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Das Melodram

In den Herbstferien war immer Jagdsaison, zu der mein Großvater – wie jedes Jahr – außerhalb des eigenen Reviers auf Tour ging. 1953 fuhr er zu diesem Zweck ins Sauerland und aus welchem Grund auch immer, nahm er mich mit.

 

Ich habe nicht viele Erinnerungen an diese Zeit, ich weiß nur noch, dass Hans große Schwierigkeiten hatte, mir beim Anziehen des sog. Leibchens zu helfen und es gleich am nächsten Tag genervt in den Koffer schmiss. Dieses Leibchen wurde zwischen Unterhemd und Bluse, Pullover oder Kleid getragen. An ihm befanden sich der Strumpfhalter, an dem ein Paar Strümpfe befestigt werden konnten. Da Hans es nicht fertigbrachte, dieses Teil am Rücken zu knöpfen, hatte ich während dieser Tage keine Möglichkeit, Strümpfe anzuziehen und ich konnte deshalb bei den Herbsttemperaturen das Hotel nicht verlassen.

 

Da ich ihn drei Jahre zuvor schon mal bei einem Jagdausflug bis auf die Knochen blamiert hatte, war es ihm wohl ganz lieb, dass ich im Hotel bleiben musste.

(Siehe Buchlink zum Drabble im Anhang).

 

Ich war also unter der Obhut der guten Seele des Hotels, der ich aber wohl auch nach ein paar Stunden auf den Senkel ging und sie mich kurzentschlossen ins hauseigene Kino setzte.

 

Dort wurde gerade der Film „Bis wir uns wiedersehen“ mit Maria Schell und O.W. Fischer gezeigt, an drei Vorstellungen pro Tag. Ich weiß inzwischen, dass ich die Geschichte an sich nicht verstanden habe.

 

BIS WIR UNS WIEDERSEHEN" ist ein gefühlsbetontes, sentimentales Melodram aus dem Jahre 1952, in dem zum ersten Mal das Traumpaar des deutschen Films, Maria Schell und O.W. Fischer, zusammen vor der Kamera stand. Diese erfolgreiche Kinoverbindung, die mit weiteren gemeinsamen Filmen ihre Fortsetzung fand, trug wesentlich zur ständig wachsenden Berühmtheit der Schauspielerin bei. Kurze Inhaltsangabe: Zufällig kommt der Spielkasinoeigentümer Paul Mayerhöfer (O.W. Fischer) wieder mit der unheilbar kranken Pamela (Maria Schell) zusammen, die einst seine Geliebte war. Als seinerzeit bei Pamela die Krankheit auftrat und regelmäßige Arztbesuche erforderlich machte, vermutete Mayerhöfer, er würde von ihr hintergangen werden. 

Deswegen stoppte Pamela die Arztbehandlung, worauf sich das Krankheitsbild drastisch verschlimmerte. In dieser Zeit gab sich Mayerhöfer aufgrund einer Freundes-Empfehlung dazu her, in seinem Casino den Roulettetisch zu manipulieren. Doch der Schwindel kam ans Tageslicht, und der Kasinobesitzer konnte gerade noch rechtzeitig die Flucht ergreifen. Bei ihrem zufälligen Wiedertreffen verlieben sich die beiden erneut, aber er beichtet ihr nun, dass die Polizei hinter ihm her ist...

Bei dem Fluchtversuch kommt es jedoch zu einer Verkettung unglücklicher Umstände. Die Polizei ist Mayhöfers Komplize auf der Spur und stößt per Zufall auf Paul selbst. Als er sich der Festnahme widersetzt, indem er so tut, als wolle er eine Waffe ziehen, wird er erschossen. Pamela sieht wenig später, wie Paul auf einer Bahre zum Krankenwagen getragen wird. Sie geht davon aus, dass Pauls Plan aufgegangen ist und lächelt selig.

 

 

 

Auf jeden Fall war ich fasziniert, zumal ich zuvor nur ein einziges Mal im Kino war und ich mir einen Kinobesuch eigentlich nicht leisten konnte, da mein Taschengeld mit damals 50 Pfennigen viel zu gering war. Mein erster Kinobesuch galt dem Film „Reich mir die Hand mein Leben“ – auch ein tränenreiches Melodram, doch hier ging es um Mozarts Leben und Tod.  

 

Habe ich auch bei Maria Schell und O.W. Fischer geweint? Ich nehme es an, denn wenn ich mir im Filmtrailer heute so einige Szenen anschaue, gäbe es gute Gründe für Krokodilstränen. Aber ich denke, mit jeder Vorstellung legte sich das wohl. Denn ich weiß noch, dass ich die Dialoge sehr bald auswendig konnte und sie auch laut vor mich hinplapperte. Das allerdings nervte die Kinobesucher sehr, denn am dritten Tag musste ich mich auf einen anderen Platz setzen. Aber das tat der Freude keinerlei Abbruch. Ich war begeistert von diesem Schmachtfetzen.

 

Nach fünf Tagen fuhren wir wieder heim und der Spaß war vorbei. Leider interessierten sich weder meine Mitschüler noch die Lehrer für meine Prologe, selbst meinen beste Freundin hatte keinen Bock auf das Rührstück.

 

Als der Film dann auch in meinem Städtchen gezeigt wurde, wäre ich gerne noch einmal ins Kino gegangen – aber … der Film war erst ab 16 freigegeben. Jetzt erst verstand ich, dass ich wohl ein ziemlich aufdringlicher Quälgeist war und sich die Hoteltante wohl nicht anders zu helfen wusste, als mich ins Kino zu schicken.

 

Ich war wohl so um die Dreißig, als ich den Film noch einmal im Fernsehen sah. Die Personen und ihre Sprache waren mir sofort wieder bewusst. Aber ich musste feststellen, dass ich überhaupt keine Ahnung von der Handlung hatte. Die Geschichte an sich verstand ich erst jetzt. Also war wohl die Gefährdung einer Kinderseele  kein Thema. Ob das die Hoteltante wusste oder annahm? Ich weiß es nicht.

Anhang

 

 

Link zum Drabble: Der erste Jagdausflug

 

http://www.bookrix.de/_ebook-gitta-rina-der-erste-jagdausflug/ 

 

 

Der Film in ganzer Länge:

 

https://archive.org/details/BisWirUnsWiedersehnSchicksalsdramaMitMariaSchellUndO.w.Fischer

 

 

Filmausschnitt des Filmes

 

https://www.youtube.com/watch?v=uRdcRNo4uoI

 

 

Impressum

Texte: Gittarina
Bildmaterialien: http://www.metrokino.at/wp-content/uploads/BisWirUnsWiedersehen.jpg
Tag der Veröffentlichung: 22.01.2015

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