Ähm also ich komme verdammt dämlich vor, gerade, aber da muss ich jetzt wohl durch. Mhm? Gut ich könnte es auch einfach sein lassen, aber irgendwie, ich weiss auch nicht, ach du Scheisse... Augen zu und durch...
Gut, ich bin Michael und ich habe heute gerade ein Tagebuch gekauft, muss total bekloppt gewesen sein aber jetzt habe ich dich eben und mal schauen ob es etwas hilft.
Ich schreibe dieses Tagebuch um den Verstand nicht zu verlieren. Um mich in den zwei Welten zurecht zu finden in denen ich mich bewege. Ich bete, dass es niemals den falschen Menschen in die Hände geraten wird, mein Leben wäre keinen Cent mehr wert. Ich bewahre dieses Tagebuch in der Welt auf, in der die Gefahr am Kleinsten ist. Doch auch hier sollten einige Menschen nichts von der Existenz dieses Buches wissen. Aber ich habe ja nicht vor, dieses Buch jemandem zukommen zu lassen.
Ich wachte heute Morgen auf, seit langem hatte ich endlich mal wieder geschlafen, richtig geschlafen. Und ich war so erleichtert darüber gewesen.
Seit drei Monaten geht es jetzt schon so, dass ich jedes Mal wenn ich in der einen Welt schlafen gehe, in der anderen aufwache. Ich fühle mich dann eigentlich nicht müde, höchstens eine psychische Erschöpfung. Zu unterschiedlich sind die Welten, zu stark muss ich mich jedes Mal umgewöhnen. Aber zurück zu meinem Tag heute. Ich habe mich als erstes einmal aufgerichtet und festgestellt, dass ich in meiner neuen Welt gelandet bin. In der sicheren Welt, oder wie ich der auch immer sagen soll. In der „normalen“ Wet. Was für ein bescheuerter Gedanke. Ich glaube ich verliere langsam meinen Verstand. Mein Gott ich sitze hier vor meinem Tagebuch und kichere wie ein durchgeknalltes Mädchen. Und ich komme von meinem Tagesablauf ab.
Ich habe auf jeden Fall gemerkt dass ich in der Welt hier war. Und das hat mich gefreut, auf der anderen Seite war es ätzend, denn es bedeutete dass ich aufstehen musste. In der anderen hätte ich noch liegen bleiben können, hier musste ich ja um halb acht in der Sheiss-Schule sein. "Psychogedanken, ich liebe die Schule zumindest im Vergleich zur Alternative
“ ich bin mit diesen Gedanken aufgesprungen und habe mich im Eiltempo bereit für die Schule gemacht. Kurz unter die Dusche, ein Kontrollblick in den Spiegel (Nein, ich bin nicht Eitel, ich musste nur sehen, ob meine Haare schon wieder länger geworden waren).
Zähneputzen und ab in meine Lieblingsklamotten. Die Springerstiefel an die Füsse und die Ringe an die Finger. (Die Ringe verstärken einen Faustschlag
) und schon trampelte ich die Treppe hinunter habe die Gelegenheit genutzt meinen kleinen Bruder zu erschrecken. (Ha, Rache, wegen der anderen Welt, geschieht ihm Recht
) Dann habe ich meine Mutter umarmt. (Ich kann auch lieb sein
^^) Die Schule war supertoll… Nicht wirklich, aber es gibt kein besseres Gefühl, als wenn alle Schüler mindestens drei Schritte zur Seite weichen.
Jedenfalls dann kam was kommen musste. ER war dort. Mir kam fast das kotzen. Seine äzend goldbraunen Augen seine zierlich, zerbrechliche Gestalt, seine blonden Haare die zerstrubbelt in alle Richtungen stehen, seine langen schlanken Finger, seine feminine Gestalt… Ich habe mir echt kurz überlegt, ihn hier auf der Stelle zu töten. (Frag mich bloss nicht, warum ich es nicht getan habe ich weiss es echt nicht, vielleicht weil das sehr böse geendet hätte
). Sein Blick erinnerte an den eines Rehkitzes welches vom Schein eines Autos erfasst wurde. Und dann war da Domi, wie er automatisch zu dem Kleinen gegangen ist, die Hand auf seine Schulter gelegt hat. Er hat einfach gleich klar gemacht, dass sich niemand mit dem Kleinen anlegen sollte. Ich habe gegrinst. Wie ein kleines Kind das einen Loli geschenkt bekommen hat
. Und Domi hat es natürlich mitgekriegt. Er hat seinen Kollegen ein Zeichen gegeben, sie haben den Kleinen in ihren Kreis genommen und Domi ist lauernd auf mich zugekommen. Ich habe mir echt überlegt mich mit ihm rumzuschlagen. Für einen Moment war mir danach, aber dann hat er mir nur gesagt, dass ich den Kleinen in Ruhe lassen soll. Schade, ich glaube ich hätte ihm schon eins oder zwei verpassen können, und ich hätte genau keine Rücksicht genommen. So hatte ich ihn nur angegrinst und mit den Schultern gezuckt. Und mir ist tatsächlich ein „Domi“, rausgerutscht. Er hat mich verdattert angesehen und ich habe den Moment genutzt um davon zu stapfen. Es gibt in dieser Schule zwei Fronten. Die Rechtsradikalen und die Schuhschachteln. Keine Ahnung was die wirklich sind, ein wenig links, ein wenig schwul und ein wenig Hippie träfe es wohl am besten. Und die Rechte Front legt sich nicht oft mit denen ab, denn die sind ungefähr zehn Mal so stark wie die Rechte Front. Ich würde mich vom Dach stürzen, wenn die mich alleine erwischen würden, daher war meine Grinse-attacke bestimmt nicht so intelligent gewesen, aber sie hatte sich einfach nicht abstellen lassen. Ich musste mir das einfach Bildlich vorstellen, Domi, der nun ja, der fast zwei Köpfe grösser und sicher doppelt so breit ist als Kleinkitz und das Kleinkitz zusammen... Jedenfalls die Vorstellung war einfach zum Grinsen gewesen (Ich muss ja schon wieder grinsen
). Der Rest des Schultages habe ich damit verbracht, Gegengeschlechtliche Symbole in mein Heft zu kritzeln, bis mich einer der linken Front dabei erwischt hat und ich habe ihm echt eine verpasst. Ich habe mir danach nicht die Mühe gemacht, herauszufinden, was die Linke Front dazu gemeint hat und habe die Schule verlassen. Auf dem Nachhauseweg musste ich mir einfach ein Tagebuch kaufen, Mann hat der Verkäufer vielleicht blöde aus der Wäsche geschaut. (Ha, der Blödian, echter Psychofreak, was glaubt der eigentlich?)
Tja, Mutter hat geseufzt, hat es aber nicht gewagt, mir blöde zu kommen, und ich habe ihr gesagt, dass ich Stress in der Schule gehabt hatte. Weiss nicht warum, hatte einfach das Gefühl, dass sie ja meine Mutter ist. Sie hat mich mit Liebe empfangen, sie hat mich mit Leibe unter dem Herzen getragen, und sie hat mich ausgetragen und mit Liebe hat sie mich grossgezogen. (Und NEIN, ich bin nicht sentimental
) Mutter hat mir sogar eine Tasse Kakao gemacht und sich zu mir an den Tisch gesetzt. Und ich habe mich fast verplappert, von wegen, wer da neu an der Schule war, und warum mich das so durcheinander brachte, aber ich habe mich gerade noch zurückhalten können. (Sie hätte mich bestimmt für Bekloppt gehalten
) Ich habe also nur das erzählt mit den Heterozeichen in meinem Heft, und dass dieser Linke Spinner mir mein Heft geklaut hat und dass ich ihm eine reingehauen habe. Und dass die an der Schule schon mehr Macht hätten als wir Rechten und dass ich Angst habe, dass mir einer dieser Schwuchteln zu nahe käme, so als Rache. Mutter hat mich entsetzt angesehen. Nicht nur wegen den vulgären Ausdrücken, sondern auch wegen meiner Angst. Sie hat sich erkundgt, ob das denn schon vorgekommen sei. Ach du Scheisse. Toll, wie blöd kann ich eigentlich sein? Ich war aufgesprungen und schnell in mein Zimmer gegangen. Habe mich dort einfach eingeschlossen. Mist, jetzt weiss sie es. Ja, verdammtes Scheisstagebuch, ich habe so was schon mal durchgemacht, in dieser verfickten Welt und ich habe mir nicht ausgesucht zu einem Neonazi zu werden, das war einfach die einzige Gruppierung die mir Schutz geboten hat, die mir die Gelegenheit gegeben hat, zurück zu schlagen. Ich liebe das Gefühl zuzuschlagen. Das Gefühl wenn ich die Kontrolle habe, wenn niemand etwas gegen mich ausrichten kann. Es ist wie ein Rausch der mich befällt. Ich hasse diese verdammten Schwuchteln, diese verdammten… Ich hasse sie. Ich höre dass meine Mutter an die Türe klopft, aber ich werde ihr nicht aufmachen. Doch warte, ich will nicht dass sie es jemandem erzählt. Fuck… das wäre mein Tod. Mein Gesellschaftliches aus. Das ist etwas das nur wenige wissen. Und ich muss verhindern, dass es mehr werden. Ich bin gleich zurück, muss meiner Mutter das klar machen…
So habe ihr gesagt, dass sie die Fresse halten soll. Besser gesagt, ich habe ihr gesagt, ich würde ihr das Genick brechen, wenn sie irgendjemandem irgendein Sterbenswörtchen erzählt. Ja, ich weiss, ist nicht die „Netter Sohn“-Masche, aber das war einfach notwendig. Sie hat mich mit grossen Augen angesehen, aber der Rest des Abends war sie zum kotzen nett zu mir, ob sich das wieder legt? Ich sollte vielleicht wieder ein paar von DENEN zusammen schlagen, damit dass alles wieder in Ordnung kommt. Werde ich bei Gelegenheit mal machen, aber erst muss ich mich wohl oder übel mit meiner zweiten Welt abquälen. Dann habe ich eh wieder genug Motivation um DIE zu Matsch zu verarbeiten…
So bin wieder hier, war natürlich nicht wirklich weg, nun ja, ich war schlafen und in der anderen Welt. Und da ich dort nicht schreiben konnte, mache ich das jetzt hier. Mal überlegen… Wie war mein Tag dort? Beschissen? Ja, doch, treffende Beschreibung. Weisst du (Nein natürlich nicht, du bist ja nur ein Tagebuch, du weisst gar nichts
) Ach auch egal, es ist verdammt schwer dort. Für mich jedenfalls. Ich bin Hete. So voll und ganz. Und damit gehöre ich in der Welt dort zu einer Minderheit die zu achtzig Prozent irgendwann mal Selbstmord begehen wird. Noch weiss es niemand mit Gewissheit, darum habe ich es noch nicht gemacht. Noch lebe ich unentdeckt. Mehr oder weniger… Ich meine, dass ich keinen Freund habe, das macht einige schon misstrauisch. Aber noch ist es ähm… Erträglich? (Mehr oder weniger
) Aber ich sollte dir jetzt mal meinen Tag beschreiben, ich habe mich aus dem Bett gequält, habe mich so schnell es geht geduscht. Am liebsten wäre ich zwar gar nicht mehr unter der Dusche hervor gekommen, aber ich wollte unter keinen Umständen, dass mich irgendjemand nackt unter der Dusche sieht. Wir haben bei uns regelmässig männlichen Besuch. Und zwar ausschliesslich Tops (Schwule Obermacher
). Mag in der „richtigen“ Welt seltsam zu verstehen sein, aber dort drüben gibt es sehr radikale Schwuchteln die Hetes gegenüber… (Nein, das sind keine Tränen) Verdammt nochmal, krieg ich gar nichts mehr auf die Reihe? Jedenfalls diese HeHas (Hetero Hasser) scheuen nicht zurück, auch mal Fronten klar zu stellen. Vor drei Monaten seither kann ich eben von der einen Welt in die andere. Und ich kann mich indirekt wehren. Tut gut. All diesen verdammten Schwuchteln einfach mal zurückgeben zu können was sie mir in der verdrehten Welt alles tag täglich antun. Schon alleine einfach durch ihre blosse Anwesenheit. Jeden Tag verstellen, jeden Tag das wissen, dass sich wieder irgendwo Menschen umbringen, nur weil sie das ewige Verstecken Leid geworden sind. Ich mache ihnen nicht so weh, wie sie mir, das kann ich einfach nicht, sie sexuell zu erniedrigen bringt nichts. Aber ich kann wenigstens zuschlagen. In der „richtigen“ Welt bin ich kräftiger, muskulöser. In der verdrehten Welt bin ich eher ein niemand. Die ständige Angst hat meinen Körper zwar gestärkt aber mir fehlt das Essen. Oft genug habe ich mich übergeben müssen, oft genug habe ich überhaupt nichts in mich herein bekommen. So bin ich eher schmal geblieben, ja ich wage sogar zu behaupten, dass ich kleiner bin als in der „richtigen“ Welt.
Gut, genug Scheisse gelabert
, wir waren ja beim Duschen. Ich hatte mich nach der Dusche im Eiltempo getrocknet und angezogen. Zähne putzen und kurz meine Haare zurückgestrichen. Sie sind langsam am Nachwachsen. Ja früher habe ich einen Zopf getragen, aber die Hehas haben ihn abgeschnitten. Weil ich sonst wie ein Mädchen sei… (Merdre, bleib beim Thema
) Ich war nach unten geschlichen und habe mir ein Brot geschmiert. Und dann habe ich mich mal wieder nach draussen gewagt. Ich müsste eigentlich zur Schule, aber irgendwie hatte ich (Zur Abwechslung mal wieder) Absolut keinen Bock darauf und bin stattdessen ins Einkaufszentrum gewandert. Und dort habe ich mir das erste Mal überlegt, ob ich nicht einfach behaupten sollte, meine Kriese habe damit zu tun, dass ich mich als Mädchen fühlte. Wäre gelogen, aber dann wäre ich die Jungs ein für alle Mal los. Ich habe echt den ganzen Tag damit verbracht, das zu überlegen. Und es war schon verdammt dunkel als ich endlich aus meinen Gedanken heraus kam. Ich würde es sagen, wenn man mir Heterosexualität vorwerfen würde. Einfach mal, „nein, ich bin ein Mädchen“ sagen. „Hei, Süsser…“, in mir hatte sich bei diesen Worten alles zusammen gezogen, und mir ist ziemlich übel geworden. Der Mann der mich angequatscht hat, war ungefähr einen Kasten und fast einen Kopf grösser als ich. Ich wäre vielleicht davongelaufen, denn noch hat er mich bestimmt nicht erkannt. Aber ich habe andere bemerkt die in der Näher herum gelungert haben. Da wäre ich wohl nicht sehr weit gekommen. „Hy“, habe ich zögernd erwidert und er war näher gekommen. „Du bist süss, wenn du so sehr in deinen Gedanken gefangen bist“, hat er gemeint. Oh toll. Flirten… Ich hasse flirten, besonders mit Jungs. Ich habe nur gefragt ob er denn schon lange da stehe und er hat gelacht. Und mich danach einfach nach Hause begleitet. (Wow, ein Tag ohne schlechter Erfahrungen
) Alain, so hat sich der Typ vorgestellt, hat noch nicht einmal seine Hand an meinem Arsch platziert, oder auch nur meine Hand berührt. (Ich will nicht klagen, aber das war verdammt seltsam) Oh, und ich höre mal auf, ich habe ja echt nur Scheisse geschrieben…
Huhu, habe heute Morgen ja geschrieben was gestern los war. Alain ist komischer Kauz. Ich will echt nicht klagen, aber er verwirrt mich jetzt schon. Ich meine, klar, auch dort drüben gibt es Leute, die schüchtern sind, aber Alain ist jetzt nicht unbedingt der Kandidat für Schüchternheit. Mal schauen ob da noch was draus wird, was nicht Beziehungstechnisch endet. Ich meine in der Welt hier ist das doch auch kein Problem. Freundinnen zu haben mit denen man nicht ins Bett geht. Oder glaube ich das nur? Weil sie nicht zeigen, dass sie doch miteinander im Bett waren? Aber genug überlegt, du kannst mir ja doch keine Antworten liefern. Du bist nur ein Tagebuch. Und da du ein Tagebuch bist, werde ich dir etwas von meinem Tag erzählen. Ich habe gleich nach dem Aufstehen Tagebuch geschrieben. Dann habe ich mich geduscht und mir überlegt, meine Haare wachsen zu lassen. Nein, Quatsch, hier sind kurze Haare für Rechtsradikale absolut angesagt^^ Ich hatte mir überlegt, heute blau zu mache und stattdessen ins Sportzentrum gehen. Dort etwas trainieren. Da ich gestern keine negativen Erfahrungen gemacht habe, ist die Wut nicht so übermächtig wie normal. Ich könnte den Tag also voll relaxt angehen. Gechillt bequemte ich mich nach dem Anziehen nach unten. Meine Mutter ist ja immer noch Freakig drauf. Und ich versuche sie ein wenig zu ignorieren. „Deine Ringe fehlen“, stellt sie fest. Was ist falsch mit der? Manoman Und was war falsch mit mir? Ich habe echt meine Ringe vergessen… Ich habe entsprechende aber tatsächlich geholt. Jeden einzelnen hat eine Geschichte, so Sentimenti wie ich gerade drauf war hat es mich überrascht, dass ich ihr die nicht auch noch erzählt habe. Aber ich habe doch noch so etwas wie Stolz gehabt. Und habe sie nur angezogen. Ritualmässig, jeder Ring an seinen richtigen Platz. Ich bin wegen meiner Mutter doch zur Schule gegangen, wisst ihr warum? Weil ich ihr Mitleid nicht will. Ich bin stark. Zumindest hier.
Die Linke Front in der Schule schien in zwei Teillager zersplittert zu sein. Konnten sie im Notfall extrem gut zusammen reagieren, so waren sie im Moment uneinig ob ein Notfall herrschte. Ich habe sie links liegen gelassen (Wortwitz
). Ich könnte feige davon laufen und die Schule wechseln, Mutter würde es bestimmt begrüssen. Der andere Rechtsradikale der plötzlich auf dem Platz stand, weckte Erinnerungen die ich nie hatte. Erinnerungen von diesem Körper aus der Zeit, bevor ich in ihm zu mir gekommen war. Ich „kannte“ den Typen aus der Zeit die länger als drei Monaten her war. Zu Zeiten als meine Eltern noch zusammen gelebt hatten… Die Linke Front hat sich bei seinem Erscheinen sofort wieder versöhnt und zusammengefunden.
Die Umarmung zwischen Dario und mir ist knapp, kallt und distanziert ausgefallen. „Heil, Bruder, und keinen Ärger mehr?“, hat sich Dario erkundigt. Ich habe verneint. Wir haben ein wenig geplaudert und die Lehrer haben uns ziemlich genau beobachtet. Dario ist der einzige Aussenstehender der weiss warum ich (Also eigentlich mein Körper
) Rechtsradikal geworden ist. Er hatte damals ein paar meiner Angreifer ins Krankenhaus befördert und mir geholfen. Seither war ich (Mein Körper
) in der rechten Szene.
Vor weniger als drei Monaten habe ich selber auch Leute ins Krankenhaus befördert. Einige Tage nachdem sie mich aufgegriffen hatten. Ich war damals eigentlich mitten in das unschöne Szenario aufgewacht. Als ich mich ein wenig gefangen hatte und mich ein wenig mit meiner ungewohnten Umgebung zurechtgefunden habe und die Kraft meines Körpers bewusst wahrnahm habe ich mich mit einem Baseballschläger bewaffnet und den einzelnen Personen einen Besuch abgestattet aber das ist jetzt über zwei Monate her. und ich wollte ja nicht von damals erzählen...
Dario war heute den Tag über bei mir geblieben, besser gesagt, er hatte auf dem Pausenhof auf mich gewartet, und wir haben die Pausen über einfach nebeneinander gesessen (Ja, das können wir
). Nach der Schule sind wir noch durch die Strasse gezogen, haben ein paar Passanten blöde von der Seite angequatscht weil sie uns auf den Kecks gegangen sind. Danach haben wir uns echt aufgeführt wie Schuljungen die gerade Streiche gespielt haben. Wir haben uns halb tot gelacht. Es war irgendwie verdammt lustig gewesen. Dann sind wir ein paar anderen aus der Szene begegnet, haben uns sehr Rechtsradikal mit Hittlergruss begrüsst, aber Dario hat abgelehnt, dass wir noch alle zusammen herumziehen. „Die wahre Gefahr liegt nicht bei den Ausländern“, hat er später zu mir gemeint. Und ich habe ihm Recht gegeben. Und ich werde nicht zulassen, dass hier dasselbe passiert wie in der anderen Welt. Dass Homosexuelle die Oberhand gewinnen und sich das Blatt wendet. Niemals… Aber zurck zu meinem Tag
Wir haben einen von denen ein bisschen zur Schnecke gemacht, aber vermutlich waren wir einfach zu gut gelaunt gewesen und er konnte anschliessend sogar noch selbständig stehen. Wir haben unsere Handschuhe verbrannt, waren etwas essen gegangen und Dario hat mich noch nach Hause gebracht. Ich weiss, ja, dass wir uns nicht wie echte Rechtsradikale aufgeführt hatten, aber es war ein echt cooler Tag gewesen und die Polizei hätte da bestimmt nur gestört. Was soll ich sonst noch erzählen? Ich habe mich zuhause sofort in mein Zimmer verzogen und seitdem ich nach oben gekommen bin, sitze ich hier und schreibe Tagebuch. Und ich denke ich höre jetzt mal auf. Mir fallen gleich die Augen zu.
Wieder ein Tag in der „verdrehten“ Welt hinter mich gebracht. Alain habe ich nicht gesehen, dafür habe ich Ärger mit Vater gekriegt. Weil ich nicht in die Schule gegangen war. Livio mein Bruder ist echt ein Arsch. Warum hat er ihm das erzählt? Weil er eine verräterische Schwuchtel ist… Das wir der Kleine mir büssen… Heute in der „Richtigen“ Welt. Ach und obwohl du eh nie fragst, Tagebuch, wie es in einer verdrehten Welt Kinder gibt ist ganz einfach: „Künstliche Befruchtung“, heisst das Zauberwort. Und wie es kommt, dass auch Männer Kinder haben? Schon mal was von Leihmüttern gehört? Genau so läuft das eben hier. Ich meine dort, ach auch egal, in der verkehrten Welt eben. Oh, genau TAGE-Buch. Mein Tag verlief so, als wolle er wegen gestern etwas kompensieren. (Also ich meine wegen Tag 1 meines Tagebuches in der verdrehten Welt und Tag 2 in der „richtigen“ Welt) Ich nutze kein Datum, weil wir unterschiedliche Daten haben. In der „verdrehten“ Welt haben wir März in der verdrehten September und die Jahreszahlen sind eh gleich für den Müll. (Scheisse, ich mach es schon wieder…)
Mein Tag
Ich bin durch meinen Vater geweckt worden und er war nicht sehr gut zu sprechen. Dann überspringen wir die nächste halbe Stunde grosszügig und dann befinnde ich mich unter der Dusche. Ich wage es nicht, abzuschliessen, habe aber Glück und keine Schwuchtel schaut herein. Ich werde das Gefühl nicht los, schmutzig zu sein. Und weisst du warum? Weil dieser verdammte Wixer… Ich hasse ihn, warum kann ich nicht stark sein? Warum kann ich mich nicht gegen ihn wehren? Ich kann nicht einmal mit jemandem darüber reden. Ich wünschte du könntest mich trösten, aber das kannst du nicht. Und Francesca kann es auch nicht mehr. Francesca hat Selbstmord gemacht, ungefähr zwei Wochen bevor ich ihr beinahe gefolgt wäre. Nur dass ich es nicht geschafft hatte. Weisst du was Tagebuch, ich werde dich Francesca taufen. Francesca war damals fast meine Freundin. Wir haben uns immer Blicke zugeworfen und wir haben uns ein wenig angelächelt. Diese verdammten Hehas haben sie in den Selbstmord getrieben. Und ich habe es gesehen. Ich konnte ihr nicht mehr helfen. Oh, ich hasse sie alle zusammen.
Zurück zu meinem Tag: Ich war bestimmt eine Stunde unter der Dusche. Dann habe ich gecheckt, dass ich ja nicht in der „richtigen“ Welt war. Ich habe mich gestresst, mich getrocknet und angezogen. Lou, der Lebensgefährte meines Vaters kam gerade nach Hause, als ich die Küche betreten hatte. Ich hatte ihn ignoriert und stattdessen Müsli in mich herein gestopft. Das mir dann keine fünf Minuten später wieder hoch gekommen ist, als Dad den Raum betreten hat und seinen Lebensgefährten begrüsst hatte. Ich habe es gerade noch bis zur Toilette geschafft, dann ist alles wieder hochgekommen. Der Geschmack nach Wichse war endlich dem säuerlichen Geschmack der Magensäure gewichen. Zuvor hatte nicht einmal das Rasierwasser das ich geschluckt habe den Geschmack vertreiben können. Ich habe da so kleine Tricks die manchmal helfen, manchmal nicht. Ich habe mir den Mund gespült und im Spiegel ist mir dann aufgefallen, dass Lou in der Türe stand und mich ansah. So prüfend, so nachdenklich. „Geht es besser?“, hat er sich erkundigt. Haha… Nein… Ich habe nichts zu ihm gesagt. Was auch? Dass mich sein Lebensgefährte gerade gefickt hat? Am Ende macht der noch mit, (kam auch schon vor… Der Typ ist dann aber irgendwann, zum Glück, aus meinem Leben verschwunden). Lou hat mich am Ärmel zurückgehalten als ich an ihm vorbei gehen wollte. „Micha, wenn du Probleme hast, du kannst jederzeit zu mir kommen“, hat er mir erklärt. Ich habe mich nur losgemacht und bin meine Schulsachen packen gegangen.
Francesca glaubst du, er würde mir helfen? Ich habe Angst, dass er es nicht machen wird. Dass er mich verachtet, wenn er erfährt, dass ich mich vor solchen Berührungen ekle. Dass mir jedes Mal übel wird wenn ich auch nur daran denke. Dann wird er wissen, dass ich Hete bin. Aber er hat mich so nett angesehen. So wie Mama mich ansieht, wenn ich krank bin. Aber das wird sich alles ändern, wenn er das weiss. Ich möchte auch normal sein, dann wäre es bestimmt nicht mehr schlimm. (Toll nicht nur dass ich es nicht auf die Reihe kriege Tagebuch zu führen, nein jetzt benehme ich mich wirklich wie ein Mädchen. Trag es wie ein Mann Michael und komm auf den Punkt zurück…)
Ich habe Lou jedenfalls irgendeine Ausweichende Antwort gegeben, mich in einem Lächeln versucht. „Wenn du zuhause bleiben möchtest, ich mache dir einen Tee“, hat er mir angeboten. Solange er hier sein würde, würde Vater bestimmt nicht wieder zu mir kommen. Und der würde eh arbeiten müssen. Also habe ich zögernd eingewilligt. Ich habe Tee getrunken und Lou hat es sich nicht nehmen lassen, in der Schule Bescheid zu geben, dass ich krank sei. Natürlich hat er gleich mitgekriegt, dass ich bereits am Vortag gefehlt hatte. Also hat er sich erkundigt, ob ich Ärger in der Schule hätte. Was hätte ich machen sollen? Ich habe gesagt, dass die anderen mich fertig machen würden, weil ich keinen Freund hätte. Lou hat gefragt, ob es denn keinen gäbe mit dem ich gerne gehen würde. Ja, was hätte ich darauf sagen sollen? Ich habe mit den Schultern gezuckt, und gemeint, dass inzwischen eh alle glaubten, dass ich Hete sei, und sie denken würden, dass ich nur eine Alibibeziehung suchen würde. Und ich habe ihm einen Film von Rehkitz gezeigt. (Der ist in der „verdrehten“ Welt ein ziemlich bekannter Schauspieler) Ich habe ihm erklärt, dass ich manchmal auf ihn, manchmal auf einer seiner Bodyguards stehen würde und das eine Beziehung doch ziemlich erschweren würde. Lou hat mich sofort verstanden. Rehkitz der übrigens den Namen Hannes trägt ist wirklich ein zierliches Geschöpf, wirkt wie ein Mädchen und seine Bodyguards sind eben echte Kerle. So richtige Beschützertypen. So Kastentypen. Wie Alain. (Blöder Gedanke, besonders weil ich weder auf den einen noch auf den anderen stehen) Lou hat lange vor sich hin gesehen. „Weisst du, was so etwas verursachen kann?“, hat er sich schliesslich erkundigt. Und bedauerlicherweise hat er mir die Antwort auch gleich gesagt. „Wenn man man Opfer von Gewalt geworden ist. Dann wünscht man sich einerseits jemanden der einem sicher nicht weh machen kann, jemand der schwächer ist, als man selber, auf der anderen Seite bräuchte man dringen jemanden der einen beschützen kann“, hat er erzählt. Und ich habe ihn ein bisschen zum Teufel gewünscht. Aber er hat nicht weiter darüber gesprochen. Hat mir nur noch einmal Tee gebracht und etwas zu Essen hat er mir auch gemacht. Und wir haben über weniger heikle Themen gesprochen. Filme, Sport, Essen, Motorräder und Autos. Wir haben in einigen Punkten ziemlich die gleiche Meinung. Wusste ich gar nicht. Wir mögen beide Actionfilme lieber als Horror oder Lovestorys. Autorennen sind nur in Filmen geil, und ich wette Lou würde Vin Diesel anschmachten, wenn er den kennen würde. (Vin Diesel gibt es in der „verdrehten“ Welt gar nicht, oder zumindest ist er nicht so bekannt, genauso wie viele Schauspieler die in der „richtigen“ Welt Stars sind) Sport mögen wir Rudern, auch wenn bestimmt nicht aus demselben Grund. Kochen können wir beide und wir mögen beide exotisches. Auch wenn er mehr Thailändisch und ich mehr chinesisches bevorzuge. Ich mag allerdings Motorräder mehr als Autos. Lou bevorzugt das Auto auch wenn er ein Motorrad hat. Macht aber nichts, Lou hat gemeint, wenn ich alt genug sei und die Motorradprüfung bestanden hätte, dürfe ich seine Maschine haben. Ich glaube, er ist eigentlich ganz Okay. Und dass er Schwul ist, nun ja, darauf kann ich keine Rücksicht nehmen, oder? Ist schliesslich die verdrehte Welt. Lou hat mir ausserdem gesagt, dass er vorläufig nur halbtags arbeiten würde, da er Überstunden abbauen müsse. Gut, dann bin ich Dad vorläufig auch los. Sonst ist an dem Tag eigentlich nichts passiert. Und da ich eh gleich in die Schule muss, mache ich hier mal Schluss.
Ich bin heute Morgen etwas stinkig auf Livio gewesen. Also bin ich schnell aufgestanden und dann habe ich das Zimmer meines Bruders betreten und ihm einfach mal eine geschmiert. Danach ging es mir besser und ich bin viel gelassener ins Bad gegangen. Okay, meine Haare waren wieder mal etwas länger, aber es hat mich gehörig angekotzt sie zu rasieren. Also habe ich es sein lassen. Livio hat mich am Küchentisch etwas ängstlich angesehen, aber ich habe ihn grosszügig übersehen. Er ist ja schliesslich mein Bruder. Hu, er sieht aus wie ein verschupftes Kaninchen. „Habe ich was getan?“, hat er mich ganz leise gefragt. Scheisse, Nein, hat er nicht, nicht direkt. Toll, jetzt geht es mir seinetwegen schon wieder mies. „Verschupftes Kaninchen, ich habe mich nur geärgert über dich“, habe ich versucht ihn zu beruhigen. Und er hat gleich darauf ausgesehen wie eine Schleiereule oder wie die auch immer heissen mag, da die mit den grossen Augen… War ich nicht lieb gewesen? Francesca, schade dass du mir nicht sagen kannst, wie ich richtig mit dem Typen umgehen soll. Er ist verdammt nochmal schwul, und ich habe… Nein das schreibe ich jetzt nicht… Iauf der anderen Seite, was soll’s du sagst es eh keinem. Ich habe Angst. Angst vor ihm. Keine Ahnung warum, er ist ja nicht stark, und er ist nicht Top, nicht so wie die Hehas oder so. Und ich habe auch schon Schwuchtel verschlagen die sicher drei Mal so stark waren wie Livio. Aber Livio macht mir anders Angst, ich habe nicht Angst dass er mir weh machen könnte… ich habe Angst, dass er mich hasst… Komisch, oder? Ich weiss nicht, ich hasse Schwule, warum kann ich Livio nicht hassen? Weil er mein Bruder ist? Weil er mich nicht angreift? Ich könnte es nicht sagen, aber es ist nun mal so. (Nicht schon wieder, ich weiche von meinem Tag ab)
Versuch nummero 2
Da Livio wohl vorerst nicht dazu zu überreden wäre, wieder normal zu gucken, hatte ich eben den Raum verlassen und mich in mein Zimmer zurückgezogen. Dort habe ich kurz von gestern geschrieben und nachdem ich dich wieder in meinen Nachttisch eingeschlossen habe, war es auch schon Zeit zur Schule aufzubrechen. Eigentlich nicht, weil heute ja Mittwoch ist, und ich eine Stunde später Schule gehabt hätte, aber das ist mir erst eingefallen, als mir das kleine Rehkitz vor die Füsse gestolpert war. Besser gesagt, kurz vorher und kleinkitz ist direkt in mich hinein geprallt. Ha, hat das Augen gemacht… (Uhu, ich bin eine Eule…) „Rehkitz musst du aufpassen, kannst nicht einfahc so Neonazis anschupsen, die mögen das nicht“, habe ich ihm echt genau so erklärt und er hat es vermutlich nicht einmal gepeilt. „So, weisst du, jetzt habe ich ein kleines Problem, ich meine, ich kann natürlich so eine Beleidigung nicht auf mir sitzen lassen. Und ich meine, du bist schwul, das ist noch ein Grund mehr, dir mal gehörig die Meinung zu sagen, da kann dir jetzt auch Domi nicht mehr raushelfen, besonders weil der nicht da ist, auf der anderen Seite ist der bestimmt nicht begeistert, also muss ich es so machen, dass du ganz sicher nie auf die Idee kommst, es ihm zu sagen…“, habe ich ihm erklärt gehabt. Er war zuvor zu Boden gefallen, als er in mich hinein gestolpert war, und daher hatte er noch nicht einmal die Möglichkeit wirklich zu fliehen… Er flehte nur leise darum, dass ich ihm nichts tun soll, und dass er es Domi ganz sicher nicht sagen würde. Hilflos lag er vor mir am Boden, zitterte wie Espenlaub und ich hatte das Gefühl in einen Spiegel zu schauen. Aber ich bin nicht Schwul, und ich würde ihn nicht… Ich würde ihm nicht auf diese Weise weh machen… Livio würde mich dafür hassen… Ich weiss, dass mir genau das durch den Kopf gegangen war. „Livio wird mich hassen“ und „So wird man zu einem Hehas…“ Ich habe ihm hochgeholfen. „Wenn du jemandem irgend ein Sterbenswörtchen verrätst, schneide ich dir die Zunge raus“, das musste ich ihm einfach sagen. Niemals durfte jemand erfahren, dass ich Schwäche gezeigt hatte. Es würde die Hölle auf Erden werden. Ganz bestimmt. Ich habe die Fluch ergriffen und das verdutzte Rehkitz einfach dort stehen lassen. Habe mir in der Schule eine Dusche gesucht und der Rest meiner freien Zeit damit verbracht mich zu waschen. Zum Glück haben wir bei unseren Schulen auch Einzelkabinen. Mit feuchten Haaren tauchte ich pünktlich in der ersten Stunde auf und habe mich einfach still auf meinen Platz gesetzt und mir überlegt, ob Livio mich jetzt weniger hassen würde. Wohl nicht, aber er würde mich zumindest nicht stärker hassen. Ich habe Dario ein wenig vermisst, ich hätte gerne gewusst, dass jemand die Pause mit mir verbringen würde, aber dass Rehkitz sich verpflichtet fühl, mich die ganze Pause irritiert anzusehen, hat mich ein wenig auf die Palme gebracht und ich habe irgendwann angefangen ein Hakenkreuz in meinen Schreibblock zu zeichnen.
Übrigens, Rehkitz nenne ich ihn, weil er in einem Film so genannt wurde. Der einzige Vampirfilm den ich mir angetan habe. Ein bisschen wie eine Mischung zwischen Biss und Blade. Nur mit weniger Mädchen. Der Vampirjäger war selber ein Vampir, er wurde gegen seinen Willen gewandelt und hat trotzdem weiter gejagt. Und der Antagonist war ein anderer Vampir. Und dann war da Rehkitz der irgendwie zwischen die Fronten geraten ist. Sein Blut übte nämlich eine besondere Anziehungskraft auf Vampire aus. Sorom (der Jäger) hat ihn später immer Rehkitz genannt.
Upserla, ich habe vom Thema abgelenkt.
Auf jeden Fall hat mich Rehkitz in der Pause gehörigst genervt und ich habe wie gesagt, ein Hakenkreuz gezeichnet. Das hat dazu geführt, dass ich ein Gespräch beim Direktor hatte. Ich könnte nicht einmal sagen, worum es in dem Gespräch gegangen ist, ich habe nicht zugehört hat. Ich habe auf jeden Fall so einen blöden roten Zettel bekommen, den ich meiner Mutter geben sollte. Habe ich nach der Schule auch brav gemacht. Und ich habe ihr erklärt dass ich ein Hakenkreuz in mein Heftchen gezeichnet habe, weil da eine blöde Schwu… genau dann kam Livio nach Hause. „Da war halt einer, der mich blöde angeglotzt hat, und ich wollte ihm eigentlich die Fresse polieren und da habe ich mich halt etwas ablenken müssen“, habe ich mich korrigiert. Livio hat gar nicht gut ausgesehen sondern so richtig traurig. Aber er wollte partout nicht mit der Wahrheit heraus rücken. Und ich habe nicht gefragt. Ist bestimmt wegen mir. Oh, ich merke, ich habe keinen Bock mehr weiter zu schreiben. Ist auch nichts mehr passiert. Nacht Francesca.
Schau mal, Francesca, das habe ich Livio gemalt. Meinst du, er hätte Freude daran? Also ich meine Livio in der "richtigen" Welt. Aber ich habe ja noch einen Tag zu beschreiben.
Ich bin wie immer früh aufgewacht. Ich habe rasch geduscht und mich angezogen, gleich darauf habe ich mich ohne Frühstück verdrückt. Ich habe mich zur Schule begeben und dort ein wenig den Schülern zugesehen. Bis sich jemand neben mich gestellt hat. „Du bist oft in Gedanken“, hat diese Person gemeint. Stell dir vor, es war echt Alain. Und er hat sich einfach neben mich gegen das Gitter gelehnt und ist meinem Blick gefolgt. „Dein Freund dabei?“, hat er gefragt. Ich habe nur den Kopf geschüttelt. „Hätte mich auch überrascht“, hat er knapp gemeint. Und bevor ich hätte wütend werden können hat er hinzugefügt, dass man jemandem wie mich nämlich nicht warten lassen würde. Oh, ich glaube ich habe ein bisschen knall rote Ohren bekommen. Manoman, warum muss der mich eigentlich immer anflirten? Ich habe nämlich null Ahnung vom Flirten. „Ah, da hat jemand eine eigene Meinung“, ist mir nur dazu eingefallen. Und wir haben beide einfach gelacht. Es war so ein lockeres Lachen, so erfrischend. „Weisste was? Ich fände es cool, wenn wir mal was zusammen machen, ganz unverbindlich, Eis essen oder Kaffee trinken“, hat er irgendwann später gemeint. Unverbindlich? Klingt immer gut. „Warum nicht?“, habe ich eingewilligt und er hat mich angegrinst. Und er hat mich gefragt ob nach der Schule Okay sei. Natürlich, ich habe nach der Schule nie was vor. Klar, er ist schwul, und er hat mich zwei Mal ein bisschen angemacht, nur wenig, aber was wollte er von mir? Wollte er mit mir im Bett landen? Die meisten machten sich vorher gar nicht mehr die Mühe, mich zu umgarnen. Die Hehas sagten wenn ich es nicht mache bin ich eindeutig Hete, und die anderen, keine Ahnung, ist schon lange her, dass ich mit einem normalen was hatte. Beziehung vortäuschen, ich lege es nicht darauf an. Aber ich würde mich nicht wehren. Alain ist stark… So viel stärker als ich, und dafür muss er noch nicht einmal mit seinen Muskeln spielen. Nach der Schule sind wir echt Eis essen gegangen. Und ich habe erfahren, dass er gerne rudert und gerne Sport macht. (Ich wäre ja nie drauf gekommen). Aber er hat mir auch erzählt, dass er ein paar Kollegen hätte, die aber eigentlich nur mit ihm rumlungern würden, und sie seien alle irgendwie so oberflächlich und zum Kotzen und dass er mich gestern gesehen habe, und irgendwie das Gefühl habe, dass ich anders sei. „Ich brauche nicht Schwanzgesteuerte Psychos um mich herum, manchmal ist das ganz okay, aber ich sehne mich mehr nach, ich weiss nicht, nach jemandem der mir mehr geben kann. Ich habe sogar schon mal ein Mädchen als Freundin gehabt, aus dem Grund“, hat er mir erzählt. Wow, Hut ab. Und die Hehas waren nicht gleich auf ihn losgegangen? Ich habe ihm erklärt, dass das bei mir so sei, dies jedoch ohne dass ich wirklich mit Mädchen rumgelungert sei. Und stell dir vor Francesca, er hat einfach gemeint, dass sie mich einfach gerne für sich hätten, weil ich einzigartig sei. War voll krass, auch wenn ich, sollte es wirklich so sein, mit Handkuss darauf verzichten könnte. Aber wie er es gesagt hat war nett… Nur da wusste ich, dass ich ihm nicht geben konnte, wonach er suchte. Aber er hat gar nicht danach gefragt, hat sich nur durch die Haare gestrichen und sich entschuldigt dass er mich da so vollquatsche. Weisst du, so jemanden habe ich irgendwie früher immer gesucht. Als ich noch nicht gewusst habe, dass ich auf Mädchen stehe. Ein Typ der nicht nur auf Sex aus ist und der gerne quatscht und mich beschützen könnte und der mich einfach in den Arm nehmen würde, wenn ich traurig wäre. Und er gab mir das Gefühl, jemand besonderes zu sein. Alain hat mich am Abend nach Hause begleitet. Und dort habe ich erfahren, dass Livio von seinem Freund verlassen wurde. Ist das in der Welt auch der Fall? Ich könnte es mir zumindest vorstellen. Alain wurde von Lou etwas unter die Lupe genommen. Ich glaube, weil er annimmt, dass mich jemand verletzt hat. Er ist schon in Ordnung. Schade, dass ich nicht sein Sohn bin, mein Leben wäre bestimmt anders verlaufen. Alain hat mir übrigens seine Handynummer überlassen, falls ich mal Lust hätte mir sein Geschwafel noch etwas anzutun. Ja, ich denke, es war ein ganz angenehmer Tag gewesen, kein Grabschen, kein aufdrängen dafür habe ich endlich den Beweis, dass es ausser mir noch andere Menschen gibt, die nicht nur Ficken wollen. Ja, und mehr kann ich zum dem Tag auch nicht sagen.
Ich wurde heute Morgen durch meinen Bruder geweckt. Er hat sich wohl im Bad eingeschlossen und geweint. Oh ich war noch nie so schnell aufgestanden und zum Bad gestürzt. Keine Ahnung womit ich gerechnet hatte, aber als ich ihn sah, spielte alles keine Rolle mehr. Ich hatte ihn so lange beschützt, Ich in meiner Welt seinen Doppelgänger und mein Körper ihn in dieser Welt. Und jetzt brauchte er mich wieder. Ich habe ihn zu mir gezogen, so dass er auf meine Oberschenkel sitzen konnte und ich keine Angst bekommen würde. Seinen Kopf habe ich an meine Schulter gezogen, damit er ihn dort anlehnen konnte. Ich wusste nicht genau, was ich hätte sagen sollen, also habe ich es sein gelassen. Habe ihn nur leicht gewiegt. Klar ist er inzwischen schon dreizehn, aber früher hat ihn das immer beruhigt. Wir waren bestimmt eine Stunde so, bis Mutter nach oben kam, um Livio zu wecken. „Geht es wieder?“, habe ich mich erkundigt. Livio hat mich verwirrt angesehen. „Warum hast du das gemacht?“, wollte er wissen. Ich habe ihm erklärt, dass ich es nicht mochte, wenn er traurig war, und dass es mir leidtue, wenn ich ihn traurig gemacht hätte. „Ist nicht deine Schuld, es ist nur…“, begann er. Er hat es nicht gewagt weiter zu sprechen. „Dein Freund hat Schluss gemacht?“, wollte ich wissen. Er hat zögernd mit dem Kopf genickt. „Das ist doch nicht so schlimm, es gibt bestimmt noch ganz viele nette Jungs“, habe ich versucht nun doch verbal zu trösten. Auch wenn ich darin eine verdammte Niete bin, und bestimmt klang es mehr als freakig. Er schüttelt den Kopf. „Mit mir will niemand zusammen sein…“, verneint er. Sieht auf seine Finger. Dann hat er zugegeben, dass ich der Grund für die Ablehnung sei. Weil die meisten Jungen Angst vor mir hatten. Ich habe ihm angeboten, mal in meiner Schule nachzusehen, da dort die wenigsten wirklich Angst von mir hatten. Am Nachmittag habe ich wirklich gesehen, wie mein kleiner Bruder sich auf dem Pausenhof umgesehen hat. Domi hat sich seiner natürlich auch sofort erbarmt. Domi ist schon okay, denke ich, egal ob er eine Schwu… ich meine egal ob er ein Schwuler ist und er will immer alle beschützen. Nur mich nicht, mich mag er nicht. Also eigentlich mag er niemanden von der rechten Front. Aber das schliesst mich ein. Dabei würde ich auch gerne beschützt werden. Habe ich mich halt eben selber beschützen müssen, darum beschützt er mich nicht, und darum muss ich mich weiter schützen, wodurch er mich eben nicht mag. Ein Kreis, also. Wie das mit dem Opfer. Wenn ein Hete von der „Verdrehten“ Welt einen Homosexuellen angreift, und den verletzt, dieser auch ein Doppelleben führt, wird dessen Hass auf Heteros geschürt und dann schlägt er gegen die, welche wiederum in der „Normalen“ Welt zuschlagen. Gewaltspirale.
Aber zurück zu Livio: mein kleiner Bruder sprach ein wenig mit den Jungen aus der linken Front und ich habe ihn ein wenig beobachtet. Er hat sich mit einigen gut vertragen, zumindest habe ich so das Gefühl. Ein wenig Traurigkeit überkommt mich auch jetzt noch, weil er so viel leichter mit Menschen umgehen kann. Es müsste mir hier doch auch leichter fallen, aber nein, es will gar nicht funktionieren. Ja sogar die Mädchen und die Hetes haben ihn sofort gut aufgenommen. Ich habe die Schule verlassen. Ich weiss, es ist ein dummes Zeichen der Schwäche, aber ich hatte das bedürfnis mich irgend in eine Ecke zu kauern und zu weinen. Ich bin in den letzten Tagen eindeutig zu einer Heulsuse mutiert. Ich bin einfach nach Hause gekommen. Ich werde jetzt etwas sehr krankes machen, ich werde in die verdrehte Welt zurückgehen. Dort werde ich allen Mut zusammen nehmen und mit Lou sprechen. Alain ist mir doch zu riskant, was wenn er nur eine Falle ist? Auf der anderen Seite… Nein, ich werde es jetzt einfach durchziehen. Ich habe kaum mehr etwas zu verlieren. Notfalls werde ich eben von zuhause weglaufen. Wünsch mir Glück.
Es war vielleicht zwei Uhr in der Nacht, als ich die Augen wieder öffnete. Ich befand mich wie gewünscht… (Oh Mann, es klingt wirklich krank) in der „Verdrehten“ Welt. Ich habe still in meinem Bett gewartet bis ich die Haustüre gehört hatte. Ich bin zögernd ins Wohnzimmer gegangen. Lou sich kurz die Jacke und die Schuhe ausgezogen. Dann erst hat er mich bemerkt. Er hat sich erkundigt, ob ich noch wach sei. Ich habe ihm erklärt, dass ich vorhin aufgewacht sei, und ich wollte wissen, ob er kurz Zeit für mich hätte. Vater ist zum Glück nicht zuhause, der hat um neun Uhr aufbrechen müssen um den Flieger zu erreichen. Er würde erst Montag zurück sein. Ein paar Tage ohne ihn, und dann würde Lou eh in die Tagschicht wechseln. Dann war ich Vater für ein paar Wochen los. Lou hat sich zu mir in mein Zimmer gesetzt nachdem er sich einen Kaffee gemacht hat. Nur, ich war mir mit einem Mal verdammt unsicher, wie ich hätte mit ihm reden sollen. Wie ich meine Probleme ihm gegenüber ansprechen sollte. Ich habe es schliesslich versucht, möglichst unpersönlich zu gestalten. „Du hast gesagt, dass Opfer von Gewalt manchmal zweigeteilt empfinden, können Hetes auch solche Gründe haben?“, wollte ich wissen. Lou hat den Kopf geschüttelt. „Nein ich denke nicht, Heterosexualität ist normal ein Empfinden das man einfach hat. Es ist einfach da. Da kann man nichts dagegen machen, auch nichts dafür. Was ich mir vorstellen könnte, dass einige Vergewaltigungsopfer versuchen panische Anfälle versuchen zu verhindern, indem sie sich auf Frauen einlassen die sie nicht an die Szenen erinnern. Ich weiss es nicht, aber ich kann es mir vorstellen“, erklärte er mir. „Mein Bruder hat mir erzählt, dass einige Patienten Krise schieben, sobald sie sich bedrängt fühlen und sie die Nähe von Frauen deutlich vorziehen, ja auch vermehrt Beziehungen zu ihnen in Betracht ziehen. Aber das hat nichts mit Liebe zu tun“, hat er mir erzählt. Ich habe mich nach seinem Bruder erkundigt und er hat mir erzählt, dass dieser Vergewaltigungsopfer behandle. Ich wusste nicht einmal, dass es das bei uns gab. „Und da kommen auch Homosexuelle hin?“, wollte ich wissen. Lou schien überrascht. Hat dann aber genickt. „Die meisten dort sind Homosexuell. Einige von ihnen wurden von Hehas fälschlicherweise beschuldigt und ganz wenige sind wirklich Heteros aber die meisten sind Opfer von Vergewaltigungen innerhalb der Familie. Oder im Freundeskreis. Bei Kindern ist es oft ein Onkel oder der Stiefvater oder gar der eigene Vater. Bei den Jugendlichen ist es manchmal der eigene Freund. Wenn dieser sich einfach holt was er will. Ohne Einwilligung Gewalt anwendet oder androht oder ihn sonst erpresst. Hehas sind dafür bekannt. Mein Bruder sagt, wenn sie etwas wollen kommen sie immer mit der Masche, „Du bist Hete“ Wenn man verneint wollen sie als Beweis Sex. Schon alleine das ist eine Vergewaltigung. Seit drei Jahren sogar dann, wenn man es ihnen nicht verweigert. Da das beschuldigen als Hete oft zu Morden oder Selbstmorden führt. Man droht dem anderen sozusagen mit dem Tod“, erklärte mir Lou. Ich war mehr als nur überrascht. Die Zahlen waren erschreckend. Lou hat von zehn gemeldeten Vergewaltigungen pro Woche in unserer Stadt gesprochen. Und zwar ohne Kindesmissbrauch… Kindesmissbrauch… es weckt böse Erinnerungen. „Und so Dunkelziffern?“, wollte ich aber trotzdem wissen. Lou war unglaublich ernst. Hat mich dann plötzlich in den Arm genommen und mir gesagt, dass er nicht zulassen würde, dass Vater mir noch einmal weh macht. Da bin ich eingebrochen. Ich lag in seinen Armen und habe geweint. Ich weiss nicht wie lange ich geweint habe, aber ich wollte gar nicht mehr aufhören. Obwohl er doch auch ein Mann war. Und obwohl er mich festgehalten hat… Ich glaube ich habe ihm dann viel mehr Preis gegeben als ich eigentlich wollte. Habe ihm gesagt, dass ich gar nicht auf Jungen stand. Dass es mich ekelte schon bei dem Gedanken daran jemanden zu küssen, schon die Nähe zu ihnen würde mir Probleme bereiten. Irgendwann habe ich mich aber doch beruhigt. Besonders weil Lou nicht negativ auf das gehörte reagiert hat. Er hat gemeint, dass ich keine Angst vor Homosexuellen haben bräuchte. Die meisten seien ganz nett und wenn ich Stopp sagen würde, würden die schon hören. Und er hat mich überredet ihn in eine Bar zu begleiten. Er hat mir versprochen auf mich aufzupassen. Und so sind wir morgen um vier in eine Bar gegangen. Bei uns haben sehr viele Bars die ganze Nacht offen. Sogar die Jugendbars. Lou hat sich bestimmt nicht zufällig das „Slowdrinks“ ausgesucht. Das ist eine Bar die keinen Alkohol ausschenkt und die auch keine Diskomusik spielt. Nur Tanzmusik. „Es gibt schon Bars da geht es etwas rauer zu, da braucht man etwas Selbstvertrauen jemandem in die Schranken zu weisen, aber das hier ist das sanfte Stadtbild der Nacht“, hat mir Lou erklärt. Wir haben uns etwas an die Bar gesetzt. Vermutlich hat mich schon wegen Lou keiner wirklich gewagt anzuquatschen. Ich habe mich fast an seinen Arm gekrallt und Lou hat nichts dagegen gemacht. Die Bar war gut besucht und einige haben leicht geschunkelt. Andere wiederum haben echt getanzt. Ich habe noch nie getanzt. Ob das Spass machte? Irgendwann hatte dann wohl doch einer das Gefühl gehabt, er müsse mit mir reden und ich habe Angst bekommen. ER hat etwas verwirrt geschaut, und ist sogar selbständig auf Abstand gegangen. Lou hat mich nur ermahnt, dass ich sagen soll, wenn mir etwas zu nahe gehe. Ich habe mich wohl ungefähr so aufgeführt wie Rehkitz Hannes als er vor mir am Boden lag. Ich habe also allen Mut zusammengenommen und zu dem Typen gesagt, dass ich… und dann hat mich allen Mut wieder verlassen und ich habe sogar gezittert. Lou hat dem Typen dann erklärt, dass ich Angst hätte seit sich mir ein paar Aufgezwungen hätten. Der Typ hat sich trotzdem zu mir gesetzt. Hat ein Wasser getrunken und den Kopf geschüttelt und gemeint, dass die Polizei viel härter durchgreifen sollte bei solchen Typen. Und Lou hat mich aufgemuntert ein bisschen zu tanzen. Er würde auch ganz genau aufpassen. Der andere war mitte zwanzig, zumindest nahm ich das von seinem Aussehen her an. Er hat mir seine Hände hin gehalten. Hat gemeint dass ich keine Angst haben brauche. Er würde nur meine Hände halten, damit ich nicht auf dem Tanzboden verloren ging. Ich habe es gemacht, ich meine ich habe früher auch immer das gemacht was man von mir erwartet hat. Und Tanzen war nicht so schlimm. Nicht, wenn er sein Wort halten würde. (Wenn ich ehrlich bin, wollte ich unbedingt einmal tanzen) Der Mann hat mich zuerst zum DJ gezogen und ihn gebeten etwas Ungezwungenes abzuspielen weil ich noch nie mit jemandem getanzt hätte und er mich nicht gleich wieder vertreiben wolle. Beim nächsten Lieb haben sich wirklich die meisten nur noch an den Händen gehalten und mehr oder weniger nur mit den Händen getanzt und ein wenig mit den Füssen gewippt, beziehungsweise die kurz angehoben und wieder gesenkt. (Natürlich im Takt der Musik) Das hat so viel Spass gemacht, dass ich ganz vergessen habe Angst zu haben. Lou hat gelacht als ich ihm auf der Heimfahrt davon erzählt habe. Und er hat mich gefragt, ob wir öfters dorthin gehen wollten. (Ob du es glaubst oder nicht, ich habe Ja gesagt) Und ich habe ihm gesagt, dass ich froh bin, dass er bei uns lebe, aber dass er etwas Besseres als Vater verdient habe. Lou hat vor dem Haus geparkt. Hat mich angesehen. Er hat gemeint, dass Vater eigentlich genau das sei, was er verdiene. Ein Arsch der nur mit seinen Gefühle spiele. So wie er eigentlich war. Er habe seinen Lebensgefährten mit Vater betrogen und der habe ihn kurzerhand vor die Türe gesetzt. In dem Zusammenhang erfuhr ich auch gleich, dass Lou auch schon ein paar Mal im Knast war. Dad ist in dem Knast Aufseher, und irgendwie hat sich Lou auf ihn eingelassen. Er war einfach schwach geworden nur der Lebensgefährte hat ihn, als er davon erfuhr, kurzerhand vor die Türe gesetzt. Na ja, besser gesagt er hat ihm einfach gesagt, dass er sich nach seiner Entlassung gar nicht erst bei ihm melden bräuchte. Lou hat also alles auf eine Karte gesetzt und sich ganz auf Dad konzentriert um nicht nach dem Knast gleich wieder auf die schiefe Bahn zu geraten. Und Dad hat ihm eben geholfen. Hat ihm einen Job besorgt und er lässt ihn ja jetzt bei uns leben. „Du solltest wieder auf die Nachtschicht wechseln“, habe ich ihm geraten. Und ihm dann kurzerhand erklärt, dass Vater über kurz oder lang genervt wäre und dann würde er Lou sonst auch einfach auf die Strasse setzen. Lou hat mich ziemlich schief angesehen. „Du weisst schon, dass du gerade anbietest, mich mit deinem Körper zu schützen?“, hat er sich erkundigt. Ja, das war mir eigentlich schon klar, aber wenn Dad ihn rauswirft dann fehlt mir eine Bezugsperson. Ich habe ihm erklärt, dass ich keine Freunde hätte mit denen ich reden könne, und nur er weiss warum ich ein absoluter Freak sei und dass ich dafür auf ein paar Wochen Galgenfrist verzichten könne. Auch wenn ich bei dem Gedanken daran schon grün angelaufen bin. Warte kurz Francesca, ich muss kurz kotzen gehen… So, bin wieder hier. Ist selten, dass ich in dieser Welt hier kotzen muss, aber ich habe vorhin gerade gegessen. Und ich habe Lou auch erklärt, warum ich noch immer zuhause wohne. Nie weggelaufen bin. Wegen Livio. Ich habe ihm aber auch gebeichtet, dass ich manchmal, wenn es mir ganz schlecht ging, eingeredet hätte, dass er es nicht eklig finden würde. Aber ich habe auch erklärt, dass ich eigentlich weiss, dass das Quatsch sei, nur könne ich manchmal einfach nicht anders denken. Lou hat gemeint, dass das ganz bestimmt normal sei. Und er hat mich gefragt, ob er mir irgendwie helfen könne. Ich habe noch einmal erklärt, dass er wieder in die Nachtschicht wechseln soll, sobald als möglich. Er hat gemeint, ich sollte besser eine Anzeige machen. Aber da war ich dagegen. Soweit fühlte ich mich eindeutig nicht und Dad hat Geld. Er würde dafür sorgen dass ich den Mund hielt. Das hat er immer schon gemacht. Ich werde nie vergessen, wie ich an einen Kollegen von ihm geraten war. Einen Polizisten… Er hat mir mit seiner Pistole… Nein, das werde ich dir nicht erzählen. Ich habe Dad geschworen, nie wieder wegzulaufen und dass ich nie wieder unartig sein würde. Seither habe ich ihn immer gewähren lassen. Lou hat sich gar nicht nach den Hintergründen erkundigt als ich abgelehnt habe, Anzeige zu erstatten. Wir sind gemeinsam ins Haus gegangen. Inzwischen ist schon fast zehn Uhr am Morgen. Zum Glück ist Samstag, so hat Livio gar nichts mitbekommen, da er am Samstag immer länger schläft. Ich habe mir lange überlegt, was es für eine Lösung für mein Problem geben konnte. Und schliesslich habe ich das Telefon hervorgenommen und Dad angerufen. Ich habe ihm erklärt, ich wäre bereit eine Lösung zu suchen, wie wir das Regeln wolle, wenn sein Freund jetzt abends und morgens auch da sein würde. Lou hat mich beobachtet, während ich ein wenig unruhig im Zimmer auf und ab ging. „Er wird nicht lange bei uns sein“, hat Dad gemeint. „Doch wird er, weil ich es satt habe, dass die Leute behaupten, du würdest es heimlich mit einer Frau machen, es ist zum kotzen. Aber wie wäre es, wenn wir Mittwoch, nach der Schule, ich meine, ich habe dann Zeit, und Lou arbeitet dann, soweit ich seinem vorläufigen Plan entnehmen konnte. Livio hat dann Schule bis um sechs Uhr“, habe ich ihm erklärt während ich gegen einen Würgereiz angekämpft habe. „Einmal in der Woche?“, hat Dad gefragt. „Ja, einmal in der Woche, wie wenn du auswärtige Meetings hast, dann geht das doch auch“, habe ich festgestellt. Länger als eine Woche und ich muss ihn auf seinen Meetings begleiten. Livio kommt mit, wenn er dann gerade keinen Freund hat, bei dem er bleiben kann, also äusserst selten. „Und ich meine, mit ihm läuft ja auch etwas, ist das nicht etwas entlastend?“, erkundigte ich mich. Vater hat schliesslich eingewilligt und sobald ich aufgelegt habe, bin ich kotzen gegangen. Später habe ich Lou dann erklärt, dass ich mich noch kurz hinlege und er mir vielleicht etwas vom Frühstück zur Seite legen soll, wenn ich nicht rechzeitig aufwachen würde. Ich habe mich in meinem Zimmer eingeschlossen und gehofft, dass die in der „richtigen“ Welt nicht versuchten einen Komapatienten zu wecken und schon den Notarzt verständigt hätten. (Haben sie übrigens nicht, ich habe in Wirklichkeit nur eine Stunde geschlafen, keine Ahnung wie dieser Wechsel wirklich funktioniert)
Ich bin um sechs Uhr am Abend wieder aufgestanden und bin erst mal nach unten gegangen, weil meine Mutter gerufen hat. Ich habe nicht erklärt, warum ich zehn Minuten überhaupt nicht reagiert hätte. Undals sie gefragt hat, warum ich abgeschlossen habe, habe ich zu Livio gesehen. Schon komisch, dass mein Bruder in der andere Welt auch Livio heisst. Er sieht nämlich eigentlich anders aus in der anderen Welt. Und ist wohl auch nicht derselbe. Ich sollte mich dort vielleicht auch mal wieder richtig im Spiegel ansehen. Vielleicht sehe ich dort auch nicht nur schlanker und kleiner aus. Vielleicht bin ich ja dort auch nicht ganz ich. Besser gesagt, ich bin in der „Richtigen“ Welt vielleicht nicht ganz ich. Ich bin vielleicht nur von einer Situation in eine gleiche Situation in einer anderen Welt in einem anderen Körper gelandet. Eine Welt in einer anderen Zukunft. Denn wir schreiben hier (in der „Richtigen“ Welt 2011 und in der „Verdrehten“ haben wir noch Jahr 1992. Und wir haben wie gesagt, noch ein halbes Jahr Verschiebung. Okay, und einige Personen sehen sich ähnlich. Wie zum Beispiel Rehkitz… Mhm, aber zurück zu meinem Tag:
Nach dem Essen bin ich schnell zurück in mein Zimmer und habe mich beeilt von der „Verdrehten“ Welt zu schreiben. Immerhin sind dort ja noch alle Erinnerungen ganz frisch. Tja, bei der gelegenheit ist mir dann aber prompt mein Nachtessen wieder hoch gekommen. Ich habe mich etwas beruhig, mir klar gemacht, dass mein Vater in dieser Welt nichts mehr zu melden hatte und dann konnte ich in meinem Zimmer den Eintrag etwas gelassener zu Ende schreiben. Später habe ich mir echt die Mühe gemacht und habe mich mit Livio zusammengesetzt und ich habe ihn gefragt, ob er denn Freunde gefunden hätte in meiner Schule. Und ob ich befürchten muss, bald einen von denen zuhause anzutreffen. Livio hat mich beruhigt und mir erklärt, dass er schon froh sei, dass ich ihm das gestattet habe, er würde mich nicht mehr als notwendig ärgern und vorläufig auf derartiges verzichten. Nur hat er gefragt, ob er meinen Segen habe, mit einem von ihnen was anzufangen, sollte einer denn tatsächlich Interesse haben, und vor allem, sollte er sich wirklich in einen verlieben. Wozu braucht er denn meinen Segen? Und dann hat er etwas getan, was mich irgendwie geschockt hat. Er hat sich auf meinen Schoss gesetzt und gesagt, dass ich ihm so wichtig sei, dass er mich keineswegs absichtlich verärgern möchte, solange es eine alternative gäbe. Und er hat mir vorsichtig durch die kurzen Haare gestrichen. Sein Geruch war nicht beängstigend, im Gegenteil, es war irgendwie angenehm. Er war auf jeden Fall kurz zuvor duschen gewesen und er hat Deo aufgetragen. Ein Deo das ich irgendwo schon einmal gerochen habe. Aber ich hätte nicht sagen können, wo. Etwas zu männlich für meinen Bruder. (Frag mich nicht wie ich darauf kam, es war mir nur gerade im Kopf) Das war eher so ein Deo für Männer. Nicht für meinen zierlichen Bruder der knappe dreizehn ist. „Du solltest Rehkitz fragen, was er für ein Deo benutzt, das sollte auch zu dir passen“, habe ich gemeint, als ich ihn los gelassen habe. Ich habe irgendwie weggetreten, einfach die Arme um ihn geschlossen und ihn festgehalten. Er hat sich sofort nach Rehkitz erkundigt. Und ich habe ihm erklärt wer das ist und dass er mich immer so erschrocken ansähe, wie ein Reh eben, und daher der Name. Dafür hat er mir erklärt, dass er das Deo eigentlich nicht für sich gekauft habe, sondern jemandem schenken wollte, aber dann habe sein Freund die Dose pink angemalt, um meinem Bruder zu sagen, dass er eine verdammte Drag Queen sei. Was selbst mir klar ist, dass Livio ganz bestimmt nicht ist. „Er hat keine Ahnung, ich habe noch nie in meinem Leben Mädchenklamotten getragen“, hat Livio protestiert und ich habe leise gelacht. Doch hatte er. Mit sechs oder so. Er war völlig verzweifelt in Mamas Zimmer gestapft und hat dort ihre Schubladen durchstöbert bis ich mich erkundigt hatte, was das Problem war. Und er hat mir doch allen Ernstes erklärt, dass er ein Mädchen sein muss, weil er Josch geküsst hat. Aber es hat ihm dann nicht gefallen, und Mutter hat ihm später Stundenlang erklärt, dass es auch Männer gäbe die Männer mochten. Ich habe Livio also von dem Mal erzählt und er ist ein bisschen rot geworden. Und ich habe ihm gesagt, dass ich ja weiss, was er meint. Und dass sein Ex echt ein verdammter Habasch sei. Und ich habe ihn gefragt, wem er das Deo dann schenken wollte. Livio hat mit dem Finger auf mich gezeigt. Und mir dann erklärt, dass es sonst ja nicht so schlimm gewesen sei. Livio wollte mir ein Deo schenken? Wie süss ist das denn? Meine finger haben mit seinen Haaren gespielt während ich versucht habe das zu verarbeiten. Schliesslich habe ich mich dann nach dem Grund erkundigt. Also dem Grund, warum er mir ein Deo schenken wollte. Oh, was für eine süsse Antwort habe ich bekommen… Dass er sich nicht getraut hat, für mich einen Ring zu kaufen, weil er dafür wohl am ehesten in diesen Rechten Schuppen gemusst hätte, aber er hat stundenlang vor dem Laden rumgelungert, und ist dann einem gefolgt der anschliessend noch Deo kaufen war und es auch gleich angetan hat. Darum hat Livio auch so eines gekauft, denn wenn der das aufgetragen habe, dann sei es sicher nicht zu schwul. So süss… Echt. „Aber jetzt da es pink ist, würde es verdammt schwul rüber kommen, aber ich werde dir noch ein Geschenk finden, und wenn ich mich als Neonazi verkleiden muss um in diesen Laden zu gelangen“, hat er seine Erzählung beendet. Noch viel süsser. Und es hat mir gar nichts ausgemacht, dass er da auf meinen Oberschenkeln gesessen hat, ganz dicht bei mir und ich mit seinen Haaren gespielt habe. „Du weisst schon, dass du mir nichts schenken musst?“, habe ich mich erkundigt. Aber er wolle mir etwas schenken. Er habe gar nie daran gedacht, wie das für einen Schwulenfeindlichen Menschen sein muss, mit einem solchen unter einem Dach leben zu müssen, und ich habe sehr rücksichtsvoll auf ihn und seine Kollegen reagiert. Habe keinen von ihnen zuhause angegriffen. Und ich habe nie Kollegen nach Hause gebracht. Höchstens diesen einen Mann, der aber nie mit herein gekommen sei. Und überhaupt, er habe mich gerne, und er wolle das gerne zeigen. Er hat schnell hinzugefügt, dass er mich als Bruder mag. Ich habe ihn so dicht wie nur möglich an mich gezogen. Habe ihm erklärt, dass ich ihn auch als Bruder möge, und es mir immer leid getan hat, wenn ich ihn verletzt habe, oder wenn er meinetwegen traurig war. Und ich habe ihm leise ins Ohr geflüstert, dass ich froh sei, dass ich ihn festhalten könne, dass er in mir nicht dasselbe Gefühl auslöse wie andere Männer und Jugendliche. Und dann habe ich ihm erklärt, dass er meinen Segen habe, wenn er mit jemandem aus meiner Schule was anfängt, ausser mit ein paar bestimmten, die ich ihm noch zeigen würde. Und er solle sich von denen allgemein fern halten, die seien einen schlechten Umgang. „Gehört der Grosse auch dazu? Dieser Dominik?“, hat Livio gefragt. Ich habe leise gelacht. „Domi? Nein, der nicht, magst du ihn? Er ist ganz nett, und er wird immer auf dich aufpassen, dann bist du gut behütet“, habe ich festgestellt. „Dann werde ich zu denen die du mir zeigst fern halten“, hat Livio nur gemeint. Ich habe überlegt nachzufragen, aber dann habe ich es sein lassen. Auch weil Livio seinen Kopf an meine Schulter gelehnt hat, und mich damit etwas aus dem Konzept gebrachte. „Er erinnert mich ein wenig an dich, er ist wie du, also ich meine nicht wirklich aber schon, auf eine abstrakte Art. Wenn man dich besser kennt“, hat Livio zögernd bemerkt. „Nur dass er andere beschützt und ich andere zusammenschlage?“, habe ich eingewendet. Livios Hand war an einer Stelle gelandet an der sie eigentlich wenig verloren hat. Unter meinem T-Shirt an meinem Brustkorb. Aber es machte mir wirklich vernichtend wenig. Er ist eben mein kleiner Bruder. „ich bin sicher, dass du auch Leute beschützen würdest, wenn es welche gäbe, die du beschützen könntest, und ich bin sicher dass Dominik auch Leute zusammenschlagen würde, wenn er müsste. Aber er muss nicht, weil er stark ist, und sich gar niemand mit ihm anlegt“, hat Livio gemeint. Er ist so verdammt klug. „Aber eigentlich habe ich nur gefragt, ob du ihn auch akzeptieren würdest, weil ich wissen wollte, ob du Personen ablehnst, die keinen Respekt vor dir haben“, hat er dann zugegeben. „Nein, Livio, auch wenn ich an deiner Seite jemanden begrüssen würde, vor dem ich dich beschützen könnte, ist es doch deine Sache, wen du liebst. Nur jene die ich dir zeigen werde, die sind ein schlechter Umgang für dich“, habe ich ihm erklärt. Und er hat mir einen Kuss auf die Wange gegeben. „Zeigst du sie mir morgen nach der Schule? Ich habe ja vor dir aus, dann könnte ich bei euch vorbei schauen“, hat er gemeint. Ich hatte genickt. Dann habe ich ihn hochgehoben und ihn ins Bett getragen. Ich habe ihm einen Kuss auf die Stirn verpasst bevor ich mich umgedreht und zur Türe zurückgegangen war. „Michael, du bist verdammt stark vergiss das nie“, hat Livio plötzlich ruhig gesagt und ich habe nichts darauf erwidert, ihm nur eine gute Nacht gewünscht. Ja, und jetzt werde ich noch kurz die Zähne Putzen gehen, und dann muss ich zurück zu Lou und Frühstücken. Ich habe langsam wieder Hoffnung dass mein Leben doch wieder in Ordnung kommt. Nur noch einmal in der Woche Stress mit Vater und Lou als guter Zuhörer und Verbündeter. Livio als netter Bruder in der „Richtigen“ Welt und Alain als erster Kollege in der „Verdrehten“ Welt. Gute Nacht Francesca, du scheinst ja richtig Glück zu bringen.
Tag der Veröffentlichung: 06.01.2012
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