40. Schulfächer
„Übrigens, die Frucht kann man gut Essen…“, bemerkt Tata. „Auch für Menschen?“, erkundige ich mich. „Ja, normal gilt in Ascarbia, was Ascarben Essen können auch Menschen essen. Es gibt winzige Ausnahmen und nicht immer schmeckt es für Menschen wirklich gut, aber giftig sind die wenigsten Sachen. Umgekehrt ist es schon mehr ein Problem“, erklärt Tata. „Das grösste besteht übrigens darin, dass Ascarben noch eine Komponente brauchen, die in den wenigsten menschlichen Lebensmitteln drin ist, aber Lebenswichtig für Ascarben ist“, erzählt Tata. „Und es kommt im Körper von Menschen vor“, ergänze ich. Tata nickt. Starrt etwas vor sich her. „du warst überrascht, dass er dich gebeten hat, trotzdem am Unterricht teil zu nehmen…“, versuche ich das Thema zu wechseln, und Tata springt sofort darauf an. Ich beisse vorsichtig in die Frucht. Obwohl sie aussieht wie eine überdimensionierte Brombeere schmeckt sie eher nach Erdbeere. „Na ja, ich war weniger überrascht, dass ich weiter in den Unterricht soll, als dass er mich sozusagen frühzeitig als gut genug bezeichnet hat. Fer ist nicht dafür bekannt, dass er sich leicht beeindrucken lässt. Weisst du, die Prüfungen sind erst in einem Menschenjahr. Es kommt ganz selten vor, dass ein Schüler in einem Fach derart brilliert, und seine überragende Leistung ausserhalb dazu führt, dass er von einer entsprechenden Prüfung befreit wird. Aber bei Fer ist das die letzten hundert Jahre nicht mehr passiert“, stellt Tata fest. Ich schlucke erst gemütlich runter. „Na ja, du hast ja auch nur die ganze Stadt vor dem zusammen fallen gerettet…“, bemerke ich ironisch. Tata schmunzelt. „Aber nur dank deiner Hilfe“, stellt er fest. Ich schenke ihm ein Lächeln. „Aber heiltechnisch gesehen hast du alles gemacht“, stelle ich fest. Tata nickt. „Aber lass uns nicht streiten“, lenkt er ein. „Du hast Recht, haben die Fresser Asch eigentlich angegriffen, weil wir da waren?“, frage ich. Tata schüttelt den Kopf. „Nicht möglich, nein, um Asch so fertig zu machen, braucht es Zeit, selbst für die Fresser“, erklärt er. „Es ist eher so, dass ohne unsere Anwesenheit niemand bemerkt hätte, dass diese Fresser angefangen haben, Asch zu schädigen. Ich hielt die Verletzungen erst auch nur für Oberflächlich, wie meistens halt, vielleicht dass sie aus Versehen einen der stärkeren Wurzeln erwischt hatten, aber nicht die Hauptwurzel“, Tata scheint es zu schaudern. „Darf ich fragen, was ihr so für Unterrichtsfächer habt? Ausser Heilkunde?“, erkundige ich mich. „Ob du´s glaubst oder nicht, Flugunterricht haben wir auch, ob es was nützt ist eine andere Frage…“, beginnt Tata. Ich schmunzle, die Landung der Heiler sah wirklich nicht aus, als wären sie in einen Flugunterricht gegangen. „Sonst gibt es noch Pflanzenunterricht, Historik, Humanhistorik, Planetarische Historik, Planetenkunde in Fachrichtung Leben oder Fachrichtung Konstellation, Weltenkunde in diversen Fachbereiche, Ernährungskunde in Bereich der Versorgung/ Produktion oder in Bereich Zusammensetzung oder auch in der Zubereitung, Sport, Erdkunde, Baukunde…“, beginnt Tata aufzuzählen. „Stopp, kurz ne Zwischenfrage, wie oft geht ihr in den Unterricht?“, erkundige ich mich. „Wegen den vielen Sachen? Oh, es ist so, wir haben nicht alle, und schon gar nicht alle zur gleichen Zeit. Ich habe zum Beispiel keine Ernährungskunde in Bereich Zusammensetzung, habe nur ein halbes Jahr Pflichtunterricht gehabt und Zubereitung lerne ich zuhause. Ich schaue aber dass ich pro Tag zwischen zehn und fünfzehn Lektionen habe. Ich habe sonst kaum etwas vor, und da ich eher ein Aussenseiter bin, finde ich im Unterricht mehr Bestätigung als ausserhalb“, erklärt Tata. Irgendwann stelle ich fest, dass ich mich an ihn angelehnt habe. „Die anderen sind alle blöde“, murmle ich. Tata scheint es nicht zu stören, dass ich mich an ihn gelehnt habe, und ich bin plötzlich viel zu müde, um mir Gedanken darüber zu machen.
Wach werde ich, weil mich jemand hochhebt. Ich öffne verschlafen die Augen. Sehe in graue Sturmaugen, die auf mich runter schauen. „Du solltest in deinem Bett schlafen, kleine Menschgeborene Menschenwächterin, du hast extra eines bekommen“, meint der Ascarbe. Oder kein Ascarbe? „Ich werde sie zu ihrem Quartier bringen Tata, danke dass du auf sie aufgepasst hast“, bemerkt Grauauge. „Sehen wir uns morgen, Jesca?“, fragt Tata. „Ja, wenn du magst, ich habe einfach noch Sitzung, glaube ich“, stelle ich müde fest. „Ja, was dagegen wenn ich so eine Stunde später oder so, mal bei dir vorbei schaue?“, fragt Tata. „Kein Problem, musst einfach nach dem Weg fragen“, bestätige ich. Dann lasse ich mich davontragen. Vielleicht hätte ich mich unter anderen Umständen dagegen gehalten, getragen zu werden, aber im Moment war es mir nur recht, und ich dämmere schnell wieder weg. Merke nur, dass es wohl ein Kampfascarbe war, denn als er losfliegt geht das beinahe ohne rumpeln, und die Landung kriege ich gar nicht mehr mit. In meinem Zimmer verschiebe ich das Zähneputzen auf den nächsten Morgen. Jetzt war ich einfach viel zu müde. Nur gerade die Schuhe schaffen es, ausgezogen zu werden. Dann lege ich mich aufs Bett und bin fast augenblicklich wieder im Land der Träume angekommen. Ob ich Tata wohl mal in den Unterricht begleiten dürfte? Und warum mochten ihn die anderen Ascarben nicht? Was war an ihm anders? Er war netter, okay, aber war so etwas ein Grund? Das frage ich mich in meinen Träumen.
41. "Dunkles erwachen"
Am nächsten Morgen wache ich irgendwann auf. Meine Uhr sagt mir, dass es halb neun war. Das Zimmer selber ist dunkel. Was darauf schliessen lässt, dass hier wohl gerade Nachtphase ist. Ich setze mich auf. Stehe auf. Jetzt war ich wach, jetzt konnte ich mindestens Zähne putzen und mir ein Nachtkleid anziehen. Ich wandere also im stock dunkle ins Badezimmer. Taste nach der Zahnbüste. Bis plötzlich hinter mir das Licht angeht. „Besser?“, erkundigt sich die Dienerin. „Wie…“, beginne ich. Die Dienerin deutet zu einem der Steine. „Sie haben Energie gespeichert“, erklärt sie. „Und woher wusstest du, dass ich aufgestanden bin?“, erkundige ich mich. „Oh, ich weiss viel, zum Beispiel wie viel Gewicht auf dem Bett ist. Da ich wach war, dachte ich, ich schaue mal nach, ob bei Euch alles in Ordnung ist“, erklärt die Dienerin. „Bei mir zuhause wäre es jetzt halb Neun, das ist eine Zeit wo ich normalerweise schon zwei bis drei Stunden wach bin, aber sonst ist alles in Ordnung“, stelle ich fest. „Wenn Ihr wünscht, zeige ich euch, wie man die Lichteinfuhr reguliert und wie man auf Mondmodus wechselt“, bietet sie an. „Das wäre vielleicht gar nicht mal so schlecht“, gebe ich zu. „Aber ich putze kurz die Zähne, okay?“, frage ich. „Natürlich, lassen Sie sich Zeit, Menschenwächterin Jesca“, meint die Dienerin. Ich putze schnell meine Zähne. Dann drehe ich mich zu der Dienerin um. „Wann beginnt hier denn der Tag?“, erkundige ich mich. „Nun, das kommt darauf an, ich arbeite zurzeit auf Abruf, ich versuche dann zu schlafen, wenn ich gerade nicht gebraucht werde. Da ich die einzige weibliche Kleiderdienerin bin, ist das das sinnvollste. Die meisten anderen arbeiten Schicht, das bedeutet, dass sie in einer der drei Phasen arbeiten, Tagphase 1 Tagphase 2 und Nachtphase 1 und in den beiden Phasen frei haben. Je nachdem beginnt dann der Tag um eine andere Zeit. Für Euch wird es wohl in gut zwei menschlichen Stunden soweit sein, weil dann die blaue Sonne aufgeht. Ihr habt Glück, dass zurzeit die Phasen gut aufeinander abgestimmt sind, sonst wäre es etwas komplizierter“, stellt die Dienerin fest. „Wollt Ihr vielleicht vorher noch den Nachthimmel sehen? Bevor ich Euch das mit dem Ein- und Ausschalten zeige, je nachdem, kann es sonst einige Zeit dauern“, erklärt sie. Ich nicke. Und so gehen wir nach oben. Gehen die Gänge entlang zum einem der Türme. Nicht zum Hauptturm, sondern einem der äussersten. „Im Hauptturm herrscht mir viel zu viel Hektik und es wird immer schlimmer“, erklärt die Dienerin. „Und ausserdem…“, fügt sie zögernd hinzu. Dann schüttelt sie kurz den Kopf. „Ich muss dort noch etwas erledigen, daher würde ich sagen, solltet Ihr anschliessend alleine wieder zurück und ich folge euch kurz darauf…“, meint die Dienerin. Wir betreten die Plattform. Der Himmel ist in einem dunklen Rot gehalten wie die Sterne. „Ist der Nachthimmel auch andersfarbig, je nach Sonne?“, frage ich. Die Dienerin nickt. „In der Lufthülle hat es auch Lichtpartikel wie in den Lebenssteinen, nicht so viel, und daher scheint der Himmel in der Nachtphase nur schwach“, erklärt die Dienerin. Ich suche nach ein paar Himmelskörpern. „Oh heute hat es nur den Ring“, erklärt die Dienerin. Deutet ganz nach oben. Tatsächlich zieht sich dort ein blauer Streifen über das Firmament. Man kann darin auch einige Himmelskörper erkennen, die vermutlich Meteoriten sind, oder vielleicht auch kleine Monde, so genau kann ich das nicht sagen, da ich die Distanz nicht abschätzen kann. „Wunderschön“, stelle ich fest. Die Dienerin nickt. Nach einer Weile kommt jemand näher. Vermummt, und mit gesenktem Blick. „Noch zehn Minuten“, erklärt die Dienerin. Die vermummte Gestalt nickt. Bleibt am Rand reglos stehen. „Wenn Ihr wollt, zeige ich es Euch gleich hier, wie man ein Licht einschaltet“, bemerkt die Dienerin. Ich nicke. „Gerne, ja, wie es dir lieber ist“, willige ich ein. Die Dienerin zieht mich vorsichtig zum einem der Glassteine. Die vermummte Gestalt kommt näher. „Du legst deine Finger so auf den Lebensstein…“, beginnt die Dienerin. Sie hält alle Zehn Finger zusammen und berührt damit den Stein. Ich folge ihrem Beispiel. Frage mich zeitgleich, warum dieser Lebensstein so mitten auf der Plattform stand. „Und jetzt streckst du die Finger Nach aussen, bis die Handfläche auf dem Lebensstein liegen“, erklärt die Dienerin. Ich rutsche meine Finger nach aussen.
42. Ups, war ich das?
Im nächsten Moment hat mich die Dienerin am Arm gepackt und zu der geöffneten Luke gezogen. Dort die Treppe hinunter und zu einer der Notfallluken. Der vermummte öffnet sie. Und die Dienerin zieht mich hinein. Der vermummte schliesst die Luke von innen wieder. Und wir bewegen uns durch die Sicherheitstunnel bis wir wieder in meinem Zimmer landen.
„Macht das nie wieder…“, trägt mir die Dienerin auf. „Habe ich etwas falsch gemacht?“, erkundige ich mich. Die Dienerin schüttelt den Kopf. „Nein, aber es ist zu gefährlich für Euch, es ist ein Wunder, dass Ihr noch nicht… Dass ihr noch lebt“, flüstert sie. „Warum? Was habe ich getan?“, frage ich. „Nun ja, vielleicht zeige ich es besser, wenn ich… die Steine aktiviere…“, beginnt die Dienerin, sie legt dieses Mal nur die Fingerspitzen von einer Hand auf einen der Steine, und bewegt sie nach aussen, wie ich draussen gemacht habe. „Dann passiert das…“, erklärt die Dienerin. Der Stein hat leicht zu leuchten begonnen. „Mit zwei Händen passiert das…“, fährt die Dienerin fort, und aktiviert den nächsten Lebensstein. Er leuchtet etwas heller. „Und das passiert, wenn IHR das macht…“, beginnt die Dienerin. Sie geht zu einem der Fenster und wischt mehrmals darüber bis man durch das Glas hinaus sehen kann. Der Nebenturm leuchtet, oben in einem starken rot, und nach unten wird es immer weniger. Die Gänge sind ebenfalls von dem Licht betroffen. „War ich das?“, frage ich. Das war ja wohl nicht anzunehmen. „Ja“, bestätigt die Dienerin. „Und wenn jemand herausfindet, dass Ihr das könnt, oder besser, wenn die falschen davon erfahren, werden sie versuchen Euch zu töten… Hier gilt diese Gabe zwar offiziell als heilig, aber, unter der Hand sterben alle die auch nur annähernd so stark werden könnten sehr früh, verschwinden einfach…“, erklärt die Dienerin. „Aber ihr hattet so etwas vor gehabt, oder?“, erkundige ich mich. Die Dienerin nickt. „Ja“, gibt sie zu. „Warum, wenn es so gefährlich ist?“, erkundige ich mich. „Wir sind keine richtigen Lichtbringer, wir tun nur so, darum müssen wir mindestens zu dritt sein, um das Licht hin zu bekommen. Wir müssen die Jäger verwirren, müssen falsche Fährten legen, damit die anderen überleben können“, erklärt die Dienerin. „Ist dies für euch nicht gefährlich?“, erkundige ich mich. „Lichtbringer sind Gesegneten der Götter, wir fühlen uns ihnen näher, wenn wir ihren Kindern helfen, und wenn wir sterben, so sterben wir wenigstens für einen guten Zweck“, erklärt der Vermummte. „Ich habe eine Frage, wer sind diese Jäger?“, erkundige ich mich. „Ich kenne niemanden, der eine Begegnung mit ihnen überlebt hat“, entschuldigt sich die Dienerin. „Aber Ihr… Ihr seid ein Tag lang hier gewesen, ohne dass etwas passiert ist“, bemerkt die Dienerin. „Nun ja, nichts passiert, kann man das vielleicht nicht nennen, ich war bei der Schlucht, als mich ein Schwärmer angegriffen hat, einer der Kampfascarben hat das Ding fast verschrottet. Es muss irgendwie frei gekommen sein. Die Kampfascarben sind sich nicht sicher, ob es mit mir zu tun hat. Und ein halbe Stunde später hatte ich Probleme mit Fressern gehabt, die gerade dabei gewesen waren, Asch zu zerstören, und zwar anscheinend sehr komisch, da sie die Hauptwurzel, welche unter die Stadt führt, systematisch aufgefressen haben. Hätten sie mich und Tata nicht angegriffen, hätte man es vielleicht zu spät bemerkt“, erzähle ich. „Und Ihr habt noch nicht die Flucht ergriffen?“, erkundigt sich die Dienerin. „Quatsch, es gefällt mir hier, hier habe ich das erste Mal in meinem Leben Personen mit denen ich mich verstehe, du, Tata, und der Diener der gestern die Führung unternommen hat. Zuhause war ich immer die Komische, die Verrückte. Die einzige Person die mir scheinbar wohlgesonnen war, war ein Unbekannter der ab und zu in meiner Nähe war. Er kam mir so vor, als wäre er da, um mich zu beschützen. Und er hat mir die Kette meines Vaters gegeben“, erzähle ich. Ungefragt hole ich diese heraus. Die Dienerin nimmt die Kette an sich.
43. Das Orakel
„Diese Kette ist aus Ascarbia“, stellt sie fest. „Sicher?“, erkundige ich mich. Die Dienerin legt den Kopf schief. „Nicht ganz, aber soweit ich weiss, kommt der Lebensstein nur in Ascarbia vor“, erklärt sie. Deutet auf den Stein in der Mitte. Dann reicht sie sie zurück. „Versucht, den Lebensstein zu klären, aber wenn möglich nur vorsichtig“, trägt sie mir auf. Ich befolge den Rat. Fahre mit meinem Daumen über die Fläche. „Lass nicht zu, dass die Dunkelheit zu deiner Seele spricht, denn nur wenn du reinen Herzens bist, das Herz erhellt das fern des Lichtes ist. Spricht plötzlich eine seltsame klangvolle Stimme.
Die Dienerin zuckt zusammen, ja sogar der Vermummte kann sich nicht ganz zurückhalten, seine Augen sind geweitet und starr auf die Kette gerichtet.
„Das ist ein Zeichen der Lichtgötter, Ihr steht ihnen sehr nah, nicht vorstellbar was geschieht wenn Ihr den Jägern in die Hände fällt…“, sagt die Dienerin, „…wer könnte damit gemeint sein; das Herz erleuchtet das fern des Lichtes ist?“, fügt sie fragend hinzu. „Ihr müsst aufpassen, dass nichts sieht, wie Ihr Eure Macht benutzt, denn man sagt dass die Macht sich auf den Gegenstand, welcher das Leben der Lichtbringer beendet, überträgt, Eure Stärke könnte gewisse Personen dazu reizen es auszuprobieren“ „Ich will ich gar nicht daran denken was passieren würde wenn dies tatsächlich stimmt. Bei der Lichtmenge die man bei Euch erahnen kann, wenn man sieht, was Ihr ohne Probleme erzeugen könnt, muss die Macht unbeherrschbar sein“, meint der Vermummte.
Ich ziehe die Kette um mein Handgelenk an. So würde ich sie Notfalls sofort Einsatzbereit haben. „Ich gehe mich mal umziehen, und dann suche ich das Frühstück“, erkläre ich der Dienerin. „Natürlich, soll ich Euch helfen?“, erkundigt sich diese. Ich nicke. „Das wäre nett“, gebe ich zu. Sie hilft mir nach der Dusche dabei, die neue Kleidung anzuziehen. Dann entscheide ich mich spontan dazu um, in meinem Zimmer zu Essen. Ich bin gerade fertig geworden, als es draussen klopft. Die Dienerin geht öffnen. Draussen steht der Diener mit der helleren Stimme. „Der Rat der Wächter erkundigt sich, ob man sich etwas früher treffen könnte“, erklärt er. Ich greife nach dem Mantel den ich von den Kampfascarben habe. Stelle kurz fest, dass die einen Mantel gehabt haben. Aber dann verschiebe ich die Gedanken auf später. Ich folge dem Diener die Gänge entlang bis zum Konferenzraum.
Wirklich viel diskutieren wir nicht, es soll heute nur darum gehen, wie ich mich in das System einfügen würde. Also werden vor allem Fragen an mich gestellt. „Du bist Halbweise?“, fragt mich Esimbre. Ich sehe sie an. „Ja, mein Vater starb noch vor meiner Geburt, Mutter hat den Verlust nie verkraftet, und jetzt lebe ich bei Pflegeeltern“, lüge ich mir frei von der Seele. „Deine Mutter hat also nie wieder geheiratet?“, erkundigt sich Esimbre. Ich schüttle den Kopf. „Nicht dass ich wüsste, ich glaube sie lebt in einer Psychiatrie, nachdem sie mich, in einem Anfall von Schizophrenie, beinahe ertränkt hätte“, lüge ich weiter. „Und deine Pflegeeltern?“, erkundigt sich jemand anderes. „Nun ja, ich war fünf als ich zu ihnen kam, davor habe ich in einem Heim gelebt. Die beiden waren gerade alt genug gewesen, um mich in Pflege zu nehmen. Er ist Mechaniker und sie ist Bibliothekarin“, erzähle ich weiter. Ich passe auf jede einzelne Frage auf. Achte darauf was ich sage. Es erscheint mir klüger jetzt etwas zu schummeln, als etwas preis zu geben, was nicht preisgeben werden sollte. Daher stehe ich ziemlich unter Hochspannung und bin extrem erleichtert, als wir für heute endlich Schluss machen. Morgen würde ich die Gelegenheit bekommen, Fragen zu stellen. Ich spreche mich gegen ein Mittagessen aus, und erkläre, dass ich erst später essen würde. Das Frühstück liegt ja auch erst etwa drei Stunden zurück. Ich bin nicht die einzige Person die sich gegen das frühe Mittagessen entscheidet. Asc zum Beispiel erklärt, dass er zuhause Essen würde. Und andere sehen es wie ich, für Mittagessen sei es noch zu früh. Man würde sich besser zum Abendessen treffen.
44. Tata der Streber
Wie abgemacht kommt Tata nach einer Stunde zu mir auf Besuch. „Tata, wenn du pro Tag zehn bis fünfzehn Lektionen Unterricht hast, wie kommt es, dass du trotzdem Zeit hast?“, erkundige ich mich. „Ich gehe zum Unterricht, wann ich Zeit habe“, erklärt Tata. „Ich kann Lektionen vor und nachholen, wenn es sein muss, oder das Unterrichtsmaterial alleine aufarbeiten. Nur zu bestimmten Stunden muss ich auftauchen, oder aber durch einen triftigen Grund verhindert zu sein. Mein Besuch könnte ich notfalls auch als Kommunikationslehre, Weltenkunde Bereich Menschenwelt oder als das was es noch am ehesten ist, Selbstfindungslehre ausgeben“, erklärt Tata. „Selbstfindungslehre?“, erkundige ich mich. Tata wird leicht rot. „Ich… ich mag dich, und ich möchte gerne etwas herausfinden, warum ich dich so mag, und wie ich dich mag“, erklärt er mir. Wollte er damit sagen, dass er sich unter Umständen verliebt hatte? Ich dachte Ascarben hätten Gefühle, die langatmig waren, also sollten sie sich doch auch langatmig aufbauen. Also besser keine Voreilige Schlüsse ziehen. „Oh, ich glaube das kenne ich in diesem Wortlaut nicht, aber es klingt nicht negativ, und ich mag dich eigentlich auch sehr und würde mich freuen, wenn wir uns noch etwas besser kennen lernen könnten, und vielleicht ein bisschen Zeit miteinander verbringen“, entgegne ich. Tata strahlt mich an. „Ich fürchte meine Lehrer werden dich hassen…“, meint er dann schmunzelnd. „Oh, wenn ich darf, würde ich dich sonst auch mal ein bisschen begleiten, dann würde ich gleichzeitig deine Kultur etwas besser kennen lernen, wir könnten Zeit miteinander verbringen und du würdest vom Unterricht nicht ganz alles verpassen“, bringe ich vorsichtig den Vorschlag. Tata nickt. „Ich werde sonst mal fragen, ob das geht“, willigt er ein. „Möchtest du im Monument bleiben, oder lieber noch etwas die Gegend anschauen?“, fragt Tata. „Oh, du kannst mir gerne das Monument zeigen, ich kenne erst wenige Sachen hier. Das Konferenzzimmer, das Esszimmer, meine Räume und die Gänge dazwischen, ach genau noch die Plattform auf dem Hauptturm, dort durfte ich gestern den Sonnenwechsel bewundern“, erzähle ich. „Oh, der Sonnenwechsel gestern war wunderschön, das stimmt. Normal ist auch der Sonnenaufgang ein Spektakel, aber heute Morgen gab es ein kleines Wunder, ich würde es dir gerne zeigen, wenn du magst“, meint Tata. Ich nicke. „Gerne, ja“, willige ich ein. Tata greift zögernd nach meiner Hand. „Oder ist es gegen deinen Willen, wenn ich dich so halte?“, fragt er. Ich schüttle den Kopf, und erwidere seinen Händedruckt leicht. Tata führt mich zurück in den Hauptturm. Dort auf die Plattform. Es ist wieder alles in blaues Licht getaucht. Dann deutet Tata in eine Richtung. „Die Rote Sonne ist uns wohlgesonnen“, stellt er fest. Einer der Türme, ich nehme an, es ist der Turm, den ich aus Versehen beleuchtet habe, ist noch nicht blau sondern leuchtet noch immer rot. Wie ein Spinnennetz oder eine Nachtperspektive einer Metropolenstadt der Erde breitet sich die Rote Farbe, vom Turm aus, aus. Im oberen Teil des Turmes ist alles Glasige rot. Nach unten und in die weite verringert sich der Rotanteil immer mehr, bis es sich im blauen Licht verliert. „Wie entsteht so etwas?“, erkundige ich mich. Tata sieht lächelnd zu mir hinunter. „Es gibt unterschiedliche Gründe für ein solches Phänomen, aus naturwissenschaftlicher Sicht. Aus nicht naturwissenschaftlicher Sicht ist es immer ein Geschenk der Götter, ein Zeichen. Zum Beispiel wenn ein Vernichter einen Lebensstein trifft…“, beginnt Tata. Er scheint angestrengt nachzudenken. „Ich habe doch mein ganzes Leben lang schon Weltenkunde in Richtung Menschenwelt…“, murmelt er. „Wie sagt ihr den Vernichtern, ähm, Lichterscheinung die gefährlich sind, weisst du was ich meine? Mir fällt der Begriff einfach nicht ein“, entschuldigt er sich dann. „Du meinst einen Blitz?“, erkundige ich mich. „Also ein Licht das erscheint und einige Zeit später knallt es?“, erkundige ich mich. Tata nickt. „Genau, ein Blitz. Je nachdem was für ein Blitz es ist, kann er so etwas produzieren. Andere Möglichkeiten sind Spannungsdifferenzen in den Erdschichten, Eisige oder steinige Besuche aus dem Weltall oder ein zufälliges erscheinen. Hier geht man davon aus, dass jemand es gerufen hat. Wer allerdings, ist nicht klar. Und auch nicht, was mit der Person passiert ist. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass sie diesen Kraftaufwand nicht überstanden hat“, erzählt Tata. „Passiert das oft? Ich meine, dass jemand dabei stirbt?“, erkundige ich mich. Tata nickt. „Normal nicht, weil normal kann ein Mensch nur ganz wenig Energie auf einen Schlag abgeben. Aber Menschen die üben können mehr Energie abgeben. Und je länger sie üben desto mehr Energie können sie abgeben. Ab einer gewissen Energiemenge wird es gefährlich, wenn jetzt jemand öfters bis fast in den kritischen Bereich rutscht steigert es sich weiter und der Mensch kann es theoretisch fertig bringen seine ganze Energie abzugeben. Bisher kenne ich nur Fälle bei denen Menschen den kritischen Bereich nicht überlebt haben, daher weiss ich auch nicht, ob überhaupt etwas übrig bleibt, wenn sie alle Energie abgeben. Die Menschen kennen die Gefahr, aber wenn einer den Weg ins Reich der Toten gehen will, ist dies bei uns eine sehr beliebte Art, es ist ein Opfern, ein Geschenk an die Götter. Es wäre auch möglich, dass der Mensch der es fabriziert hat, ein begabter Lichtbringer war, aber es gibt keine Hinweise auf einen solchen“, erklärt Tata. „Und wenn jetzt mehrere…?“, beginne ich fragend. Tata schüttelt den Kopf. „Dann hätten sie jeden Stein einzeln aktivieren müssen, oder aber die Energie wäre schneller erloschen“, erklärt er. „Wie immer alles richtig, Tata“, stellt jemand hinter Tata fest. Wir drehen uns beide um.
Tag der Veröffentlichung: 27.08.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Wie immer widme ich diese Kapiteln allen die sie lesen.
Und besonders denen die sich auf eine Fortsetzung freuen ;)