32. ein netter Ascarbe
Dicht in meinen Mantel gehüllt sehe ich mich wieder in der Stadt um. Die einzigen, etwas kleineren, Wesen die etwas deplatziert wirkten sind die Menschen. Mit gesenkten Köpfen huschen sie hin und her und erledigen Aufgaben. Putzen den Boden, tragen Sachen oder machen sonst etwas. „Schau gefälligst zu Boden Mensch“, verlangt ein Ascarbe. Ich ignoriere ihn. Ich musste das nicht, ich war Wächterin, das hat man mir hier ja versichert. Ich gehe etwas spazieren, achte trotzdem darauf, die Ascarben nicht unnötig zu provozieren. Irgendwann lande ich im Park. Im Park scheint es zum Glück wirklich weniger Ascarben zu haben. Weit komme ich nicht, da hat mich die Umgebung bereits völlig in Beschlag genommen. Ich kauere mich am Wegrand hin, um ein herzförmiges Blatt anzusehen, von dem ich nicht ganz sicher bin, ob es sich nicht um ein Tierchen handelt. Als ich es mit dem Finger vorsichtig stupse gibt es ein klickendes Geräusch von sich und hüpft etwas von mir weg. Dreht sich dann zu mir um und streckt mir die Zunge raus, bevor es blitzschnell wegläuft. Ich stehe auf, lande kurz darauf wieder etwas unsanft auf dem Boden. Ein stechender Schmerz ist in meinem Bein, welches ich mir bei meinem Sturz aufgeschürft habe. Benommen sehe ich hoch. Das Etwas was mich umgerannt hat, ist vermutlich einen Kopf grösser als ich, bestimmt doppelt so schwer, aufgrund des hohen Muskelanteils. Blaue Beinkleidung und den Oberkörper ist wie bei Teijo mit diesem Band welches hinter dem Hals hindurch geht, nach vorne führt, sich dort überkreuzt wieder nach hinten geht und schlussendlich wieder nach vorne führt wo es verknüpft wurde. Aber hier sind wie beim Badekleid Stoffstücke zwischen die Bänder gespannt. Der Stoff ist schwarz, das Band wie die Hosen auch blau. Die Augen des Ascarben sind irgendwie hellbraun die Haare ockerbraun. Und die Flügel sind rotbraun jedoch schwarz gesprenkelt. „Verzeihung, ich habe nicht aufgepasst“, entschuldigt sich der Ascarbe, ich bin verwirrt. Ein normaler Ascarbe der mich nicht kennt und der sich trotzdem entschuldigte? Gab es so etwas überhaupt? „Schon gut“, murmle ich. Taste mein Bein ab. „Es blutet“, meint der Ascarbe, ohne hinzusehen. „Kann passieren“, meine ich. Der Ascarbe sieht mir in die Augen und ich stelle fest, dass sie goldgesprenkelt sind. „Sollte es aber nicht, es ist nicht gut“, meint er. Benetzt mit seiner Zunge seine Hand und tastet damit nach der Wunde. „Ich bin kein Heiler, und meine Kräfte diesbezüglich sind nicht unbedingt gut, aber vielleicht hilft es ja ein klein wenig“, meint er. Tatsächlich verschwindet der Schmerz nach einiger Zeit. „Danke“, bedanke ich mich. Der Ascarbe schüttelt den Kopf. „Dafür brauchst du dich nicht zu bedanken, es ist meine Pflicht Schaden den ich anrichte wieder zu beheben, ich hoffe du kannst mir verzeihen, dass ich so kopflos durch den Park gelaufen bin“, meint er. Ich nicke. „Schon vergessen“, mein ich. „Erlaubst du mir, dass ich dich zu einem Brunnen begleite, damit du das Blut wegwischen kannst?“, fragt er. Ich nicke. Lasse mir auch aufhelfen. Der Ascarbe führt mich ruhig zu einem Springbrunnen. Achtet dabei darauf nicht vor mir zu laufen. „Ich habe dich noch nie gesehen, bist du die Wächterin der Menschen?“, fragt er. Ich nicke. „Ja“, bestätige ich. „Das ist bedauerlich“, meint der Ascarbe. „Ich meine, es ist bestimmt eine gute Arbeit und es ist gut, dass du keine Dienerin bist, aber es ist bedauerlich, dass du dann nur sehr kurze Zeit hier bist“, konkretisiert er. Irgendwie richtig süss.
33. Keiner hat sich einzumischen
Beim Brunnen zieht sich der Ascarbe sein Oberteil aus, benetzt es mit Wasser. „Das ist wirklich nicht…“, will ich widersprechen, da hat er schon mein Bein hochgehoben, und reinigt es selber. „nicht nötig?“, fragt er. Ich nicke. „Du musst meinetwegen deine Kleidung nicht beschmutzen“, meine ich. Er zuckt mit den Schultern. „Aber ich mach es doch gern“, meint er. Er wäscht sein Oberteil kurz aus. Legt es dann zum Trocknen in die Sonne. Setzt sich daneben hin und lehnt sich zurück. Sein Kopf kommt auf dem Brunnenrand zu liegen. Und ich stelle fest, dass er keinen richtigen Bauchnabel zu haben scheint. Stattdessen zieren seinen Bauch mehrere Linien die an Narben erinnern. „Wie ist dein Name?“, fragt er. „Jessica“, stelle ich mich vor. „Und wie ist deiner?“, frage ich zurück. „Tata“, sagt der Ascarbe. „Jesca bist du gerne Wächterin?“, fragt er dann. „Ich bin erst seit kurzer Zeit eine, und es ist alles neu für mich, aber du sprichst mein Name nicht ganz korrekt aus“, erkläre ich. „Oh tut mir Leid, ich finde es irritierend dein Name, Jesca kenne ich, es bedeutet die bezaubernde, Jessy würde die Fremde bedeuten, aber Ica bedeutet Tod, fremder Tod, ist kein guter Name, es erscheint mir falsch“, meint Tata. Ich nicke. „In meiner Welt haben Namen andere Bedeutung“, erkläre ich. „Erlaubst du mir dich Jesca zu nennen, auch wenn deine Eltern dir nicht ganz diesen Namen gegeben haben?“, fragt Tata. Ich nicke. „nun wenn es dir lieber ist“, willige ich ein. „Was bedeutet denn dein Name?“, frage ich nach einer Weile. „Der gewollte, ein Kind das willkommen ist“, erklärt Tata. „Und fühlst du dich denn Willkommen?“, frage ich. „Bei meiner Familie ja, hier draussen weniger, ich bin etwas anders, das wollen viele nicht akzeptieren“, erklärt Tata. Ich sehe ihn verständnisvoll an. „Das kenne ich, bei meinem Vater habe ich mich immer willkommen gefühlt, aber alle anderen haben mich irgendwie nicht gemocht“, erzähle ich. „Ich mag dich“, meint Tata spontan. Es ist süss wie er das sagt. Ich lächle ihn an. „Das ist nett von dir“, meine ich. „Magst du mich auch, trotzdem dass ich dich vorhin umgerannt habe?“, fragt er. Ich nicke. „Ich bin sicher, dass du mich nicht mit Absicht umgerannt hast“, meine ich. Tata schüttelt den Kopf. „Meine Eltern haben sich etwas gestritten, und ich wollte etwas meinen Kopf frei bekommen“, erklärt er. Ich nicke. „Streiten sich deine Eltern häufig?“, frage ich. Tata schüttelt den Kopf. „So gut wie nie, sie lieben sich sehr, nur ist etwas passiert was nun ja nicht so gut ist, und es ist schon sehr schlimm, und nun ja, ich kann dir da nicht viel mehr darüber sagen“, erklärt Tata. Ich nicke. „Musst du auch nicht“, erkläre ich. Tata seufzt. „Meinst du deine Eltern wären einverstanden, wenn wir noch etwas Zeit miteinander verbringen?“, fragt er schliesslich. „Mein Vater hätte bestimmt nichts dagegen, und meine Mutter hat mir nichts mehr zu sagen“, erkläre ich. Tata nickt. „Einer meiner Väter war früher mit einer Frau verheiratet gewesen, aber sie hat versucht meinen Vater zu töten, darum wurde die Partnerschaft schliesslich aufgelöst, aber das war lange bevor ich gezeugt wurde“, erklärt Tata. Tata hatte also zwei Väter, wenn ich das jetzt richtig aufgefasst hatte. „Und deine Eltern was würden die sagen?“, frage ich. Tata seufzt. „Ich glaube im Moment würden es beide nicht so toll finden, normalerweise könnte ich auf meinen erzeugenden Vater zählen, der würde das bestimmt irgendwie tolerieren, aber ich glaube er hätte im Moment Angst dass dir etwas zustossen könnte“, erklärt Tata. „Und was bedeutet das jetzt für uns?“, frage ich. „Ich werde nicht fragen, was sie davon halten, und ich werde noch weniger darauf hören was sie sagen“, meint er. Ich schmunzle.
34. Anatomie und Entwicklung
„Darf ich dich fragen…“, beginne ich. Deute auf seinen Bauch. Tata schmunzelt kurz. „Das ist normal bei Ascarben“, erklärt er. Legt seine Finger auf den Bauch. „Das dient dazu, das Kind aus dem Körper zu heben“, fügt er hinzu. Nun gut, er hatte ja zwei Väter, also musste ja so etwas möglich sein. „Oh, okay“, lenke ich ein. Tata deutet zu meinem Bauch. „Du hast dafür einen Bauchnabel, als Band zwischen Mutter und Kind“, bemerkt er. Ich nicke. „Aber wie werdet ihr mit Nähstoffe versorgt?“, erkundige ich mich. Er sieht mich nachdenklich an. „Ähm, ja… wir liegen sozusagen in einer Nährflüssigkeit. Am Anfang ist es unsere Haut die die Nährstoffe in den Körper führt. Später nehmen wir die Nährstoffe durch schlucken auf“, erklärt Tata. „Darf ich dich noch weiter fragen?“, erkundige ich mich. „Was möchtest du denn noch wissen?“, erkundigt sich Tata. „Wie alt bist du?“, erkundige ich mich. „Ich bin neun Ascarbische Jahre alt. Also ungefähr sechzehn menschliche Jahre“, erklärt Tata. „Dann bist du ja etwa 2 Menschenjahre älter als ich“, stelle ich fest. Tata zuckt mit den Schultern. „Mein austragender Vater ist bald 180 Jahre alt“, erklärt Tata. „Ist das alt?“, erkundige ich mich. „Sagen wir, er hat etwa zwei Drittel seines Lebens hinter sich. 200 werden die meisten, sofern sie nicht eines unnatürlichen Todes sterben. 250 Jahren ist so die normale Lebenserwartung, 300 Jahre ist schon sehr alt, und darüber trifft man kaum mehr welche an“, erzählt Tata. „Dann bist du ja noch richtig jung“, stelle ich fest. Tata zuckt mit den Schultern. „Ich komme bald in die Zeit der Selbstfindung, oder dem Rangordnen wie die Diener es gerne nennen. Dann dauert es noch ungefähr vierzehn Menschenjahre und ich bin ausgewachsen“, erklärt er. „Uf, bei mir dauert es nur noch ungefähr vier Jahre, aber ich werde auch nicht ganz so alt“, stelle ich fest. Tata nickt. „Dafür sind deine Gefühle vergleichbar mit dem Strahlen eines geschliffenen Lebensstein, in weissem Licht“, erklärt Tata. Ich sehe ihn fragend an. „Die Gefühle eines Ascarben sind im Vergleich zu menschlichen Gefühlen für eine längere Zeit gedacht, und daher sind sie meist etwas gedämpft. Aber sie halten dafür wirklich länger, normal bleiben Ascarben ein ganzes Leben zusammen, ausser in ganz seltenen Fällen, wie bei der ersten Beziehung meines Austragenden Vaters“, erklärt Tata.
35. Brommmais oder Maisbeere
Tata sieht nach, ob sein Oberteil schon trocken ist. Er scheint nicht gerade erpicht darauf zu sein, es wieder anzuziehen. Aber dann macht er es doch. „Kannst du mir kurz helfen?“, erkundigt er sich. Ich helfe ihm die Bändel hinter dem Rücken wieder zu kreuzen. Er bindet es vorne zusammen. Rückt die Stoffstücke zusammen. „Friert ihr eigentlich nicht, am Rücken?“, erkundige ich mich. „Eher weniger. Notfalls haben wir auch noch Kleider die noch ätzender sind zum Anziehen aber auch deutlich wärmer geben“, erklärt Tata. Er deutet den Weg entlang. „Magst du ein Stück mit mir spazieren?“, erkundigt er sich. Ich nicke. Und wir wandern zusammen durch den Park. „Mir wurde gesagt, dass Ascarben eher selten in den Park gehen würden“, bemerke ich. „Die Erwachsenen fliegen meist in die Wildnis, und diejenigen die in der Selbstfindung oder kurz davor sind die zieht es ebenfalls nach draussen. Aber wenn ich Ascarben aus dem Weg gehen will, dann komme ich hierher. Zudem, bis vor einigen Jahren, ging ich regelmässig mit meinen Eltern hierher spazieren. Meine Eltern haben sich immer die Zeit genommen und da habe ich genug Gelegenheit bekommen, die Parks schätzen zu lernen“, erklärt Tata. Er führt mich tiefer in den Park. Waren weiter aussen vor allem die Farben ungewohnt, war hier die abstrakte Kunst wohl mit einem Dauerauftrag beliefert worden. Bis jetzt hatte ich vor allem zerzaust aussehende Sträucher in den Farben, Pink, orange und Neon grün gesehen, am Boden natürlich das allanwesende Asch. Und eben einige Blumen derer Farbgebung wohl dem Prinzip des Zufalls entsprach. Und besonders lange war ich noch nicht im Park gewesen, bis Tata mich über den Haufen gerannt hat. Jetzt komme ich in den Genuss, die Pflanzen genauer anschauen zu können um ihre exotischen Sachen zu bewundern. Und Tata scheint genau zu wissen, welche Pflanzen wirklich speziell aussahen für mich. „Hier, für dich“, sagt er gerade. Er beugt sich kurz zu Boden herunter und pflückt etwas. Was irgendwie Ähnlichkeiten mit einer Pfauenfeder hat. „Oh danke“, bedanke ich mich. Schaue die „Pfauenfeder“ genauer an. „Eigentlich ist das ja keine Einsiedlerpflanze, vermutlich finden wir nachher noch eine Menge von denen“, erklärt Tata. „Die ist sehr schön“, stelle ich fest. „Pfauenfarn“, erklärt Tata. „Ihr kennt Pfauen?“, erkundige ich mich. Tata schüttelt den Kopf. „Nur aus dem Unterricht. Aber der Begriff hat sich eingebürgert“, erklärt er. „Darf man da die Wege verlassen?“, erkundige ich mich. Ich habe ein Gewächs gesehen, dass ich mir gerne von näher anschauen würde. Tata sieht sich den Boden kurz an. Er wirkt skeptisch. Doch dann nickt er. „Aber nur, wenn du nichts dagegen hast, dass ich dich notfalls ein Stück wegfliege…“, bemerkt er. „Erstens, nein, zweitens warum?“, frage ich. „Ähm, ja, wir haben so Insekten, und wenn die auftauchen, ist das äusserst unangenehm“, erklärt Tata. Er hebt mich vorsichtig über die Hagänhnliche Absperrung und steigt dann selber darüber. Ich beschliesse also mich zu beeilen. Gleichzeitig Asch nicht allzu sehr nieder zu trampeln. Scheinbar scheint es Asch nicht zu stören. Denn als ich bei dem Gewächs angekommen bin, windet es sich leicht meine Beine hoch. Zwar, wenn wir plötzlich weg müssten… Aber Tata scheint es nicht zu beunruhigen, und bei ihm wandert Asch fast bis zu den Knien hoch. „Warum, macht es das?“, frage ich. „Sympathie, wenn es dich nicht mag, stachelt es“, erklärt Tata. Ich sehe das etwas vor mir genauer an. Ist ähnlich aufgebaut wie Mais, hat aber jeweils zwei violette Früchte, die aussehen wie überdimensionierte Brombeeren. Und die Blätter die die Früchte einspannen sind mit Stacheln versetzt. Tata deutet auf eine Frucht, die schon fast ganz offen ist. „Die ist reif, pass einfach auf die Stacheln auf…“, warnt er. Ich nehme die Mais-Brombeere vorsichtig heraus. Sie ist etwa so lang wie ein Maiskolben, aber besonders am breiteren Ende ist sie deutlich dicker.
36. Angriff der Monsterameisen
Asch zieht sich von meinen Beinen zurück. Scheint plötzlich ein Haufen Stacheln zu besitzen. Tata hebt mich unter den Armen und bei den Kniekehlen hoch, wie es die Feuerwehrleute in den Filmen es immer machen. Dann springt er bis zum Weg zurück, wozu er die Flügel nimmt, jedoch nur, um den Sprung zu verlängern, nicht um wirklich zu fliegen. „Sorry, ich bin nicht sonderlich gut mit meinen Flügeln“, entschuldigt er sich. Ich winke ab. „Das war doch gar nicht schlecht“, wende ich ein, auch wenn die Landung wirklich etwas holprig gewesen war. Asch hat das Feld wo wir vorhin noch gestanden haben sozusagen abgesperrt. In dem es der Wegabsperrung hochgeklettert ist und nach innen ein überhängendes Stachelgerüst gebildet hat. „So sind sie nicht so tragisch, schlimm sind diese verdammten Viecher vorallem, vor den Erntezeiten, weil sie dann fliegen lernen…“, erklärt Tata. Ich riskiere einen Blick über den Schutzwall und mir wird fast Schlecht. Eine Horde Riesenameisen klettert aus einem Loch. Silberne Flüssigkeit glitzert am Boden. „Diese verdammten Fresser, ich hasse sie“, murmelt Tata. Asch scheinbar auch, denn es kämpft verbissen gegen die Invasion. Ich versuche die Grösse dieser Monster zu schätzen. Komme auf ungefähr 10 – 20cm. „Wer wird gewinnen?“, erkundige ich mich zögernd. „Ich fürchte, die Fresser, wenn Asch keine Hilfe bekommt“, erklärt Tata. Er zieht mich hinter sich her. „Also wir suchen nach einem Gewächs das gelbe Blätter hat und eine pinke Blüte“, erklärt er mir. „Und sie hat Früchte die aussehen wie Kirisch… ich meine so ähm, ja, wie bei euch Hausdächer“, erklärt er schliesslich. Ich sehe mich also nach etwas entsprechendem um. Bis ich das Neongelb entdecke. Gleichzeitig wie Tata. Der jetzt losläuft und ein paar der Zapfen einsammelt die wirklich wie geziegelt aussehen. Dann laufen wir zurück. Tata voraus und ich folge.
37. Ein Fremdling in der Familie
Als ich zurück komme, hat Tata begonnen die Zapfen zu zerbröseln. Und sie auf die Wiese zu werfen. Ein Geruch nach Insektenspray breitet sich aus. „Ich frage mich, ob ich einen fangen soll, einen Fresser“, murmelt Tata. Beugt sich dann tatsächlich vor und schnappt sich eines der hässlichen Kerlchen. Das sofort versucht mit seinen Scheren nach Tata zu greifen. Aber Tata hält es so, dass dies nicht funktioniert. „Ätsch“, macht Tata. Dann sucht er mit seiner freien Hand nach einem Behälter. Wirft die Ameise hinein und verschliesst schnell den Deckel. Ich sehe wieder auf das Feld. „Gewinnt jetzt Asch?“, frage ich. „Sollte er gleich“, bestätigt Tata. Er schnappt sich noch eine Ameise. Die sich wieder heftig wehrt. „Warum fängst du die?“, frage ich. „Die eine ist für einen Freund von mir, und die andere werde ich in ein Käfig tun“, erklärt Tata. „Wozu?“, frage ich. „Ist interessant, ich mag sie nicht sonderlich, wenn sie frei sind, und so viele, aber eine alleine in einem Käfig ist ganz niedlich, dann verliert sie ihr Gift, und ihre hässlich roten Kopf. Und dann ist sie… ach schau, sie haben sich verzogen“, stellt er dann fest. Ich sehe zu der Wiese. Tatsächlich hat es keine Ameisen mehr. Nicht einmal tote. „Wo sind die hin?“, frage ich. „Gefressen, und der Rest ist wieder in den Boden“, erklärt Tata. „Gefressen von wem?“, erkundige ich mich. Tata deutet mit der Ameise auf eine Hecke. „Von den Aisaias dort“, erklärt er. Ich kann dort aber kein Tier erkennen. „Hei, Scha, Scha, kommt her, ich habe dir noch eine, ja…“, lockt Tata. Er geht näher zu der Hecke. Ich folge ihm zögernd. Tata ist jetzt direkt bei der Hecke angelangt. Nur noch ganz wenig trennt die Ameise von der Hecke. Dann plötzlich schnellt etwas hervor. Tata zieht schnell die Hand zurück. Und auf der Gegenseite ist es wieder ruhig. „Na komm, die ist nur für dich…“, flüstert Tata. Wieder schnellt etwas hervor. Dieses mal greift Tata mit der anderen Hand zu. „Aiaiaia“, macht das etwas. Und windet sich in Tatas Griff. „Scha, ich mach dir nichts, siehst du, die Ameise ist nur für dich“, erklärt er. Das Etwas gibt es auf, sich zu wehren und nimmt Tata die Ameise ab. Bevor ich genau schauen kann, ist die ganze Ameise weg. Tata streichelt das etwas. Dreht sich dann zu mir um, damit ich das Etwas besser sehen kann. Es sieht aus wie ein Stück Baum. „Das ist Scha, es ist noch etwas scheu, und es lebt in seiner Herde“, erklärt Tata. „In seiner Herde?“, frage ich. Tata deutet auf das Gestrüpp. „Mhm, sie rotten sich immer zusammen“, erklärt er. „Das ganze Gebüsch besteht aus, ähm, diesen Tieren?“, frage ich. Tata nickt. „Ja“, bestätigt er. Er streicht Scha noch einmal über den Kopf und dann setzt er es vorsichtig vor das Gestrüpp. „Ich füttere es regelmässig, normal ist es so, dass es sich schon aus der Gruppe wagt, wenn ich auftauche, aber wenn mich jemand begleitet dann noch nicht“, erzählt er. „Woran erkennst du es? Ich meine, dass es Scha ist, und kein anderes?“, frage ich nach. „Weil Scha nicht aus dieser Herde hier kommt, seine erste Herde wurde von einem Brand getötet. Ich konnte drei von ihnen retten, Scha war noch so ein kleines Baby gewesen, dass ich es hierher gebracht habe, damit es bei einer Mutter sein kann. Sie lassen es zu mir, weil ich für sie sozusagen zu Schas Familie gehöre“, erklärt Tata. Er zuckt mit den shcultern. „Komm, wir versorgen Asch, die Herde wird eine Weile in der Nähe bleiben, dadurch ist dieser Bereich jetzt sicher“, stellt er fest. Ich nicke. Und frage mich gleichzeitig wie ich helfen könnte. Ich konnte ja nicht heilen.
38. Heilende Würgepflanze
Tata geht vorsichtig zu der Stelle von wo aus sich die silberne Flüssigkeit ausbreitet. Kauert sich dort hin. „Was kann ich tun?“, erkundige ich mich. „Wenn du willst, kannst du nach einer Würgepflanze Ausschau halten, sie ist allfarbig und riecht süsslich“, erklärt Tata. Dann zeigt er auf die Frucht in meinen Händen. „Lass die am besten hier, dann hast du die Hände frei. Ich brauche ein paar Blüten, vielleicht fünf, aber besser eine als keine“, erklärt Tata. „Allfarben, bedeutet, dass sie alle Farben hat?“, erkundige ich mich. „Ja“, bestätigt Tata. Ich mache mich also auf die Suche nach der bunten Würgepflanze. Schon fast damit rechnend, dass sie auch so schnell sein könnte, wie Asch oder wie dieses kleine Gebüschwesen. Aber zum Glück ist die Pflanze wie eine Pflanze sein soll. Also ganz still. Und sie hat sich um irgendeinen Stamm gewickelt. Unten ist sie etwa so dick wie mein Körper, nach oben wird es dann immer dünner. Die ersten zwei Blüten kann ich zum Glück vom Boden erreichen, dann muss ich etwas klettern. Vorsichtig, und ständig nach irgendwelchen Insekten Ausschau haltend klettere ich die Würgepflanze nach oben. Bis zur nächsten Blüte. Dann höre ich ein feines lachen. Wäre vor Schreck fast nach unten gefallen. Was lachte hier? Ein Mensch? Oder ein Ascarbe der mir zusah? Ein Tier? Ich beeile mich noch eine Blüte zu pflücken dann ist die nächste so weit oben, dass ich es nicht wage, weiter zu klettern und ich klettere schnell wieder hinunter und von dort schnell wieder auf den Weg. Dann laufe ich zu Tata zurück. In dem Bereich ist Asch langsam am golden werden. Aber trotzdem klettert es noch meine Füsse hinauf. Aber selbst das wirkt schwach. Nur noch langsam. „Stirbt Asch?“, frage ich ängstlich. Tata schüttelt den Kopf. „Es hat zwar eine Hauptwurzel erwischt, aber sterben wird höchstens ein Teil von ihm, wenn wir es nicht ganz verhindern können“, erklärt er. Er kaut auf eine der Blüten herum. As er darauf seine Hand benetzt, ist sie leicht schillernd, als hätte er mit Seife gegurgelt, oder Öl. Schliesslich schüttelt er den Kopf. Stopft sich alle Blätter in den Mund und kaut schnell. Trägt dann die ganze Sosse auf einen der dicken abgefressenen Wurzeln und führt sie mit dem Gegnestück zusammen. „Jesca, kannst du das hier zusammenhalten, ich hole noch mehr…“, erklärt er mir. Ich kure mich zu ihm herunter. Und übernehme die Aufgabe die beiden abgetrennten Enden zusammen zu halten. Tata läuft schnell zum Weg zurück. Und ich bin froh, dass das „Gebüsch“ in der Nähe ist, damit die Ameisen nicht zurück kehren. „Asch halt durch, okay?“, frage ich die Pflanze. Streiche mit den Fingern über die samtige Haut. Eine gefühlte Ewigkeit vergeht, dann kommt jemand den Weg entlang. Kommt dann schnell zu mir gelaufen. „Waren das Fresser?“, erkundigt sich der Mensch. Sieht sich das ganze kurz an. Ich nicke. „Bist du alleine…?“, fragt der Mann. Ich schüttle den Kopf. „Tata holt gerade irgendetwas“, erklärt er. „Tata, oh, das ist gut, ein Ascarbe ist für so etwas besser geeignet als ein Mensch… oder ein Menschgeborene, wie Ihr eine seid, verzeiht…“, entschuldigt er sich. Ich sehe zu ihm hoch. „Kein Problem“, stelle ich fest. Der Diener kauert sich auch runter und verbindet dann die Wurzel die ich zusammenhalte. „Passieren solche Verletzungen nicht ständig? Ich meine bei Asch?“, frage ich. „Nicht so, normal werden die Hauptwurzeln in Ruhe gelassen, und es sterben höchstens ein paar einzelne Teile ab. Aber hier… das ist unnatürlich, das machen diese Fresser normal nicht. Sie würden sich ja ihren eigenen Lebensraum kaputt machen…“, stellt der Diener fest. Er berührt eine der Stellen die goldig sind. „Es… es ist ein schlechtes Omen“, stellt er fest. Dann steht er auf. „Ich bin dumm, ich könnte ja helfen…“, stellt er fest. Er deutet zum Weg. "Ich werde Ascarben informieren", erklärt er. Dann verlässt er mich schnell.
39. Pflanzentransplantation
Langsam spüre ich, wie sich Asch von meinen Füssen löst. „Nicht, Asch, bitte, du musst doch durchhalten…“, murmel ich verzweifelt. Wieder vergeht eine gefühlte Ewigkeit, dann sehe ich Tata. Er wirkt gar nicht glücklich als er neben mir hin kauert und den Boden aufgräbt. „Da muss noch eine Hauptwurzel sein, verdammt“, flucht er leise. „Ach du sch…“, entweicht ihm dann. „Was ist…?“, frage ich entsetzt. „Die ganze Wurzel ist weg…“, murmelt Tata. Er gräbt jetzt noch hektischer. „Drei ascarbische Längen, wie bei den Lichtgöttern soll ich die überbrücken?“, erkundigt er sich. Sieht mich verzweifelt an. Ich würde ihm gerne helfen, aber ich weiss nicht wie. „Ich habe gelernt, eine handbreite zu überbrücken, aber drei Längen…“, murmelt Tata. Er versucht sich zu konzentrieren. „Ich muss einen Heiler holen…“, stellt er schliesslich fest. „Tata, kann man versuchen, eine nicht so wichtige Wurzel als Überbrückung…?“, beginne ich fragend. Tata überlegt kurz. Nickt dann. „Mindestens so lange bis die Heiler hier sind, müsste es gehen, aber du musst das Messer nachher nehmen und beide Wunden frisch machen…“, stellt er fest. Er stopft sich wieder ein paar Blüten in den Mund dann sieht er sich um. Dann nimmt er ein Messer aus seiner Tasche und durchtrennt einen weniger dicken Strang. Auf der anderen Seite auch. Er hält ihn so, dass beide Enden nach oben zeigen, und möglichst wenig silberne Flüssigkeit entweichen kann. Ich nehme das Messer und befolge seinen Auftrag. Erst auf der einen Seite, dann etwa vier Meter weiter das Gegenstück, einfach ein Stück absagen. Tata geht zu der oberen Stelle. Ich stehe auf, lege das Messer weg und halte ihm eines der Enden fest, damit er eine Hand frei hat. Er nickt mir zu. Dann ist er beschäftigt. Er trägt den Brei auf und legt die beiden Enden zusammen. Ich gehe näher zu ihm, um wieder die Aufgabe der Halterin zu übernehmen. Ich halte die beiden Enden so gut es geht zusammen, während Tata auf der anderen Seite wieder Brei produziert und dort die Sachen vereint und fest hält. Nach einer Weile landen ein paar Ascarben auf dem Weg. Etwas unsanft sieht die Landung aus. Bei allen. Sie kommen schnell näher, besehen sich den Schaden. Tragen schliesslich ein Material auf, das wohl als Schutz dienen soll. „Gut gemacht, Tata“, bemerkt einer der Ascarbe. Tata deutet eine Verneigung an. „Jesca, das ist Fer, er ist Arscarbischer Hauptlehrer in der Heilkunst“, stellt er den Lehrer kurz vor. „Fer, das ist Menschenwächterin Jesca, ohne sie wäre ich wohl nicht auf die Idee gekommen, eine Eigenfleischüberbrückung zu machen“, erklärt Tata. Fer deutet eine leichte Verneigung an. „Ein genialer Gedanke, und er hat funktioniert, Ascarbia steht in Eurer Schuld, auch wenn viele davon überzeugt sind, dass es Asch nicht braucht. Aber wenn der Stamm unter der Stadt verrottet, wird höchstens das Monument standhalten können…“, bemerkt er. Den anderen Heiler scheinen erst jetzt auf diese Idee zu kommen. „Aber warum machen die Fresser das?“, erkundigt sich einer. Die meisten haben damit begonnen, andere Stücke von Asch zu flicken. „Diese Frage könnte nur die genaue Untersuchung eines der Übeltäters beantworten, aber die sind alle restlos aufgeputzt…“, bemerkt Fer. Tata holt sein Glas heraus. „Ich wollte ihn ja eigentlich in ein Käfig stecken, aber wenn es hilft…“, bemerkt er. „Ach, wir werden ihn schon nicht gleich Sezieren, schon das beobachten des Verhaltens kann uns vielleicht helfen. Notfalls aber…“, meint er bedauerlich. „Schon gut, ich werde neue finden“, meint Tata. Er reicht Fer das Glas. „Gibt es etwas, womit man Asch schützen kann?“, fragt Tata dann nach. „Wir werden andere Städte informieren, und wir werden versuchen ein Gift zu finden, welches Asch nicht schadet, jedoch die Fresser fern hält, bis dahin bleibt uns nichts anderes übrig als ein Team zum Urstamm los zu schicken und dort Wache zu halten und hier regelmässig alles kontrollieren“, erklärt Fer. Tata nickt. „Dann kann ich also nichts mehr machen?“, fragt er. „Für heute hast du schon sehr viel getan. Ich würde es begrüssen, wenn du den Heilunterricht auch weiterhin besuchst, auch wenn ich bei dir deine Prüfung als überragend bestanden ansehe“, bemerkt Fer. „Oh, gewiss, vielen Dank, ich werde Morgen gewiss erscheinen“, erklärt Tata. Dann verabschiedet sich Fer auch von mir und Tata nimmt den Brombeeren-Mais auf und nimmt mich an der Hand. „Uf, heute scheint ja wirklich alles drunter und drüber zu gehen“, stelle ich fest. Tata nickt. Führt mich zu einem Bänkchen. „Ich kam mir gar nicht so überragend gut vor, bei meinen Heilkünsten“, bemerkt Tata. Er klappt bei seiner Seite die Rücklehne nach hinten, damit seine Flügel nicht anschlagen würden. Dann setzt er sich neben mich.
Tag der Veröffentlichung: 22.08.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
ich widme die folgenden Kapiteln allen die sie lesen
besonders aber sunnyjayjay mit der ich auch schon an Pflanzenählichen Tieren herumgebastelt habe :)