5. Psychologen sind doof
Das letzte Mal als ich in so etwas eingewilligt hatte, war nach dem Tod meines Vaters gewesen. Und wenn der Gärtner nicht da wäre, dann wäre ich jetzt schon wieder am weglaufen. Ganz bestimmt. Auch wenn der Psychologe gar nicht so tragisch erscheint. Irgendwie nett, aber das können die gut. Das weiss ich. Die warten nur darauf, dass man irgendetwas sagt, und dann verreissen sie dich bildlich in der Luft. Ich will darum gar nichts sagen. Lasse erst mal den Gärtner reden. Der damit anfängt, wie er mich beim Grab meines Vaters aufgefunden hat. Dann wie wir etwas geredet hatten, und auch was. Er erzählt nur das was ich gesagt habe, dichtet nichts dazu, schildert nur kurz was er davon hält. Warum kann er kein Psychologe sein? Das wäre viel besser. Weil ich will nicht mit dem anderen reden. Kein Wort. Wie ein Stummfisch sitze ich da. Sage kein Pips. Auch nicht als der Psychologe sich an mich wendet. Ich will nicht, ich will nicht mit ihm reden. „Dein Vater war also hier gewesen?“, fragt der Psychologe. Ich nicke. „Und du glaubst, dass wir Schuld sind, dass dein Vater tot ist?“, fragt der Psychologe. Ich überlege kurz. Nun ja, indirekt vielleicht. Schliesslich schüttle ich den Kopf. „Ich...“, beginne ich schliesslich. Sehe dabei auf eine Zeichnung an der Wand. „Ich glaube, wenn er nicht hier gewesen wäre, dann wäre er nicht gestorben, aber nicht wegen euch, mehr so allgemein“, erkläre ich. Und da ich genug Erfahrung mit Psychologen habe warte ich die Frage gar nicht ab. „Ich meine damit, es war eher die Einlieferungen das als Krank angesehen zu werden, dieses Gefühl, dass er wohl nie ganz gesund gelten würde und immer mit diesem Krankstempel herumlaufen würde, das hat ihn getötet, denke ich, aber nicht die Anstalt“, erkläre ich. „Warst du auch schon hier?“, fragt der Psychologe. Ich nicke. „Ein paar Tage“, bestätige ich. „Und hast du auch das Gefühl, als krank abgestempelt zu werden?“, fragt der Psychologe. Ich will ihm etwas anwerfen. Genau das habe ich gemeint. Sie hängen immer. Immer. Man kann gar nichts sagen, ohne dass sie einem daraus einen Strick drehen. „Sie sind blöde“, meine ich. Eine dumme aussage für eine dreizehnjährige, aber was soll’s. Ich suche mir ein Stück Schnur aus meinen Taschen heraus und lege sie ihm auf den Tisch. „Was sehen sie?“, frage ich. „Eine Schnur“, meint er. „Und jetzt?“, frage ich. Ich lege das eine Ende zu einem Looping. Der Psychologe überlegt kurz. „Eine Schlaufen“, meint er. Ich mache eine Häkelschlaufe in die Schnur. „Was sehen sie?“, frage ich. „Ein Strick“, erklärt er. Ich nehme die Schnur zu mir, beginne mit meinen Fingern zu häkeln. „Das ist das Problem von euch Psychologen, wenn ich erzähle mein Vater habe sich umgebracht, weil er das Gefühl hatte, alle würden ihn als krank ansehen, und sie fragen, ob ich auch das Gefühl hätte, alle sehen mich als krank an, kann ich damit nicht mit ja antworten, ohne dass sie denken werden, ich sei auch selbstmordgefährdet“, meine ich. Der Psychologe wirkt kurz so, als würde er überlegen. Ich lasse ihn. Häkle in der Zwischenzeit ruhig weiter. „Und das ist nicht so?“, fragt der Psychologe schliesslich. „Warum müssen zwei Personen gleich sein? Vielleicht sind sie ja gar nicht gleich, vielleicht sind sie ja ganz anders. Ich möchte gar nicht Freunde haben, es ist mir egal, ob die mich verstehen, ich muss mich nicht immer rechtfertigen. Dad hätte gerne Freunde gehabt, aber ich brauche das nicht so fest, mir ist es wichtiger, dass man mich in Ruhe lässt. Dass man akzeptiert dass ich da bin, so wie ich bin, dann bin ich zufrieden, dann ist alles gut. Ich habe kein Problem damit als Krank abgestempelt zu werden. Ich habe ein Problem mit Menschen die das Gefühl haben sie müssen es mir immer unter die Nase reiben, oder die es lustig finden mich damit zu ärgern oder zu beleidigen. Ich bin so, ich kann es nicht ändern. Mutter glaubt, wenn ich mich normal verhalte, dann ginge das weg, oder wenn ich in die Psychiatrie gehe, oder wen ich dies oder jenes mache, aber im Moment fühle ich mich weder psychisch noch physisch krank. Nur müde, ich bin es leid, von allen fertig gemacht zu werden nur weil ich gerne durch den Wald laufe, mit Tieren zusammen bin, Geschichten von Fabelwesen erfinde, oder das Gefühl habe Augen von Statuen können mich ansehen, und mich verstehen. Ich fühle mich auch nicht bedroht, oder sonst wie, ich möchte nur Ruhe, Ruhe vor den anderen. Ich bin sie so leid, verstehen Sie, ich will meine Ketten nicht abziehen, nur weil mich die andere nicht in Ruhe lassen können, ich fühle es nicht als falsch, wenn ich einer Mitschülerin meine Kette um die Ohre haue, wenn sie sie mir stehlen will, ich finde es richtig. Und es ist nicht richtig gewesen, dass sie mich beschimpft hat, ich bin keine Lesbe, und ich bin keine Bekloppte“, erzähle ich. Ich möchte irgendwie dass der Psychologe mich versteht. Jetzt wo ich schon mal angefangen habe zu reden. Der Psychologe macht netterweise keine Notizen. Das finde ich gut, weil er heute einfach nur zuhören soll. Ich habe trotzdem Angst. Angst, dass er mich hier behalten lässt. Wobei das wäre immer noch besser als wieder nach Hause zu müssen. Aber auf der anderen Seite war es nicht gut, weil es wäre als würde ich mich verstecken, und irgendwann würde ich zurück in die schule müssen, und dann würde alles wieder so weiter gehen, wie bisher. Nein, nicht wie bisher, noch viel schlimmer. Ich will nicht daran denken. Möchte mich lieber in eine kleine Glitzerwelt flüchten. In eine schöne bunte Glitzerwelt. Nur für mich alleine. Und die andere die dürfen dann gar nicht in meine kleine Welt. Ich versuche mich ganz auf diese kleine Welt zu konzentrieren. Nicht daran zu denken, wo ich war, was ich hier tat, und was passieren würde. Was unweigerlich passiert. Was immer passiert, wenn ich mit Psychologen rede. „Wenn du jetzt entscheiden könntest was passiert, was würdest du denn entscheiden?“, fragt der Psychologe. Ich überlege eine ganze Weile. „Ich würde entscheiden, dass ich nicht mehr in die Schule gehe“, erkläre ich. „Nun das würde sicher nicht einfach, meinst du, eine andere Schule, vielleicht eine, wo die Kinder mehr Verständnis hätten, wäre das für dich auch eine Möglichkeit?“, fragt der Psychologe. Ich überlege wieder eine Weile. Gab es überhaupt solche? Solche nicht gemeinen Schulen? Ich nicke. „Ja, vielleicht“, meine ich zögernd. „Hast du schon einmal mit deiner Mutter darüber geredet, dass du dich nicht wohl fühlst in der Schule?“, fragt der Psychologe. Ich nicke. „Nachdem Dad gestorben ist, und ich ein paar Tage krank war, da ist es schlimmer geworden. Da habe ich zuerst in der Schule gefragt, ob ich wenigstens vielleicht die Klasse wechseln könnte, aber die haben dann mit Mutter geredet. Sie hat gesagt, wenn ich das bisschen sticheln nicht aushalte solle ich besser gleich wieder in die Psychiatrie, und das könne ja wohl nicht sein, dass andere Aufwand haben, nur weil ich zu sensibel bin, und mir einbilde alle hätten es auf mich abgesehen, und so“, murmele ich.
6. keine Probleme
Der Psychologe sieht mich lange prüfend an. Wollte herausfinden, ob ich mir das nur eingebildet habe oder ob es wirklich so war. „Und danach hast du nie wieder gefragt?“, fragt er. Ich schüttle den Kopf. „Mum hat es vor der ganzen Klasse gesagt und alle haben mich ausgelacht, und ich wollte ja auch nicht in die Psychiatrie“, erzähle ich. „Sie hat es vor der ganzen Klasse gesagt?“, fragt der Psychologe. Ich nicke beschämt. Der dunkelste tag nach Dads Tod. Und seither war ich in der ganzen Schule eben die Bekloppte. Der Psychologe steht auf, geht zum Telefon und verschiebt ein Gespräch. Dann wendet er sich wieder mir zu. „Wärst du einverstanden, vorerst hier zu bleiben? Wir würden versuchen zusammen mit dir eine Lösung zu finden“, erklärt der Psychologe. Ich zögere. Dann schüttle ich den Kopf. „Ich will wieder gehen, ja?“, frage ich. Der Psychologe nickt. „Das Problem ist, wenn das was du da gerade gesagt hast, das wegen deiner Mutter, wenn das wahr ist, dann solltest du vielleicht besser mal etwas Abstand zu ihr haben, und zu der Schule, du würdest nur vorübergehend hier sein, nur bis wir einen besseren Platz für dich gefunden haben“, erklärt der Psychologe. Ich sehe zum Gärtner, der immer noch da ist. Wie ich ihn gebeten habe. Ruhig sitzt er da und hört nur zu. Jetzt nickt er. „Du brauchst keine angst zu haben, die werden gut für dich schauen“, erklärt er. Ich habe trotzdem Angst. „Wir würden für dich einen Platz suchen, wo Erwachsene da sind, die schon andere Kinder bei sich aufgenommen haben, Kinder die Probleme zuhause hatten“, erklärt der Psychologe. „Aber ich habe keine Probleme zuhause“, wende ich ein. Der Psychologe überlegt sich seine Antwort erst, aber der Gärtner kommt ihm zuvor. „Das denkst du, weil du nichts anderes kennst, aber Eltern sollten ihr Kind nicht vor einer Klasse blossstellen, sie sollten auf das Kind acht geben. Es beschützen. So wie das klingt was du da als normal schilderst ist alles andere als normal, deine Mutter macht dich Systematisch fertig, wenn du krank wirst, oder krank bist, dann vermutlich wegen ihr“, sagt er. Irgendwie bin ich darüber erleichtert, und gleichzeitig aber muss ich weinen. Der Psychologe telefoniert eine ganze Weile hin und her. Mit zitternden Fingern habe ich ihm die Nummer von zuhause gegeben. Er ruft für mich an. Zuerst bei der Mutter, dann beim Jugendamt, und sonst noch irgendwo. Der Gärtner sitzt in der Zwischenzeit mit mir im Kaffe und trinkt noch etwas mit mir. Dieses mal aber Tee. Und ein Stück Kuchen hat er mir auch spendiert. Ich irgendwo zwischen Tränen der Wut, Trauer und Verzweiflung und den Tränen der Hoffnung und der Erleichterung. Vielleicht würde ja doch noch alles gut werden. Irgendwann später kommt der Psychologe in Begleitung von noch anderen Menschen. Einer jungen Frau, die irgendwie Sonja heisst, und Therapeutin ist, und von einem Pfleger namens Samuel. Etwas viel Rummel um meine Person. Der Gärtner verabschiedet sich, um wieder seine Arbeit aufzunehmen.
7. Beispiel einer guten Mutter
Die nächsten vierundzwanzig Stunden schlafe ich fast durch. Ich fühle mich müde. Nur Müde. Dann geht es mir etwas besser. Meine Ketten durfte ich zwar nicht tragen, aber ich darf sie bei mir haben. Ich habe extra eine Plastikbox bekommen, die ich sogar verschliessen kann. Ich habe alles dort hinein verstaut was mir gehört. Alles was ich bei mir trage gehört mir. Habe ich gekauft, von meinem Geld, Geld das ich sogar noch von Dad habe. Muter hat gemeint, ich dürfe kein Geld haben, weil ich krank sei. Aber Dad hat mir immer Geld gegeben. Immer einmal in der Woche, hat gemeint, ich soll mir etwas Schönes davon kaufen. Er hat auch ein Konto für mich errichtet. Und er hat mir sogar ein Kärtchen dafür gegeben. Jetzt also befindet sich mein gesamtes Hab und gut in dieser Box. Ich trage Kleidung die man mir hier gegeben hat. Die Box habe ich mit in mein Bett genommen und mich darum gekugelt. Damit ja niemand etwas wegnimmt. Ich habe ein Zimmer für mich ganz alleine. Und meine Mutter darf mich nicht besuchen. Das ist gut. Aber ich habe sie schreien gehört, wie sie gesagt hat, ich würde mir das alles nur einbilden und ich sei krank im Kopf und so. Und dann habe ich mich wieder zusammengekugelt mir das Kissen über die Ohren gehalten. Das nächste Mal bin ich aufgewacht, als mir jemand das Kissen weggenommen hat. „Ist deine Mutter da gewesen?“, fragt der Gärtner. Ich nicke. „Glaube ja, ausser ich habe es mir nur eingebildet“, meine ich. Bin mir plötzlich nicht mehr so ganz sicher. Ich stehe auf, tapse Barfuss im Trainer auf den Gang hinaus. Blinzle in das grelle Licht und gehe dann zur Rezeption, wo ich erschrocken frage, ob meine Mutter da gewesen sei. Ist sie. Beruhig tapse ich wieder zurück. Setze mich in meinem Zimmer wieder auf mein Bett. „Ich weiss nicht, ich habe immer Angst, dass ich es mir nur einbilde, das habe ich immer gehabt, aber hier ist es nicht so schlimm, wenn ich frage, oder?“, frage ich. War es schlimm? Der Gärtner schüttelt den Kopf. Hält mir dann eine Tafel Schokolade hin. „Ich hoffe du magst Schokolade“, sagt er. Ich nicke. Bedanke mich. Lege die Schokolade dann auf meinen Nachttisch. „Haben Sie Pause?“, frage ich. Der Gärtner schüttelt den Kopf. „Ich habe heute Morgen noch etwas nachgearbeitet, jetzt habe ich frei“, erklärt er. Das war gut. Na ja, ausser wenn man überlegt, warum er nacharbeiten musste. „Tut mir Leid“, entschuldige ich mich. Er winkt ab. „Ach das braucht es nicht, es ist gut, dass ich dir etwas helfen konnte“, meint er. Ich nicke. Ja, das war gut. Ich ziehe mir Socken an. „Übrigens ich heisse Charlie“, bemerkt der Gärtner dann. „Jessica“, stelle ich mich vor. Wir erkunden etwas das Gebäude. Schön immer auf der geschlossenen Seite. Da bin ich nämlich eingeteilt. Damit Mutter ganz bestimmt nicht einfach so zu mir kann. Entweder ich wurde hier total zum Affen gehalten, oder die Leute hier beurteilten Mutter wirklich als Gefahr. Nach unserem Rundgang setzen wir uns in meinem Zimmer hin. Er sich auf einen Stuhl und ich mache es mir wieder auf meinem Bett bequem. „Jessica, ich möchte dir etwas erzählen, ich hatte ein Kollege, und eigentlich waren wir wirklich gute Kollegen, jedenfalls war er oft bei uns, und ich war ab und zu bei ihm. Ich wunderte mich etwas, weil er es nicht mochte, wenn ich bei ihm zu Besuch war. Denn eigentlich war ich sehr gerne bei ihm, er hatte einen älteren Bruder, den ich total süss fand. Ich hatte irgendwie Angst, dass es wegen dem sein, könnte, dass meiner Mutter mal etwas rausgerutscht wäre in diese Richtung oder so. Meine Mutter wusste von meiner Homosexualität schon seit ich zwölf war, ich habe sie von der Schule aus angerufen, ihr gesagt dass ich Probleme habe, sie hat mich abgeholt und mit nach Hause genommen, sie hat nicht gefragt was los war hat nur gewartet, bis ich es ihr erzählt habe. Dass mich einige aus der Klasse verdroschen hatten. Nicht einmal wegen dem. Das wusste ja keiner. Verdroschen hatten sie mich, weil ich etwas klein und schüchtern war, damals und weil ich es nicht gewagt habe zurück zu schlagen. Ich habe ihr auch erzählt, dass ich Angst habe, weil wenn die herausgefunden hätten, dass ich anders bin, dann hätte das echten Ärger bedeutet. Mutter hat mich noch am selben Tag von der Schule geholt. Jedenfalls, sie hat weder an der alten noch an der neuen Schule noch zu irgendjemandem irgendein Wort darüber verloren“, erzählt Charlie. Ich starre vor mich hin. Konnte man das vergleichen? Irgendwie wohl schon. Wenn seine Mutter damals darauf bestanden hätte, dass Charlie weiter an die Schule gegangen wäre, und wenn sie gar noch der Klasse etwas gesagt hätte, vielleicht noch abschätzig, es wäre bestimmt nicht gut herausgekommen. Charlie zuckt mit den Schultern, vermutlich hat er an ähnliches gedacht. „Jessica, ich wollte dir nur zeigen, dass es auch solche Mütter gibt, solche die ihr Kind schützen, denn das ist eigentlich die Aufgabe einer Mutter“, bemerkt er. Ich nicke. „Glaubst du Mutter war überfordert gewesen?“, frage ich. „Ich weiss nicht, im Moment bin ich nur wütend auf deine Mutter. Wütend, dass sie ihr Kind dermassen kaputt gemacht hat. Schau dich mal an, nicht äusserlich sondern von deinem Verhalten, du traust dir nicht, du traust anderen nicht, du erzählst niemandem etwas, weil du nicht sicher bist, ob es wahr oder nur geträumt ist, es gibt es, es gibt es wirklich diese Krankheit, aber dir ist sie ja regelrecht anerzogen worden“, bemerkt Charlie. Ich sehe zu Boden. „Das ist nicht deine Schuld“, meint Charlie.
8. Neuanfang
Ich komme ein paar Tage später bei einem Ehepaar unter, welches öfters Kinder bei sich aufnimmt. Es fällt mir immer noch schwer, zurechtzukommen, aber wenigstens ist niemand da der mich verwirren will. Angela und Franco unternehmen viel mit mir, gehen auch zusammen mit mir in Therapien. Ich lerne langsam mich abzusichern, Menschen zu fragen, wenn ich unsicher bin. Mit Angela und Franco spiele ich auch mein Spiel wieder. Wenn ich mir nicht sicher bin, ob etwas echt ist, kann ich jetzt fragen. Es ist für beide in Ordnung. Aber auch mit ihnen spreche ich nicht über den Mann der noch immer in der Nähe ist. Warum auch? Er ist nicht böse, er ist ja schon mein halbes Leben lang da. Ich trage auch wider meine Ketten und meine Bändel. Es stört niemanden mehr. Ich gehe in eine spezielle Schule, wo es nicht so viele Kinder hat, und wo es niemanden stört, wenn man etwas eigenwillig ist. Ich lerne für mich, in meinem Tempo, ich muss am Ende der Woche jeweils kurz zeigen was ich wann gemacht habe, und wie weit ich gekommen bin, und am Anfang der Woche plane ich ungefähr was ich machen will. Das ganze Prozedere wird dokumentiert, was wollten wir machen, was haben wir gemacht, sind wir fertig geworden, haben wir etwas anderes gemacht? Was war einfach, was war schwer, was hat uns Spass gemacht, was weniger? Wir haben kleine Aufträge die wir erledigen müssen, also wie: mindestens ein Thema über ein Mathematisches Problem, oder so.
9. "Das Orakel hat entschieden"
Einmal, vier Monate nach meinem 14. Geburtstag als ich gerade in der Schulstunde etwas im Wald herumkraxle um einen Auftrag erfüllen zu können, und mich für eine kurze Pause müde auf den Waldboden gesetzt habe, und ich ganz leicht eingenickt bin, höre ich Stimmen. „Sie ist noch so jung“, sagt jemand. Noch etwas benommen öffne ich meine Augen und bin sofort hellwach. Vor mir steht ein Wesen das ganz aus Wasser zu bestehen scheint. Wie es wohl seine Form behält? Vielleicht durch eine Membran oder so? „Das Orakel hat entschieden“, erklärt ein kleines Männchen welches neben dem Wasserwesen steht. Das Wasserwesen nickt. „Guten Tag, Menschenwesen, ich bin Esimbre, Wächterin der Welt Triambre, und zur Zeit bin ich die Vorsitzende aller Wächter aller Welten die einen Durchgang zu anderen Welten haben. Auf dieser Welt hat es jetzt einige Jahre keinen Wächter mehr gegeben, jetzt hat das Orakel entschieden, dass du diese Arbeit übernehmen sollst“, erklärt das Wasserwesen. Ich habe Angst. Wirklich Angst. Nicht vor den Wesen, sondern vor der Vorstellung, dass es nur Einbildung sein könnte. Dass wäre schlimm. Dann könnten die mir die Todesspritze geben.
Esimbre reicht mir eine Kette. „Diese Kette nennen wir Talisman, er öffnet dir die Türen in andere Welten, und ermöglichte es dir auch wieder nach Hause zu kommen“, erklärt Esimbre. Ich weiss nicht was ich von ihr halten sollte. „Du glaubst, dass du den Verstand verlierst, aber wir sind real, und die Welten sind auch real. Um dir das zu demonstrieren wir Lirim bestimmt bereit sein, zu zeigen, dass wir nicht nur Einbildung sind, und uns auch andere sehen können“, fügt Esimbre zu. Eine kleine weisse Maus krabbelt mein Bein hoch. „Hallo“, sagt die Maus. „Hallo“, grüsse ich verwirrt zurück eine Maus die sprechen kann? „ Ich bin keine richtige Maus, ich bin Lirim, und ich komme auch aus Triambre und ich begleite Esimbre um Wesen zu überzeugen die auf Welten leben auf denen nicht bekannt ist, dass es Wächter gibt. Ich kann auch in Gedanken sprechen, und das ist gut für später“, erklärt Lirim die Maus. Ich nicke versuche die Information zu verarbeiten. Die drei Gestalten lassen mich in Ruhe alles überdenken. Bis ich schliesslich bereit bin für einen Test. Lirim begleitet mich in die Schule zurück. Sagt mir, etwa zehn Minuten nachdem ich mich wieder auf meinen Platz gesetzt habe, in Gedanken, dass sie jetzt die Gardinen hinaufklettern wird. Kurz darauf klettert sie die Gardinen hinauf. „Oh, eine Maus“, ruft eines der Kinder. Ein paar klettern sogar auf die Stühle. Und die Lehrerin will den Besen hohlen. Für mich selber ist das Beweis genug. Nun ja, ich meine, selbst wenn es nur Einbildung wäre, wäre ja nicht so schlimm. War ja keine böse Einbildung. Denke ich mir.
Tag der Veröffentlichung: 24.06.2011
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