Teil 2
Kapitel III.
Die Fahrt zum Hotel schien endlos zu sein. Annabel's Körper wurde von ständigen eiskalten Schauern geschüttelt, obgleich es draußen über 30 Grad hatte. Sie war sich nun sicher, dass sie gehörig auf der Hut sein musste. Auf keinen Fall durfte sie Hans unterschätzen, geschweige, ihn aus den Augen lassen.
„Come and experience our beautiful Hotel Lilianfels Blue Mountains. We wish you a pleasant stay. As a surprise we have reserved the bridal suite, and thank you for the information, which you like to spend your honeymoon with us,"
begrüßte sie der Hotelmanager freundlich.
Annabel war geschockt, ließ sich aber nichts anmerken. Sie hatte diesem Hotel nicht mitgeteilt, dass sie ihre Flitterwochen hier verbringen wollten, was ja letztendlich aus zwei Gründen nicht stimmte. Erstens waren sie noch nicht verheiratet und zweitens war dies das Allerletzte, woran sie jetzt noch denken würde. Dieser Zug war abgefahren und sie versuchte „gute Miene zum bösen Spiel“ zu machen und bedankte sich mit den Worten: „That's very nice of you and we are confident, that we will feel very comfortable here. “
Wo nahm sie nur die Kaltschnäuzigkeit her, diesem Hotelheini so aalglatt zu antworten. „Liebling, lass uns hoch in unsere Suite fahren, ich muss mich erst duschen und dann brauche ich dringend eine Mütze Schlaf nach diesem langen Flug und der beschwerlichen Fahrt hier her“, unterbrach Hans ihre Gedanken. „Du hast Recht, mir geht es nicht anders“, stotterte Annabel vor sich hin.
„Ich fasse es nicht, wie riesig ist das denn “rief Hans freudig überrascht und schmiss gleichzeitig sein Hemd achtlos in die Ecke.
„Hoffentlich verschwindet der bald in der Dusche, ich ertrage ihn im Moment einfach nicht mehr, dachte Annabel und ihre Mundwinkel begannen zu zittern. Jetzt holten sie der lange Flug ohne Schlaf und das ganze grauenvolle Projekt von ihrem festen Boden herunter. Sie war fix und fertig und brauchte ein Bett, sonst konnte sie das Ganze hier nicht durchstehen.
Hans stand pfeifend unter der Dusche. Annabel hörte das Plätschern aus dem Badezimmer und fühlte sich im Moment sicher. Da entdeckte sie den entzückenden und herrlich mediterran angelegten Balkon, welch ein Ausblick. Unter anderen Umständen.....ach was... nicht abschweifen Annabel, sprach sie zu sich. Sie konnte einfach nicht in einem Raum mit
ihm sein und beschloss, auf einer der luxuriösen Liegen für eine kurze Zeit die Augen zu schließen. Duschen konnte sie später noch und Hunger hatte sie nicht.
„Welch ein Anblick“, dachte Hans, als er Annabel schlafend auf dem Balkon vorfand. Die Träger ihres Shirts waren heruntergerutscht und hatten fast ganz ihren Busen freigelegt. „Ein wahrhaft erotischer Anblick und eine anziehende und schöne Frau. Es ist schade um sie, “ dachte er. Egal, er wollte nicht mehr länger gegängelt werden und schnell holte ihn seine Misere wieder ein. Alle guten Gedanken wechselten zu Unheilvollen und sein Blick verfinsterte sich augenblicklich.
Ein Gesicht, düster wie die Pforten der Hölle, war das Erste, was Annabel nach ihrem Schläfchen erblickte. Sie erstarrte! Hans schien nicht zu merken, dass Annabel vor ihm stand. Er kritzelte etwas auf einen Zettel, den er sofort in seine Hosentasche verschwinden ließ, als er hoch schaute und seine Augen sich mit Annabel's trafen.
„Nanu, hast du Geheimnisse vor mir?“, Ihr Blick verlangte neben ihrer Frage von ihm eine Erklärung für seine Reaktion. Für einen kurzen Moment spürte sie deutlich seine Verlegenheit, die im nächsten Augenblick einem vieldeutigen Lächeln Platz machte: „Liebling!“, meinte Hans, sich geheimnisvoll gebend, „du hast mich mit deinem Wunsch, unsere Hochzeitsreise vorzuverlegen, überrascht. Bitte erlaube mir, dich ebenfalls überraschen zu dürfen.“ Bei diesen Worten richtete er sich auf, legte liebevoll seine Arme um sie. Annabel spürte bei seiner Berührung, wie sie eine Gänsehaut bekam, sie hatte das Gefühl, als ob der Tod sie in diesem Moment umarmte. Ohne es beabsichtigt zu haben, hatte sich ihr schöner Körper versteift. Das war Hans nicht entgangen. „Was hast du Liebling?“, fragte er augenscheinlich besorgt, „nimmst du es mir Übel, dass ich nicht im Vorfeld verrate, womit ich dich überraschen möchte?“ Annabel schüttelte den Kopf: „Was du gleich denkst, die lange Reise hat mir mehr zu schaffen gemacht, als gedacht. Ich freue mich auf deine Überraschung, was es auch sein mag. Lass uns Essen gehen, langsam bekomme ich Hunger!“
Es war Annabel nicht gelungen, Hans von seinem Vorhaben abzubringen, bei einer Wanderung durch das Jamison Valley – Tal eine Kletteraktion in dessen flankierendes Felsmassiv zu unternehmen. Ihr australischer Führer hatte ihnen abgeraten, die steilen Felsen hinauf zu klettern. Das Wetter, prophezeite er, könnte in den nächsten zwei Stunden umschlagen. Außerdem würden die Götter jeden strafen, der in ihr Reich einzudringen versuchte. Hans hatte gelacht, als dieser sie vor den Göttern warnte, in dessen Reich sie jetzt hinaufsteigen wollten. Annabel konnte sich nicht erklären, wieso sie jetzt all das machte, was Hans wollte. Bisher war es umgekehrt. Seit dem Dinner gestern Abend, an dessen Anschluss sie noch mehrere Gläser Rotwein getrunken hatten, fühlte sie sich wie in einer andren Welt. Sie liebte die Natur, aber steiles Felsmassiv zu erklimmen, war noch nie ihr Ding gewesen. Jetzt, wo sie durch die ungewohnten Strapazen völlig außer Atem ihrem Verlobten immer höher hinaus zu der Plattform auf dem Felsmassiv folgte, wunderte sie sich, dass sie ihm ohne den geringsten Widerspruch bereitwillig folgte. Hatte ihr Hans am gestrigen Abend etwas in ihr Getränk gekippt? Diese Frage ließ sie unwillkürlich den letzten Abend wieder aufleben. Erst jetzt glaubte sie, sich daran zu erinnern, dass er, als sie zwischendurch von der Toilette zurückkam, merkwürdig lächelte. Sie hatte nicht weiter darauf geachtet und wenig später, fiel ihr ein, war ihr richtig eigentümlich zumute gewesen. Sie hatte sich plötzlich frei und schwebend gefühlt, hatte nur noch Hans angeschaut, der mehr oder minder belanglose Dinge erzählte. „Was ist mit dir. Wo bleibst du?“ Die Stimme ihres Verlobten riss Annabel aus ihren Gedanken. Aufblickend, gewahrte sie ihn bereits etwa hundert Meter weiter hinauf und hatte anscheinend die felsige Plattform oberhalb der flankierenden Felsen vom Jamison Valley reicht. Wenig später stand Annabel, noch schwer atmend nach der Anstrengung, neben ihm und ließ ihren Blick über das lang gezogene Tal, über dem nun dicke Nebelschwaden hingen, schweifen. Im nächsten Augenblick erfasste sie unerwartet eine heftige Windböe und drückte sie in Richtung Abgrund. Hastig griff Annabel nach dem Arm von Hans, um sich an ihm festzuhalten. Doch er trat schnell einen Schritt zurück, als er dieses bemerkte. In seinen Augen gewahrte Annabel ein hämisches Grinsen. Er machte nicht die geringsten Anstalten, um sie festzuhalten, obwohl die anfängliche Windböe sich jetzt in Orkanstärke steigerte. Sie konnte sich nicht mehr auf dem felsigen und glatten Untergrund halten: „Hans, bitte hilf mir!“, schrie sie in ihrer Todesangst, den tosenden Sturm übertönend. Als Antwort erhielt sie von ihm ein spöttisches Lachen, welches vom Sturmgebrause schnell verschluckt wurde, obwohl er wenige Meter von ihr entfernt stand. „Bitte hilf mir!“ flehte sie ihn nochmals an in ihrer Not. Es war zu spät. Wie ein Federball wurde sie von der nächsten Orkanwelle gepackt und in die Tiefe geschleudert.
Schweißgebadet wachte Annabel auf. Der neben ihr noch schnarchende Hans ließen ihr bewusst werden, dass alles ein Albtraum gewesen sein musste.
Sie versuchte, erst einmal richtig wach zu werden und ihre sieben Sinne zu ordnen. „Was war das jetzt?“ Ich habe kein Zeitgefühl? Ist noch Nacht oder Früh am Morgen? Und wo ist der verflixte Wecker? Annabel, reiß Dich zusammen, es ist nichts passiert, “ redete sie beruhigend auf sich ein. Wieso sind die Rollos heruntergelassen? Sie war das nicht, das wusste sie. Zuhause bekam sie davon Beklemmungen, deswegen waren die Rollos immer oben. Hans war davon zwar nicht begeistert, duldete es aber still.
Mit einem „Ratsch“ zog sie die Läden hoch und die heftig blendenden Sonnenstrahlen machten sie für einen kurzen Moment blind. Ahh..!
Nachdem Annabel’s Augen sich dem Sonnenlicht angepasst hatten, fand sie auf dem Fenstersims ihr seit gestern vermisstes I-phone. Sie dachte, es verloren zu haben. Uih! Nach 10:00 Uhr, frühstücken wollte sie schon, gerne auch mal alleine. Nach der Dusche und ein wenig dezentem Make up schlich sie sich auf Zehenspitzen aus der Suite und ließ Hans schnarchend zurück.
Sie fand ein herrliches Plätzchen auf der Terrasse und es war das erste Mal, wo sie ihre so genannten vorehelichen Flitterwochen genoss. Sie hatte Hunger! Und das riesige Buffet kam ihr gerade recht. Es gab nichts, was ihren Appetit im Moment verhindern konnte.
Im Gegenteil, für einen kurzen Moment vergaß sie sogar ihre Rachegelüste. Jetzt noch ein wenig Obst und ihr Frühstückensemble war fertig. Auf dem Weg zu ihrem kleinen Tisch konnte sie nicht widerstehen und biss gierig in ein saftiges Melonenstück. Das hätte sie besser gelassen. Im gleichen Moment glitt ihr der prall gefüllte Teller aus der Hand und schlug klirrend auf die harten Terrakottafliesen. „Oh Nein! Das fehlte gerade noch!
Sofort waren zwei Kellner zur Stelle. „Das tut mir leid, darf ich ihnen behilflich sein?“ Ein weiterer gut gekleideter Herr reichte ihr seine frische weiße Stoffserviette und blinzelte sie freundlich an. „Darf ich helfen? Ich möchte mich nicht aufdrängen“, sagte er mit einem schelmischen Lächeln im Gesicht. Bitte machen sie mir die Freude und lassen sie mich ihr Frühstück neu zusammenstellen?“ Annabel war total überrumpelt und setzte sich auf ihren Allerwertesten. Im Nu war der junge Mann zurück und zu ihrem Erstaunen lagen kurioserweise haargenau die gleichen Dinge auf den Teller, die sie sich vorher detailliert ausgesucht hatte. Das konnte sich kein Mensch merken. Es sei denn, sie stand schon vorher unter seiner Beobachtung. Annabel ließ das keine Ruhe und fragte ihn. „Mein Name ist Annabel Pressler. Vielen Dank für ihre freundliche Hilfe.“ Oh Entschuldigung, ich vergaß mich ihnen vorzustellen. Mein Name ist Mark Schelter, unterbrach er sie einfach. „Bitte sagen sie mir, wie konnten sie sich diese Dinge so schnell merken. Da fehlt nichts, auch nicht die kleine Feige, die ich mir zum Schluss noch auf den Tellerrand gelegt hatte?“ „Darf ich mich zu Ihnen setzen Annabel?“ Das war seine Art, auf solch eine Frage zu reagieren, nämlich gar nicht.
„Warum nicht, der Tag fing heute merkwürdig an und geht scheinbar so weiter“, und Abwechslung kann ich im Moment gut gebrauchen.
„Es lässt sich ziemlich simpel erklären! Ich bin von Beruf Privatdetektiv und habe glücklicherweise die Gabe eines fotografischen Gedächtnisses, was mir in meinem jetzigen Berufsleben von erheblichem Nutzen war.“ „Und was machen sie hier? Sind sie auf Urlaub oder beruflich in diesem Hotel? „Na ich würde sagen, ein wenig von Beidem, ich spreche ungern über meine Arbeit“, brummelte Mark undeutlich vor sich hin. „Ein Schnüffler sind sie und ich hoffe nicht, einer von der billigen und üblen Sorte“, entgegnete Annabel mit leicht feindseligem Unterton. „Ich darf sie beruhigen, meine Wenigkeit gehört noch zur seriösen Gattung. Außerdem arbeitete ich davor 20 Jahre als Kommissar in Wiesbaden und davon die beiden letzten Jahre in Gießen im schönen Hessenländle.“
„Das kann kein Zufall sein, oder, “ dachte Annabel verunsichert. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Nun folgte nur noch ein belangloser Smalltalk und gerade als sie sich anschickte, der Plauderei ein Ende zu setzen, fasste sie jemand bei der Schulter. Sie drehte sich erschrocken um und blickte in die Augen ihres so genannten Bräutigams.
„Na, mein Schatz, konntest wohl nicht auf mich warten, was?
Zwei eisige Augenpaare gruben ihre Blicke ineinander und Annabel erschrak zutiefst. Kannten sich die Beiden?
Fortsetzung folgt
Texte: ZWEITER TEIL
Design & Gestaltung
Roswitha Wilker
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Tag der Veröffentlichung: 12.12.2011
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