Cover


Sehnsucht nach Zuhause

Manchmal blickte sie stundenlang aus ihrem Fenster und beobachtete die Natur, die sie immer wieder auf eine besondere Weise berührte. Sie konnte es nicht mit Worten beschreiben, doch in ihr regte sich das Gefühl, dass sie die Bäume, die sie so sehr liebte, spüren konnte und manchmal kam es ihr vor, als würden sie ihr zuhören und Antworten auf ihre Fragen geben, welche sie mit niemanden bereden konnte. Es waren sehr tiefgehende Themen, mit denen sie sich immer mehr beschäftigte und sie traute sich nicht, darüber zu reden. Irgendetwas in ihr sträubte sich, andere Menschen an ihren Gedanken teilhaben zu lassen.
Sie würden es bestimmt nicht verstehen und sie vielleicht für verrückt erklären. Das hielt sie davon ab, ihre Fragen zu stellen und so zog sie es vor, sich immer mehr von den Menschen zurückzuziehen und den Weg in die Natur zu suchen, wo sie sich einfach nur frei und wohl fühlte.


An einem warmen, schwülen Sommertag schlenderte sie am Strand entlang und genoss es,
ihre nackten Füße in die herbei strömenden Wellen einzutauchen. Bei jedem Schritt spürte sie den nassen Sand zwischen ihren Zehen emporquellen, fast kitzelte es ein wenig.
Vor ihr lag ein wunderbarer, weißer Sandstrand entlang einer weiten Dünenlandschaft, so weit das Auge schauen konnte. Die Sommersonne strahlte vom blauen Himmel herab und legte eine wonnige Wärme auf ihre gebräunte Haut. Ein sanfter Windhauch strich immer wieder über ihr Gesicht und sie spürte die angenehme Kühle, die sie dankbar zu schätzen wusste.
Mit jedem Atemzug durchströmte der Duft von Meersalz ihre Nasenflügel und verschaffte ihr das Gefühl, frei atmen zu können.
Das Lachen der Möwen war ihr sehr vertraut und sie spürte, dass sie ihr etwas mitteilen wollten. Auch sie freuten sich über den schönen Sommertag und vor lauter Übermut surften sie auf den Wellen und vergaßen alles um sich herum.




Welch eine Freude, ihnen zu zuschauen … fast beneidete sie ihre kleinen gefiederten Freunde um ihrer kindlichen Unschuld und der ungezwungenen Lebenslust, der sie sich in ihrem Wellenbad hingaben. Doch ihr Neid konnte sie nicht davon abhalten, sich mit ihnen von Herzen zu freuen und eine Leichtigkeit erfüllte sie.

Fast schwebend schlenderte sie weiter und weiter, ein inneres Lächeln begleitete sie auf ihrem Weg und löste immer mehr ihrer Gedankengänge auf, bis in ihrem Kopf nur noch eine Leere war.

Schritt für Schritt spürte sie, wie das Wasser ihre Füße umspülte, fühlte sie die Sonnenstrahlen bis in jede Zelle ihres Körpers strahlen, vernahm den salzigen Duft des Windes, hörte das Wellenrauschen und blickte auf das Meer hinaus, weit in die Ferne.
Alles um sie herum löste sich auf, nur das endlose Wasser umhüllte weiterhin ihren Körper,
den sie unbewusst in die Wellen steuerte. Bis zu den Hüften stand sie im Meer und gab sich mit geschlossenen Augen dem Fluss des Atem hin.
Mit jedem Einatmen spürte sie eine Energie von unvorstellbarer Klarheit in sich einfließen.
Diese Klarheit war so rein, wie das Wasser, dass aus einer Quelle entspringt und sich voller Frische den Weg bahnt durch den Flusslauf des Lebens, bis es in das große Meer mündet, um sich mit allem zu verbinden, was es gibt.

Mit jedem Ausatmen verließ sie ein Stück von ihren Ängsten, Sorgen, starren Verhaltensweisen und Gedanken, getrennt zu sein ... getrennt von den Menschen, den Tieren, den Pflanzen, Mutter Erde, dem Universum und von Gott!
Nein ... die Welt, in der sie lebte gab es nicht mehr! Alles, was sie ihr Leben nannte, schien wie aufgelöst. Es gab keine Zeit, keinen Raum und auch sie gab es nicht mehr! Da war nur noch Stille, Leere und dieses unbeschreibliche Gefühl von Frieden und Liebe!

Wie lange sie in diesem Zustand verweilte wusste sie nicht, aber es musste schon eine ganze Weile gedauert haben, denn als sie wieder in ihre Welt zurück gelangte, wurde sie von der Dämmerung überrascht und ihr nasser Körper begann zu frösteln.



Etwas verwirrt, aber glückselig kehrte sie dem Meer den Rücken zu und lief durch die Dünen, auf dem kürzesten Weg nach Hause, um sich in ein trockenes Kleid zu hüllen und den lauen Sommerabend entspannt zu genießen.

Wie schon so oft, ließ sie noch einmal in ihrer Erinnerung die Erfahrung am Strand aufleben.
Erlebnisse dieser Art, waren für sie nichts Neues. Immer wieder begegnete sie in der Natur der Stille und Leere, dem NICHTS ...

...und sie war Zuhause!




Mein Zuhause


Mein Zuhause ist nicht in meinen vier Wänden
ist nicht gebaut aus Stahl und Stein
Mein Zuhause ist nicht errichtet mit den Händen
gehört nicht nur mir ganz allein

Mein Zuhause liegt in keinem Land
hat keinen Namen,keine Tür
kein Weg dorthin führt über Sand
nur durch die Stille, Jetzt und Hier

Gitanjali




Impressum

Texte: © 2010 Alle Rechte bei Cäcilia Wentker Nachdruck oder Vervielfältigungen, auch auszugsweise bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin © 2010 Cover – Foto Cäcilia Wentker
Tag der Veröffentlichung: 19.03.2010

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /