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Versammlung der Tiere

 

 „Nun gräme dich doch nicht so, mein lieber Mann. Für mich bist du der Klügste und der Schönste!“, versucht Frau Fuchs ihren Mann zu trösten, der gerade von der Versammlung der Tiere nach Hause gekommen ist.

Doch der Fuchs knurrt und ist mächtig verstimmt. So lange hat er sich auf diesen Tag vorbereitet. Sogar eine Rede hat er sich ausgedacht, die er halten wollte, wenn man ihn zum obersten Richter der Tiere gewählt hätte. Die Enttäuschung ist riesengroß.

„Diese blöde Eule! Sitzt da und guckt klug und dann grinst sie noch so unverschämt. Ich bin so wütend, wenn ich die zu fassen kriege, dann werde ich ihr jede Feder einzeln vom Leib reißen!“, schimpft er.

„Pst! Doch nicht vor den Kindern!“ Frau Fuchs wird nun ebenfalls ärgerlich. Sie findet es in Ordnung, dass die Eule den Zuspruch wieder bekommen hat. Ihr lieber Fuchs war sowieso schon viel unterwegs. Wäre er nun noch Richter geworden, dann bliebe ja noch weniger Zeit für die Familie. Dieser Gedanke gefiel ihr gar nicht.

„Du weißt doch, mein Lieber, dass wir hier in dieser Gegend keine Chance haben. Wir leben in OWL (Ostwestfalen-Lippe), das ist der englische Begriff für Eule. Da siehst du doch schon, dass die Eule gar nichts tun muss, sie wird immer der Boss bleiben. Außerdem fällt sie doch gerechte Urteile, soweit ich das weiß.“

„Gerechte Urteile, so ein Quatsch, sie hat gar keine Ahnung und ruht sich den ganzen Tag aus. Was bekommt sie denn mit von den echten Problemen in unserem Wald? Gar nichts! Sie hinterfragt auch nicht, sondern nimmt alles so hin, wie man ihr berichtet.

Es ist anmaßend, dass sie so tut, als wüsste sie alles, die alte Schlafmütze!“

„Nun ist es aber gut, mein Lieber. Die Eule ist dafür die ganze Nacht wach, irgendwann muss sie ja schlafen!“

„Man hätte dir den Posten geben sollen, du hast ja sowieso immer recht!“, schimpft der Fuchs und legt sich neben die Kinder. „Nun lass mich in Ruhe, ich möchte mich ausruhen.“

Frau Fuchs ist klug genug, ihrem Mann nicht zu widersprechen. Er würde sich schon wieder beruhigen. Liebevoll streichelt sie seinen Nacken, damit er sich entspannen kann.

„Eines Tages wirst du Bürgermeister, das ist auch ein verantwortungsvoller Job. Du könntest dafür sorgen, dass alle Tiere des Waldes friedlich miteinander leben könnten“, flüstert sie noch.

Sie ist eben eine alte Romantikerin, die Frau Fuchs und sie hat gar nicht bedacht, dass sie ihre Jungen nicht ewig stillen kann. Irgendwann wird sie ihnen das Jagen beibringen müssen und dann ist Schluss mit friedlich. Aber darüber will sie heute Nacht nicht nachdenken, es ist gerade so gemütlich.

 

 

Begegnung unterm Apfelbaum

 

Johannes lag mit geschlossenen Augen im Gras. Auf seinem Gesicht spürte er die warme Sonne. Welch ein wohliges Gefühl. Mit keinem Geld der Welt war das zu bezahlen, so schön. Dass sich über seinem Kopf ein kleines Drama anbahnte, ahnte Johannes nicht. Dort oben, im Apfelbaum konnte sich eine dieser dicken, reifen Früchte nicht mehr an ihrem Stängel halten und fiel … pardauz, dem Johannes auf den Kopf!

Aua! Erschreckt setzte er sich auf und tastete mit der Hand über die schmerzende Stelle über der Stirn. Wütend ließ er seinen Blick durch den Garten streifen und suchte nach dem Übeltäter.
Ein Kichern ertönte.

„Darf das denn wahr sein?", rief Johannes verärgert. „Wer lacht mich da aus? Diese Schmerzen gönne ich meinem ärgsten Feind nicht und du? Du lachst! Wo bist du überhaupt?"
„Hier unten, guck doch mal neben dich."
Johannes ließ seinen Blick durch das Gras neben sich gleiten und entdeckte eine Schnecke.
Sie trug ein sehr schön geformtes Haus und hochaufgerichtet mit weit ausgestreckten Fühlern sah sie zu ihm auf und ... tatsächlich sie grinste.
„Hast du mich etwa ausgelacht?"
„Ja, du hast  wirklich komisch ausgesehen, als der Apfel auf deinen Kopf fiel."
„Ein Apfel hat mich getroffen?"
„Ja, besser dich als mich, ich wäre platt gewesen. Da hinten liegt er. Guck mal!"

Johannes schaute in die Richtung, die ihm die Schnecke deutete und tatsächlich, da lag ein wunderbarer Apfel im Gras, einer mit leuchtend roten Wangen. So richtig zum Reinbeißen sah er aus und das tat Johannes dann auch, nachdem er ihn auf seiner Hose abgewischt und poliert hatte.

„Koste mal!", sagte Johannes und hielt der Schnecke den Apfel hin.

„Lieber nicht", meinte die Schnecke bescheiden. Es klang ein wenig traurig.

„Du würdest dich ekeln, selbst nochmal hinein zu beißen. Alle Menschen ekeln sich vor mir!", sagte sie leise.
Johannes betrachtete die kleine Schnecke und auch die Schleimspur, dies sie im Gras hinterlassen hatte und wusste im Moment nicht was er sagen sollte, denn anlügen wollte er sie nicht.
Doch dann sah er in das kleine süße und freundliche Gesicht und er lächelte.
„Nein ich ekle mich nicht!"
Er hielt ihr den Apfel hin und forderte sie auf. „Beiß hinein!"

„Brich mir doch ein Stückchen ab, dann können wir gemeinsam essen!", bat ihn die Schnecke. „Es speist sich schöner in Gesellschaft, findest du nicht?"

Sie war klug, die kleine Schnecke. Sie wollte nicht riskieren, dass Johannes nicht mehr weiteressen würde, wenn sie erstmal abgebissen hatte vom Apfel. Außerdem würde sie es nicht schaffen, dann den Rest des Apfels zu verputzen, dafür war sie viel zu klein und der wunderbare Apfel würde im Gras verfaulen, wenn ihn nicht die gefräßigen Krähen holen würden.
Johannes brach ein kleines Stückchen ab und legte es ins Gras, dann biss er mit seinen kräftigen Zähnen in den Apfel. Während er kaute, beobachtete er seine Freundin, die an dem Apfelstückchen mehr leckte als biss.

"Hast du eigentlich Zähne?", fragte Johannes neugierig.

Die Schnecke kicherte. "Klar, jede Menge Zähne habe ich, die sind alle auf meiner Zunge und wenn ich esse, dann raspeln die Zähnchen meine Nahrung, so dass ich sie nur noch schlucken muss. Praktisch, nicht wahr?"

Das fand Johannes auch und er wollte noch viel mehr über die Schnecken wissen. Deshalb verabredeten sich die beiden gleich für den nächsten Tag an der gleichen Stelle. 

Zu Hause las Johannes in seinem Kinderlexikon nach, was es mit den Zähnen und der Raspel auf sich hatte. Er erfuhr, dass die 'Zunge' einer Schnecke Radula heißt und sich auf ihr bis zu 25.000 kleine Haken oder Zähnchen befinden, die Nahrung raspeln.

"Ach Schneckchen, ich habe dich gar nicht nach deinem Namen gefragt!", seufzte Johannes, als er am Abend in seinem Bett lag. Er stellte sich vor, wie die Schnecke gemütlich in ihrem Häuschen lag und vielleicht auch an ihn dachte, könnte ja sein.

„Morgen werde ich dich nach deinem Namen fragen“, murmelte Johannes und dann schlief er ein. Von wem er in dieser Nacht geträumt hat, das muss ich euch sicher nicht erzählen, oder?

Das Marienkäferchen in der Schule

 

 „Ich hatte als Kind einen Marienkäfer aus Blech, den ich hinter mir herziehen konnte. Er lief auf Rädern und öffnete beim Fahren die Flügel – auf und zu, auf und zu. In seinem Inneren konnte man einen Schatz verstecken oder aber ein wenig Proviant, um im Garten spazieren zu gehen!“, sagte Frau Korte. Sie schaute dabei so sehnsüchtig aus dem Fenster, als vermisse sie ihren Marienkäfer noch heute. Die Kinder lachten. Das musste doch ein seltsames Spielzeug gewesen sein, heute packte man seinen Proviant in eine Brotdose und dann in den Rucksack und einen Schatz hatte keines von ihnen. Was war das überhaupt, ein Schatz?

Jonas meldete sich.

„Frau Korte, was für einen Schatz meinen Sie denn? Etwa so ein geheimes Tagebuch oder sowas?“, fragte er.

„Ein Schatz – mmh, das können ganz verschiedene Dinge sein. Etwa ein Schlüssel zu einer Schatzkammer oder aber ein Schmuckstück. Es kann auch ein wertvolles Erbstück sein oder eine verzauberte Haarspange!“, erklärte Frau Korte.

„Das war sicher Ihr Lieblingsspielzeug, Frau Korte, stimmt’s? Wo Sie doch Maria heißen, meine ich!“, sagte Anna-Lena.

„Du meinst den Marienkäfer, oder?“, wollte Frau Korte wissen und als Anna-Lena nickte, bestätigte sie: „Ja, das war mein Lieblingsspielzeug, ich muss doch mal nachschauen, ob ich ihn noch auf dem Dachboden finden kann, dann bringe ich ihn mit, versprochen!“

Entschlossen stand Frau Korte auf. Wie war sie denn jetzt auf das Kinderspielzeug gekommen? Ach ja, sie hatten den Kindern davon erzählen wollen, wie der Marienkäfer zu seinem Namen gekommen war.

„Kann sich denn schon jemand vorstellen, warum der Marienkäfer so heißt?“, fragte sie.

Die Kinder riefen durcheinander und immer wieder hörte man „Gottesmutter Maria“ oder „Heilige Maria“ oder aber „Glückssymbol“.

„Pssst! Nicht alle durcheinander, aber alles was ich hören konnte, war richtig. Natürlich hat Maria etwas damit zu tun. Man sagt, dass sie die kleinen Nützlinge als Geschenk geschickt haben soll!“

Frau Korte machte eine kurze Pause und sah die Kinder aufmerksam an.

„Geschenk?“, rief Jonas. „Tiere darf man doch nicht verschenken und Marienkäfer schon gar nicht, die gehören doch keinem!“

„Deshalb kann Maria sie doch trotzdem verschenkt haben, sie hat uns ja auch Jesus geschenkt, oder?“, wandte Steffi ein. „Außerdem sind Marienkäfer ja ganz doll nützlich, sie fressen Läuse und befreien die Blumen von ihnen und das Getreide, und alles eben. Opa sagt immer, dass Marienkäfer Gold wert sind!“

Kalle, der vor Steffi saß und eigentlich nie so richtig zuhörte, wirbelte herum. „Die fressen Mäuse?“, fragte er.

„Kalle, du musst zuhören! Läuse fressen sie, Läu-se!“, feixte Steffi. „Das ist nicht witzig, Kalle, echt nicht!“

„Das ist nicht witzig, Kalle, echt nicht!“, äffte Kalle Steffi nach. „Du bist nervig, Steffi, echt jetzt!“, fügte er hinzu.

Steffi schwieg beleidigt und Kalle drehte sich wieder nach vorn. Frau Korte erzählte jetzt, dass es noch einige andere Deutungen gab, so schütze der Marienkäfer beispielsweise vor Hexen und Magiern und diene den Menschen deshalb als Glückssymbol.

„Und jetzt wünsche ich mir, dass ihr einen schönen Marienkäfer ins Zeichenheft malt und für morgen schreibt ihr dann drei kurze Sätze über die Bedeutung des Namens dazu!“

Während Steffi sich verstohlen ein Tränchen wegwischte, das sich in ihre Augen gestohlen hatte, flog das kleine Marienkäferchen, das die ganze Zeit auf der Fensterscheibe alles mit angehört hatte auf Steffis Zeichenheft, zum Trost wohl und Steffi freute sich und verriet kein Sterbenswörtchen.

 

Gerade nochmal gut gegangen

 

 Aufgeregt ließ sich Frau Blaumeise auf dem Apfelbaumzweig nieder, direkt neben Frau Kohlmeise.

„Haben Sie es schon gehört? Es ist sensationell, meine Liebe!“, zwitscherte sie.

„Was soll ich denn gehört haben, nun sagen Sie schon!“, erwiderte Frau Kohlmeise.

„Auf der Terrasse der alten Betty steht ein neues Vogelhaus!“, erzählte Frau Blaumeise stolz. Sie wähnte sich als Entdeckerin dieser unglaublichen Sensation.

„Na und?“, fragte Frau Kohlmeise. „In vielen Gärten stehen Vogelhäuser. Was nützt uns das, wenn nichts drin ist?“

„Das ist es ja eben! Bei der alten Betty ist was drin und was für tolle Sachen das sind. Ich bin pappsatt und kann heute kein Körnchen mehr hinunterbringen! Diese Nüsschen, ich sage Ihnen, die sind köstlich!“, schwärmte Frau Blaumeise.

„Erzählen Sie es nur nicht zu oft herum, rate ich Ihnen. Dann bleibt nichts mehr für uns!“, meinte Frau Kohlmeise, dann machte sie sich auf, um das Vogelhaus in Augenschein zu nehmen. Sie bat Frau Blaumeise nicht einmal, mit ihr zu kommen. Auch hätte sie sich bedanken können. Frau Blaumeise war verstimmt und ärgerte sich nun, dass sie überhaupt etwas verraten hatte. Dabei hatte sie es gut gemeint, schließlich hatten doch alle Vögel Hunger.

Sie flog ein paar Zweige höher im Apfelbaum, da sie von dort einen besseren Blick auf den Garten der alten Betty hatte. Es fing schon an zu dämmern und im Garten war alles still. Doch da, was war das? Schlich da nicht der dicke Theodor ums Vogelhaus? Frau Blaumeises Gefieder stellte sich aufrecht, das ist so, wenn Meisen Gänsehaut bekommen. Gefahr! Große Gefahr! Der dicke Theodor war nämlich ein gefräßiger Kater und sicher hatte er Frau Kohlmeise bereits im Blick.

‚Ich muss helfen‘, dachte Frau Blaumeise. Aber das war gar nicht so einfach, was konnte sie schon gegen einen dicken Kater ausrichten?

So schnell sie konnte, flog sie zum Garten der alten Betty, setzte sich aufs Fensterbrett und zwitscherte und piepste so laut, wie es ihr möglich war. Immer wieder hackte sie mit dem Schnabel an die Fensterscheibe und es dauerte auch gar nicht lange, da öffnete Betty das Fenster und streckte den Kopf heraus.

„Was ist denn hier los?“, fragte sie und schon ging ihr Blick zum Vogelhaus und gleich erfasste sie die Lage. „Theodor!“, kreischte sie. „Komm sofort da weg!“

Theodor schlich mit hängenden Schultern zur Katzenklappe, durch die er noch gerade so durchpasste.

„Macht euch keine Sorgen, liebe Vögelchen!“, versprach die alte Betty. „Gleich morgen werde ich einen Draht unterhalb des Hauses anbringen, dann kann euch niemand etwas zuleide tun!“

Frau Blaumeise war erleichtert und Frau Kohlmeise, die diese Gefahr erst erkannt hatte, als schon alles vorbei war, war sehr dankbar.

„Frau Blaumeise, Sie sind die Beste!“, zwitscherte sie und von diesem Tage an waren die beiden Freundinnen.

 

 

 

Mäusefreundinnen

 

Die kleine Maus Krümel hatte ihr behagliches Nest unter der dichten Lorbeerhecke verlassen. Weit draußen, auf der Obstwiese schnupperte sie an einem Apfelkitsch, den wohl jemand achtlos weggeworfen hatte. Welch ein Glück für die Maus. Krümels winzige Nase bebte und die feinen Barthaare zitterten vor Aufregung. Mit den Pfoten ergriff sie geschickt einen Apfelkern und knabberte genüsslich daran. Einen weiteren Kern verputzte sie und einen dritten wollte sie ihrer Freundin Minny mitbringen. Die würde sich freuen. So flitzte Krümel mit dem Kern zwischen den Zähnen nach Hause, legte ihren Schatz in das winzige Glas im Nest, das sie einmal gefunden hatte und mühsam ins Heim geschleppt hatte. Dann machte sich gleich noch einmal auf den Weg, um einen weiteren Apfelkern einzusammeln.

Als sie aber zurück zur Wiese kam und durch das lange Gras trippelte, um den Apfelrest wiederzufinden, sah sie gerade noch, wie eine dicke Katze gebeugt durch die Wiese schlich. Im nächsten Moment sprang sie auf etwas zu und dann gab es ein Gequieke und Geschrei und – glücklicherweise – konnte ein anderes Mäuschen entwischen.

Unserer Maus Krümel allerdings war der Schreck dermaßen in die Glieder gefahren, dass sie

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Regina Meier zu Verl
Bildmaterialien: Regina Meier zu Verl
Cover: Regina Meier zu Verl
Lektorat: -
Korrektorat: -
Tag der Veröffentlichung: 05.01.2022
ISBN: 978-3-7554-0441-5

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Lukas, Djamila, Maila, Lio und Nora

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