Als ich wach wurde, merkte ich gleich, es ist etwas anders als sonst. Dieses Dunkle war weg, es war viel heller als sonst und ich bekam einen Mordsschreck. Vor mir lag ein riesiger rotbrauner Berg und dann erblickte ich noch drei kleine Haufen in verschiedenen Schattierungen. Alles war noch ein wenig verschwommen, aber ich beruhigte mich schnell, denn es roch nach wie vor alles sehr vertraut und meine Angst wich der Freude. Dieser große Berg - das konnte doch nur meine Mama sein, an der ja auch diese begehrten Zapfstationen waren, um meinen Hunger zu stillen.
„Das probiere ich doch gleich mal aus, toll, jetzt muss ich nicht mehr suchen und hab die Milchbar direkt vor mir, welch ein Service. Na, denn man Prost!“
„Hey, guck doch, wo du hin trampelst“. Energisch schüttelte ich den Störenfried ab, der mich da fast umrannte und dann sah ich erst, dass der ja noch so komische Klappen vor den Augen hatte. Hatte ich das vorher wohl auch? Prima, Mama schaffte gleich Ordnung und schubste ihn ein Stück weiter, damit er eine andere Zitze bekam, waren ja schließlich genug da.
„Oh wie schön, erst mal ordentlich den Bauch füllen und dann streichelt mir Mama hoffentlich wieder mit der Zunge über meinen Bauch, mei, das kitzelt so schön…. Das könnte sie ruhig viel öfter machen – aber dann drängeln sich meine Geschwister vor – und ich guck in die Röhre.“
Bald öffneten auch meine drei Brüder ihre Augen, dann ging es erst richtig los und es begann eine tolle Zeit. Was sind wir in dieser riesigen Kiste, die Mama Küche nannte, herum getobt. Da roch es auch immer so lecker. Manchmal stießen wir mit so weißen Stecken, die sich hin und her bewegten, zusammen oder man hob uns einfach auch mal irre schnell hoch, dass einem ganz schwindlig wurde.
Mama klärte uns auf, das seien Menschen, die liefen auf ihren Hinterbeinen und würden auch auf uns aufpassen, uns später Futter geben und wir sollten uns anständig benehmen, wenn sie in der Nähe wären. Ich glaube, das wollten die gar nicht. Denn immer, wenn wir den größten Blödsinn machten und uns balgten wie die wildgewordenen Raubtiere, blieben sie stehen und sahen uns ganz freundlich zu. Und wir bekamen dann auch oft was ganz besonders Leckeres zu knabbern.
Manchmal kamen auch andere Zweibeiner zu Besuch, die uns immer alle ganz gründlich beguckten und streichelten, aber trotz der ganz lustigen Abwechslung, wir waren lieber unter uns. Oder mit Bonnie zusammen. Bonnie hatte auch vier Beine auf dem Boden und am Ende einen langen Schwanz, aber viel größer als wir, nur nicht so schön gescheckt. Aber so witzig, sie schob uns manchmal mit ihrer Nase auf den glatten Fliesen durch die ganze Küche und wenn sie uns mal abschleckte, purzelten wir holterdipolter durcheinander.
Unsere Mama passte jetzt schon lange nicht mehr so richtig auf uns auf, sie ging immer häufiger spazieren und ließ uns allein. Aber wir waren ja zu viert, da machte es uns nicht so viel aus. Bei ihr trinken, das durften wir noch ab und zu, aber nun stand auch immer was zu futtern in der Ecke. Und dann noch so ein flaches rechteckiges Ding, wenn man da reinhopste, konnte man so schön drin rum scharren, dass die Krümel nur so flogen.
Wir kriegten jetzt immer öfter Besuch von fremden Menschen. Ich habe mir das allerdings meist nur aus sicherer Entfernung angesehen, aber dann bin ich doch mal an einem Hosenbein hochgeklettert. Dieser Mensch war auch sehr nett zu mir und verwöhnte mich mit Leckerlis. Als er wieder ging, ließ er einen eckigen Kasten da, in dem eine Decke lag – den habe ich mir gleich mal als mein eigenes Reich gesichert. Jetzt hatte ich meine eigene Höhle und manchmal habe ich auch meine Geschwister mit rein gelassen. Aber nur manchmal, denn meine Brüder waren ganz schön wild und unberechenbar!
An einem Wochenende waren plötzlich zwei meiner Brüder weg, die Rabauken wurden von fremden Menschen einfach mitgenommen. Und nach zwei oder drei Tagen habe ich auch mein mir bekanntes Hosenbein wieder gerochen. Das war vielleicht seltsam! Dieser Mensch legte mich in meine geliebte Höhle und machte sie mit einem Türchen zu. Das fand ich zwar komisch, aber es machte mir keine Angst, war ja schließlich meine Höhle.
Es ging raus an die Luft, in einen noch größeren Kasten, der kurz drauf anfing, leicht zu schaukeln und komische Geräusche machte. Neben mir saß noch ein Mensch, der sehr lieb zu mir war und mich mit seiner Vorderpfote kraulte. Ich bin dann wohl eingeschlafen und erst wieder wach geworden, als ich mich in einer völlig fremden Umgebung wiederfand.
Meine Güte war das aufregend, das roch ja völlig anders hier und ich bin gaaaanz vorsichtig auf meine erste Entdeckungsreise gegangen. Aber da waren ja auch die Menschen wieder, die vorhin noch in der Küche und dann auch in der Schaukelkiste waren. Und hier gab es offensichtlich auch eine Küche, denn der Boden war genau so rutschig und glatt. Klasse: in einer Ecke stand was zu futtern und auch so ein eckiges Klo, wie ich es schon kannte.
Vier Wochen brauchte ich sicher, um das ganze Haus so zu erkunden, jede Woche kam was Neues hinzu. Spannend war meine erste Begegnung mit diesen zwei riesigen, schneeweißen Fellnasen Jeshi und Yukon.
Ich blieb einfach sitzen und dachte nur: vielleicht schieben die mich ja jetzt auch durch die Gegend wie Bonnie es früher so gerne machte. Die waren aber wohl zu faul, nur abgeschlabbert haben sie mich.
Als ich alles im Haus gut kannte, die Balkons längst erobert hatte und sogar schon die Treppen locker rauf und runter flitzen konnte, wurde eines Tages die Kellertür nach draußen zum Garten aufgemacht. Zuerst war da alles Grau in Grau, aber das waren wieder nur Treppen, die nach oben führten - und dann sah ich nur noch Grün.
Was war das denn? Dieses Grünzeug kitzelte am Bauch, da hab‘ ich‘s erst mal platt gerollt, ein Heidenspaß war das und dran rumknabbern konnte ich auch. Und was gab‘s da noch? Büsche, hinter denen ich mich verstecken konnte und viele, viele Bäume zum draufklettern.
Boah: ich hatte sogar meine eigene Haustür, aber das war anfangs gar nicht so einfach. Da war so eine Klappe und wenn ich mit dem Kopf dagegen stieß und nicht aufpasste, machte es dong-dong und ich hatte einen leichten Dachschaden. Aber ich war ja schließlich nicht doof und hab‘s schnell kapiert.
Tagelang, ach, was sag ich, wochenlang hatte ich zu tun, bis ich das ganze Revier da draußen umzingelt und markiert hatte. Auch bei den Nachbarn war ich offensichtlich gern gesehen, denn man rief mich immer gleich bei meinem neuen Namen Naila. Wenn die nett waren, kam ich auch und es gab oft ein Leckerli.
Einer meiner Menschen ging jeden Tag Gassi und schob dann so‘n Rollding vor sich her. Da hab ich dann genau drauf aufgepasst und bin schön die ganze Runde mitgelaufen. Nur manchmal ging der Mensch über so einen fürchterlich großen grauen Weg, nee, das war mir nicht geheuer! Da huschten dauernd so riesige stinkende Kästen drüber, so schnell konnte man gar nicht gucken.
Da habe ich lieber auf der Wiese gewartet bis er zurück kam. Er hatte dann oft ganz viel neue Sachen mitgebracht. Einkaufen hieß das, hatte ich mal gehört.
Ich hab dann auch immer öfter eingekauft oder mir was Schönes mitgebracht, denn das Spielzeug oben in der Wohnung langweilte mich längst. In den Gärten und gegenüber an dem langen Wasserweg gab es viel schönere Sachen. Die brauchte niemand zu bewegen oder zu werfen, die hopsten und flitzten ganz allein durch die Gegend. Da hatte ich immer öfter viel Spaß und kam manchmal sogar außer Puste.
Meine Menschen fanden das wohl auch ganz toll und hatten es immer sehr eilig, auch mit zu spielen. Aber das fand ich nun doof, schließlich hatte ich es für mich mitgebracht. Und wenn sie es mir erst mal geklaut hatten, gaben sie es mir nicht mal zurück, das war doch gemein, oder?
Blöderweise hatte ich immer das Bedürfnis, ihnen gleich schon beim Reinkommen in die Wohnung zu erzählen, dass ich was Tolles dabei hatte und zack standen sie auch schon vor mir. Irgendwann hörte ich mal, wie sie meinten: „Man hört sofort, wenn Naila mit vollem Mund spricht, dann ist klar, dass sie was mitgebracht hat!“ Ich sollte mir angewöhnen, einfach mal den Mund zu halten. Hm, leider vergesse ich das immer, weil ich mich dann so freue und es gleich erzählen muss.
Na ja, halb so schlimm, draußen verputze ich ja auch schon einiges, denn wenn sich nix mehr bewegt, kann man ja nicht mehr spielen, und dann… räum ich halt auf. Bin schließlich eine ordentliche Katze, jawoll!
Tja, und heute bin ich schon groß und komme eigentlich nur noch zum Schlafen heim. Wenn allerdings die Nachbarn ihre Hollywoodschaukel offen lassen, dann ratz' ich da auch schon mal über Nacht ein - das ist nämlich soooo gemütlich. Meine Streicheleinheiten hole ich mir regelmäßig zu Hause ab und - je nachdem was es gibt, mache ich ihnen die Freude und futtere auch mal zu Hause.
Und was ich sonst noch so erlebt habe, erzähle ich Euch vielleicht ein andermal, wenn mein Hauspersonal mir mal wieder so geduldig zuhört....
Texte: Geli- Bild Cover:
Bildmaterialien: Bilder aus dem Archiv und von Geli Ammann
Tag der Veröffentlichung: 22.09.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Danke an G. Ammann für die meisten der wunderbaren Fotos ...