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Teil 1 von Hamburg bis Trondheim

 

Nach meinen Aufzeichnungen von 1963

 

Am Tag nach der Hochzeit setzten wir uns in den noch frisch geputzten und strahlend roten Diesel, unseren sog. „Sport-Unimog“, der bis zum Stehkragen vollgepackt war und fuhren in mäßigem Tempo gen Travemünde. Dort ging es gleich zur Aufstellung ins Zollgebiet. Und auch die MS „Gedser“, die sofort eifrigst fotografiert wurde, schob sich bereits langsam Richtung Anlegestelle.

Plötzlich ging alles recht flott, unser Dicker und viele andere verschwanden inklusive Insassen und Gepäck im Schlund des riesigen Kahns und gleich drauf wurde von den Insassen der Speisesaal gestürmt.
Ein skandinavisches Buffet hatte man ja nun nicht alle Tage. Das dachten die Mitreisenden wohl auch, zumindest ließ die Menschentraube vorne am Buffet dies vermuten.

 

Mit hochgetürmten Tellerbergen ging es dann ans Verschlingen. Als wir uns in aller Ruhe bequemten, es ihnen gleich zu tun, waren die meisten Kartoffel-, Nudel- und sonstigen Salatschüsseln schon ziemlich leer. Nur die richtig leckeren Sächelchen, Fischspezialitäten aller Art waren noch reichlich zu haben und wir hatten gar keine Mühe, die schönsten Leckereien zu ergattern. Auf die Salatfüllungen aller Art konnten wir gut und gerne verzichten. 

Die dreieinhalb Stunden verflogen schnell und in Gedser verlangte man lediglich die grüne Versicherungskarte.

  

 

 

 

 GEDSER – ist nur ein kleiner Hafen an der Südspitze von Falster gelegen. Unser Weg sollte uns weiter Richtung Kopenhagen führen. Schon bald machten wir Bekanntschaft mit der uns schon mal zu Ohren gekommenen Weisheit: andere Länder – andere Sitten. Das betraf zumindest die Ladenschlusszeiten und zu unserem Schrecken auch die Wechselstuben – alles dicht.


Der Hafen von Helsingør

 

 

Gegen Abend landeten wir nach einer landschaftlich weniger reizvollen Tour in Helsingør und hatten gleich Anschluss mit der Fähre nach Helsingborg. Nun waren wir ohne einen Pfennig bzw. Öre in Schweden gelandet, leicht kaputt von der langen Fahrerei. Und Hajo musste nun auch noch links fahren, was die gute Laune nicht gerade förderte.



Der Hafen von Helsingborg

 

Uns war nur noch nach Bett… und so suchten wir an einer kleinen Nebenstraße einen annehmbaren Rastplatz. Nach einigem vor- und zurück, wenden, ein- und wieder ausbiegen standen wir auf einer Kuhweide. Die Viecher schliefen und genau das wollten wir auch...

 

Hajo baute Betten im Wagen und ich versuchte, Gefallen an der Gegend zu finden, was mir nicht gelang, zumal es stockdunkel war. Aber dank Wassersack war Katzenwäsche und Zähneputzen möglich und wir begaben uns mit etlichen kleinen und nicht so lieben, weil stechfreudigen Tierchen ins Innere vom „Dicken“.

 

Nach unserem ersten schwedischen Frühstück, das in leichtem Nieselregen und unter den erstaunten Blicken diverser Milchkannenfahrer ablief, zogen wir unseren Schlafplatz wieder auf die Hauptstraße.

 

Von Ångelholm führte sie uns durch den hügeligen Nordwestteil der Skäne, weiter durch die ebene Küstenregion Hallund, die sich fast bis Göteborg zieht. In Halmstad, an der Nissaå, machten wir Rast und vertraten uns die Beine bei einem Rundgang über den Marktplatz. Dem Brunnen „Europa mit dem Stier“, eines der bekanntesten Werke des schwedischen Bildhauers C. Milles, wollten wir natürlich einen Besuch abstatten.



Der Brunnen "Europa mit dem Stier" in Halmstad

 

 

Weiter durch bewaldetes Hügelland über Falkenberg, wieder an die Küste durch das viel besuchte Seebad Varberg und von dort durch die immer felsiger werdende Provinz Våstergötland. So allmählich nahm die Autodichte zu, immer mehr, immer höhere Gebäude zeigten uns die Nähe Göteborgs schon Kilometer weit vorher an.

 

Auf eine Stadtbesichtigung von Göteburg, von Gustav Adolf 1612 gegründet, verzichteten wir, sondern atmeten auf, als wir den Wagen irgendwo abstellen konnten, natürlich nur da, wo Parken verboten war, denn Hajo weigerte sich standhaft, noch einen weiteren Meter im Links-Stadtverkehr zu fahren. Schnauze voll – aber gestrichen!


Die Saluhallen in Göteborg 

 

In einer der zahlreichen Markthallen ergatterten wir eine ordentliche Käseecke, Brot und Getränke. Auf der Suche nach unserem „Fahrzeug“, entdeckten wir eine „Bar“ und Hajo stürzte sich auf seinen ersten Kochfisch.
Unser Schlafwagen stand tatsächlich noch am selben Fleck – ganz ohne Strafzettel!

 

Nix wie weg – vom Hafen über eine riesige Brücke über den Göteålv und dann tatsächlich auf einer „motorväg“ über Stenungssund und Uddevalla bis kurz vor Svinesund. Auf einem gewöhnlichem Rastplatz rasteten wir, aßen im Wagen unseren Käse und das leckere Brot, während draußen ein abgehärteter Campingfreund eisern versuchte, im Sturm und Regen sein Süppchen zu kochen.

 

Am nächsten Morgen holte uns das Gerüttel und Geschüttel der Windböen entsetzlich früh aus den Schlafsäcken. Frühstück?

Ja, gerne, aber wie? Unseren Spirituskocher in allen Ehren, aber dieser Windstärke war er hoffnungslos unterlegen. 


So, toll, irgendwann hatten wir dann doch heißes Wasser – aber wie bekommt man denn den Nescafé in die Tasse? Klar, im Wagen! Es war „urgemütlich“ – alle zwei Minuten rasten wir abwechselnd um unserem Frühstückstisch, um die windverwehten Gegenstände wieder einzusammeln.

Und weiter ging es über eine Brücke über den Svinesund zur schwedisch-norwegischen Grenze.

Gamla Svinesundsbron mit einer Länge von 420 Metern und einer Höhe von 58 Metern. Sie wurde zwischen 1939 und 1942 erbaut und 1946 in Betrieb genommen - sie existiert heute nicht mehr.

 

Juchhe, endlich wieder Rechtsverkehr – ein tiefer Seufzer der Erleichterung entfuhr meinem Angetrauten und ich musste auch nicht mehr des Öfteren die Augen vor Angst und „will nix sehen wollen“ schließen. Also auf nach Oslo.

Je näher wir der Hauptstadt kamen, um so schöner wurde der Blick auf den Fjord und die Stadt.

 

Wir landeten am Ostbahnhof, wo die „Karl Johansgata“ an der Domkirche vorbei geradewegs zum Schloss führt. Wir mussten unser Auto loswerden, schneller als gedacht erspähte Hajo einen freien Platz am Zollhof, dessen Zufahrt zwar verboten war – aber „können wir etwa norwegisch?“

 

Nach gründlichem Studium des Baedekers schlichen wir zu Fuß aus dem Zollhof und wechselten am Ostbahnhof erst mal Geld und bekamen von dem netten Onkel gleich noch einen Stadtplan geschenkt.

 

Der Bahnhof selbst ähnelte einer völlig verkommenen Markthalle. Das WC für kleine Mädchen hätte ich auch mit geschlossenen Augen gefunden – immer der Nase nach. Eine Klotante gab es auch nicht, nur ein altes Hutzelmännchen hielt mir eine Untertasse entgegen, kassierte und verschwand wieder. Hajo ging es wohl noch schlimmer, er legte seine Stirn in Falten und widerstand jeglichem Bedürfnis.

 

Die Karl Johansgata glänzte dagegen mit Eleganz und Flair und roch entschieden besser. Aber zunächst zog uns erst mal ein riesiger Supermarkt in seinen Bann, den wir dann entsprechend plünderten und Vorrat für die nächsten Tage bunkerten. Doch vom Kaufen alleine wurden wir auch nicht satt, also rein in die nächste „Bar“ und auch die Mägen gefüllt.

 

Da wir irgendwie nicht recht wussten, wo wir mit der Besichtigung hätten anfangen sollen, verlief sie entsprechend wirr  - bis wir wieder in Ostbahnhofsnähe kamen und wir uns sputen mussten, denn wir hatten ja noch eine ordentliche Strecke vor uns. Aber zuerst mussten wir unseren Dicken wiederfinden, doch der stand noch brav auf dem Zollhof, den wir dann schnellstens durch eine Einbahnstraße verließen, allerdings in verkehrter Richtung.

Noch ein Blick zurück und weiter ging es bergauf Richtung Lillehammer.

 

Eine wunderschöne Landschaft ab Minnesund entlang des etwa einhundert Kilometer langen und bis fünfzehn Kilometer breiten Mjoesasees.

 

Im Gudbrandstal begannen wir, uns ein Übernachtungsplätzchen zu suchen.

 

Ein ziemlich verwirrender Satz in unserem Baedeker faszinierte uns: „Eine Eisengitterbrücke führt zu dem anderen Ufer am Südende des 17 km langen, fischreichen Losnasees, eine Erweiterung des Lägen gelegenen Bahnhofs.“ Hm, wir verstanden nur selbigen, fuhren über die Brücke, kein See zu sehn, wieder zurück und in ein Nebensträßchen abgebogen und da, wie für uns arrangiert: eine große aus- und damit einladende Raststelle mit Bank.

 

Am nächsten Morgen war wieder Frühschicht angesagt. Der Wind, der Wind, das himmlische Kind rüttelte uns wach und die Handtücher trocken. Also auf zum Frühstück in wunderschöner Landschaft: die Bergwipfel noch im Nebel eingehüllt, aber wir bekamen schon ein wenig Sonne ab. Und mit uns sonnten sich viele, riesige Waldameisen und sie waren begeistert, ob unserer Friedensangebote: wie Brotkrümel und sonstiger Frühstücksreste.

 

Hüpfend wusch ich das Geschirr ab und Hajo besah sich kritisch die abgelatschen Profile unserer Autoreifen.
Mit dem nötigen Ernst in der Stimme verkündete er: „Nun wird es aber höchste Zeit, die Reifen zu wechseln“, drehte sich um und bestieg den nächsten Hügel, um unsere Idylle zu knipsen.

 

Wir wollten weiter, nur unser Dicker wollte nicht, er gurgelte im tiefsten Bass vor sich hin. Nochmal vorglühen, ist ja schließlich ein Diesel – aber dann. Auf der Hauptstraße weiter gen Norden, an zahlreichen Hünengräbern vorbei. In der Ferne tauchte gespenstisch die Silhouette der schneebedeckten Rondane auf. Nach Ringebu erklommen wir die Reichsstraße 131 bis Enden. Dies war wohl eine der schönsten Strecken, die wir bisher erleben konnten.

Die riesige dünnbewaldete Steppe schien sich in Nichts aufzulösen, nur begrenzt von den gewaltigen Gebirgsmassen der Rondane, der drittgrößten Gebirgsgruppe Norwegens. Stein, Fels, ein wenig Moos, graues Gestrüpp, eisige Kälte und glasklare Gebirgsseen, die zum Bade lockten – aber diese Temperaturen!

 


 

Es war zauberhaft und uns faszinierte diese Stille, diese Leere, diese Einsamkeit und diese Öde. Nach dem Örtchen Enden weiter auf einer im Baedeker extra ausgewiesenen Straße „die Sie unbedingt fahren sollten“- ja, auch sie hatte was, zumal wir uns nun unaufhaltsam dem Gebirge näherten – aber sie konnte, nach unserer Meinung, nicht an die Schönheit der zuvor gefahrenen Strecke heranreichen.

 

 

In Hjerkinn trafen wieder die Hauptstrecke und fuhren weiter im Tal der Driva abwärts auf einer in den Fels gesprengten Straße nach Oppdal. Dort verließen wir das Drivatal und zogen durch ein Heidegebiet über die Orkla, weiter am Fluss entlang. Seen, abenteuerliche Campingplätze in Felseinschnitten, tiefe Schluchten, Kupfergruben und waldige Höhen über uns.

 



Das Drivatal



Die Orkla

 

Vor Soknedal wurde das Tal wieder enger, es ging bei leichtem Nieselregen in vielen Kurven und teilweise halsbrecherischen Windungen abwärts nach Stören an der Einmündung des Gauldals.

 

 

Hier wurde der bläuliche Seifenstein (bei uns eher Speckstein genannt) für den Trondheimer Dom gebrochen.

Ansicht eines Teils des Trondheimer Doms



Die Gaula im Gaudals

 

Die Straße nach Trondheim folgte dem Lauf der Gaula, am Selbusee entlang und nun hörte es auf, langsam zu regnen und so zogen wir in strömenden Regen in Trondheim ein.

  

Wie man sehen kann, sieht man nichts von Trondheim - aber irgendwo unter den Nebelschwaden musste es ja wohl sein und wir haben es tatsächlich gefunden.

Teil 2 von Trondheim bis Hammerfest

 

 

Trondheim (damals ca. 60.000 Einwohner – heute sind es 170.000 ) begrüßte uns Ende Juli 63 mit strömenden Regen und der einzige Vorteil davon war wohl, dass sich die Touristen wohl irgendwo verkrümelt hatten und wir recht schnell einen absolut leeren Parkplatz in der Nähe des Nidarosdoms fanden.

 

Dort stellten wir unseren „Dicken“ ab, hüllten uns in Rollkragenpullover und Regenkleidung und wetzten los. Da der Haupteingang genau auf der anderen Seite war, probierten wir es an einem Nebeneingang und siehe da: wir hatten Glück. Nichts wie rein ins ehrwürdige Gemäuer!

Der Tod eines Königs legte den Grundstein für den Bau des Nidarosdom in Trondheim. König Olav, der nach seinem Tode heilig gesprochen wurde, hat maßgeblich dazu beigetragen, das Christentum in Norwegen, und ganz Skandinavien zu verbreiten.

Die Kirche ist vornehmlich im gotischen Stil erbaut, wobei das Mittelschiff mit dem Oktogon, das aus dem zwölften Jahrhundert stammt, einen romanischen Stil erkennen lässt. Besonders beeindruckend sind die alten Glasfenster aus dem 20. Jahrhundert. 

 

Eine kleine Stadtrundfahrt im Anschluss, noch an den bunten Lagerhäusern entlang des Nidelv vorbei und dann weiter über Hommelvik und Hell entlang am Ostufer des Selbusees zum Trondfjord. Bei Levanger wurde es nicht nur sehr kurvig und waldig, auch einige recht gefährliche Bahnunterführungen ließen uns sehr vorsichtig fahren. Wieder fanden wir in unmittelbarer Nähe des Fjordes einen wunderschönen Nachtplatz.

 

Da es heute noch sehr hell war und wir wussten, dass wir ab jetzt fast nur noch Naturstraßen vor uns hatten, wurden die Reifen gewechselt und erkundeten dann die stille Umgebung. Riesige, glattgespülte Gesteinsmassen ermöglichten uns, nah ans Wasser zu kommen; Baumstämme und angeschwemmte Balken machten Lust auf Abenteuer.

 

Gegen 21 Uhr, noch immer stand die Sonne am Himmel, badeten wir die dreckigen Reifen im Trondheimfjord und sahen, wir hatten Besuch bekommen.



 

Ein Stück von unserem Schlafwagen entfernt, winkte gar fröhlich ein Ehepaar aus Deutschland, die ebenfalls gemütlich gen Hammerfest unterwegs waren. Zusammen machten wir dann noch einen Spaziergang, viel gesehen haben wir dabei allerdings nicht – vor lauter Quatschen.

 

Dann aber für heute „Gute Nacht“!

 

Wieder war es das Trommeln der Regentropfen auf dem Autodach, das uns erwachen ließ, aber wir konnten uns gar nicht so schnell ärgern, wie es wieder aufhörte und wir zusammen mit unseren Nachbarn ein tolles zusammen gewürfeltes Frühstück zauberten, in dem wir alle Zutaten von hüben und drüben aufbauten.

 

Über Steinkjer ging es weiter durch hügelige Waldstraßen, dann am Nordwestufer des 44 km langen Snåsavann entlang. Und dort erwischten wir sozusagen unseren ersten Elch!


 

Nach Vegset fuhren wir nach einigen Kilometern durch Åsmulen bergauf durch Wald an einem staatlichen Rasthaus vorbei zum Formofoss. Natürlich sind wir ausgestiegen und sofort begann die Kletterei.



 

Es war so zauberhaft, eine Wildnis, die schier unberührt schien, überschäumende Wassermassen, die über Klippen und Felsen sprangen, Baumstämme mit sich rissen, die durch die Felshindernisse mit lautem Getöse zusammen krachten und wieder auseinander drifteten. Wir erklommen jede erreichbare Spitze, um so nah wie möglich ans Wasser zu kommen. Durchweichte Schuhe, klatschnasse Hosenbeine – was soll’s. Es war einfach wunderbar.

 

Irgendwann rief uns unser Zeitplan zur Vernunft, wir wollten ja eigentlich noch weiter und so nahmen wir mit einem sehnsuchtsvollen Blick zurück, Abschied von dem eindrucksvollen Naturschauspiel. Ein nächster Halt bot sich nach Fiskum am Laksfoss samt Lachstreppe, um den Fischen die Umgehung des sechzehn Meter hoch Wasserfalles zu ermöglichen.

 

Unser Weg gen Narvik führte nun hinter Mosjøen kurz am Fjord entlang und wurde dann wieder sehr bergig und kurvenreich. Vor uns bereits die schneebedeckten Gipfel der Okstindane (1915 m), links und rechts felsiges Gestein, dann waren wir am Finneidfjord mit Blick auf schneebedecktes Felsmassiv und die Gletscher des Svartisengebietes.

 

Weit waren wir heute nicht gekommen, aber die Suche nach einem Nachtplatz war sehr erfolgreich. Ein Feldweg führte uns direkt in die Nähe des Fjordes an dessen Ufer ein alter Fischkutter schaukelte. Warm war es nicht gerade und wir mummelten uns immer mehr ein, Zwiebellook sozusagen. Was warmes braucht der Mensch, sagten wir uns, rösteten uns das Brot und schlugen Spiegeleier in die Pfanne.

 

Offensichtlich fanden auch die Mücken der Umgebung unsere Wärme sehr anziehend oder eher die Aussicht auf warmes Menschenblut – sie kamen reichlich. Also erst mal stinkende Autansalbe auf Hände, Hals und ins Gesicht. Und da es noch sehr hell war, konnten wir bis kurz vor Mitternacht ohne jede Lichtquelle lesen – bis die Müdigkeit siegte.

 

Ein strahlender Sonnenschein begrüßte uns am Morgen und da wir unser Frühstück nicht wieder mit den norwegischen Mücken teilen wollten, suchten wir uns in Mo I Rana, einer kleinen Industriestadt, eine kleine Bar. Am Flusslauf der Jamtlia entlang, vorbei am Reinfoss nähern wir uns dem riesigen Schnee-, Firn- und Gletscherfeldern der Svartisen. 

 

Die Strasse Nr. 50 erreicht hinter Røvolt durch die wilde Schlucht Ihullet das eigentliche Dunderlandsdal. Wir legten eine Pause ein, die Sonne schien uns gar kräftig aufs Hirn und wir brauchten Frischwasser. Außerdem gelüstete uns nach noch mehr Nass. Wenn man das breite Kieselufer überwunden hatte, konnte man im Fluss Ranaelv wunderbar schwimmen und danach auf der höher gelegenen Wiese ein herrliches Sonnenbad nehmen.


 

Bis sich der Hunger meldete: Erbsensuppe aus der Dose, Würstchen aus der Dose – lecker. Und Hajo legte sich zum Nachtisch noch mal kurzentschlossen in die Niveadose, denn er hatte sich in der kurzen Zeit einen netten Sonnenbrand angelacht.

Weiter ging es durch eine recht öde, felsige Landschaft, bald hörte der Baumwuchs gänzlich auf und nach gut dreißig Kilometern erreichten wir den Polarkreis, der durch eine Steinsäule gekennzeichnet war.

 

Lange hielt es uns da nicht, wir fuhren bald weiter über den höchsten Punkt (707 m) dieser Straße wieder hinunter ins Lønsdal, einer Häusergruppe an der Nordlandbahn. Und welche Freude, dem Kind im Manne wurde ein ganz spezieller Wunsch erfüllt – es kam zwar leider kein Personenzug aus Trondheim, aber immerhin ein Güterzug. Der musste natürlich gleich auf Zelluloid gebannt werden. 

 

Zwischen Røsvik und Bogneø erlebten wir die schönste Fährenroute: links riesige Gebirgsmassen mit schneegefüllten Trichtern und rechts der leicht gelb schimmernde Verlauf des Leirfjordes. Nach fünfzig Minuten kamen wir in Bonnåsjøen an und folgten der Straße am Storfoss vorbei, links das Høgfjell – nichts als Berge, Schneemassen und Gletscherzungen.


 

Irgendwie waren wir heute ziemlich geschafft, es war ein langer Tag und vielleicht hatte uns auch das üppige Sonnenbad ein wenig ausgelaugt. Wir suchten uns gar bald ein Plätzchen auf einem alten wohl stehengebliebenen Brückenpfeiler mit toller Aussicht und begaben uns in Morpheus Arme.

 

Nach einem ausgiebigen Frühstück in Møsvik schnell wieder auf die Schotterpiste und da passierte es: vor uns fuhr ein alter Pritschenwagen, durch dessen Hinterräder schleuderte ein beachtlicher Stein hoch und knallte auf unsere Windschutzscheibe. Es knisterte, meine Aussicht nach vorne war nun gewaltig eingeschränkt, wie ein Spinnennetz zog sich das Muster über die ganze rechte Seite. So hatten wir uns unseren Aufenthalt in Narvik nicht vorgestellt.

 

Für die Stadt hatten wir zunächst gar keinen Blick, an der ersten Tankstelle erhielten wir Auskunft, wo wir eine entsprechende Werkstatt finden konnten – und wir fanden sie. Windschutzscheiben ersetzen war hier absolut keine unbekannte Tätigkeit, da ging wohl öfter mal was zu Bruch. Aber die passende Scheibe für unseren Dicken hatten sie nun leider nicht da. Aber ein Telefonat bescherte uns die Gewissheit, dass noch heute eine aus Tromsø geliefert werden könne.

 

Den Rest des Tages hatten wir nun frei, suchten uns erst einmal ein Hotel und eroberten dann die Stadt. 

 

Nach einem richtig bequemen Nachtlager, ausgiebigen Badens und Frühstückens zogen wir am Vormittag wieder zur Werkstatt. Hajo hatte bei dieser Gelegenheit auch gleich noch neue Reifen geordert, die schon fix und fertig gewuchtet wieder auf dem Dach befestigt waren. Die Scheibe war auch schon fast drin und nach einer Stunde nahmen wir Abschied von Narvik und den freundlichen Helfern.

 

Eigentlich hatten wir für Tromsø einen ganzen Tag angedacht, aber das war nun zeitlich etwas zu knapp geworden. Aber wir wollten zumindest die 1960 neu erbaute, 1036 m lange Brücke einmal sehen, die den Stadtteil Tromsdalen auf dem Festland mit der eigentlichen Stadt auf der Insel Tromsøya verbindet. 

 

Einen Schlafplatz fanden wir auf dem Weg nach Hammerfest in Lyngseder direkt am Wasser und wir freuten uns schon sehr auf morgen, obwohl wir die Mitternachtssonne nun schon einige Tage genießen konnten.






 

Aber die Ankunft an sich war schon sensationell. Strahlende Sonne, ein tolles Panorama und um das Glück perfekt zu machen: es gab einen Campingplatz. Der war zwar sehr urtümlich und naturbelassen, aber mit sehr sauberen Sanitäranlagen, einem Kiosk nebst niedlicher Bar.

 

Somit war ein gutes Frühstück für den nächsten Morgen garantiert – und an diesem Abend wollten wir nur noch Hammerfest genießen.

  

Das Ziel und damit die Hälfte unserer Reise hatten wir erreicht – die Rückreise wird uns über Finnland und Schweden zurückführen.

Impressum

Texte: gittarina
Bildmaterialien: Archiv
Tag der Veröffentlichung: 13.09.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieser Reisebericht entstand im Jahre 1963 - da war ich knapp 20 Jahre alt. Einige unserer Motive gibt es gar nicht mehr, weil sich baulich vieles geändert hat.

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