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1. Dezember

„Ich war dabei, als Christus geboren wurde!“, behauptete Jessy, der kleine Esel.

„Erzähle uns keine Märchen. Das ist über 2000 Jahre her. Du bist gerade mal fünf Jahre alt!“, wandte die rotbunte Kuh Berta ein, die im Stall ihren Platz neben Jessy hatte.

„Noch nie etwas von Auferstehung gehört?“, maulte Jessy. „Frag mal den Ochsen. Der war auch dabei!“

Berta schüttelte unwillig den Kopf. So einen Blödsinn wollte sie gar nicht hören. Ihr sagte der gesunde Kuhverstand, dass Jessy mal wieder fantasierte. Er war eben ein dummes Kind!

„Kinder sind nicht dumm!“, sagte Jessy nun. Berta konnte es nicht glauben. Konnte der kleine Esel nun etwa auch noch Gedanken lesen?

Jessy kicherte. Gedanken lesen konnte er nicht, aber Berta sagte bei jeder Gelegenheit, dass Kinder dumm sind und so konnte er sich denken, dass ihre Überlegungen genau darauf hinzielten.

Dabei hatte ihm die Mutter erzählt, dass gerade die Kinder dazu in der Lage sind, die Wahrheit zu erkennen.

„Wo ist er denn, dieser Christus, bei dessen Geburt du dabei warst?“, wollte Berta wissen.

„Überall!“, sagte Jessy geheimnisvoll. „Er ist bei uns, hier im Stall. Aber er ist auch bei den Menschen, drüben im Haus. Sonntags ist er in der Kirche und er besucht die Armen und Kranken!“

„Hast du ihn gesehen?“ Berta wurde immer nachdenklicher. Brauchte sie vielleicht eine Brille?

Jessy lachte. „Ach Berta, gesehen habe ich ihn auch nicht, aber ich spüre ihn, gerade jetzt im Advent. Ich freue mich auf seinen Geburtstag und überlege, was ich ihm schenken soll!“

„Aber …“ Berta erhob sich schwerfällig. „Aber zu Weihnachten bekommt man doch Geschenke, weißt du noch, die Extraportion Heu im letzten Jahr?“

Jessy überlegte. „Weißt du was, Berta? Das eine schließt das andere ja nicht aus. In diesem Jahr denken wir uns eben auch etwas aus, das wir dem Christkind schenken können!“

„Wir sind dabei!“, riefen die Schafe. „Wir haben auch schon eine Idee!“

 

2. Dezember

Jessy grinste, so ein richtig breites Eselsgrinsen, bei dem alle Zähne zu sehen waren. Genauso hatte er sich das vorgestellt, er wollte alle Tiere mit seiner Idee anstecken, dem Christkind etwas zu schenken. So wie damals, als die Tiere im Stall für das Neugeborene da waren. Geschenke hatten zwar nur die Hirten und die Könige gebracht, aber es musste ja nicht immer alles so bleiben, wie es früher war. Man konnte auch einfach mal ausbrechen aus alten Traditionen. Dafür musste die Jugend sorgen. So dachte Jessy sich das.

Die Schafe flüsterten miteinander und auch Familie Maus hatte sich versammelt, um zu beraten, wie sie sich beteiligen konnte. Berta kaute vor sich hin, nachdenklich, und da sie die einzige Kuh im Stall war, hatte sie niemanden, mit dem sie sich austauschen könnte.

Die Stalltür wurde geöffnet und der Sohn des Bauern trat ein. Ihm folgte der getigerte Kater Jupp. Seine Augen leuchteten im Dunklen, gefährlich sah das aus.

„I-A, I-A, der Hendrik!“, rief Jessy erfreut. Berta ließ ein kurzes „Muh“ ertönen und Familie Maus stob aus Angst vor Jupp eilig davon. Die Schafe rückten zusammen und schwiegen.

„Na, meine Lieben, geht es euch allen gut?“, fragte Hendrik und griff in seine Jackentasche. Er holte einige Scheiben trockenes Brot hervor und fütterte die Tiere damit. Er war ein guter Junge, mit einem großen Herzen.

‚Er ist der einzige Mensch, der die Sprache der Tiere verstehen könnte!‘, dachte Jessy. ‚Allerdings müsste er dazu einmal um Mitternacht in den Stall kommen und das war eher unwahrscheinlich.‘

Als Hendrik nun zärtlich seine Nüstern streichelte, versuchte Jessy, dem Kind mit Blicken mitzuteilen, was er von ihm wollte. Tief schaute er in Hendriks Augen, bittend, flehend, auch ein wenig fordernd.

„Was ist los, Dickerchen? Willst du mir was erzählen?“, fragte Hendrik erstaunt.

„I-A, I-A, das will ich!” Jessy fügte leise hinzu: „Komm heute um Mitternacht zu uns in den Stall, bitte!“

Ob Hendrik ihn verstanden hatte?

 

3. Dezember

 

Der Kater Jupp blieb im Stall, als Hendrik wieder zurück zum Haus ging.

„Was guckt ihr alle so geheimnisvoll? Hier ist doch was im Gange, ich kenn euch doch!“, fragte Jupp und sah Jessy durchdringend an.

Jessy, der dem Kater nicht traute, schlug die Augen nieder. Dieser Blick macht ihn ganz nervös. Fast war es so, als könne Jupp in ihn hineinschauen. Das gefiel ihm ganz und gar nicht.

„Wenn ich mir Lisbeth, Trudi und Agnes so anschaue, dann bin ich davon überzeugt, dass ihr was im Schilde führt, also los, raus damit!“, forderte Jupp.

Die Schafe schreckten zusammen. „Näh, näh!“, erklärte Lisbeth für alle. „Wir haben etwas zu besprechen, das für Katerohren nicht bestimmt ist.“

„Wieso denn?“, fragte Berta. „War denn keine Katze dabei, damals? Ich meine doch, bin aber nicht ganz sicher!“

„Wie? Damals? Nun sag schon, was ist hier los und was war damals los? Ihr seid doch alle Geheimniskrämer, ich kriege es ja sowieso raus, irgendwie!“ Jupp lachte böse. Er dachte daran, dass er eine der Mäuse erpressen könnte, die würden ihm in ihrer Todesangst schon antworten, ganz bestimmt.

„Berta, du Verräterin, halt dein Maul!“, schimpfte Trudi und

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 15.07.2021
ISBN: 978-3-7487-8853-9

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