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Mütter waren auch mal Mädchen

Allgemein wird immer wieder gerne behauptet, dass Mütter und Söhne besser miteinander auskommen, als Mütter und Töchter … bei den Vätern sei es genau umgekehrt. Da scheint was dran zu sein - denn Söhne tendieren meist mehr zur Mutter, während die Töchter eher an ihrem Papa hängen. Dazu gibt es Untersuchungen und Fallbeispiele en masse.

Was macht es so schwer, mit seinesgleichen klar zu kommen?

Mir sagte mal eine Mutter in der Therapie fast vorwurfsvoll: "Was sich meine Tochter alles erlaubt und einfach so macht - da kann man ja echt nur neidisch werden, das hätte ich mich nie getraut!"

Tja, Mütter waren eben auch mal Mädchen .... 

 

Wenn ich mir das mal genauer in meiner Familie anschaue, war und ist es bei uns, bis auf kleine, aber wichtige Ausnahmen, nicht viel anders gewesen.

 

Also heißt es dann logischerweise: Mütter tendieren meist mehr zu ihren Söhnen, während die Väter eher ihre Töchter bevorzugen?

Das habe ich mir mal genauer in meiner Familie angeschaut und war erstaunt, dass diese Konstellationen, bis auf kleinste Ausnahmen, auch bei uns in der Familie genau so stattgefunden hatten.

 

Mein Verhältnis zu meiner Mutter Lilo war, seit ich denken kann, eher ein Nichtverhältnis und, so erfuhr ich bald, sie und ihre Mutter Sybille fanden ebenfalls nie einen Draht zueinander und gingen sich, so gut es eben möglich war, aus dem Weg.

Auch gab es immer wieder Differenzen zwischen meiner Großmutter Ricarda und ihrer Tochter Gisela, während KG, ihr Sohn und später mein Vater, wohl alles richtig machte und nach Strich und Faden verwöhnt wurde. Bis dahin stimmt die These ... 

Aber nun mal von Anfang an:

Meine Großmutter Sybille mütterlicherseits war die Jüngste von vier Mädels und der Vater verwöhnte sein Quartett über alles. Von ihrer Mutter hat sie nie etwas erzählt, obwohl ich sie später mal danach gefragt hatte.

Dafür schwärmte sie noch jahrelang immer wieder von ihrem Vater, der seinen Töchtern wohl jeden Wunsch erfüllte. 

 

Dagegen war mein Vater KG wiederum der Liebling seiner Mutter Ricarda, die ihn mit aller Macht auf seinem Weg zum Pianisten förderte. Obwohl die zwei Jahre jüngere Tochter Gisela offensichtlich mindestens ebenso so gut, wenn nicht sogar besser, Klavier spielen konnte, bekam sie von ihrer Mutter nicht die notwendige Unterstützung, um sich weiter zu entwickeln.

Pech für die Tochter, weil ihr Vater (Karlchen oder auch Daddy genannt) dauernd auf Achse war und in den entscheidenden Jahren nicht zuhause in Berlin, sondern irgendwo in fremden Ländern rumkurvte.

 

Deswegen – so sehe ich das inzwischen – stürzte sich ihre Tochter Gisela nach Kriegsende, aber noch in der Besatzungszeit in Berlin, in ein Verhältnis mit einem der englischen Soldaten und zog mit ihm sobald als möglich nach England, was anfangs für sie als Deutsche sicher nicht leicht war.

 

Aber dort erkannten ihr Mann und die Schwiegereltern ihr musikalisches Talent, unterstützten sie und sie nutzte die Chance, Klavier und Orgel richtig zu erlernen und zu spielen und ist noch heute, mit ihren 91 Jahren, in einem Chor aktiv. 

Die Mutter meiner Mutter

Sybille wurde 1899 in Neuss als viertes Mädchen in eine reiche Kaufmannsfamilie geboren. Sie war mit Sicherheit eine kleine verwöhnte Prinzessin, denn ihr Vater liebte und verwöhnte seine drei älteren Töchter und vor allem das süße Nesthäkchen Bella ganz besonders.

Mit vierzehn Jahren wurde sie „damit der kleinen Prinzessin Anstand und Sitte für die ‘hütere Gesellschaft‘ beigebracht wird“, für einige Jahre in ein Schweizer Mädcheninternat gesteckt. Dort lernte sie, wie sich eine zukünftige Heiratskandidatin aus gutem Hause wohl am besten zu präsentieren hat, um den erwünschten Ehemann zu ergattern.

Neben der französischen Sprache, Unterricht in allen Handarbeitsformen, Tanz- und Bewegungslehre, ein wenig Musik- und Klavier, wurde Blumenschmuck arrangiert, Dekorationen vor allem auch für größere Gesellschaftsereignisse entworfen und angefertigt und natürlich wurde Wert auf perfekte Manieren gelegt. Wenn die Mädchen imstande waren, einem großen vornehmen Haus vorzustehen, gelernt hatten, mit Personal umzugehen und fähig waren, große Gesellschaften zu geben, wurden sie beim nächsten Debütanten Ball der Gesellschaft und natürlich auch den Herren der Schöpfung vorgestellt.

 

Da Sybille absolut dem damaligen Schönheitsideal entsprach, wurde sie nur Bella (die Schöne) genannt. Die Verlobung mit Hans, dem angehenden Doktor der Medizin, war zwar standesgemäß, aber ansonsten passten sie so ganz und gar nicht zusammen. Hans war eher ein Naturbursche und sehr bodenständig, liebte das Martialische, die Jagd, deftige Kost in vielerlei Hinsicht und leider bald auch die kranken Fantasien eines Hitlers und seiner Schergen.

 

Am Scheitern der Ehe konnte auch die kleine Tochter Lieselotte nichts ändern. Sybille vermisste ihr Zuhause, nichts von dem, was sie mal erlernt hatte, wofür sie jahrelang in der Schweiz gedrillt und ausgebildet wurde, konnte sie bei ihrem Mann Hans umsetzen, denn der machte sich nichts aus diesem Brimborium, wie er es nannte. 

Denn er kam aus einem Handwerksbetrieb, hatte zwar Medizin studiert, aber nicht, wie man sich in der vornehmen Gesellschaft bewegt.

 Sybille verliebte sich in einen anderen, den wesentlich feinsinnigeren Violinisten Paul, der entschieden besser zu ihrem Feingeist passte. Hans forderte seinen Rivalen, den er 'Fidelfritze' nannte, zum Duell, aber der "Feigling" erschien nicht auf der Waldlichtung.

So legte Hans zum Abschied von Frau und Tochter mit seiner Jagdwaffe eine saubere Zirkusnummer hin und schoss einige Löcher rundherum in den Türrahmen, durch den Sybille samt vierjähriger Tochter Lilo auf dem Arm auf und davon eilte und auf Nimmerwiedersehen zunächst in ihr eigenes Elternhaus entschwand.

Das imponierte seiner Tochter Lilo offensichtlich sehr, denn sie, nicht etwa meine Omi, erzählte es mir mal und ein gewisser Stolz auf ihren tollen Vater war nicht zu überhören. 

 

Sybilles zweite Ehe mit Paul, lief lange Jahre bestens. Die schönen Künste standen wieder mehr im Vordergrund, damit auch die gesellschaftlichen Ereignisse. Getoppt wurde das Ganze mit Pauls Berufung ins Salzburger Festspielorchester und vor allem vom Umzug nach Salzburg war Sybille mit Sicherheit hellauf begeistert. Die Harmonie im Hause wurde in erster Linie wohl nur durch die meist aufmüpfige Tochter gestört und ich nehme an, dass Sybille mit Lilo so manchen Kampf ausfechten musste. Zwischen Mutter und Tochter gab es eigentlich nur Zank und Streit.

 

Frieden kehrte wohl erst wieder ein, als Lilo mit knapp siebzehn Jahren Salzburg verließ und zu einer Schwester Ihrer Mutter nach Berlin zog, um dort eine renommierte Modefachschule zu besuchen. Und ich frage mich noch heute, wie konnte eine Mutter Ende 1941 oder Anfang 42 mit ruhigem Gewissen ihre Tochter in dem Alter bereits zu Kriegszeiten soweit fort gehen lassen?

Auch wenn es damals in Berlin noch relativ ruhig war, machte sie sich keine Sorgen? War sie zu schwach, um die eigensinnige und trotzige Tochter zu bändigen oder so eigennützig und froh, dass Lilo endlich weg war und sie in Ruhe ihr damals noch vergnügliches und komfortables Leben genießen konnte?

 

In Berlin treffen dann Lilo und KG aufeinander, als sie fasziniert einem jungen Pianisten zuhört, der im KaDeWe auf einem Bechstein - Flügel die Mondscheinsonate spielt.

Als Lilo von Berlin aus im Herbst 43 verlobt und schwanger quer durch das Land in Salzburg wieder auftauchte, wurde sie dort nur kurz aufgenommen und gleich gen Süden nach Mauterndorf weitergereicht oder eher abgeschoben, damit sie dort in einer der von SS-Chef Heinrich Himmler gegründeten Lebensbornstätten ihr Kind bekommen konnte.

 

Auch das gibt mir nicht das Gefühl eines liebevollen Miteinanders zwischen Tochter und Mutter, die mit dieser Abschiebung offensichtlich die zu frühe Schwangerschaft ihrer Tochter in ihren Gesellschaftskreisen verheimlichen will. Ob auch geplant war, das neugeborene Kind, wie in diesen Nazigeburtshäusern üblich, dann zur Adoption freizugeben, weiß ich allerdings nicht.  

Meine Mutter und ich

Auch wenn darüber nie gesprochen wurde, in einem alten Tagebuch meiner Mutter, das ich später fand, war zu lesen, dass sie erst Ende Februar 44 wieder in Salzburg war, dort nur kurz verweilte und sich dann mit mir auf den Weg nach Berlin machte. Es muss eine grauslige 'Reise' gewesen sein, um durch das Kriegsgeschehen irgendwie durchzukommen - zudem sie mit mir im Stuttgarter Bahnhof auch noch festgenommen wurde, da sie als Jüdin eingestuft wurde - und erst durch die familiäre Ahnentafel, die ihr Vater sobald als möglich vorlegte, wieder aus dem Lager entlassen wurde. 

Endlich in Berlin, heirateten meine Eltern Lilo und KG  - beide noch nicht volljährig zur damaliger Zeit. 

 

Gleich nach Kriegsende 1945 wurden Sybille und Paul mit Schimpf und Schande aus Salzburg verjagt und landeten in NRW auf einem Bauernhof in einer winzigen Dachwohnung. 

Kurz drauf muss Lilo ihren Mann mit einer gemeinsamen Freundin in flagranti erwischt haben – sie haute ab und ließ mich in der Obhut ihrer Schwiegermutter, meiner Omi Ricarda.

 

Meine erste klare Erinnerung an meine Mutter habe ich erst mit etwa vier Jahren: sie ging mit mir eine fremde Straße entlang, in ein fremdes Haus, in eine fremde Wohnung und ich musste einem fremden Mann, der Klaus hieß, die Hand geben und zu ihm Papi sagen. Ich verstand das damals nicht, ich hatte doch einen Papa, wieso denn noch einer, der mir völlig fremd war.

Lilo hatte wieder geheiratet und wir wohnten nun zusammen mit diesem Mann in zwei Zimmern in einem Mietshaus. Wieder verblassen die Erinnerungen an meine Mutter, weiß nur noch, dass ich immer schwer beschäftigt war, diesem schrecklichen und angsteinflößenden Klaus irgendwie aus dem Weg zu gehen. Es gab noch einen Umzug in eine schönere Wohnung und gar bald danach verließen wir Berlin. Aufbruch in ein völlig anderes Leben.

 

Denn Lilos Vater Hans beorderte seine Tochter samt Mann und Maus nach Werne in NRW, durch den Tod seiner zweiten Frau brauchte er jemanden für den Haushalt. War das wohl die richtige Entscheidung für sie? Ich weiß es nicht. Natürlich war damit die Existenz der Familie mehr als gesichert, aber sie ging damit noch ein weiteres Abhängigkeitsverhältnis ein.

So wie sie sich später sehr häufig äußerte, projizierte sie dieses Abhängigkeitsgefühl jedoch in erster Linie auf mich: ich hätte ihr mit meiner Geburt alles versaut, ihren Traumberuf, ihren Traummann, ihr Traumleben.

 

Dass sie und ihr Mann vor allem finanziell und von den wechselnden Launen ihres Vaters abhängig waren, dass sie sich zugleich der Pedanterie ihres Mannes unterwarf, sah sie es nicht oder wollte sie es nicht sehen? Hatte sie eine Wahl?

 

Sie stand dem gesamten Haushalt vor, hatte ein Dienstmädchen im Hause, außerdem eine Wasch- und Bügelfrau. Gut, das Haus war groß, der Garten war größer, seltsamerweise gab es keinen Gärtner. Hühner und die Schar der Jagdhunde meines Großvaters waren zu versorgen.

Aber im Prinzip schob sie eine eher ruhige Kugel und saß nachmittags nach ihrem obligatorischen Mittagsschläfchen auf der Couch, las, rauchte und trank Kaffee. „Bitte nicht stören“ stand unsichtbar, aber gut lesbar schon auf der geschlossenen Wohnzimmertür und spätestens auf ihrer Stirn.

Ein weiterer Rückzugsort war das Schlafzimmer, wenn sie ihre sog. Migräne pflegte, nur wusste ich als Kind nicht, was das war, was mit ihr los war und auch als man mir das Wort nannte, war ich so klug als wie zuvor. Bis mich irgendwann mal unsere Arzthelferin aufklärte.

 

So kannte ich sie, so habe ich sie in Erinnerung. Unerreichbar, leidend. Wir hatten uns selten was zu sagen, konnten nichts miteinander anfangen.

 

In ihrem Element war sie allerdings, wenn sie nähte. Wenn ich von ihr auch keine positiven Gefühle und keine Nähe bekam, mit Kleidern, Röcken, Hosen, Mänteln wurde ich wärmstens eingedeckt. Und die größte Nähe, die ich je zu ihr bekommen konnte, entstand immer dann, wenn ich auf dem Küchentisch stand und sie meine Rocksäume absteckte. Gesprochen wurde auch dann nicht miteinander, denn sie hatte ja den Mund voller Stecknadeln.

 

Im Prinzip, das weiß ich heute, hatte meine Großmutter Sybille ein ähnlich distanziertes und ambivalentes Verhältnis zu ihrer Tochter wie meine Mutter zu mir. Da ich in den meisten Schulferien zu meiner Großmutter und Onkel Paul gebracht wurde, arrangierte Lilo den Besuch in Dortmund immer so, dass irgendein Bekannter von Ihnen mitfuhr. Sie wäre nie allein mit mir gefahren, sondern brauchte immer jemanden dabei, der durch seine Anwesenheit dafür sorgte, dass sich Sybille in der Stunde Kaffeezeit mit dem Fremden beschäftigte und somit Mutter und Tochter sich nicht in die Wolle bekamen …

 

Das Verhältnis zu Ihrem Vater Hans war dagegen völlig in Ordnung. 

Auch wenn das Zusammenleben nicht immer einwandfrei funktionierte, Hans fand – genau wie ich - zum Beispiel keinen sonderlichen Gefallen an Klaus, diesem 2. Mann meiner Mutter und somit meinem Stiefvater … aber mein Großvater war ein Segen für meine Mutter und vor allem für mich.

Ich behaupte sogar mal, dass diese neue Ehe auch bald in die Hosen gegangen wäre und meine Mutter wieder das Weite gesucht hätte – aber so, mit ihrem Vater als Garant und Fels in der Brandung, fand sie für sich und ich für mich ausreichend Halt und Sicherheit, um zu bleiben. Wäre sie notgedrungen zu ihrer Mutter gezogen, hätte das, da bin ich mir sicher, nie und nimmer gut gehen können.

 

So ab meinem 12. Lebensjahr hatten meine Mutter und ich allerdings auch einen besonderen Tiefpunkt, der Auslöser war nach meinem Empfinden lächerlich. Ich hatte vergessen, ihr gebührend zum Muttertag zu gratulieren und ihr irgendeinen Blumentopf oder was auch immer zu besorgen. Heute ist mir klar, dass ich zu dieser Zeit, massiv pubertierend, ziemlich krass drauf war.

 

Fast ein Jahr haben wir uns kaum noch beachtet und sind uns aus dem Weg gegangen – wir sprachen nicht mehr miteinander bzw. nur, wenn es sich überhaupt nicht verhindern ließ. Es flogen auch keine Gegenstände durch die Luft, höchstens giftige Blicke. In diesem Hause wurde ohnehin viel geschwiegen. Es krachte nicht, man schimpfte nicht, man wurde nicht laut – man wurde allenfalls leise, sehr leise und stumm.

 

Und dummerweise habe ich genau dies übernommen … ich kann auch heute noch nicht vernünftig streiten oder widersprechen, mein Widerspruch ist sprachlos, ich drehe mich um und gehe – wie meine Mutter.

 

Begegnungen vermieden wir so gut als möglich und gratulierten uns weder zum Geburtstag noch zu sonst irgendwas und Geschenke gab es in dieser Zeit natürlich auch nicht.

Da ich an den Feiertagen und Ferien eh bei meiner Omi in Dortmund oder bei meinem Vater in Hamburg oder Berlin war – fiel das nur intern auf. Unvermeidbare Fragen oder Ansagen liefen über unser Hausmädchen oder über Ada, der Sprechstundenhilfe meines Großvaters.

 

Dafür trat mein Vater KG immer intensiver in meinen Mittelpunkt. Durch seine vielen Konzertreisen quer durch Deutschland kam ich oft in den Genuss, mit meinem ‚richtigen‘ Papa zusammen zu sein und das bedeutete nicht nur willkommene Abwechslung vom Leben in einer Kleinstadt, sondern gab mir das Gefühl, von ihm geliebt und geschätzt zu werden. Bei ihm fühlte ich Nähe und Vertrautheit und wenn er bei einer meiner Ballett- oder Tanzauftritte extra aus Hamburg oder Berlin kam, wusste ich, dass er stolz auf mich ist - und das konnte mir niemand nehmen!

 

Mit ihm war ich auch immer wieder mal in Berlin bei meiner Omi väterlicherseits und lernte dort im Haus mit gut 17 Jahren meinen zukünftigen Mann kennen. Außer meinem Vater und meiner Schwiegermutter, jubelten alle, so habe ich es empfunden. Meine Schwiegermutter tat sich verdammt schwer, ihren geliebten Sohn auch noch loszulassen, zumal ihr Erstgeborener bereits schon einige Jahre verheiratet war und sie über ihre Schwiegertochter wahrlich kein gutes Haar ließ. Bei ihr hatte ich immer – all die Jahre – das Gefühl, als hätten wir bösen Schwiegertöchter ihr alles, was ihr wirklich wichtig war, weggenommen.

 

'Was dem einen Leid, war des anderen Freud‘ – Dafür machte mein zukünftiger Schwiegervater einen inneren Luftsprung vor Freude über seine Schwiegertochter in spe. Er, der mich ja schon als Kleinkind kannte und wohl immer derjenige war, der sich bei jedem Bombenalarm nicht nur um seine beiden Jungs, sondern auch darum kümmerte, dass ich so schnell als möglich runter in den Luftschutzkeller kam, strahlte nur noch.

 

Auch meine Mutter war mit Sicherheit heilfroh, mich ‚unter der Haube‘ zu wissen – sprich: endlich los zu werden. Und ich?

Ich war einfach nur happy und stolz – einen so tollen Mann an meiner Seite zu wissen, der gefühlten Enge meines Zuhauses entfliehen zu können, ein freies und interessantes Leben vor mir zu haben und vor allem nicht mehr irgendwie von meiner Mutter abhängig zu sein.

Fazit

Heute ist mir natürlich klar, dass all meine Hoffnungen einen gewaltigen Denkfehler enthielten – denn nun war ich, damals noch nicht mal volljährig, von meinem sechs Jahre älteren Ehemann abhängig und ein gutes Jahr später für meinen Sohn verantwortlich.

 

Knapp vier Wochen nach der Geburt unseres Sohnes, starb meine Mutter an den Folgen einer viel zu spät erkannten  Krebserkrankung. 

 

Ich hatte noch nichts, aber auch noch gar nichts aus der fast 20jährigen Vergangenheit gelernt und machte noch etliche Jahre schön 'brav' alle Fehler, die ich meiner Mutter zuvor angekreidet hatte. Ja, ich tat mich schwer, plötzlich für ein Kind wirklich da zu sein - 

 

Es sollte noch einmal etliche Jahre dauern, bis ich mit der Geburt und dem Aufwachsen meiner körperlich etwas anders gebauten Tochter kapierte, auf was es, zumindest in deren/meinem/unserem Leben wirklich ankommt. 

Impressum

Texte: Gitta Rübsaat
Cover: private Fotos
Tag der Veröffentlichung: 01.07.2019

Alle Rechte vorbehalten

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