Die nicht gerade kleine Anzahl der Gäste rund um das Hochzeitspaar quetschte sich irgendwie in das winzige Zimmerchen des Standesamtes eines kleinen Ortes nahe Würzburg. Die Zeremonie verlief bürokratisch einwandfrei über die Bühne und nach einer knappen dreiviertel Stunde waren wir Mann und Frau.
Zur anschließenden Feier fuhr der ganze Tross nach Veitshöchheim ins kleine Schloss – dort warteten bereits all die geladenen Gäste. Es wurde wahrlich ein rauschendes Fest, das nichts zu wünschen übrig ließ.
Noch vor Mitternacht verabschiedeten wir uns und steuerten unser Domizil für die Hochzeitsnacht an.
Oberhalb des Mains auf der trutzigen Steinburg angekommen, erwartete uns zunächst nur absolute Finsternis – nicht ein kleines Willkommenslicht war zu sehen.
Auf dem hinteren Parkplatz, meinte mein frischgebackener Ehemann mit entschlossenem Tonfall: „Ich gehe mal klingeln, da muss doch jemand da sein. Schließlich habe ich doch alles bestellt und klar gemacht.“ Er öffnete die Wagentür.
Ein eisiger Wind, es war Anfang Dezember, fegte ins Wageninnere – doch damit nicht genug. Auch ein andauerndes dumpfes Grollen war zu hören, das aus einem finster aussehendem Dobermannkopf quoll. Aufgerissene, hellgelbe Augen fixierten uns beide und schnell wurde uns klar: an diesem Ungetüm von Wachhund kam keiner ungeschoren vorbei.
Die Autotür schloss sich rasch wieder und gleich danach wurde die Hupe im Staccato betätigt. Darauf hatte das Untier wohl nur gewartet, er fiel der Hupe mit kräftigsten Gekläffe sozusagen "ins Wort" und beide zusammen machten einen Höllenlärm.
Es dauerte nicht lange und es ward Licht, zunächst nur eine ziemlich funzelige Außenleuchte und gleich darauf erhellte sich der ganze Parkplatz in kaltes Neonlicht. Eine Tür öffnete sich, der Hund schloss sein riesiges Maul, machte eine Kehrtwendung und raste zu dem Wesen, das da auf uns zu steuerte.
Wieder etwas mutiger, öffnete mein Mann die Wagentür ein zweites Mal, stieg aus und auf die Frage des offensichtlichen Steinburger Nachtwächters, was wir hier denn so spät wohl noch wollten, hörte ich meinen Mann langsam unwirsch werden: „Ich habe doch für heute die Hochzeitssuite bestellt, so mit allem Drum und Dran!“ „Oh je,“ kam da zurück, „da scheint aber was schief gelaufen zu sein. Wir haben heute gar keine Übernachtungsgäste, aber ich soll morgen Rosen und Champagner in die Suite bringen. Morgen, nicht heute!“
Nicht nur meinem Liebsten, auch mir fiel die Kinnlade runter: „Und jetzt?“, schaltete ich mich ein, „Woanders bekommen wir doch jetzt mit Sicherheit kein Zimmer mehr.“ „Na, soweit fertig ist die Suite sicher, nur nichts weiter vorbereitet, schlafen können Sie da schon oder so…“ Sah ich da etwa ein verhohlenes Grinsen auf seinem Gesicht?
Da mir inzwischen ziemlich kalt geworden war, nickte ich meinem Göttergatten zu, der schnappte sich unsere zwei kleinen Gepäckstücke und ab ging es in die Burg. Unsere Schritte hallten in den ungetümen Hallen, die wir durchquerten, echoartig nach, ein antiquarischer Aufzug, wohl aus Gründerzeiten, zuckelte mit uns in den steinernen Turm, direkt zu unserem Gemach.
Nun gehörte uns für eine Nacht der oberste Turmbereich mit einem atemberaubenden Ausblick über Würzburg, einfach himmlisch. Staunend folgte ich dem Zeigefinger meines Mannes, der mir einige herausragende Lichterpunkte aus dem wunderschönen Panorama benannte.
Damit hörte dann aber leider die Bilanz der positiven Eindrücke schon auf. Dass die bestellten Rosen und der Schampus fehlten, wussten wir ja schon. Die Kälte im Turmzimmer merkten wir erst peu á peu, aber dann mit einem Schlag. Sie hatte sich langsam aber sicher durch die Bekleidung in unsere Körper geschlichen und machte sich nun durch eine Ganzkörpergänsehaut bemerkbar.
Vier brockige uralte Heizkörper, allesamt eiskalt – wir drehten die schwergängigen Ventile auf, nichts tat sich. Entweder Nachtabsenkung oder nur dann Heizung, wenn Gäste eingeplant? Wir schauten alle beide recht unglücklich aus unseren schnieken Hochzeitsgewändern.
Mein Angetrauter ging entschlossen auf das riesige King-Size-Bett zu, schlug die leicht klamme Bettdecke zurück und mit einladender Kopfbewegung vor: „Komm, wir mummeln uns hier ein, wir feiern morgen Hochzeit!“
Eng umschlungen und ungewöhnlich keusch, bibberten wir uns in unsere Hochzeitsnacht und in den Schlaf.
Es gab sogar ein Frühstück am nächsten Morgen, aber nicht etwa im hoteleigenen Frühstücksraum, sondern am Küchentisch unseres nächtlichen Türöffners. Dem begegneten wir nämlich, als wir suchend durch die Gänge schlichen. „Nein, es ist noch niemand da, das Personal kommt erst gegen 11 Uhr. Wenn Sie wollen, ich habe Ihnen bei mir einen Kaffee gekocht.“
Die kleine Portierswohnung lag etwas seitlich vom Hoteltrakt und „Mommsen“, wie er sich kurz vorstellte, hatte nicht nur Kaffee gekocht. Er hatte richtig „aufgefahren“: Brötchen, Butter, Käse, Wurst, Marmelade und sogar frisches Rührei. Es war nicht nur sehr gemütlich bei ihm, es war vor allem so richtig schön warm in seiner kleinen Bude. Und auch das nächtlich grollende Untier lag absolut friedlich in seinem Korb und rührte sich nicht.
Während wir es uns schmecken ließen, erfreute er uns mit seiner Botschaft: „Zahlen müssen Sie diese Nacht nicht, das habe ich schon geklärt. Wenn es Ihnen möglich ist, kommen Sie doch heute Abend wieder, dann steht Ihnen das Zimmer mit allem Drum und Dran zur Verfügung!“
Und wie es uns möglich war!
Texte: gittarina
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Tag der Veröffentlichung: 20.05.2011
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