsam die Augen. Das Licht der Glühbirne ist viel zu hell. Dann drehe ich mich um zu Thomas sehen zu können. Doch da steht nicht Thomas. Der Mann, der dort steht, ist älter und seine Haare sind heller, aber sonst sieht er Thomas sehr ähnlich. Jedoch ist sein Gesichtsausdruck anders. Viel ernster und irgendwie voller Hass. Dieser Mann macht mir Angst. Ich kauere mich zusammen. Ich habe Angst, dass er mir was antun will.
"Na, wie war die Nacht mit meinem Bruder. War er ein guter Liebhaber?"
Diese Worte spricht er mit Verachtung aus. Anscheinend ist er Thomas Bruder und mag nicht besonders. Aber was tut er hier und überhaupt, was will er mit mir tun?
"Kannst du nicht antworten Schlampe?"
Seine Worte wurden wütender.
"Ich... Ich...Ich habe nicht die Nacht mit ihm verbracht."
"Haha ja das sagen alle."
Der Mann hat ein schreckliches Lachen. So voller Abschaum. Plötzlich kommt er mir näher. Ich mache mich so klein wie möglich. Er holt ein Messer aus seiner Jackentasche und sieht es voller Ehrfurcht an.
"Mama, Papa, das tue ich für euch."
Er flüstert die Worte so leise, dass ich sie fast nicht verstehe.
"Jetzt wird es so mit dir enden, wie mit all den Schlampen vor dir."
Inzwischen stand er schon so nahe, dass ich seinen ekelhaften Mundgeruch roch. Ich schloss die Augen und Tränen liefen mir Wangen hinunter. Also da war es nun, mein Ende. Zwar nicht das beste Ende, aber was solls. So viele Dinge hatte ich noch nicht erlebt, und nun ist es zu spät. Ich habe noch nie einen Jungen geküsst, oder habe niemals den Eifelturm gesehen. Es gibt noch so viele Dinge die ich sehen will und nun ist es zu spät. Nun ist es aus.
Ein dumpfer Knall ertönt vor mir. Was ist geschehen? Bin ich nun tot? Ich öffne langsam die Augen, und bemerke, dass der Mann am Boden liegt. Er schaut ohnmächtig aus. Aus seinem Hinterkopf quillt Blut heraus. Thomas steht neben ihn. Er hat einen Baseballschläger in der Hand. Auch darauf klebt Blut. Ich muss die Situation erst realisieren. Thomas hat mich gerettet. Doch was würde er nun mit mir tun? Müsste ich weiterhin eingesperrt sein?
"Thomas", flüsterte ich leise
Er sieht mich an. Sein Blick ist sanft. Er schaut zu Boden zu dem Mann und reicht mir dann die Hand
"Komm hauen wir ab bevor er aufwacht."
Etwas zögerlich nehme ich Thomas seine Hand. Zusammen rennen wir aus dem Haus. Er öffnet sein Auto und ich steige auf den Beifahrersitz. Thomas zögert kurz, dann startet er das Auto und fährt weg.
"Darf ich bitte wissen, was hier los ist?"
Ich schaue Thomas an und er blickt kurz zu mir. Dann schaut er wieder auf die Straße.
"Ich hab dir doch erzählt, dass meine Eltern ermordet wurden."
Ich nickte.
"An dem Abend gingen meine Eltern aus. Wir lebten noch nicht so lange hier in der Stadt und meinen Eltern meinten, wir bräuchten einen Babysitter. Ein junge Frau passte auf uns auf. Wir mochten sie nicht, aber auf die Schnelle fanden meine Eltern sonst keinen. Als ich und Leo, also so heißt mein Bruder, im Bett waren hörten wir wie noch jemand zweiter in unserem Haus war. Später stellte er sich als Komplize heraus. Sie gingen durch das ganze Haus und steckten alles Brauchbare ein."
Thomas macht eine kurze Pause. Ich sehe, dass er weint. Er tut mir leid.
"Meine Eltern kamen früher nach Hause. Unsere Babysitterin und ihr Komplize wurden von ihnen überrascht. Und dann hörten wir Schüsse. Die Verbrecher hatten sie... erschossen."
Thomas hält mit seinen Auto an. Wir sind auf einer mir bekannten Straße angekommen. Wir sind ganz nahe an meinem Strand, am Meer und an meinen zuhause. Wir steigen aus und ich überlege was ich machen soll. Ich könnte einfach nach Hause laufen. Ich schaue zu Thomas. Nein, ich kann ihn so nicht alleine lassen und überhaupt weiß ich immer noch nicht die ganze Erklärung. Ich gehe zu ihm und nehme seine Hand. Er lächelt mich an. Dann gehen wir den Strand entlang.
"Und was ist jetzt mit dir und deinem Bruder?"
Er schaut nervös und traurig zu Boden.
"Wir beide verkrafteten den Tot unserer Eltern nicht. Ich lenkte mich mit Mädchen ab und Leo bekam immer größeren Hass auf junge Frauen, da unsere Babysitterin ja unsere... unsere Eltern ermordet hat. Leo hasste es, dass ich Mädchen abschleppte und eines Tages wurde es ihm zu viel. Er stach auf ein Mädchen ein und tötete sie. Irgendwie befreite uns das. Es machte uns wieder naja glücklich. Das ist wahrscheinlich ziemlich krank..."
Ich schaue ihn an. Nein, das glaube ich nicht. Was für einen kranken Menschen halte ich hier blos an meiner Hand. Ich dachte, dass Thomas mich vor seinen Bruder gerettet hätte, aber jetzt weiß ich es wieder was ich unten im Keller schon wusste, aber irgendwie verdrängt hatte. Thomas ist ein Monster. Ich will wegrennen, nach Hause, in Sicherheit. Thomas bemerkt, dass ich weg will und hält mich fest.
"Mit dir ist es anders. Dir könnte ich nie etwas antun. Du sollst immer an meiner Seite sein. Ich liebe dich und ich werde dich immer liebe."
Der Sand unter meinen Zehen fühlt sich gut an. Noch besser fühlt sich die Waffe in meiner Hand an. Ach Thomas, mein dummer kleiner Bruder. Hast du wirklich geglaubt ich weiß nicht wo du deine Schlampe hinbringst? Ich weiß doch, dass der Strand dein Lieblingsort ist. Immer nachdem wir wem umgebracht haben, hast dich hier her gesetzt und stundenlang aufs Meer geschaut. Wie wenn das Meer schlechte Taten einfach so wegspülen könnte, lächerlich. Das böse wird immer in einem bleiben, auch in meinem kleinen Bruder. Ich sehe weiter entfernt Menschen. Ich schätze es sind Thomas und das Mädchen, aber ich erkenne sie nicht genau, da es schon sehr dunkel ist. Schaut aus als wenn sie kämpfen würden. Haha, hat sie ihn also endlich durchschaut. Hat auch recht lange gedauert. Die beiden bemerken mich nicht. Sind wohl zu sehr vertieft in streiten. Ich bin schon ziemlich nahe bei ihnen und bemerke, dass Thomas das Mädchen fest hält. Sie strampelt, aber sie kommt nicht frei. Immerhin haben ich und Thomas schon jahrelange Übung.
"Na Bro, hat sie dich schon durchschaut? Das böse ist eben stärker als deine nette Fassade."
Die beiden sind wie erstarrt als sie mich bemerken.
"L...Leo, was hast du mit der Waffe vor."
Ich schaue zu dem Mädchen.
"Schlampen haben es nicht verdient zu leben."
Ich lächle. Ich spüre das böse in mir. Es macht mich glücklich und frei. Das ist das richtige Leben. Das ist Adrenalin Pur und ich liebe es. Ich gehe weiter zu den beiden und stoße Thomas weg. Das Mädchen steht einfach nur geschockt da. Sie macht es mir leicht. Das macht sie sympathisch. Ich lächle sie an und bemerke, dass sie weglaufen will. schnell halte ich sie am Arm fest und schon ist die Sympathie verflogen.
Plötzlich merke ich, dass Thomas auf mich zu kommt. Wie ein Wilder stößt er mich weg von dem Mädchen und ich lande unsanft auf dem Boden. Ich verstehe meinen Bruder nicht. Wir haben schon doch einen Haufen Mädchen ermordet. Was ist so besonders an dieser einen? Ich finde sogar, dass sie viel hässlicher aussieht als die meisten. Sie ist nichts Besonderes. Nur ein kleines Mauerblümchen. Ihre roten Haare fallen schon etwas auf, aber sonst ist sie nicht besonders hübsch.
Thomas schlägt mir die Waffe aus der Hand und seine Faust landet in meinem Gesicht. Ich spüre wie warmes Blut aus seiner Nase läuft. Das wird er büßen. Verdammt, wo ist meine Pistole. Verzweifelt schaue ich umher aber finde sie nicht. Gut dann muss ich eben auf meine Muskeln vertrauen. ich schaffe es aufzustehen und Thomas niederzudrücken. Wild schlage ich auf ihn ein. Es macht mir Spaß. Mein Bruder krümmt sich vor Schmerz auf dem Boden. Eine Sorge weniger. Ich gehe wieder auf das Mädchen zu. Auf einen dritten und letzten Versuch. Da bemerke ich, dass sie meine Waffe in der Hand hält. Scheiße.
Ich habe einen Mann umgebracht. Ich bin eine Mörderin. Fühlt es sich falsch an? Nein. Es war richtig. Ich bin zufrieden. Ich bin glücklich. Ich bin frei. Was soll ich jetzt machen? Ich weiß es nicht. Ich schaue zu Thomas der blutend am Boden liegt. Ich glaube ich verstehe ihn. Töten macht frei, es macht glücklich und es lässt einem alle Sorgen vergessen. Ich gehe zu Thomas und nehme seine Hand. Er steht langsam und stolpernd auf. Ich nehme ihn in die Arme. Ich glaube es passt. Es ist perfekt. Dieser Moment ist perfekt. All die schrecklichen Erinnerungen an meinen Vater sind vergessen. Thomas streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er lacht. Es ist ein schönes Lachen und nicht dieses gequälte. Ich lache auch. Wir sind glücklich.
Die Sonne geht langsam auf und spiegelt sich im Meer. Es ist wunderschön. Ich bin ein neuer Mensch. Thomas nimmt mein Gesicht in meine Hände und sein Gesicht kommt näher. Also hatte ich es doch noch geschafft meinen ersten Kuss zu bekommen bevor ich sterbe.
Wir schauen auf das Meer. Hier hat alles angefangen und hier endet es auch. Jetzt beginnt mein neues Leben.
Tag der Veröffentlichung: 14.07.2013
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