Cover

Zwischen Schloss und Psychiatrie




Es lebte einst in einem Städtchen
ein wohlerzogen, kleines Mädchen
das immer sich benehmen konnte
und sich in ihrem „Liebsein“ sonnte

Und alle Menschen die sie kannten,
Familie, einschließlich Tanten
sie liebten ihre Nettigkeit
und tätschelten sie jeder Zeit

Verwöhnten das Prinzesschen gerne
holten vom Himmel ihr die Sterne
und hüllten sie in Watte ein
so konnte sie ganz sicher sein

Sie wurde immer ferngehalten
vom Bösem und von Zwiegestalten
nichts Böses sollte ihr geschehen
man ließ sie nur das Gute sehen


Doch mit der Zeit konnte sie spüren
dass sie begann, sich zu verlieren
Die Illusionen einer Welt
in der sie lebte, sind zerschellt

Ihr wurde klar, sie war gefangen
in einem Käfig voller Bangen
von den Ängsten ihrer Lieben
konditioniert und dumm geblieben

In ihrer Wut weinte sie Tränen
sie schienen ein Gefühl zu lähmen
und als ein Opfer stand sie da
in ihrem Herz die Kälte war

Vorbei die liebevollen Zeiten
sie ließ sich von der Strömung leiten
die sie hinab zog in die Fluten
und alle andern sollten bluten

Sie war kein liebes Mädchen mehr
sie setzte sich nur noch zur Wehr
nun liebte sie die Rebellion
war gegen alles voller Hohn

Vor lauter Trotz ließ sie sich gehen
man sah sie auf der Straße stehen
im Minirock und grell geschminkt
bis sie ein Freier zu sich winkt

So gingen Jahre durch das Land
als man sie sah im Nachtgewand
mit leerem Blick, zerzaustem Haar
die Psychiatrie ihr Heim nun war

Gefunden hat sie in der Gosse
aus alter Zeit ein Bettgenosse
Mit Rauschgift voll gepumpt, halb tot
ein Anblick voller Lebensnot

Entzug, Entgiftung, Therapie
Man nahm ihr alle Energie
beruhigte sie mit Tabletten
fixierte sie an Klinik-Betten

Als sie sich ganz verloren fand
ohne ein „Ich“, ohne Verstand
als alles, was sie jemals war
nicht mehr da war, wurd´ ihr klar:

Das Leben hat nur einen Sinn,
es lehrt mich, was ich wirklich bin
Bin das Produkt meiner Gedanken
und der gesellschaftlichen Schranken

Ich bin gedanklich programmiert
von Kindheit an konditioniert
Alles, was ist, um mich herum
ist nicht real, nur Illusion

Wenn die Gedanken mich nicht leiten
und sich verlieren in den Zeiten
bleibt mir nur der Augenblick
in dem Bewusstsein kehrt zurück

Mein Ego, nein...das bin ich nicht
es hat versperrt mir meine Sicht
Jede Erfahrung meines Lebens
war für mich keinesfalls vergebens

Denn ohne das, was mir passierte
auch wenn es mich leidlich blessierte
wäre ich nicht, wo ich jetzt bin
und wüsste nicht des Lebens Sinn

Nun spürte sie nicht mehr die Kälte
der Eispanzer vom Herz zerschellte
die Wärme kehrte wieder ein
und ließ alles, was ist, so sein.

Gitanjali


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 26.02.2010

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /