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Trinity College

 

Trinity College

 

Cambridge

 

Juli 1964

 

 

 

 

Bahnbrechende Erfindungen und Entdeckungen wie der Staubsauger oder das Penizillin, oder wichtige Ereignisse wie die beiden Weltkriege, haben die ganze Welt verändert. Zum Guten wie zum Schlechten.

 

 

 

 

 

Daniel Stantons Welt wurde nur durch einen einzigen, unscheinbaren Zettel vollkommen aus den Angeln gehoben. Eine flüchtig hingekritzelte Nachricht, die mitten in der Nacht unter seiner Tür durchgeschoben wurde. Danach war für den schüchternen Mathematikstudenten nichts mehr so, wie es vorher war.

 

 

 

 

 

 

***

 

 

 

 

 

Morgen.

 

23 Uhr.

 

Trinity Bridge.

 

Muss mit dir reden.

 

JB

 

 

 

 

JB. Jack Barrow. Der Mann, von dem Daniel fast jede Nacht träumte. Wegen dem er sich an manchen Tagen kaum auf sein Studium konzentrieren konnte. Der ihn, von Anfang an, wie den letzten Dreck behandelt hatte, über ihn gelacht hatte, ihn mehr als einmal mit ziemlich harschen Sprüchen verletzt hatte. Er hatte ihn geschupst und vor anderen Leuten lächerlich gemacht. Trotz all dem hatte sich Daniel ihn Jack verliebt.

 

Seufzend ließ Daniel den Zettel sinken. Immer wieder las er die fünf Zeilen und konnte sich dennoch keinen Reim darauf machen. Was hätten Jack und er schon miteinander zu besprechen? Sie kannten sich ja kaum. Ein paar Mal hatte er versucht, den ein Jahr älteren in ein Gespräch zu verwickeln. Doch jedes Mal wurde er auf dieselbe ruppige, unfreundliche, verletzende Art abgewiesen. Mit der Zeit hatte er es dann einfach aufgegeben. Jack hatte ihm ja mehr als deutlich gezeigt, was er von ihm hielt. Aber warum zum Teufel wollte er sich dann mit ihm treffen?

 

Zu seiner Schande musste sich Daniel eingestehen, dass ein wenig Hoffnung in ihm aufkeimte. Zum ersten Mal würde er mit Jack alleine sein. Nur sie beide, nachts, im Dunklen, am Fluss, an der Trinity Bridge. Eine nicht gerade unromantische Atmosphäre …

 

„Oh Gott. Nein, nein, nein“, stieß Daniel frustriert hervor, raufte sich kopfschüttelnd die Haare und stand auf. Jetzt war er ganz froh, dass Frank Mitchell, sein Zimmergenosse, vor ein paar Tagen am Blinddarm operiert worden war und derzeit noch im Krankenhaus lag. So hatte er das Zimmer für sich alleine. Ansonsten müsste er sicherlich unangenehme Fragen beantworten.

 

 

 

Niedergeschlagen ging Daniel zu seinem Schreibtisch, der unter dem Fenster stand, stützte die Hände auf die Tischplatte und starrte hinaus in die Dunkelheit. „Hör endlich mit diesen vollkommen abwegigen, hoffnungslosen Fantasien auf, Stanton. Jack Barrow ist mit Sicherheit nicht so ein Perverser wie du“, murmelte er deprimiert.

 

Dieses eine Wort war auch nach all den Jahren, die er mit dieser unsäglichen Andersartigkeit nun schon leben musste, so schmerzhaft, dass er seine Hände wütend zu Fäusten ballte, bis sich die Fingernägel in die Haut pressten. Das kleine Stück Papier in seiner Rechten knisterte, als es so zusammengeknüllt wurde. Lange Zeit hatte er sich gewaltsam verboten, jegliche Gefühle für andere Männer zuzulassen. Hatte sich geschämt und gehasst, offensichtlich zu den Menschen zu gehören, die von der Gesellschaft als widerwärtig und kriminell angesehen wurden. War sogar mit Frauen ausgegangen, in der Hoffnung, wieder normal zu werden.

 

„Das hat ja super funktioniert“, schnaubte Daniel, ließ den Kopf hängen und starrte auf den zerknüllten Zettel. Die mühsam unterdrückten Gefühle waren in dem Moment mit voller Wucht wieder auf ihn hereingebrochen, als er den hochgewachsenen, sportlichen Architekturstudenten gesehen hatte. Jack Barrow hatte etwas an sich, dem sich Daniel einfach nicht entziehen konnte. Aller Unfreundlichkeit und Grobheit zum Trotz.

 

Langsam richtete sich Daniel wieder auf und strich den Zettel so gut es ging glatt. Erneut flogen seine Augen über Jacks etwas krakelige Handschrift. Konnte das vielleicht eine Falle sein? War Jack mittlerweile so von ihm genervt, dass er …

 

Heftiges Kopfschütteln folgte dieser völlig absurden Vorstellung. Jack würde ihn ganz sicher nicht mitten in der Nacht vermöbeln. „Aber was willst du dann?“, fragte sich der Blonde, steckte den Zettel zurück in den Umschlag und verstaute ihn ganz hinten in einer Schreibtischschublade. Niemand durfte je von diesem Treffen wissen, sonst kämen sie womöglich in echte Erklärungsnot.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 19.03.2014
ISBN: 978-3-7309-9321-7

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