Hoffentlich konnte er ein gutes Carpaccio überhaupt schätzen, na ja, wie auch immer, jedenfalls zeigt ihm das doch, dass ich, was die gute Küche anbelangt, nicht gerade unbedarft bin.
Wir hatten uns an meiner Tankstelle getroffen, ausgerechnet eine Tankstelle und ich musste in mich hineingrinsen.
Ich stand vor dem Regal und suchte das passende Motoröl für meine Kiste. „Mist, hier blickt doch kein Mensch durch“, murmelte ich ärgerlich vor mich hin.
„Hallo schöne Frau, kann ich vielleicht behilflich sein?“ Ich drehte mich um und schaute in ein blitzendes Paar blaue Augen. Wow, ich bekam kein Wort raus. „Ich…Ich suche das passende Öl für mein Auto“ und eine halbe Stunde später saß ich mit ihm bei einem Espresso in einem Café um die Ecke.
Wir tauschten unsere Telefon-Nummern aus und verabredeten uns zum Abendessen. Nein, nicht etwa im Restaurant, sondern gleich bei mir zu Hause, als ob das völlig normal sei.
Jetzt kochte ich schon für ihn. Mein Tempo überraschte mich selbst.
Na, wenn das mal nicht viel zu übereilt war. Keine Ahnung welches Teufelchen mich da geritten hatte. Egal, wenn er mich nervt, schmeiß ich ihn raus. Augen zu und durch.
Trotzdem, ich war nervös, wie ein kleines Schulmädchen. Verflixt, ich muss den Weißwein aus dem Gefrierschrank nehmen, bevor mir die Flasche platzt.
Ich ließ noch einmal einen Blick durch meine Wohnung schweifen.
Ein mediterraner Faden zog sich durch alle Zimmer.
Vanillegelbe Stores rahmten die beiden großen Fenster zur Terrasse hin und auf dem hellen Parkettboden stand ein großer rechteckiger Esstisch, durch den gut das chinesische Muster des Seidenteppichs zu erkennen war.
Auch die alten Stühle hatte ich mit cremefarbenen Leinenhussen wieder total neu aufpoliert.
Den Tisch war richtig edel eingedeckt. Große silberne Platzteller und der kürzlich erstandene Kerzenleuchter gaben dem Tisch etwas Majestätisches.
Schließlich musste ich ja Eindruck schinden. Nun noch schnell das gute Geschirr und die Stoffservietten dekorieren; fertig und ich war ganz zufrieden mit dem Ergebnis.
Jetzt aber dalli, ich muss mich ja noch umziehen. Schließlich wollte ich ihm ja nicht in der Schürze die Tür öffnen.
Vor einer Woche war ich mit Kathi shoppen und ergatterte ein unglaublich schönes, aber auch sündhaft teures Etuikleid in karminrot.
Hinterher plagte mich das schlechte Gewissen, 450 Euro nur für einen Fetzen Stoff, ich musste doch komplett verrückt sein. Doch jetzt wusste ich, alles war Vorsehung.
Ich hab zwar den Schrank voll von „Nichts anzuziehen“, aber welche Frau kennt dieses Problem nicht!?
Schnell noch die Halterlosen und dann rein ins neue Kleid. Schuhe???? Ach du meine Güte, an die hatte ich ja gar nicht gedacht. Das Schuhregal war prall gefüllt und manche standen schon übereinander. „Na und, eine Frau, die was auf sich hält, braucht eben zu ihren Outfits auch die passenden Schuhe!“
Kurz entschlossen entschied ich mich für die kleinen schwarzen italienischen Treter, vorne offen und hinten offen. Dies hat den Vorteil, schnell rein- und rausschlüpfen zu können, natürlich ganz ohne Hintergedanken.
So hatte ich auch völlig gedankenlos mein Bett mit gelber Seidenbettwäsche bezogen. Sie ist zwar unangenehm kalt aber dafür traumhaft schön.
Es gibt Situationen, wo das völlig egal ist, wobei ich diese natürlich in keinster Weise in Betracht gezogen habe. Nur für alle Fälle, man weiß ja nie…...
Jetzt aber flott ins Bad! Die langen schwarzen Haare hingen mir wirr um den Kopf und ich hatte keine Lust, den Fön noch einmal zu benutzen. Außerdem steht mir das Haar hochgesteckt wesentlich besser. „Sieht viel erotischer aus“, sagt Kathi und die ist auf dem Gebiet wirklich unschlagbar.
Ich nehm’ den roten Lippenstift, der bringt mein Kleid so richtig zur Geltung, bisschen gewagt, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
An meinen großen braunen Kulleraugen brauchte ich nicht viel zu machen, etwas Wimperntusche, das reicht und nun noch ein wenig Puder auf die Wangen, fertig.
Mit dem Ergebnis war ich sehr zufrieden.
Beinahe hätte ich das Wichtigste vergessen, eine Frau ohne Duft, ist wie eine Kerze ohne Docht. Du kannst das Streichholz so lange dranhalten, wie du willst, aber brennen wird sie trotzdem nicht.
„Moonlight“, ja den nehme ich, nicht zu schwer, aber trotzdem sehr verführerisch…!
Geschafft, noch einmal ein Blick in den Ofen werfen, das Gratins ist gleich fertig,
Carpaccio und Getränke kalt gestellt.
* * *
Ich setzte mich noch einen Moment an die kleine Cocktailbar und genehmigte mir schon mal zur Einstimmung einen kleinen Martini. Für diese Extravaganz musste ich mich von meiner Sitzgarnitur trennen. Aber ein Sofa reicht auch völlig für meine Bedürfnisse.
Den alten Ohrensessel, den ich so liebe, habe ich natürlich behalten. Außerdem erinnerte er mich immer an meinen Großvater. Mein ganzer Stolz war der venezianische Spiegel. Er war für mich wie ein magischer Punkt.
.
Irgendetwas habe ich vergessen…..hmmm…. aber was? Ja, jetzt fiel es mir ein, es herrschte eine Stille, wie im Kloster. Schnell überflog ich mein CD-Regal und entschied mich für Georg Gabler, genau das passende für dieses kleine Dinner.
Keine Minute zu Früh, es klingelte, schnell noch einen letzten Blick in den Spiegel und wie sagt man so schön „let the show begin“! Ich lugte durch den Türspion, ja er war es tatsächlich.
Nicht sofort aufmachen, eins, zwei, drei, vier, dann drückte ich die Türklinke herunter und vor mir stand eine Mischung von Georg Clooney und Antonio Banderas. Sein blaues Hemd unterstrich noch die Wirkung seiner Augen. Er war sportlich gekleidet, dunkelblaue Jeans und sein Sakko hing mit einem Finger gehalten salopp über seiner Schulter. In der anderen Hand hielt er einen exotischen Frühlingsstrauß und knüllte gekonnt gleichzeitig das Papier zusammen.
„Vielen Dank für die spontane Einladung Lena! Wir waren doch schon beim Vornamen, oder?“ Er wartete erst gar nicht meine Antwort ab.
„Ich glaube, ich stehe im Halteverbot, however, Deine Einladung ist mir mehr als ein Strafzettel wert“.
„Schön, dass Du da bist, komm bitte rein und nimm Dir schon mal einen Drink an der Bar,
bin gleich zurück, muss nur kurz in die Küche!“
Erst mal meine Emotionen runter fahren, meine Güte, wirklich ein Knaller von einem Kerl. Der hat doch bestimmt eine Freundin, oder mehrere, keine Ahnung, aber das werd’ ich mit Sicherheit aus ihm rausquetschen und zwar, bevor ich mich noch restlos in ihn verknalle.
Andererseits bin ich ja selbst seit ein paar Monaten solo und sehe auch nicht aus wie eine Vogelscheuche. Also erst mal ruhig Blut und abwarten.
Ich blinzelte durch den Türspalt und sah, wie er sich genüsslich mit den Fingern über seinen Dreitagebart strich, welcher ihn noch männlicher erscheinen ließ. Er nippte an seinem Whisky
und ließ seine Blicke durch mein Wohnzimmer streifen.
„Na, gefällt es Dir?“ Ein wenig stolz war ich schon auf meine Wohnung.
„Sehr stilvoll und gemütlich, meine Liebe. aber ich hatte auch nichts anderes erwartet.
Laß uns anstoßen auf diesen schönen Moment.“ Er legte seinen Arm wie selbstverständlich
um meine Hüften und reichte mir mein Martiniglas. „Cheers Martin, auf einen schönen Abend. Hoffentlich hast Du ein wenig Hunger mitgebracht, das Dinner ist gleich fertig.“
„Im Übrigen hat dies hier echt Premiere, mich so schnell zum Abendessen verabreden, ist eine Sache, aber dann noch zu mir nach Hause, ist eigentlich nicht mein Stil. Also komm ja nicht auf den Gedanken, dass dies bei mir Usus ist.“
„Genießen wir doch einfach den Abend Lena“ und er drückte mich noch ein wenig intensiver an sich.
Wir plapperten noch ein wenig übers Wetter und andere Lappalien, bevor wir uns am gedeckten Tisch nieder ließen. Martin saß mir gegenüber, seine Hände glitten langsam über die seidene Tischdecke, sanft, fast wie ein Streicheln. Er sah mich einfach nur an, ohne ein Wort zu sagen. Diese prickelnde Stille machte mich nervös und meine Nasenflügel zitterten. Ich hasste diese verräterische Auswirkung meiner Gefühlswelt.
„So langsam rebelliert mein Magen“, sagte ich auf dem Weg zur Küche.
Mit wenigen Handgriffen servierte ich, selbstbewusst lächelnd, die Vorspeise und Martin
schenkte den Wein ein, immer noch schweigend. Es machte mich schier wahnsinnig, dass ich ihm nicht in den Kopf schauen konnte. Was ging in ihm bloß vor, wo nahm er diese unverschämte Ruhe her. Vielleicht war das für ihn alles Routine?
Er erhob sein Glas, reichte mir gleichzeitig das meine mit dem Satz: „Zum Wohl und ein Hoch auf die Gastgeberin, Carpaccio steht auf meiner kulinarischen Liste ganz oben. Ich hoffe, dass dies der Auftakt für einen bezaubernden gemeinsamen Abend wird.“
Ganz schön geschwollen, dachte ich so bei mir, aber irgendwie gefiel es mir trotzdem.
Seine Art war einfach anders, und ich wollte mehr wissen.
Dass ich meine Brötchen damit verdiene, Leuten, die keinen Geschmack haben, aber dafür das nötige Kleingeld, ein elitäres Ambiente zu schaffen, wusste er schon. Aber bisher hat Mister „Unbekannt“, was seinen Beruf anging, erfolgreich geschwiegen.
Du bist schon eine Ausnahme Lena, normalerweise lautet eine der ersten Fragen der „Was-muß-ich-von-ihm-Wissen-Checkliste:“ Ach ja, was ich noch fragen möchte, was machst Du eigentlich beruflich?“
Oh Gott, da hat er sich’s ja gerade mal in meinem Gehirn gemütlich gemacht und ich beteuerte mit leicht angehobenen Augenbrauen: „Weißt Du Martin, ich suche kein Bankkonto auf zwei Beinen, kann mich sehr gut selbst versorgen!“
So, das hat gesessen, damit sind erst mal die Fronten geklärt, mein Lieber, und freute mich über diesen kleinen Sieg im ersten Abschlag.
Hab ich Dir eigentlich schon gesagt, wie umwerfend und bezaubernd Du aussiehst, Rot ist absolut Deine Farbe. Bei manchen Damen wirkt diese Farbe aufdringlich und vulgär. Aber Du siehst darin eher unnahbar und doch unglaublich sexy aus, wenn ich das einfach mal so ´en passent` sagen darf?“
Hmmm, was war das denn für ein merkwürdiges Kompliment und er überging völlig meine Äußerung, dennoch hörte ich mich sagen: “Vielen Dank, sehr schmeichelhaft“ mit einem leicht heruntergezogenen Mundwinkel.
Die Paninis werden kalt, dann sag ich doch einfach mal: „Guten Appetit Martin“ und hoffte,
nicht aus dem Gleichgewicht meines Selbstbewusstsein-Gerüstes zu fallen.
Wir schauten uns hin und wieder liebevoll an, doch meistens bohrte sich unser Blick auf den
eigenen Teller und ab und zu warfen wir uns einige zeitgemäße intelligente Dinge zu, wie zum Beispiel: „Das was gestern war, ist Vergangenheit. Was Morgen ist, bleibt ein Geheimnis. Aber was heute ist, dass ist ein Geschenk“ oder „Freiheit bedeutet Verantwortlichkeit. Das ist der Grund, weshalb die meisten Menschen sich vor ihr fürchten.“
Das Ganze lief unter Abtasten unserer Persönlichkeit und diente letztlich als Ablenkung
unserer wirklichen Gedanken.
FORTSETZUNG FOLGT
Tag der Veröffentlichung: 24.05.2011
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