*Skurrile Weihnachtszeit*
Was, wenn es wahr wäre ...
Gemeinsam gegen Tiere in Not
Unser Spendenziel sind Tiere in Not, Tiere, die aus der Tötung gerettet, ausgesetzt, unterernährt, krank und als verwahrlost aufgegriffen werden.
Die Autoren verzichten auf jegliches Honorar, der Nettoerlös geht also vollständig als Spende an die Tierrettung „Arca Fabiana - Tierrettung Azoren e.V.“
Allen Autoren ein herzliches Dankeschön und unser besonderer Dank gilt Heike Helfen, die uns das von ihr entworfene und gemalte Coverbild ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellt hat.
Die Originalausgabe erschien im Oktober 2016
bei BookRix GmbH & Co.KG als e-book www.bookrix.de
und das Taschenbuch über Print on Demand by CreateSpace
Herstellung: Amazon Distribution GmbH Leipzig
Copyright © 2016 Gitta Rübsaat (Hrsg. und Mitautor)
Alle Rechte liegen bei den Autoren.
Cover Illustration: ©Heike Helfen
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung der Autoren zulässig.
Das gilt vor allem für Vervielfältigungen, Übersetzungen, so wie das Speichern und Verarbeiten in elektronischen Systemen.
Die Weihnachtszeit bietet die Gelegenheit, dem Skurrilen zu frönen; man will an sich in Richtung Gemütlichkeit, Behaglichkeit - und findet sich dennoch jedes Jahr wieder in erbittertem Clinch mit den Absurditäten, den Abgründen des sogenannten Weihnachtsstresses. Hat es das Normale so schwer - vielleicht deshalb, weil man seiner überdrüssig ist? Man sehnt am Ende das Absurde, Außergewöhnliche herbei; und ist das Weihnachtsfest selber nicht Inbegriff der Außergewöhnlichkeit? Wir gedenken eines Ereignisses, das 2000 Jahre auf dem Buckel hat, treu bewahrt - es bedeutet uns viel: Die Möglichkeit der Gnade, das Ausscheren aus purer Naturlogik - hinein ins Wunderbare, in ein Reich, wo das Wünschen mit einer gewissen Zuverlässigkeit praktiziert werden kann, wo der eigene Impuls nicht dumpf verebbt, sondern Anstoß sein kann für was Erfreuliches.
Jesus Geburt was Positives abzugewinnen, der Kreuzzüge, der Hexen-Verbrennungen, der Verfolgung sogenannter Heiden und Andersgläubigen nicht zu gedenken - summa summarum bleibt da was? Dass der Glaube diese Welt verändern könnte, dass da eine rätselhafte Kraft uns zur Verfügung steht, die es uns erlaubt, der Realität wie ein Dompteur gegenüberzutreten. Bezähmbares Universum. Was für ein Konzept - man gebiete über seinen Glauben - und man hätte vor allem Eines: Selbstbeherrschung.
Dem Neuen haftet was Interessantes an. Der Trend zum Skurrilen ist ebenso verständlich, wie der Wunsch nicht
aufzufallen, Teil der Masse zu sein. Diva oder graues Mäuschen - je nach Situation. Flippig, plakativ, die Ei-genart betonend - Sucht danach, ein Individuum zu sein. Nicht einfach bei einer Weltbevölkerung von über 7 Milliarden? Verstärkt das den Wunsch nach Skurrilität ins Groteske?
Zur Weihnachtszeit trifft in besonderem Maße Tradition auf Neuzeitliches. Hervorragende Bühne für das Skurrile; es will die Abweichung, das Konformistische ist ihm ein Gräuel. Wie viel Platz gewährt man nun dem Skurrilen? Sperrt man es aus? Ist die Meinung der anderen zu wichtig, als dass man sich den Luxus der charmanten oder weniger charmanten Skurrilität nicht leisten möchte?
Jesus hat es gewagt: Anders sein, als all die vor ihm. Ein neuer Beginn; Startschuss für ein neues Unternehmen. Sich dem Vorwurf der Skurrilität aussetzen. Vermögen nur Exzentriker die Weltachse zu verschieben?
Dem Skurrilen Einlass gewähren, es könnte neue Möglichkeiten eröffnen, das Chaos als Freund, als Bündnispartner. Eine normierte Welt hat viel Ordentliches, aber sie beraubt sich womöglich ihrer Kreativität.
Frau Holle hat es langsam satt,
Sie ist müde nur und matt.
Es kamen zwar noch ein paar Flocken,
Doch konnten diese gar nichts rocken.
So macht sie lieber solche Sachen,
Die sie mal wieder lachen lassen.
Sie schaut beim blasen zu dem Wind.
Und freut sich daran wie ein Kind.
Wenn Ziegel von den Dächern fliegen.
Und Äste auf den Straßen liegen.
Dazu kommt dann so mancher Schauer.
Das macht die Menschen ziemlich sauer.
Wozu soll sie noch ihre Betten machen.
Der Winter lässt es auch nicht krachen.
Väterchen Frost schickt noch kein Eis.
Und somit wird die Welt nicht weiß.
Sie hatte schon im Himmelsboten inseriert.
Doch leider ist da nichts passiert.
'Gesucht wird junges Mädchen, oder Mann,
Der meine Betten schütteln kann'
Dann sollte ihr der Petrus raten.
Doch dieser roch schon bald den Braten.
'Nein Frau Holle, tut mir leid.
Meine Engel haben auch nicht Zeit.
Und du wirst noch nicht pensioniert'
Was meint ihr wohl was nun passiert?
In Teilzeit ist sie jetzt gegangen.
Und wenn ihr Glück habt, könnt ihr ab und zu ein Flöckchen fangen.
In jedem Jahr ist der erste Sonntag im Mai für meinen Vater etwas ganz Besonderes. Dann steht bei uns der Bürgermeister im Wohnzimmer, drückt meiner Mutter einen Blumenstrauß in die Hand und meinem Vater seinen herzlichen Dank aus. Dafür, dass unsere Straße, der „Lerchen-auf-Lärchen-Weg“ auch im vergangenen Jahr wieder die schönste Straße der Stadt gewesen sei. Mein Vater wirft sich dann jedes Mal mächtig in die Brust, wird immer von demselben Pressefotografen abgelichtet und lässt für mindestens zwei Wochen das Grinsen nicht mehr sein. Er ist der Erste Vorstandsvorsitzende des Vereins „Der Lerchen-auf-Lärchen-Weg soll schöner werden“, eines Vereins, den er selbst vor fünfzehn Jahren ins Leben gerufen hat.
Seitdem putzt meine Mutter jedes Jahr Anfang Mai das Haus besonders gründlich, in Erwartung des bürgermeisterlichen Besuchs. Warum sie das ganze Haus putzt, weiß ich nicht, der Bürgermeister bleibt immer nur im Wohnzimmer. Nicht lange, übrigens, denn er hat noch andere Termine.
Das ganze Jahr hindurch sieht unsere Straße toll aus, da kann man nicht meckern. Die Vorgärten sind gepflegt, die Obstbäume beschnitten, die Haustüren frisch gestrichen. Alle Nachbarn bemühen sich nach Kräften und mein Vater hilft, gibt Tipps, kontrolliert, beruft Versammlungen ein, schraubt und pinselt, wann immer Not am Mann ist.
Am großartigsten ist ohne Zweifel die Vorweihnachtszeit. Da strahlt der „Lerchen-auf-Lärchen-Weg“ in einem Meer aus abertausenden von Lichtern. Pappmaché-Rentiere, gebettet auf künstlichem Schnee, stehen bereit, all die auf den Dächern verteilten, aufgeblasenen Weihnachtsmänner in ihren Schlitten hinfort zu tragen. Zu Schneemännern über-einandergestapelte Glitzerkugeln winken elektrisch über den Gartenzaun und bunte LED-Lämpchen schreiben „Frohe Weihnachten“ an die Häuserwände. In unserem eigenen Garten steht sogar ein fast echtes Knusperhäuschen aus Plastik. Mit Hexe. Und Hänsel. Und Gretel. Die Leute kommen von weit her, nur um sich unsere Straße anzugucken in der Adventszeit. Es ist ein fantastischer Auflauf.
Letztes Jahr im Juli passierte dann die Katastrophe. Wirbels zogen weg und es sah lange Zeit so aus, als würde ihr Haus leer stehen bleiben. Die Männer des Vereins wechselten sich ab, den Rasen zu mähen und die Hausfassade in Ordnung zu halten, aber als die Weihnachtszeit näher rückte, wurden sie nervös. Sie machten schon Pläne, wie sie das Haus dekorieren könnten und wer von seinem Weihnachtsschmuck etwas abgeben würde, als sich doch noch ein Käufer fand. Allgemeines Aufatmen.
Mein Vater wurde vorgeschickt und ich musste ihn begleiten. Meine Mutter hatte uns einen Korb mit Brot und Salz in die Hand gedrückt, das gehöre sich so, gesagt und uns zur Tür rausgeschoben. Jetzt standen wir da, in dem Vorgarten, in dem mein Vater alle Thujas akribisch auf eine Höhe gestutzt hatte und warteten darauf, dass jemand auf unser Klingeln reagieren würde. Ein Mann öffnete.
„Ja?“, fragte er. Er klang nicht erfreut über unseren Besuch. Mein Vater stellte sich vor, überreichte den Korb und endete damit, dass er vom Verein erzählte. Der Mann hörte zu, runzelte die Stirn mehr und mehr und meinte schließlich sein Name sei Heilmeyer, Doktor Heilmeyer. Seine Frau und er seien hier hergezogen, weil ihnen versichert worden war, dass dies hier eine schöne, ruhige Gegend sei. Sie seien nicht daran interessiert, Kontakte zu knüpfen und sähen auch keine Veranlassung, einem Verein beizutreten. Er griff sich den Korb, dankte für den Inhalt und schloss die Tür direkt vor unserer Nase.
Mein Vater stand wie vom Donner gerührt noch mindestens eine Minute vor der geschlossenen Tür und starrte den Briefkasten an, den er selbst noch vor wenigen Wochen gestrichen hatte. Er war völlig fertig. Zu Hause musste er sich erst mal hinlegen und war außer Stande meiner Mutter zu erklären, was vorgefallen war. Ich, der ich alles mit angesehen hatte, schilderte ihr die Begegnung.
„Aha, ein Doktor“, war der einzige Kommentar, den meine Mutter dazu abgab.
Auf der nächsten Vereinsversammlung hatte sich mein Vater wieder soweit gefangen, dass er den Nachbarn schildern konnte, was ihm widerfahren war. Seine Stimme zitterte. Es wurde lange beraten, wie weiter zu verfahren sei. Als erstes wurden die Fakten zusammen getragen. Man sah Herrn Doktor Heilmeyer jeden Morgen um halb acht das Haus verlassen und jeden Abend um sechs wiederkommen. Seine Frau verließ das Haus um zehn und kehrte bereits gegen drei zurück. Es wurde beschlossen, dass man mit ihr sprechen wolle, vielleicht wäre sie zugänglicher. Die Wahl des Diplomaten fiel auf meine Mutter.
Und so standen wir beide - meine Mutter hatte beschlossen, dass ich wieder mitkommen sollte - am nächsten Tag pünktlich um vier vor Heilmeyers Haus. Diesmal war sie es, die öffnete.
„Ja?“, sie war genauso unfreundlich wie er.
„Sie sind doch neu eingezogen und da dachte ich, Sie würden vielleicht gerne einen Kaffee trinken“, meine Mutter strahlte Frau Heilmeyer an.
„Nun, eigentlich …“
„Ach bitte, ja? Kommen Sie, ich habe auch Kuchen gebacken.“
„Na schön, warten Sie kurz“, Frau Heilmeyer nahm ein Schultertuch, warf es sich über und folgte meiner Mutter zu uns nach Hause.
Meine Mutter backt tolle Kuchen und man kann sagen, was man will, Frau Heilmeyer griff ordentlich zu. Nachdem sie die üblichen Nettigkeiten ausgetauscht hatten, kam meine Mutter auf das Wesentliche zu sprechen, den Verein. Sie seien nicht daran interessiert, einem Verein beizutreten sagte Frau Heilmeyer und stellte die Tasse so hart auf die Untertasse, dass meine Mutter zusammenzuckte.
Sie wolle ja auch die „liebe Frau Heilmeyer“ gar nicht überreden, dem Verein beizutreten, aber es sei doch bald Weihnachten und das sei in der Straße immer etwas ganz Besonderes.
Sie feiere kein Weihnachten, versicherte Frau Heilmeyer, sie seien beide überhaupt nicht religiös und auch in keiner Kirche.
Meine Mutter war irritiert. Das habe doch auch gar nichts mit der Kirche oder der Religion zu tun, versicherte sie, es gehe doch um Weihnachten.
Jaja, meinte Frau Heilmeyer, das hätte sie schon verstanden. Weihnachten. Die Geburt.
Jetzt wurde meine Mutter ernstlich böse. Sie habe zwar in der letzten Zeit ein wenig zugelegt, aber dass sie schwanger aussehe, das habe ihr noch niemand gesagt.
Frau Heilmeyer versicherte, dass sie von Marias Schwangerschaft geredet habe. Wir kennen keine Maria, die Versicherung beruhigte uns also nicht.
Inzwischen war meine Mutter davon überzeugt, dass Frau Heilmeyer einige Kästchen im Oberstübchen fehlten. Sie redete langsamer.
Es ginge in erster Linie darum, den Ruf zu wahren. Die Straße sei berühmt, die Leute kämen von weit her, nur um die schöne Dekoration zu bewundern.
Frau Heilmeyer riss die Augen auf, rief „Um Himmels Willen, bloß keinen Weihnachtskitsch“, und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Das war das erste Mal, dass ich tatsächlich gesehen habe, dass jemand das macht.
Frau Heilmeyer habe sie wieder missverstanden, so langsam war meine Mutter am Verzweifeln. Es ginge nicht um Kitsch, sondern um D-e-k-o-r-a-t-i-o-n, um Beleuchtung, Rentiere und Schneemänner.
Frau Heilmeyer sah aus, als ginge es ihr nicht besonders gut. Ihre Hautfarbe changierte ins Grünliche. 'Meine Mutter wolle damit aber nicht andeuten, dass die ganze Straße in der Adventszeit blinke und leuchte.'
Meine Mutter strahlte. Endlich habe die „liebe Frau Heilmeyer“ sie verstanden. Genau so sei es, und man rechne fest damit, dass sich auch Heilmeyers an der Festbeleuchtung beteiligten.
Das war das letzte Mal, dass ich Frau Heilmeyer sah. Noch in derselben Woche stand der Möbelwagen in der Einfahrt des heilmeyerschen Hauses. Herr Krause von gegenüber, der mit seinem Dackel daran vorbeiging, sagte später, er habe Herrn Doktor Heilmeyer rufen hören: „Die sind ja alle irre hier“. Aber da kann man nicht sicher sein, Krause ist fast taub.
Schon eine Woche später sind Bilgers in das Haus gezogen. Tolle Leute, sieben Kinder, viel Sinn für Schönes. Herr Bilger ist inzwischen Zweiter Vorstand im Verein. Seine Idee auf den Dächern so viele Lichter anzubringen, dass wir noch aus dem Weltraum zu erkennen waren, fand begeisterte Zustimmung.
Ein bisschen schade ist nur, dass wir dieses Jahr nicht in Urlaub fahren werden. Wir müssen die Stromrechnung noch abbezahlen.
Gustav, Fridolin, Erwin, Detlev, Christoph, Bernd und Alwin saßen wie jedes Jahr am ersten Advent zusammen und tranken Feuerzangenbowle.
„Was machen wir eigentlich Silvester?“, wollte Erwin wissen.
„Auf große Partys habe ich jedenfalls keine Lust.“, ließ Fridolin wissen und zündete sich die nächste Zigarette an.
„Du solltest nicht soviel rauchen.“, tadelte Bernd.
„Dann wird er so dick wie du!“, rief Gustav aus und goss sich noch ein Glas ein.
„Da kommt mir eine Idee.“, bemerkte Alwin und ergänzte: „Wir wichteln.“
Allgemeines Stöhnen. „Ach, Alwin, das ist doch blöd. Das ist etwas für kleine Kinder oder Kaffeetanten“, antwortete Detlev.
„Es soll kein normales Wichteln und auch kein Schrottwichteln werden. Jeder von uns, hat doch etwas was er im nächsten Jahr ändern möchte. Bernd futtert zuviel, Christoph schwindelt ständig, Detlef ist bekannt für seine Spielsucht, Erwin ist eine Tratschtante und lästert öfters über seine Kollegen, Fridolin wollte schon längst mit dem Rauchen aufhören und Gustav schaut zu tief ins Glas. Wir tauschen ganz einfach unsere Sünden. Jeder schreibt seinen Namen auf einen Zettel und zieht dafür den eines anderen. Dann darf man im neuen Jahr seinem eigenen Laster nicht mehr frönen, doch dafür das eines anderen.“
„Das ist großartig, Alwin. Dann möchte ich mal wissen, wer nächstes Jahr seine Alte betrügen darf, so wie du das jetzt permanent tust“, antwortete Erwin.
„Jetzt haben wir also noch fünf Wochen unseren Spaß. Wirklich eine geniale Idee von dir.“
Die sieben Freunde hatten eine wundervolle Adventszeit und genossen ihr Leben in vollen Zügen, solange sie es noch konnten und durften. Ein jeder war gespannt, was ihn nach dem Vorsätze-Tausch erwartete.
Am Silvestertag fanden sich alle in Alwins Gartenlaube zusammen, „Ich hoffe doch, Ihr habt Stillschweigen bewahrt, sonst klappt das nicht. Das ist so, wie wenn man eine Sternschnuppe sieht. Also, auch wenn Ihr Euren Zettel erhalten habt: Nichts verraten!“, sagte Alwin und verteilte das Bier.
Um 23.30 Uhr holte der Gastgeber einen alten Strohhut hervor. Jeder warf seinen Zettel herein.
„So jetzt noch Geduld bis Mitternacht. Dann losen wir. Eine halbe Stunde könnt ihr noch sündigen. Tja, bei mir geht es leider nicht“, sagte Alwin mit todtrauriger Mine.
„So ein Pech auch, Alter“, antwortete Bernd und nahm sich noch eine große Hähnchenkeule. Herzhaft biss er hinein.
„Prost, du Sack“, ergänzte Gustav und trank gierig sein Bier, während Fridolin emsig seine Zigarre paffte. Detlev spielte noch eifrig im Internet-Kasino, Christoph erzählte Lügen von seinen Nachbarn und Erwin Geheimnisse aus seinem Kollegenkreis.
Nach dem Anstoßen auf das neue Jahr kreiste der Hut.
Gustav erwischte Detlef, Fridolin zog Bernd, Alwin den Erwin, Christoph erwischte Alwin, Erwin zog Fridolin, Bernd erwischte Gustav und Detlef den Christoph.
„Nun, seid Ihr mit Eurem Los zufrieden?“, wollte Alwin wissen und sah ein schelmisches Grinsen von Christoph.
Alwin, der Frauenheld war nunmehr seiner Frau treu und verspürte kein Bedürfnis mehr, fremdzugehen. Dafür konnte er kein Geheimnis mehr für sich bewahren. Als ihm ein Kollege anvertraute, was er von seinen Chef hielt, wusste es am nächsten Tag die ganze Firma. Ähnliche Vorfälle häuften sich in den nächsten Wochen, mit der Folge, dass Alwin entlassen wurde.
Bernd, der Fressmolch, hielt fortan Diät und nahm innerhalb von sechs Wochen zehn Kilo ab. Leider sprach er nunmehr verstärkt dem Alkohol zu, setzte sich betrunken in sein Auto und kam prompt in eine Verkehrskontrolle. Folglich verlor er seinen Führerschein und somit seinen Job als Fernfahrer.
Christoph, der Lügner sagte jetzt die Wahrheit, leider auch gegenüber seiner Frau, als sie ihn fragte, ob er ein Verhältnis mit einer anderen hatte. Sie trennte sich umgehend von ihm.
Detlef, der Spieler, rührte jetzt keine Karten mehr an. Auch die Glücksspielautomaten waren ihm egal. Da er jedoch nur noch log, bekam ihm dieses schlecht, als er vor Gericht wegen seiner Spielsucht aussagen musste und auch dort nicht die Wahrheit sagte.
Er bekam eine Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung wegen illegalem Glücksspiel in Tateinheit mit Falschaussage.
Erwin, die Tratschtante, war nunmehr verschwiegen, begann aber Kette zu rauchen. Da er seine Pausenzeiten deswegen immer überzog, wurde auch er entlassen.
Fridolin, der Raucher, hatte tatsächlich am 31.12. seine letzte Zigarette gepafft. Er aß stattdessen ununterbrochen, und nahm folglich stark zu. Das war in seinem Beruf als Kaufhausdetektiv nicht von Vorteil, er hatte keine Kondition mehr. Auch er verlor seine Arbeitsstelle.
Gustav, der Trinker, trank keinen Tropfen mehr. Seine neue Leidenschaft war das Spielen. Binnen weniger Wochen hatte er sich ruiniert.
Am 1. Mai trafen sich die sieben unglücklichen Freunde wieder in Alwins Gartenlaube. Vier waren arbeitslos, einer wurde von seiner Frau verlassen, einer war pleite und einer war vorbestraft. Gemeinsam beschlossen sie, dass jeder wieder seinem alten Laster wieder frönen durfte, und dass sie sich nie mehr gute Vorsätze nehmen würden.
Es geschah in der Adventszeit vor unfassbar vielen Jahren, es können 1000 oder noch mehr gewesen sein: in einer Bäckerei in einer kleinen deutschen Stadt. Den Namen der Stadt habe ich vergessen. Aber das ist ja auch nicht so wichtig.
In dieser Bäckerei lag das köstlichste Weihnachtsgebäck, das man sich nur wünschen konnte. Es duftete nach Vanille, Zimt, Honig, Mandeln, Nüssen, Lebkuchen und anderen Gewürzen. Da lagen Kokosmakronen, Florentiner, Nuss- und Mandelgebäck, Printen und vieles mehr.
Und zum ersten Mal hatte der Bäcker Stutenkerle in sein Programm aufgenommen. Es gab drei verschiedene Varianten. Da waren die preiswerten Kerle aus Hefeteig mit Rosinenaugen und einer weißen Tonpfeife im Mund: für Leute, die nur ein geringes Einkommen hatten und sich nicht viel leisten konnten. Daneben lagen die Männer aus Lebkuchenteig, die waren schon ein wenig teurer für Kunden, die ein bisschen mehr Geld hatten. Aber die Krönung, auf die der Bäcker und sein Konditormeister besonders stolz waren, das waren die Schokoladenmänner, die mit einer Ganzkörperglasur aus purer Schokolade überzogen waren.
Den Schokomännern war bewusst, dass sie etwas ganz Besonderes waren und sich von den Hefe- und Lebkuchenmännern erheblich abhoben. Dement-sprechend benahmen sie sich auch.
Mit einer gewissen Arroganz rückten sie ein Stückchen von den anderen ab und rümpften die Nasen, weil sie angeblich den Geruch der Gewürze nicht vertragen konnten. Das blieb den anderen Stutenkerlen natürlich nicht verborgen und der Anführer der Lebkuchenmänner meldete sich lautstark zu Wort:
„Hey, du Schokoladenmann, was bildest du dir eigentlich ein? Meinst du, nur weil du mit Schokolade überzogen bist, wärest du etwas Besseres?“
Der Angesprochene wendete sich angewidert ab.
Inzwischen näherte sich die Bäckersfrau mit einem Tablett mit schönen geraden Vanillestangen und suchte einen passenden Platz für das Gebäck. Sie entdeckte die Lücke zwischen den Stutenkerlen, stutzte zwar, weil sie sich nicht daran erinnern konnte, dort eine Lücke gelassen zu haben, aber sie zuckte nur kurz mit den Schultern und füllte den freien Platz mit den Vanillestangen aus.
In diesem Moment meldete sich auch der Stutenkerl, der aus Hefeteig gebacken war: "Der Lebkuchenmann hat recht", krächzte er, "du brauchst dir gar nichts auf deinen dämlichen Schokoladenüberzug einzubilden. Wir Stutenkerle mit Hefe gebacken sind sehr haltbar und brauchen keine Angst zu haben, das bei uns etwas schmilzt, wenn es zu warm wird. Bei euch wäre dann ruckzuck der tolle Schokoüberzug geschmolzen und ihr steht nackend da, ha ha ha!", er schüttelte sich bei diesem Gedanken vor Lachen.
Die Vanillestangen, die alles mithören konnten, kicherten auch ganz amüsiert bei dieser Vorstellung.
„Und", fuhr der Hefekerl fort, "bei uns ist alles Natur, alles aus Bio hergestellt.“
Das wurde dem Lebkuchenmann aber nun doch zu bunt und er knurrte erbost: "Was glaubst du Hefeclown denn, woraus wir hergestellt sind? Die Eier für unseren Teig sind auch von freilaufenden Hühnern.“
Da kam ein angewidertes Lachen vom Schokoladenkerl.
„Ha … was glaubt ihr denn eigentlich, wer ihr seid, so billig und primitiv wie ihr ausschaut? Euch wird so-wieso niemand kaufen. Seht ihr dort das kleine Mädchen, das so begehrlich zu mir hinschaut? Wetten, dass ihre Mama mich gleich kaufen wird."
„Pah", machten die anderen beiden, "das glaubst du doch selbst nicht …“
„Ich könnte meinen Kopf darauf verwetten“, erwiderte der Schokomann.
Und tatsächlich, bevor die anderen beiden darauf noch antworten konnten, kaufte die Mama des kleinen Mädchens den Schokostutenkerl.
Und er sollte - zu seinem Leidwesen - nochmals recht behalten - denn was dann geschah, war einfach für alle unfassbar. Das Mädchen nahm erfreut ihren Schokostutenmann in Empfang und mit einem herzhaften Biss war der Kopf ab und in Ihrem Munde verschwunden.
Den anderen Stutenkerlen blieb vor Schreck die Sprache weg. Und seit der Zeit sind die Stutenkerle stumm. Sie haben ihre Sprache nie mehr wieder gefunden.
Und die Vanillestangen, die sich gerade noch wegen dieses Disputs vor Lachen gebogen hatten, waren vor Schreck völlig erstarrt und unfähig, wieder ihre gerade Form anzunehmen.
So sind sie seit dieser Zeit so seltsam verbogen, wie wir sie kennen und ab diesem Zeitpunkt heißen sie auch nicht mehr einfach Vanillestangen, sondern ab sofort nur noch Vanillekipferl.
Striezelmarkt und Weihnachtsklänge
Menschenmassen, welch Gedränge
Essen, Trinken, Sachen kaufen
Wie gehetzt im Kreise laufen
Frau schert aus - sie will zur Linken
Ich nach rechts zum Glühweintrinken
Kind ist bockig - will nicht weiter
Frau ist sauer - ich nicht heiter
Schlimmer wird es noch, o Schreck
Ihre Handtasche ist weg
Striezelmarkt und Weihnachtslieder
Für mich ganz gewiss nie wieder!
Edi und Jan, die beiden arbeitsscheuen Ganoven, saßen auf einer Bank im Stadtpark. Es hatte geschneit und es war lausig kalt. Die Mützen hatten sie tief ins Gesicht gezogen, so saßen sie neben einander und zitterten im Duett. Niemand kam heute Abend vorbei, dem sie schnell das Eingekaufte aus der Hand reißen könnten.
Beide hatten als Kinder schon das gleiche Hobby und das war Schule schwänzen. Später hatten sie es mal mit Arbeit versucht, aber schon bald stellten sie fest, dass Arbeit anstrengend war. Weil nun beide nicht die „Hellsten“ waren, hatte sie es in ihrer Ganovenlaufbahn nur bis zum gemeinen Taschendieb gebracht. Sie klauten Kindern das Frühstücksbrot und alten Leuten die Einkaufstasche. Nur heute wollte so gar nichts gelingen.
Edi, der Größere seufzte und meinte: „Jan, wir sollten mal ein großes Ding drehen.“ „Genau“, nickte der Kleinere eifrig, „einen Banküberfall!“
„Quatsch!“, winkte Edi ab, „dazu sind wir zu dumm.“
„Stimmt!“, bestätigte Jan.
Während Edi und Jan versuchten einen Plan für das „große Ding“ zu schmieden, war im Himmel Hektik.
Der große Schlitten vom Nikolaus wurde beladen und in diesem Jahr zum ersten Mal genau nach einer vom Computer ausgedruckten Liste. Ja, auch beim Christkind war der Fortschritt angekommen. Die wichtigsten Mitglieder vom Weihnachtskomitee hatten alle ein Handy bekommen. Auf der goldenen Pinnwand, stand in großen Buchstaben: „In der Weihnachtszeit bitte alle Handys aufladen!“
Obwohl noch nie eines geklingelt hatte, alle luden die Akkus auf, bis auf das Christkind, das hatte es im Trubel dieser hektischen Zeit vergessen.
Gerade spannte Nikolaus den alten Esel ein, da kam das Christkind zur Endkontrolle. Es überprüfte die Ladung und die Sicherheitsgurte. Nachdem es den Esel liebevoll getätschelt hatte, befestigte das Christkind einen Navigator an der Deichsel.
„Was soll denn der Blödsinn?“, entrüstete sich der Esel, „ich habe bisher immer jeden Weg gefunden, ich sollte doch endlich in den Ruhestand gehen.“
Das Christkind lächelte: „Ach, du guter alter Freund, es ist ja nur, damit ich immer weiß wo du gerade bist.“
„Ich glaube, ich komme gar nicht wieder zurück, hier wird man ja auf Schritt und Tritt überwacht“, maulte der Esel.
Inzwischen kam Knecht Ruprecht aus der Backstube gerannt. Seine Manteltaschen waren prallvoll mit Plätzchen.
„Ich sehe, Plätzchen hast Du genug dabei, aber hast du auch Dein Handy?“ fragte das Christkind. Stolz zeigte Knecht Ruprecht das geladene Telefon und auch Nikolaus bewies, dass er sein Gerät geladen und in seinem Mantel hatte.
Der Abfahrt stand jetzt nichts mehr im Wege.
Das Christkind winkte und wünschte gute Fahrt.
Knecht Ruprecht trieb den Esel an und der jagte im Galopp die Milchstraße entlang. Sein Schal flatterte im Wind und der Mond überlegte. ob er stehen bleiben oder doch lieber zur Seite ausweichen sollte. Krampfhaft hielt er seine Pfeife im Mund, denn erst im letzten Jahr hatte er sie vor Schreck fallen lassen. Haarscharf sauste das Gefährt an ihm vorbei. Der gute Mond musste husten und wieder war die Pfeife weg. Knecht Ruprecht konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, während der Nikolaus es nicht witzig fand, den guten alten Mann zu verärgern.
Edi und Jan, saßen immer noch im Park auf der eiskalten Bank. Zähneklappernd zeigte Jan auf den Mond: „Siehst du das?“
„Nee“, meinte Edi, „was soll da sein?“
„Da kommt der Nikolaus mit seinem Schlitten, voll mit Geschenken!“, berichtete Jan. Jetzt sah Edi auch den Schlitten die Milchstraße hinab rasen.
„Der ist bald hier, den schnappen wir uns!“
„Wen?“, wollte Jan wissen, „den Nikolaus oder den Schlitten?“
Edi überlegte kurz, dann meinte er: „Am besten den Schlitten, die Geschenke verkaufen wir auf dem Weihnachtsmarkt und dann sind wir reich!“
Der Esel durfte jetzt sein Tempo drosseln, denn sie hatten die Erde erreicht. Im Trab ging es durch den Park direkt in die Stadt. Mit ihren Schals hatten Edi und Jan in der Zwischenzeit den Weg abgesperrt, so dass der Nikolaus den Schlitten anhalten musste. Die beiden Diebe kamen aus dem dunklen Versteck und wollten sich über die Päckchen hermachen.
Sofort löste sich Alarm aus und eine schrille Sirene heulte laut durch den Park. Der Nikolaus fasste sich an sein Herz und jammerte: „Ich weiß nicht, wie lange mein Herz den Fortschritt noch aushält!“
Ruprecht griff beherzt zur Rute und angesichts derer verschwanden die beiden Gangster im Gebüsch.
„Schalt sofort die Sirene aus!“, befahl der Nikolaus und Ruprecht gehorchte seinem Herrn. Nur den Esel konnte niemand aus der Ruhe bringen. Der hatte inzwischen in aller Seelenruhe ein Stück aus dem Schal gefressen und der Weg war wieder frei.
Zum ersten Mal in seinem langen Nikolausleben griff der alte Mann jetzt zum Handy und wählte die Nummer vom Christkind. Da es aber sein Telefon nicht aufgeladen hatte, konnte es sich auch nicht melden. Enttäuscht versuchte er es in der Backstube. Dort meldete sich der diensthabende Engel und Nikolaus trug ihm auf, sofort dem Christkind zu melden, dass sie dank der Alarmanlage einem Überfall entgangen wären. Das Christkind solle sofort für Notfälle das Handy aufladen.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie die ersten Häuser. Um keine Zeit zu verlieren, füllte Knecht Ruprecht die Hausschuhe auf der rechten Straßenseite und der Nikolaus die auf der linken.
So kamen sie auch gut voran, bis Ruprecht plötzlich seinem Herrn ins Ohr raunte: „Wir werden verfolgt!“
Dem Nikolaus war nichts aufgefallen und so machte er arglos seine Arbeit weiter. In einem dunklen Hausflur wohnte eine kinderreiche Familie. Da gab es viele Schuhe zu füllen. Leise summte der gute Mann das Lied vom kleinen Trommler, als sein Augenmerk plötzlich auf zwei Paar riesengroße Stiefel fiel.
„Die Kinder werden immer unverschämter“, dachte er und bemerkte nun, dass in den Stiefeln Füße steckten und an den Füßen waren auch noch Beine. Er schaute hoch und erkannte sofort die beiden Ganoven aus dem Park. Vor Schreck fiel ihm sein Jutesack aus der Hand. Er hatte keine Zeit ihn aufzuheben, denn schon wurde er von Jan und Edi unsanft zur Hintertür hinaus geführt.
Sie schubsten den guten Nikolaus durch dunkle Hinterhöfe und finstere Gärten, bis sie an einen alten verlassenen Bunker kamen. Edi stieß die schwere Eisentür auf und trat dem ehrenwerten Mann ins Hinterteil, so dass dieser geradewegs auf dem harten Boden landete. Dann warfen sie die Tür zu und der Nikolaus war allein in einem modrig stinkenden, feuchten Keller.
Vorsichtig stand er wieder auf und als er feststellte, dass noch alles an ihm heil war, suchte er in den Manteltaschen nach dem Handy. Sobald er das in der Hand hielt, war es hell in dem dunklen Verließ. Er wollte Knecht Ruprecht anrufen, aber er hatte keinen Empfang.
In dem Keller war kein Fenster, nur in der Eisentür, da war eine vergitterte Öffnung.
„Dort versuche ich es noch einmal“, so machte er sich selber Mut und ging auf die Eisentür zu.
Das Telefon hielt er direkt an die Öffnung und wählte die Nummer
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Autoren der BookRix Community
Bildmaterialien: Coverbild: Heike Helfen
Tag der Veröffentlichung: 08.10.2016
ISBN: 978-3-7396-7767-5
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Diese Anthologie, geschrieben von 25 Autoren, ist ein Spendenbuch für die "Arca Fabiana - Tierrettung Azoren e.V."
Autoren: Ingrid Alias, Rita Bittner, Heidrun Böhm, Roland Boehme, Ralf von der Brelie, Edge, Angela Ewert, Christof Finkler, Doris Frese, Annelie Heyer. Phil Humor, Anneliese Koch, Elke Lehmann, Ute Look, Matthias März, Martina Pawlak, Willy Rencin, Pia Richter, Robustus, Gitta Rübsaat, Manuela Schauten, Roland Schilling, GaSchu, Betty J. Victoria, Ute Wunderling.