Alinas Welt geriet aus den Fugen als sie zehn Jahre alt war. Zwar war sie bereits mit zwei Jahren ein Scheidungskind gewesen, aber das hat sie selten gestört. Lediglich wenn Lehrer oder Mitschüler sie fragten: "warum heißt deine Mama anders mit Nachnamen als du?" Nur dann wurde ihr bewusst, dass sie doch nicht ganz dazugehörte. Ansonsten was alles toll in Alinas Leben. Ihr Stiefvater behandelte Sie wie seine eigene Tochter, sie liebte ihre drei Geschwister, meistens jedenfalls, wenn Zoe sie nicht gerade wieder zu Tode nervte und ihre Mutter war wirklich alles für sie. Alinas Mutter Isabell war liebevoll, warmherzig hatte für vieles Verständnis und lachte sehr viel. Sie war ca. 1.69 groß hatte kurzes blond (gefärbtes) Haar und braun-grüne Augen. ihre Statur war eher etwas kräftig mit ein paar Kilos zu viel. Trotz dessen, dass sie vier Kinder im Alter von zehn, fünf, drei und zwei Jahren waren und ihr Stiefvater selbständig war und viel arbeitete, hatte Isabell immer ein Ohr für ihre Kinder und ihr liebevolles Lächeln und ihr sanfter Blick gaben jedem das Gefühl, bei ihr ein Stück zu Hause zu finden. Alina war ein sehr glückliches und zufriedenes Kind. Solange sie zu Hause war. Sie musste auch nicht mehr zu ihrem Vater, wenn sie nicht wollte. Zum Glück, denn ihre Stiefmutter hasste sie und ihre sechs Jahre jüngere Halbschwester war ein verwöhntes, fieses und gemeines Einzelkind. Immer wenn ihr Vater nicht in der Nähe war piesackte ihre Stiefmutter Alina. Als sie eines Tages mal allen Mut zusammengenommen und ihrem Vater davon erzählt hat. Sagte er zu ihr: "Alina, ich will nicht dass du solche Lügen erzählst. Ich sehe doch wie Ira mit dir umgeht. Hör auf sie schlecht zu machen und dir solche Geschichten auszudenken." Seit dem sieht sie ihren Vater nur noch zu Ostern, ihrem Geburtstag und Weihnachten und das ist auch gut so, denkt sich Alina, denn eigentlich fühlt es sich sowieso so an, als wäre Robert, ihr Stiefvater, ihr richtiger Papa.
Eines Nachts, Alina wurde wach und wollte zu ihrer Mutter zum kuscheln gehen, da hörte sie ihre Mutter weinen. sie saß im Wohnzimmer, allein, mit einer Flasche Weinbrand und ab dem Tag war es vorbei. Alina musste erwachsen und stark werden.
Ihr Stiefvater war verschwunden, durchgebrannt mit seiner Sekretärin. Isabell fiel immer mehr dem Alkohol zum Opfer, lachte weniger, war oft teilnahmslos und flüchtete sich in Liebesromane. Alina war Isabells einzige Hilfe und Unterstützung. Alina teilte die Sorgen mit ihrer Mutter ging ihr bei der Hausarbeit so gut sie konnte zur Hand und kümmerte sich um ihre Geschwister. Alles in allem war es zwar schwerer für Alina geworden aber noch immer war sie zufrieden. Als jedoch knapp zwei Jahre später ihr Stiefvater keinen Unterhalt mehr zahlte, weil er der Steuerhinterziehung und des Betruges beschuldigt wurde, wurde alles noch schlimmer. Sie mussten das Haus verlassen und in eine Wohnung ziehen, das Auto mussten sie ebenfalls verkaufen und nach kurzer Zeit gab es für die Familie nur noch Sozialhilfe. Alina hatte in der Schule Angst, wenn sie nach zu Hause gefragt wurde, denn sie wollte keinem von den Problemen erzählen. Ihre Mutter war nur noch gereizt, trank schon morgens um sechs ihren ersten Schnaps und kümmerte sich um nichts mehr so richtig. Es war soweit, dass auch Alina nicht mehr bzw. nur noch sporadisch zur Schule ging um ihre Mutter so gut es ging zu unterstützen. Auch ging Alina als sie dreizehn war vier Tage die Woche im Eiscafé arbeiten, damit sie etwas Geld verdiente um etwas zu essen zu kaufen. Aber es brachte nichts. Isabell gab das ganze Geld nur noch für Schnaps und Zigaretten aus. War das Geld alle, mussten Alina und später auch Zoe Alkohol, Lebensmittel und Klamotten stehlen. Der Strom wurde abgestellt, das Telefon wurde abgeklemmt und die Heizung wurde ebenfalls stillgelegt. der Gerichtsvollzieher kam bereits zweimal im Monat wegen neuer Forderungen und es war kein Ende in Sicht. Auch Alinas Vater gab immer nur gute Ratschläge oder sagte zu Alina, dass es bei ihnen zu Hause nicht sauber genug war, aber geholfen hat auch er nicht. Alinas Großeltern wollten nicht sehen, dass Isabell krank war und verschlossen die Augen. Freunde hatte Isabell nun auch keine mehr. Die einzige, die Versuchte zu helfen, war Alinas Tante Joana. Joana hatte sie immer oft und viel besucht. Hatte viel mit Alina unternommen (Kino, schwimmen, Geburtstage organisiert) somit war Joana immer wie eine große Schwester für Alina gewesen, gerade auch weil Joana auch nur 10 Jahre älter als Alina war. Als es mit Isabell zusehends bergab ging, versuchte Joana in so vielen Gesprächen Isabell zu Vernunft zu bringen, aber alles vergeblich. Leider wurde die Situation so schlimm, dass Isabell und Joana sich derart zerstritten, das Joana kaum noch kam. Es war Anfang der Sommerferien, als Alina nach Hause kam und die Familie keinen Strom mehr hatte. Dies war der Beginn für Zoe und Alina noch enger zusammenzustehen. Sie gingen abends gemeinsam in den nahe gelegenen Wald und sammelten Holz, denn zum Glück gab es in der Erdgeschoss Wohnung einen Ofen, so dass sie zumindest zum „duschen" heißes Wasser aufsetzen konnten. Alina und Zoe haben bei der Gelegenheit auch herausgefunden, warum Nudel-Wasser aufkochen lassen sollte, bevor man die Nudeln ins Wasser tat – Wenn man glaubt, dass Nudeln aus der Dose eine etwas schleimige Konsistenz haben… - Die Nudeln quellen auf, bekommen eine gummiartige Konsistenz, werden aber gleichzeitig sehr mehlig auf der Zunge, kurzum ungenießbar. Dies waren Situationen in denen Zoe und Alina viel lachten, auch wenn es oft gar nicht zum Lachen war. Sie haben aber somit auch festgestellt, dass Dosensuppen und ähnliches, auf den Ofen einigermaßen gut warm zu machen waren. Auch wenn Alina versuchte alles von ihren Geschwistern fernzuhalten, so bekam gerade Zoe wirklich viel mit und sie redeten manchmal bis in den späten Abend rein oder hörten einfach nur Musik in Alinas Zimmer.
In all dem Chaos lernte Alina mit fünfzehn Chris kennen, er war der Erste dem sie ihr verworrenes und kompliziertes Leben offenbarte und der nicht sofort weglief, im Gegenteil er unterstützte sie wo er es nur konnte. Auch als Alina drohte auf Grund ihrer vielen Fehltage in der Schule keinen Schulabschluss zu bekommen half er ihr. Ihre Großeltern wohnten in einer Großstadt, 30 Kilometer von Alinas Wohnort entfernt. Dort ging sie dann zur Schule. Zwar dauerte die Fahrt eineinhalb Stunden, aber Alina nutzte die Zeit zum lernen und Hausaufgaben machen. Die Situation zu Hause wurde zwar nicht besser aber sie verschlimmerte sich auch nicht und Alina dachte es geht Bergauf. Sie hat einen tollen Freund, Chris war 19 und machte eine Lehre als Elektriker. Er war verständnisvoll, lieb, witzig, er tanzte wie auch Alina für sein Leben gern und dazu sah er auch noch verdammt gut aus; 195 cm groß, dunkelbraunes Haar, schlank-sportliche Figur, große braune Augen und wenn er lächelte hatte er kleine Grübchen. Er war genau der Mann, den Alina beschrieben hätte, wenn man sie nach ihrem "Traummann" gefragt hatte. Alina hatte allerdings von Anfang an ein Problem, sie glaubte, er sei zu gut für sie. Alina sah besser aus, als sie sich sah. Sie war 1,73 m groß, normal bis schlank, hatte hellgrüne Augen und etwas über schulterlanges braunes Haar. Eigentlich hatte Alina ein sehr schönes Lächeln, aber die letzten fünf Jahre hatten Alinas Augen wachsam und misstrauisch aussehen lassen und viel Anlass zum Lachen gab es für sie nicht, es sei denn sie war bei Chris.
Alina war noch nie so verliebt gewesen und noch nie hatte sie jemandem ihre gesamte Geschichte erzählt und trotzdem war er bei ihr. Sie konnte die Schule fertig machen und alle Zeichen standen auf "Glück". Bis zu dem Tag an dem Alina nach Hause kam und fremde Männer ihre Sachen in blaue Müllsäcke stopften, Alina war außer sich. Wie kamen diese Männer hier rein und warum räumten sie ihre Sachen ein? Sie lief durch die Wohnung und suchte ihre Mutter. Isabell saß mit Alina's weinenden Geschwistern im Wohnzimmer. Alina, wütend über die Untätigkeit ihrer Mutter und fassungslos bis verwirrt über die ganze Situation, schrie unter Tränen ihre Mutter an. Sie hatte so eine Ahnung wohin das führen würde. „Mum, was ist hier los, warum packen fremde Männer in meinem Zimmer alles in blaue Mülltüten?" Alinas Mutter schaute sie aus rot-verquollenen Augen an und sagte leise: "Es tut mir leid, aber wir müssen ins Obdachlosenasyl ziehen." Alina traf der Schlag, das konnte nicht sein. Sie sank auf den Boden, unfähig zu denken. Steckte sich eine Zigarette an, ohne sie wirklich zu rauchen. Sie starrte ca. zwei Minuten vor sich hin. Dann überschlugen sich Ihre Gedanken. Nein, nein, nein, dass kann nicht sein, das ist ein böser Traum, aber warum wachte sie nicht auf? Sie stand auf, drehte sich zu ihrer Mutter um und brüllte „ NEIN, da gehe ich nicht hin. Um nichts in der Welt werde ich da hin gehen! Und du Mum musst dich entscheiden, der Alkohol oder ich" Alina wusste nicht mehr weiter, sie hoffte durch dieses Druckmittel ihre Mutter aufwecken zu können, aber Isabell starrte sie nur an. Alina verließ den Raum, ging in ihr Zimmer und bat den Mann, der sich gerade an ihrem Kleiderschrank zu schaffen machen wollte um 5 Minuten allein in ihrem Zimmer. Grimmig stimmte er zu und ging. Zoe kam in Alina's Zimmer: „Wo gehst du hin? Wann kommst du wieder? Bitte nimm mich mit" Alina weinte, sie wusste nicht was sie tun sollte, Sie wusste sie kann nicht bleiben, die Schule auf die sie jetzt ging war ihre einzige Chance etwas aus ihrem Leben zu machen. Sie wusste, würde sie bleiben würde sie so enden wie ihre Mutter, und eher würde sie sich umbringen. - Bevor sie Chris kennenlernte war es schon einmal fast soweit. Der einzige Grund warum sie nicht von der Autobahnbrücke gesprungen ist, dass sie nicht wollte, dass andere Menschen wegen ihres beschissenen Lebens ebenfalls sterben mussten. Sie dachte an den Vater, der vielleicht gerade auf dem Weg zu seiner Familie war, nein sie konnte dem armen Mann nicht auf oder vor das Auto springen. – Alina wusste nicht weiter, sie konnte Zoe nicht mitnehmen, sie war gerade mal 10 Jahre alt. Es würde schon für Chris eine Überraschung werden, wenn sie mit einer großen Reisetasche vor seiner Tür stand, aber mit ihrer kleinen Schwester im Schlepptau? Alina brauchte Zeit zum Nachdenken. Sie packte ihre große dunkelblaue East-Pack-Reisetasche, nahm Zoe fest in den Arm und sagte zu ihr. "Es tut mir leid meine kleine Maus, ich kann dich nicht mitnehmen, du bist noch zu klein, aber ich habe dich ganz doll lieb, bitte vergiss das niemals. Sie küsste Zoe und ging. Zoe stand an der Tür, weinte, flehte und rief Alinas Namen, bis sie sie am Ende der Straße nicht mehr sehen konnte.....
Nicht schon wieder.... Alina wacht auf und hat Angst, sie ist schweißgebadet. Wieder verfolgen sie die Schatten ihrer Vergangenheit, dabei waren die letzten Monate doch so entspannt und ruhig gewesen. Sie beruhigt sich wieder und schaut nach links. Da liegt er, ihre erste große Liebe, Chris, vor knapp drei Monaten sind sie in die gemeinsame Wohnung gezogen und alles ist jetzt gut. Sie haben einen neuen Versuch gestartet. Denn Alinas Leben war nicht immer so vollkommen und einfach wie heute und Chris war immer der einzige mit dem sie offen reden konnte und der sie verstand. Vor fünf Jahren hatten Sie sich getrennt. Sie waren noch zu jung, Chris hat sich von Freunden beeinflussen lassen und Alina wusste nicht wo sie hingehört und hat Chris ziemlich vor den Kopf gestoßen.
Ihr Wiedersehen vor etwa drei Jahren war dann im Nachhinein alles andere als leicht für Alina, sie hatten sich zufällig getroffen, auf einer Zeltfete, sofort schlug wieder der Blitz ein, noch am selben Abend hatten sie sich geküsst, danach waren sie ein paar Mal aus, einmal auch mit Chris's Freunden, sie waren am Strand und haben am Lagerfeuer zusammengesessen. Plötzlich meldete Chris sich nicht mehr. Alina wusste nicht was los war, fuhr zu seiner Wohnung, er war nicht zu Hause, schrieb ihm Nachrichten und versuchte ihn anzurufen.... nichts... zwei Wochen später erhielt Alina einen Anruf von einer Frau, Anna, sie sagte, sie sei Chris's Freundin und sie kommen gerade aus ihrem gemeinsamen Italienurlaub und sie hätte Alinas SMS gelesen und würde sie gern treffen.... Alina war geschockt.... Wie, Chris hatte eine Freundin? Aber sie waren doch seit 6 Wochen wieder zusammen, naja, bis auf die letzten beiden. Alina verstand die Welt nicht mehr, sie wusste nicht was überwiegt, Enttäuschung, Wut oder Trauer. Das Ende vom Lied war, dass Alina und Anna sich getroffen und geredet haben. Im Anschluss sind sie gemeinsam zu Chris gefahren und haben ihn zur Rede gestellt. Chris hat Alina damals beschuldigt, sich das alles nur ausgedacht zu haben um seine ja nun mehr zweijährige Beziehung zu Anna zerstören zu wollen. Alina war fassungslos, hatte ihr geliebter Chris das gerade wirklich gesagt? Warum? Er hatte Sie doch wieder angesprochen und um eine Verabredung gebeten. Alina sah ihm in die Augen. Sein Blick war voller Wut und eiskalt. Sie ertrug weder seine Anwesenheit noch seinen wütenden oder Anna's mitleidigen Blick, Alina fing an zu weinen und ging.
Vor ca. einem Jahr haben sie sich dann in einer Disco wiedergetroffen, sie haben sich gesehen und es wieder wie beim letzten Mal - manche Gefühle kann man halt nicht erklären und zwischen den beiden bestand von Anfang an eine Verbindung die unbeschreiblich und unerklärlich war. Aber Alina war vorsichtig, sie hatte Angst, dass er wieder nur mit ihr spielte. Sie unterhielt sich mit ihm, hielt aber ansonsten Abstand. Eine Woche nach ihrem Wiedersehen fand Alina Ihr Poesiealbum, welches sie vor fünf Jahren anscheinend bei Chris bzw. in ihrer damaligen gemeinsamen Wohnung zurückgelassen hatte, in ihrem Briefkasten. Hinten, auf der letzten Seite war ein Brief eingeklebt. Er war von Chris.....
Wie kannst du mir jemals verzeihen?
Ich war so mies zu dir. Habe nur an mich gedacht, meine Sorgen, meine Gefühle. Ich habe es eingesehen so kann es wirklich nicht mehr weitergehen. Ich fühle mich so schlecht. Ich habe dir so unendlich doll wehgetan, ich kann's kaum glauben, ich war so gemein. Man sagt, "Zeit heilt alle Wunden" Oder sind diese zu tief? Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen oder wütend machen. Ich war ein solcher Idiot. Meine Gefühle für dich wurden wieder Intensiver. Vielleicht war es das was mich erschreckte. Aber das muss dir nichts ausmachen. Ich habe es damals nicht gemerkt und es tut mir so leid. So gern würde ich das alles Rückgängig machen. Ich kann es nicht, aber ich werde alles versuchen, dass du mir irgendwann verzeihst. Glaub mir, du warst der teuerste Mensch in meinem Leben, aber ich konnte es dir nicht erzählen. Ich hoffe du kannst mir jemals verzeihen. Ich bin der größte Trottel den es gibt. Es tut mir so unendlich leid.
Und noch nie kam es so von Herzen
Chris
Sie weinte, sie vermisste ihn, sie fühlte sich so leer, hatte doch niemanden den sie bisher getroffen hatte ihre Leere ausfüllen können, nur Chris, er konnte es irgendwie, aber könnte sie die Vergangenheit hinter sich lassen und ihm die Geschichte mit Anna je verzeihen? Er hatte Sie angelogen, verletzt, als Lügnerin beschimpft. Sie hatte keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn plötzlich klingelte ihr Telefon. Es war ihre Schwester, komisch, denn vor mehr als zwei Jahren hatten Sie den Kontakt zu ihrer ganzen Familie abgebrochen, wieder einmal. Alina zögerte, sollte sie rangehen? Sie hatte Angst, so viel Leid lag hinter ihr, so viel Schmerz und jetzt?!?! Sie nahm allen Mut zusammen und ging an ihr Handy: " Hey Zoe " - Stille, ein Schluchzen.... Übelkeit breitete sich in Alinas Magen aus und die Tränen schossen ihr in die Augen. Sie bemühte sich um Fassung, atmete tief ein und fragte: "Zoe Süße, ist alles ok?" Wieder Stille, es war unerträglich, nicht nur das Zoe ihr ein und alles in dieser kaputten Familie geworden war und sie sie vor mehr als zwei Jahren wieder einfach im Stich gelassen hatte, Sie weinen zu hören brach ihr schier noch einmal das Herz. Endlich hörte Alina ihre jüngere Schwester: "Lina, ich brauche deine Hilfe es geht um Mama, kannst du bitte kommen? Ich habe Angst!" Alina stand da wie vom Blitz getroffen, tausend Gedanken und Gefühle übermannten sie. Erst Tage später erinnerte sie sich, dass sie sagte: "Ja klar Zoe, ich komme so schnell ich kann, bleib wo du bist ich bin gleich da."
Alina fuhr so schnell sie konnte zu Ihrer Familie, Ihr Herz hämmerte wie verrückt, Sie rauchte mindestens 5 Zigaretten auf der zwanzigminütigen Fahrt. Sie versuchte sich an das kurze Telefonat zu erinnern, ob Zoe noch mehr sagte als ihr gerade im Gedächtnis geblieben war. Hatte Ihre Mutter einen Unfall, war sie verletzt? Alina fuhr mit 150 km/h über die Landstraße wenn man sie geblitzt hätte, wäre sie ihren Führerschein mehr als nur vier Wochen losgewesen, aber das war ihr egal. Es zählte nur eines, Zoe hatte Sie angerufen und brauchte Hilfe. Als sie in ihrem Heimatort ankam, wurde ihr mulmig. Sie wusste von alten Bekannten, dass ihre Familie wieder einmal in einem Obdachlosenasyl wohnte, war jedoch noch nicht dort gewesen, um sie zu besuchen. Als sie mit ihrem Auto auf den Hof fuhr wurden ihre schlimmsten Befürchtungen wahr. Sie sah sich um. Eine lange Reihe Backsteinbau, mind. 50 Meter, immer ein Fenster, ein Eingang und wieder ein Fenster, dann von vorn. Vor einem dieser Eingänge stand ein vollkommen verrosteter alter blauer Bus. Alina sah, dass er weder eine TÜV- noch AU-Plakette hatte. Sie sah zwei Männer an dem Backsteinbau vorbeigehen. Einer war groß, fast abgemagert, trug eine zerrissene Hose mit Nietengürtel. Dazu Springerstiefel, ein rotes T-Shirt und eine Jeansweste darüber. Er hatte einen sehr langen Iro in Regenbogenfarben. Er rauchte gerade und unterhielt sich mit dem andere Mann, dieser war fast einen Kopf kleiner als der Punk, schwarze Hose, schwarze Turnschuhe, schwarzes T-Shirt, rote lange Haare und einen langen roten Bart. Beide Männer drehten sich um, Alina wusste nicht ob es Freundlichkeit war oder ob man sie auslachte, denn da sie direkt von der Arbeit kam, trug Alina eine weiße Bluse und eine schwarze Stoffhose mit Pumps. Als der Rothaarige lächelte, sah Alina, dass er fast keine Zähne mehr hatte und alles was noch an Zähnen da war, war schwarz und gammelig. Alina parkte ihren silbernen Honda Civic vor so einer Art „Doppelhaus". Es wirkte von außen wie aus Pappe. Die Fenster waren einfach verglast und sofern die Fassade einmal weiß gewesen sein sollte, so ist das schon ewig her. Dieser Farbton hatte eher etwas von grau bis braun. Der gesamte Hof bestand nur aus Schotter und alles was man sich an Müll vorstellen konnte lag dort herum. Es gab zwei Eingänge. Sie war gerade auf dem Weg zum Eingang auf der anderen Seite als Zoe schon aus dem „Papphaus" gelaufen kam. Sie begrüßte Alina weinend mit einer Umarmung und den Worten: "Ich habe dich so vermisst, warum hast du mich schon wieder im Stich gelassen?" Alina hatte einen Kloß im Hals und konnte minutenlang nichts anderes tun als ihre Schwester an sich zu drücken, zu weinen und sich zu entschuldigen. Alina war froh Zoe zu sehen, aber am liebsten hätte sie ihre kleine Schwester gepackt und wäre mit ihr davon gelaufen. Denn sie wusste, alles was jetzt kam würde ihre schlimmsten Erwartungen übertreffen.
Zoe führte sie hinein. Es war noch schlimmer, als Alina es sich vorgestellt hatte. Die Außenwände waren keine zehn Zentimeter dick und waren lediglich aus verputztem Gipskarton und in einem furchtbaren Zustand. Es sah aus, als wäre hier seit der Errichtung, schätzungsweise vor 25 Jahren, nichts passiert. Alina war sich nicht sicher, ob sie nicht beim vorbeigehen sogar eine Ratte hat durch ein Loch in der Außenwand schlüpfen sehen. Alina bekam eine Gänsehaut und ein mittelschweres Ekelgefühl breitete sich aus. Als sie das „Papphaus" betrat, sah sie, dass sich die Tapete im Flur von den Wänden löste, so feucht war es darin. Bereits im Flur roch es nach einer Mischung als altem Keller und Kneipe. Im Inneren des „Papphauses" war es fast nebelig so viel Zigarettenqualm hing in der Luft. Alina rauchte selbst auch seit bereits 8 Jahren aber das war selbst ihr zu viel. Ein kurzer Blick ins "Badezimmer" verriet neben Schimmel und etlicher fehlender Fliesen den mehr als miserablen Zustand und das nicht nur im materiellen Sinne. Alina hätte nicht sagen können, wann hier das letzte Mal geputzt worden war. Übelkeit übermannte Sie, sie musste tief durchatmen und schlucken um nicht würgen zu müssen. Dies war einer der Momente, warum sie wieder wusste, warum sie jeder wegen ihres „Putzfimmels" auslachte, es aber nichts ausmachte. Sie selbst musste Jahrelang in dieser Art von „Ordnung" und „Sauberkeit" leben. Zu dem mehr als baufälligen Zustand des Badezimmers gab es dort auch nur eine kleine elektrische Oberheizung, wie sie zum Wickeln bei Säuglingen verwendet werden in den ersten Wochen nach der Geburt, damit die Kleinen nicht frieren. Neben dem Badezimmer war direkt eine Toilette, diese Unterkunft musste somit für mehrere Menschen ausgelegt sein. Die Tür der Toilette stand einen Spalt auf aber das einzige was Alina sehen konnte, waren mindestens zwei Meter hoch gestapelte blaue Müllsäcke. Die "Küche" wenn man es so nennen will, bestand aus einem Herd, einem Spülstein, einem Kühlschrank und einem klapprigen altem Holz-Regal. Überall stand sauberes, aber auch schmutziges Geschirr. Der Fußboden war aus Linoleum, der an mindestens fünf Stellen aufgerissen oder eingeschnitten war, er war grau braun meliert, sofern man das beurteilen konnte war er vielleicht vor einem Jahrzehnt mal hell beige gewesen. Alina konnte nicht sagen ob der Fußboden unsagbar schmutzig war oder ob es Flecken und Brandlöcher waren, die man nicht wegputzen konnte. die Wand in dem Raum der eine Küche sein sollte war im oberen Bereich tapeziert, zumindest dort, wo die Tapete noch haftete der Rest war mit Holz vertäfelt. Dieses sah allerdings aus als hätte jemand intensivst Messerwurf daran geübt. Alina entdeckte, dass eine Kabeltrommel mitten im Raum auf dem Fußboden stand, dessen Kabel durchs Fenster herein geführt wurde. Sie wusste sofort, was das bedeutete, ihre Mutter hatte mal wieder die Stromrechnung nicht bezahlt.
Sie ging in das Zimmer gegenüber der Küche. Ihre Mutter saß vor dem Fernseher, eine Zigarette in der Hand. Der Aschenbecher quoll über, der gesamte Wohnzimmertisch war ein einziger Müllhaufen und außer dem Wohnzimmerschrank, den Alina noch aus ihrer Kindheit kannte, einem braunen Stoffsofa, das übersät mit Brandlöchern und Flecken war, einem alten kleinen Wohnzimmertisch und einem Hi-Fi-Regal mit dem Fernseher drauf fand nichts mehr in diesem kleinen Raum Platz. dazu kam, dass auch dieser Raum in dem gleichen verwahrlosten Zustand war wie der Rest, den Alina bisher gesehen hatte. Alina weinte als sie ihre Mutter dort sitzen sah. Was war passiert? Sie hatte sie lediglich zwei Jahre nicht gesehen, aber Isabells Aussehen nach zu urteilen hätten es auch zehn sein können. Trotz allem, was passiert und ihre Mutter getan hatte, liebte sie sie, denn Alina erinnerte sich noch sehr gut an die Zeit, wie ihre Mutter war, bevor sie anfing zu trinken und Alina hatte ihre Mutter in der ganzen Zeit schrecklich vermisst. Ihre Mutter sah sie an, schien sie aber überhaupt nicht wahrzunehmen. Plötzlich stand sie auf ging aus dem Raum, kam mit einer Rolle Malerkrepp zurück, schnappte sich einen Hocker, stellte sich darauf und klebte die Ecken vollständig ab. Alina sah Zoe verständnislos an, diese schüttelte mit dem Kopf und zuckte nur mit den Schultern. "So benimmt sie sich schon den ganzen Tag. Dr. Albrecht hat gestern gesagt, wenn sie sich komisch benimmt, sollen wir einen Krankenwagen rufen und sie einweisen lassen, aber ich hatte Angst, deswegen habe ich dich angerufen. Du musst uns helfen Lina." Alina war wie erstarrt. Ihre Mutter machte gerade einen kalten Entzug. Alina überlegte, ihre Mutter einweisen? Das würde bedeuten, dass die Kinder ins Heim kommen würden. Alina selbst war erst 22. Ihre Geschwister waren 5,7 und 8 Jahre jünger, das bedeutete sie konnten nicht allein bleiben und Alina würde sie nicht alle in Ihrer Eineinhalbzimmer, 40 Quadratmeter, Wohnung aufnehmen können, zumal sie ja auch arbeiten musste und 25 km entfernt wohnte. Ihre Großeltern wollten Alina schon vor 8 Jahren nicht helfen weil sie nicht sehen wollten, dass Alinas Mutter alkoholkrank war. Alinas Tante befand sich gerade auf reisen und andere Personen kamen nicht in Frage, denn eher würde die Hölle zufrieren, bevor Alina ihren Vater um Hilfe bitten würde und ihr Stiefvater, nach seinem Schlaganfall vor vier Jahren war nicht viel weiterentwickelt als ein fünf-jähriges Kleinkind. Zum Glück waren die beiden jüngsten Geschwister, Patrick und Celine, bei Freunden, so dass Alina ihnen weder den "Zustand" ihrer Mutter noch ihr plötzliches wieder auftauchen erklären musste, auch musste sie, zumindest im Moment, keine Fragen zu ihrem zweieinhalbjährigen Verschwinden erklären. Alina ging zu ihrer Mutter und versuchte sie zu beruhigen. es gelang ihr nach und nach ganz gut, denn drei Stunden später, nachdem Alina und Zoe zusammen Abendessen gemacht hatten, schlief ihre Mutter. Die beiden jüngsten Geschwister hatten in der Zwischenzeit angerufen und gefragt ob sie bei Freunden übernachten können. Da Ferien waren, waren Alina uns Zoe erleichtert, dass ihnen zumindest heute diese Konfrontation erspart blieb. Das entspannte die Gesamtsituation zumindest für den Moment ein wenig.
Die beiden Schwestern saßen zusammen und hielten "Kriegsrat" über das weitere Vorgehen. " Zoe-Maus, es tut mir leid, aber ich weiß nicht was wir machen sollen. Eigentlich muss Mum ins Krankenhaus, ich habe aber Angst, dass ihr dann ins Heim müsst und ich weiß auch nicht, wie lange sie Mum dabehalten würden" Zoe weinte und flehte Alina an noch zwei Tage zu warten und zu schauen ob sich der Zustand ihrer Mutter besserte. Da Alina sowieso das Gefühl hatte ihre Familie im Stich gelassen zu haben als sie mit 15 von zu Hause weggelaufen ist, weil sie es zu Hause nicht mehr ausgehalten hat und dann vor zwei Jahre wieder den Kontakt gänzlich abgebrochen hatte, weil sie Gefahr lief, ihre Abschlussprüfung ihrer Lehre nicht zu bestehen, wollte sie nicht noch mehr Schaden anrichten und willigte ein.
Gegen 21:30 Uhr machte Alina sich auf den Heimweg, versprach Zoe aber am nächsten Tag wieder zukommen. Sie hatte am frühen Abend bereits Thomas, ihren Chef, privat angerufen und sagte ihm, dass sie einen Notfall in der Familie hatte und den Rest der Woche frei bräuchte. Da Thomas viel für Familie übrig hatte und wusste, dass Alina ihn nie darum bitten würde wenn es nicht wirklich ernst war, willigte er ein. Auf dem Weg nach Hause war Alina vollkommen ruhig und leer, die Ereignisse des Tages haben sie ausgelaugt, sie war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Sie wusste, dass das alles andere als gut war. An einer roten Ampel holte sie ihr Handy raus und schrieb: "SOS, meine Mum, ich brauche dich!" Es gab auf der ganzen Welt nur eine Person der sie genug vertraute und der ihre ganze Familiengeschichte kannte, den sie kontaktieren konnte. Als sie zuhause ankam, schloss sie die Tür zu ihrer kleinen Wohnung auf. In dem Moment, als die Tür zurück ins Schloss fiel, brach Alina mitten im Flur zusammen und weinte bitterlich. Was war nur wieder geschehen, warum konnte sie nicht endlich Frieden finden, Warum erschütterte sie das nach all den Jahren noch immer so sehr? Fünf Minuten später klingelte es an der Wohnungstür. Noch immer weinend auf dem Boden sitzend öffnete sie die Tür. Als er sie sah fiel er auf die Knie, nahm sie in den Arm und sagte zu Ihr: "Alles wird gut, ich bin da!" Alina schluchzte: "Danke das du da bist, ich wusste nicht, wen ich sonst anrufen sollte."
Alina stand auf, an Schlaf war jetzt sowie so nicht mehr zu denken, nachdem sie wieder Alpträume hatte. Sie ging in die Küche und kochte Kaffee. 7:15 Uhr am Samstagmorgen, großartig. Chris würde noch mindestens drei Stunden schlafen. Nach dem ersten Kaffee entschied sie sich Mia, ihre beste Freundin anzurufen. Zwar kannten sich die beiden erst seit vier Jahren, hatten aber durch ihr beider nicht ganz so einfaches bisheriges Leben sofort einen guten Draht zueinander, so dass beide immer Verständnis für den jeweils anderen hatten, auch wenn ihre erste Begegnung etwas seltsam war....
...."Happy Birthday Alina" sagte sie zu sich selbst. Achtzehn und allein. Na, wenn das kein Grund zum Feiern ist. Endlich volljährig, jetzt würde sich alles ändern. Aber was nützte das, wenn man allein war. Alina fühlte sich einsam und nachdem Sie an diesem unspektakulären Mittwoch aufgestanden war und sich einen Kaffee gemacht hatte ging sie zur Bahn und fuhr zur Berufsschule. Während sie in der Bahn saß dachte sie daran, dass sie in zwei Tagen Führerscheinprüfung hatte. In der Berufsschule angekommen versuchte sie eine fröhliche Miene aufzusetzen, als ihr einige Mitauszubildende zum Geburtstag gratulierten. Sie war froh, als sie wieder zu Hause war, sie öffnete den Briefkasten und fand eine "Geburtstagskarte" naja, eigentlich war es eher eine Beerdigungskarte, schwarz mit weißem Rand. Alina schlug die Karte auf:
Schnee ist Weiß, Rosen sind Rot und du bist schwarz....
Unterschrieben hatten Ihre Mutter und ihre drei Geschwister. Alina ging in Ihre Wohnung und weinte. Konnte dieser Tag denn noch schlimmer werden? Nicht einmal an ihrem Geburtstag wurde sie verschont. Zu ihrer großen Überraschung kam ihre gute Freundin Adriana zusammen mit ihrer Mutter Franziska vorbei. Allerdings brachten die beiden jemanden mit, den Alina nicht kannte, sie stellten sie als Arbeitskollegin von Franziska vor. sie alle wollten Alina aufmuntern. Sie wussten nicht annähernd alles von Alina und ihrer Familie aber immerhin genügend um zu wissen, dass es momentan alles andere als einfach war. Ständig fehlte Alina Geld auf ihrem Konto. zwar hatte Sie ihre eigene Wohnung, verdiente im ersten Lehrjahr auch absolut nicht schlecht und arbeitete nebenbei noch immer im Eiscafé, aber leider war sie bis heute noch nicht 18 und somit konnte ihre Mutter jederzeit an ihr Konto und über Alinas Geld verfügen. So saßen Franziska, Adriana und Mia zusammen und unterhielten sich. Sie hatten viel Spaß und konnten Alina sogar einige Zeit von Ihren Sorgen ablenken. Bis das Telefon klingelte: "Hallo Mum, schön dass du noch anrufst" meldete sich Alina. Sofort entgleisten ihre Gesichtszüge, Alina wurde knallrot im Gesicht, weil sie wusste, dass sie Zuhörer hatte aber Alina konnte nicht anders und sie fing an zu weinen. Nein, ihre Mutter rief nicht an um ihr persönlich zum Geburtstag zu gratulieren." Was fällt dir eigentlich ein mich so zu blamieren? Ich war heute bei der Bank um Geld abzuholen und man hat mir gesagt du hast mir die Einzugsermächtigung von deinem Konto entzogen. Weißt du, dass ich wie der allerletzte Depp dagestanden habe? Was sollen denn die Leute von mir denken? Weißt du eigentlich, was du schon wieder angerichtet hast? Wie glaubst du soll ich jetzt Essen für deine Geschwister bezahlen? War ja klar dass du wieder nur an dich denkst." Danach war die Leitung tot. Alina konnte nicht mehr. Genau aus diesem Grund ist sie vor zweieinhalb Jahren zu Hause weg. Immer war alles ihre Schuld. Keinen interessierte es, dass Alina alles Geld was Sie verdient hatte, und das war nicht wenig, oder Geburtstags- und Weihnachtsgeld, was ihr Vater, Großeltern etc. ihr schenkten immer zu Hause abgegeben hatte, dass sie sich um ihre Geschwister gekümmert und versucht hat die Wohnung sauber zu halten. Immer wurde sie für alles verantwortlich gemacht. Ob sie ihre Schulsachen oder Miete bezahlen konnte interessierte niemanden. Sie fühlte sich so unendlich allein und ungeliebt obwohl ja noch drei weitere Personen mit im Raum saßen, die Alina während der Schreiattacke ihrer Mutter völlig vergessen hatte. Alle drei schauten betreten auf den Boden, keiner wusste was er sagen sollte, alle drei hatten jedes Wort von Alinas Mutter gehört....
Sie hatte Mia wirklich sehr lieb gewonnen, auch wenn ihr der Umstand Ihrer Begegnung noch immer sehr wehtat, wenn sie daran dachte. Auch Mia war schon wach und freute sich über den Anruf. Mia war trotz ihrer Figur, klein und rund, eine sehr schöne Frau. Lange schwarze Haare, dunkelbraune Augen, dunkler Teint, ein extrem mitreißendes Lachen und eine fantastische Ausstrahlung. Mia wurde sexuell missbraucht und von Ihren Eltern zur Adoption freigegeben und nach dem sie auch als Teenager sexuell belästigt wurde, hatte sie sich eine etwas dickere Schicht Schutzspeck angefuttert, die Ihrer Attraktivität allerdings nichts abtat. Mia wohnte mit 32 Jahren wieder bei Ihren Adoptiveltern. Nicht dass es dort angenehm für sie war, aber es war noch immer besser als zu Ihrem Ex-Freund zurück zu gehen der Sie geschlagen hat. Nun hatte Mia jemanden kennengelernt, ein irgendwie gruseliger Typ, er hieß Felix, Felix gehörte zu einer sehr wohlhabenden Familie, was diese beruflich macht oder wie sie zu ihrem Vermögen kamen oder auch als was Felix arbeitet weiß keiner so genau, was ihn eigentlich nur noch gruseliger machte. Zudem beschäftigt sich Felix extrem und fast ausschließlich mit Esoterik, Mia hat auch vor ca. 6 Monaten damit angefangen und es gibt kaum noch andere Gesprächsthemen. Neuerdings hat Mia das Kartenlegen für sich entdeckt und mit vielen Dingen erstaunlicherweise auch recht gehabt. Alina war sich nicht ganz sicher ob sie daran glauben sollte, aber nach dem Ritt in ihre Vergangenheit war ihr jede Ablenkung recht.
Chris wachte früher als gewöhnlich auf und ging ins Wohnzimmer. Er hörte, dass Alina telefonierte. Als er realisierte, mit wem sie sprach, verdrehte er innerlich die Augen. Er konnte Mia nicht leiden, denn sie hatte seiner Meinung nach einen viel zu großen Einfluss auf Alina. Aber wenn man mal das große Ganze betrachtete, konnte aber auch keiner von Alinas Freunden Chris leiden – spätestens seit der Geschichte mit Anna- aber mit Mia war das etwas anderes. Mia sagte immer offen ihre Meinung und dass nicht gerade durch die Blume. Da ihre Meinung meistens entgegengesetzt zu der von Chris war, bekamen die beiden sich schnell in die Haare, was leider auch dazu führte, dass Mia nur noch zu Besuch kam, wenn Chris nicht da war. Alina war traurig darüber, denn so musste sie sich mit Mia immer in einem Kaffee oder im Park treffen, dabei fühlte sie sich in der Wohnung so wohl.
Es war eine Dreizimmerwohnung im ersten Stock eines Zweifamilienhauses inklusive Gartennutzung. Wenn man die Wohnung betrat, kam man in einen kleinen schmalen Flur. Zur rechten Seite des Flurs, war eine schöne helle und große Küche mit hellbrauner Arbeitsfläche. Die Küchenschränke, die in einem L angeordnet waren hatten ein freundliches Ahorn-Dekor. Auf der gegenüberliegenden Seite des L’s stand ein großer Kühlschrank. Alina hatte ihn zum Einzug mit Klebefolie in Ahorn beklebt, damit er zur Küche passte, da sie diesen gebaucht bekommen hatten. Die Fliesen waren in Flur und Küche im mediterranen Stil gehalten. Gegenüber der Haustür kam man in ein rechteckiges Wohnzimmer mit großem Balkon. Zwei große schwere Kunstleder-Sofas standen auf der rechten Seite des Raumes zusammen mit einem kleinem Tisch im Ahorn-Dekor und einem Hi-Fi Regal aus Glas das als Fernsehtisch diente. Auf der rechten Seite des Raumes fanden ein Esstisch aus Glas für 6 Personen mit 6 Stühlen aus Edelstahlrahmen mit orangefarbenen Sitzkissen, ein schönes Highboard und ein kleines Sideboard im gleichen Dekor wie der Wohnzimmertisch Platz. Auf dem Fußboden hatte der Vermieter bereits Laminat in Buche gelegt. Da die Wohnung im ersten Stock bzw. im Dachgeschoss lag, machten die Dachschrägen in Wohn und Schlafzimmer die Räume noch zusätzlich sehr gemütlich. Die Wände hatten sie in einem hellen Apricot-Ton gestrichen und transparente Vorhänge in einem Farbenspiel aus orange und gelb dazu aufgehängt. Den Flur nach rechtsgehend befand sich auf der linken Seite das Badezimmer. Es war schlicht weiß gehalten, hatte aber ein großes Fenster, das schön viel Licht herein ließ. Die große Badewanne war etwas, über dass sich Chris besonders freute, denn mit einer Größe von 1,95 macht baden in den meisten Wannen keinen Spaß. Die Accessoires des Badezimmers hatten sie sich in blau ausgesucht. Das Schlafzimmer, welches gegenüber vom Badezimmer lag, war in hellem orange und grün gehalten, da Alinas Kleiderschrank aus Kirschholz-Dekor mit moosgrünen Zierleisten war. Das Gästezimmer war in hellblau gestrichen und die beiden hatten Alinas altes Bett und ein kleines Sideboard hineingestellt.
Alina beendete ihr Telefonat mit Mia, holte sich noch einen Becher Kaffee und setzte sich zu Chris an den Esstisch. „Wieso bist du schon so früh auf"? Fragte Chris. „Schlecht geträumt". „Oh, wieder was aus deiner Kindheit" ? „Mhm, und dass wir heute Abend bei meiner Mutter zum Abendessen eingeladen sind macht es nicht besser. Denn nach solchen Nächten liegt mir die Vergangenheit wieder schwer auf der Seele und gerade an Tagen wie heute habe ich dann Angst wenn wir zusammensitzen und Mum ein Glas Wein zum Essen trinkt." Alina schaute ängstlich und betreten in ihren Lieblingsbecher und seufzte. „Ach, das wird bestimmt ganz nett, du wirst schon sehen. Seit deine Mutter mit Marten zusammen ist, läuft es doch alles sehr gut". Versuchte Chris sie aufzumuntern.
Sie erledigten im Laufe des Vormittags noch einige Besorgungen und kauften für die kommende Woche ein. Wieder zu Hause angekommen und die letzten Tüten nach oben tragend, blieb Alina stehen und öffnete den Briefkasten. Sie schaute hinein und bekam sofort Schweißausbrüche. Ihr wurde schlagartig übel und die Tränen schossen ihr in die Augen. Ein gelber Brief – ein Einwurfeinschreiben- das konnte nichts Gutes bedeuten! Sie ging nach oben, legte den Brief auf die Küchenarbeitsfläche und packte erst einmal aus. Naja zumindest versuchte Sie es. Sie hatte das Gefühl der Brief würde sie anstarren und nachdem sie das Duschgel in den Kühlschrank und die Butter in den Gewürzschrank stellen wollte, bat sie Chris kurz alleine weiter zu machen, nahm sich den Brief und ging ins Wohnzimmer. Chris, der sich über Alinas Verhalten wunderte legte die wichtigsten Dinge, die gekühlt werden mussten, schnell weg und ging ihr nach, blieb aber im Türrahmen stehen. Er wusste, dass Alina heute sehr labil war und wollte sie daher so wenig wie möglich aus den Augen lassen, insbesondere wenn sie sich so komisch wegen eines Briefes benahm. Alina hatte den Brief vor sich auf den Tisch gelegt und starrte ihn an. Sie wollte ihn aufheben, atmete tief ein und legte ihn doch wieder hin. Nach einer Weile stand sie auf, nahm den Umschlag mit zitternden Händen hoch, ging zum Balkon und steckte sich erst einmal eine Zigarette an. Dann öffnete sie den Brief und las. Nachdem sie fertig war ließ sie den Brief auf die Erde fallen und kniete sich im Wohnzimmer vor die geöffnete Balkontür. Chris sah, dass sie mit dem Kopf schüttelte plötzlich fingen ihre Schultern an zu zucken, sie weinte. Chris ging zu ihr, hob den Brief auf, steckte sich ebenfalls eine Zigarette an, legte ihr eine Hand auf die Schulter und las den Brief:
Sehr geehrte Frau Mikels,
die Forderung aus Dezember 1996 in Höhe von nun mehr 2.836 DM/ 1418 EUR wurden noch immer nicht ausgeglichen. Wir geben Ihnen letztmalig die Gelegenheit diesen Betrag innerhalb von 10 Tagen zu begleichen, anderenfalls werden wir gerichtliche Schritte gegen Sie einleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Telefongesellschaft
Er wusste, dass Alina solche Briefe regelmäßig bekam, mal war es der Telefonanbieter, mal die Stromgesellschaft oder auch die Wasserwerke. Alinas Mutter hatte, als sie noch minderjährig war, ohne ihr Wissen bei vielen Versorgungsdienstleistern Verträge abgeschlossen auf den Namen ihrer Kinder, bezahlte die jeweiligen Rechnungen nicht und schloss wieder, auf den Namen eines der anderen einen neuen Vertrag ab. Der einzige Grund, warum nie jemand dahinter gestiegen ist, war der, dass sie nie lange genug in einer Wohnung wohnten, nach dem Sie damals aus dem Haus ausziehen mussten, denn leider bezahlte Isabell auch ihre Miete immer nur sporadisch. Zwar schloss sie die Verträge immer mit falschem Geburtstag oder Jahr ab, aber wie viele Alina Mikels gab es bitte im Umreis von 200 Km die am 1. November Geburtstag hatten. „Hört das jemals auf? Ich war 1996 14 Jahre alt verdammt und das ist mittlerweile 9 Jahre her. Bereits viermal habe ich denen geschrieben, dass ich das nicht war, das ich zu dem Zeitpunkt minderjährig war und nie einen eigenen Telefonanschluss besessen habe bevor ich 18 war." Chris nahm sie tröstend in den Arm. Oh je, das konnte ja was werden. Beide wussten genau, was Alinas Mutter sagen würde, wenn man ihr davon erzählte. „Echt, oh, das ist ja doof, sorry, also in Schwierigkeiten bringen wollte ich dich nie". Danach wechselte Isabell für gewöhnlich das Thema, so dass Alina die letzten Male schon gar nichts mehr sagte. Nun aber reichte es ihr jetzt endgültig. Am Montag würde sie einen Anwalt aufsuchen und das Thema ein für alle Mal aus der Welt schaffen, Rechtschutzversichert oder nicht, da sie im Recht war, müsste sie auch den Anwalt nicht bezahlen. Hoffte sie zumindest. Aber auch dieser Lichtblick konnte Alinas Stimmung nur minimal wieder aus dem Keller anheben. Irgendwie hatte sie das Gefühl, das dieser Tag noch weit schlimmeres für sie parat hatte.
Sie fuhren zu Alinas Mutter und ihrem Freund Marten zum Abendessen. Marten war 11 Jahre jünger als Isabell, 1,80 m groß und brachte gute 100 kg auf die Waage, was in Anbetracht seines Berufes als Bauarbeiter nicht verwunderlich war. Er war nicht dick, nur von den Schultern her sehr kräftig gebaut mit einem etwas größerem Bäuchlein. Gefühlt war er stark wie ein Bär und konnte, das ist kein Scherz, ein Backblech ohne Handtuch oder Handschuhe aus dem heißen Ofen holen. Er sah immer ein wenig, ungepflegt aus, mit seinen Uncle Sam Hosen, den löchrigen T-Shits und seiner Cap, die er anscheinend nur zum schlafen und duschen abnahm. Er hatte blondes Haar das allerdings auf Grund des immer zu getragenen Caps keinen erkennbaren Haarschnitt zeigte. Er hatte blaue Augen und trug eine Brille, die etwas zu klein wirkte. Aber das wichtigste war, es hatte das Herz am rechten fleck und war einer der liebsten, warmherzigsten und hilfsbereitesten Menschen, die Alina je Kennenlernen durfte. Sie kannte Marten erst seit knapp zwei Jahren und trotzdem wusste sie, dass er sie und ihre Geschwister wie seine eigenen Kinder betrachtete und alles für sie tun würde, wenn sie Hilfe bräuchten. Außerdem tat er Isabell sehr gut, denn er war der Grund, warum sie damals den kalten Entzug überhaupt gemacht hat.
Es gab diesen Abend Roastbeef mit Bratkartoffeln und Remoulade. Der Abend verlief relativ entspannt, auch wenn Alina zunehmend unruhiger wurde, als ihre Mutter sich das zweite Glas Wein einschenkte. Alinas kleinste Schwester, Celine war auch bei dem Essen dabei. – Was war bloß aus dem so hübschen und süßen kleinen Mädchen geworden mit ihren blonden Locken und den großen grün-braunen Augen?- Dachte Alina als sie Celine näher betrachtete. Celine war 15 Jahre alt, 1,64 m groß, schlanke sportliche Figur und sehr kaputte totgefärbte (vielleicht auch totgebügelte) goldblonde Haare und lange pinkfarbene Kunst-Nägel (Krallen) zudem war sie auch leider viel zu oft im Solarium , so dass ihre extreme Bräune selbst im Hochsommer unnatürlich dunkel aussah und sie bereits aussah wie Mitte 20 anstatt ihres Alters entsprechend. – Ja, das ist kein Scherz, Nachdem Celine's Glätteisen den Geist aufgegeben hatte, „missbrauchte" Celine das Bügeleisen von Isabell um sich die Haare glatt zu bügeln. Als Alina davon das erste Mal gehört hatte, brach sie in schallenden Gelächter aus, insbesondere, nachdem Celine ihr beschrieb wie sie es denn macht… Alina hatte sich zuerst bildlich vorgestellt, dass ihre kleine Schwester den Kopf aufs Bügelbrett legt, ihre Haare zur Seite kämmt und dann losbügelt. –Aber Nein, es war folgendermaßen: Celine stellt sich mit dem Rücken an die Badezimmerwand, nimmt eine Haarsträhne, hält diese nach oben, setzt das Bügeleisen direkt über ihrem Kopf an und rutscht an der Wand nach unten. Celine war mehr als beleidigt gewesen, als Alina laut loslachte, auch als Alina sie diesen Abend ansprach, ob sie denn schon ein neues Glätteisen hatte bekam sie nur einen bösen Blick. Isabell antwortete, „Schau dir unsere Badezimmertapete an und du kennst die Antwort". Alina stand auf, ging ins Badezimmer und schaute an die frei Wand hinter der Tür und brach wieder in schallenden Gelächter aus. Sie lachte so sehr, dass sie sich nicht wieder einkriegte und sogar weinen musste. Dies ließ auch Chris aufstehen und ins Badezimmer gehen, der genauso sehr lachen musste wie Alina. Man stelle sich vor, die Badezimmertapete war grundsätzlich leicht strukturiert in hellbeige. An der Stelle wo Celine ihre Haare bügelte jedoch war die Tapete spiegelglatt. Dort, wo vermutlich ihre Haare immer „lagen" war die Tapete sehr gelbstichig, fast so als hätte da jemand gegengepinkelt. Daneben jedoch war sie bereits dunkelbraun als würde man dort regelmäßig zündeln. Das Lachen der beiden verstummte auch dann nicht so richtig, als Celine ihr Besteck von sich warf und beleidigt aus dem Raum ging. Daraufhin sagte Isabell: „Ach du, das neuste kennst du ja noch gar nicht, ich musste letztes Wochenende abends um 23 Uhr mit Celine in die Augenklinik." „Warum?" wollten Alina und Chris gleichzeitig wissen. Isabell hob ihre linke Augenbraue und grinste leicht verschmitzt. Marten drehte sich weg, weil er schon laut am Lachen war. „Nun erzähl schon!" sagte Alina. „Deine liebe kleine Schwester, hatte keinen Wimpernkleber mehr und…. „Alina riss die Augen weit auf starrte ihre Mutter an und sagte: „Bitte sag mir, dass das nicht wahr ist…. Bitte erzähl mir nicht, dass sie sich die Wimpern mit Sekundenkleber versucht hat anzukleben?" Während Isabell versuchte sich einigermaßen zu beherrschen, nicht laut loszulachen und nur nickte, brüllte Marten regelrecht, weil er es nicht mehr aushielt. Die Stimmung war auch bei Alina sehr gelöst und es ging ihr seit langem in der Nähe ihrer Familie richtig gut. Gegen 1 Uhr fuhren Alina und Chris nach Hause. Alina war sehr dankbar, dass ihr Gefühl sie getäuscht hatte, wenn es auch das erste Mal war. Fast zu Hause angekommen, klingelte Alinas Handy. Chris ging ran, da er und Marten ein paar mehr Jim Beam-Cola hatten fuhr Alina. Alina Hörte Chris sagen: „Ja, WAS? WIE, oh Gott, wir sind gleich da." Alina blieb das Herz fast stehen, was war los, wer war das und um Himmels willen, was war passiert? Chris schaute zu Alina rüber und sagte schlicht: „Dreh um, wir müssen zurück." Sie konnte sich kaum auf die Straße konzentrieren, was war jetzt schon wieder, verdammt. Gerade dachte sie noch, wie toll es war, dass ihr komisches Gefühl das sie schon immer als eine Art Vorahnung in der Magengegend verspürte vor schlimmen Geschehnissen heute anscheinend falscher Alarm war-oder auch nicht-. Als sie Chris fragte was denn nun passiert war, antwortete er nur: „Dein Bruder." „Verdammt! Was hat er dieses Mal angestellt?" Weiß ich nicht genau, aber Patrick ist voll durchgedreht. Aber wir werden es ja wohl gleich erfahren." Alina dachte über ihren Bruder nach. Patrick war jetzt 16 Jahre alt und leider unberechenbar. Seit Alinas Stiefvater die Familie verlassen hatte, wurde Patricks Verhalten zunehmend auffällig. Es fing relativ harmlos an, dass er von allen seinen Spielzeugautos die Reifen abmontierte, oder Löcher im Garten grub, weil er gern eine Sandkiste haben wollte oder auch die weiße Hauswand mit schwarzer Fensterlasur strich. Später dann wurde er richtig jähzornig. So schmiss er einmal, weil er sauer auf Zoe war, einen Schraubenschlüssel hinter ihr her, der nur knapp ihre Wirbelsäule verfehlte. Auch war er bereits mehrfach beim Ladendiebstahl erwischt worden und hat vor kurzem die Schule geschmissen. Seitdem wird er zunehmend aggressiver, kümmert sich um nichts, räumt nicht auf, eher im Gegenteil, verschläft ¾ des Tages und hat leider auch einen sehr stark ansteigenden Alkohol- und Drogenkonsum. Leider hat er auch in den letzten Jahren immer mehr gelogen und seit geraumer Zeit verschwindet Schmuck und Geld wenn Patrick irgendwo auftaucht. Letzten Monat hatte er Alina ganz stolz seine selbstgestochenen Brustwarzenpiercings präsentiert. Und Isabell erzählte ihr, dass Patrick sich letzte Woche mit einer Feile die Zähne „geschliffen" hat, weil diese sich so uneben anfühlten. Ja, das war ihr kleiner Bruder. Als Alina und Chris auf das weiter hinten gelegene Grundstück fuhren, auf dem Alinas Familie wohnte, kam ihnen die Polizei entgegen. Alina atmete tief ein und rang mit Beherrschung. Chris schien es zu bemerken und legte seine Hand auf ihr Bein und bevor sie in den Hausflur gingen umarmte er sich noch einmal und sagte zu ihr: „Egal was passiert ist, wir schaffen das".
Sie gingen nach oben. Celine öffnete die Tür. Sie hatte rote und verquollene Augen, sie hatte geweint. Der Flur sah aus wie ein Schlachtfeld, überall lagen Scherben. Celine zeigte auf ihr Zimmer, „Mama ist da drin und Marten im Wohnzimmer". Alina schaute kurz ins Wohnzimmer und sah, wie Marten auf der Couch saß, auf den Wohnzimmertisch starrte, rauchte und Weinbrand trank. Er hasst Weinbrand, fast so sehr wie Alina, was war hier nur passiert? Sie schaute Chris an und er verstand sofort. Er kümmert sich um Marten und sie sich um ihre Mutter. Isabell saß zusammengekauert auf Celine's Bett, weinte und trank ebenfalls Weinbrand. Na großartig!!! „Mam, was war hier los, wir sind vor knapp einer Stunde noch hier gewesen, was ist passiert?" Isabell schaute auf und setzte sie sich im Schneidersitz hin, steckte sich eine Zigarette an und begann zu erzählen, was passiert war.
Kurz nachdem Alina und Chris gegangen waren ist Patrick nach Hause gekommen. Isabelle und Marten haben noch kurz am Esstisch gesessen, weil Marten noch seinen Jim Beam-Cola austrinken wollte. Patrick kam herein, setzte sich an den Tisch zu uns und sagte, „hey, gib mir mal die Flasche rüber, ich will auch einen". Isabell antwortete ihm, „Guten Abend mein Sohn, schön dich zu sehen, danke es geht uns gut und wir freuen uns sehr, dass du dich nicht schon wieder wie ein Idiot aufführst. Leider gibt es keinen Jimmy mehr, weil Alina und Chris den letzten Rest mitgenommen haben. Chis wollte gern auf der Fahrt nach Hause noch den letzten „Schluck" trinken". Daraufhin ist Patrick aufgestanden hat Marten angebrüllt, "Du dummer und versoffener Lügner! Das einzige was du machst ist meine Mutter in den Abgrund zu ziehen und dazu zu bringen hier herum zu lügen. Aber jetzt werden andere Zeiten kommen, denn schließlich bin ich hier der Mann im Hause!" Marten sagte lediglich zu ihm, „Patrick, geh in dein Zimmer und geh schlafen, denn ich denke du hast anscheinend schon genügend getrunken heute". Patrick stand auf, ging in die Küche, holte sich ein Glas, füllte es schon in der Küche mit kalter Cola aus dem Kühlschrank, murmelte in der Zeit etliche Sticheleien vor sich hin, kam zurück, setzte sich wieder und verlangte wieder den Jim Beam. Marten verlor die Geduld, wollte aber nicht die Beherrschung verlieren und ging aus dem Wohnzimmer in Richtung Badezimmer, da stand Patrick plötzlich auf, nahm sein Glas ging drei Schritte in Richtung Flur und warf sein Glas hinter Marten her und verfehlte ihn nur knapp, aber das Glas zerschellte an dem Türrahmen direkt neben Martens Kopf. Die Glassplitter flogen durch den Flur, einige trafen Marten im Gesicht und am Hals. Ein Teil der Cola spritze gegen die Wand rechts neben dem Türrahmen, Marten ins Gesicht und gegen die geschlossene Badezimmertür auf der linken Seite, der Rest lief am Türrahmen herunter und bildete auf den Cremefarbenen Fliesen eine dunkelbraune Pfütze. Marten drehte sich um mit hochrotem Kopf und nicht mehr in der Lage sich zu beherrschen. Er ging auf Patrick zu, packte ihn am Kragen, hob ihn ca. 50 cm vom Boden hoch und drückte ihn gegen die Wand. Da Marten mit seiner Größe von 1,80 m und seinen 100 kg Patrick körperlich deutlich überlegen war, überraschte es Isabell nicht, dass ihr Freund dazu in der Lage war, aber diese ganze Situation brachte sie zum Schreien. Sie lief auf Marten zu und flehte ihn an Patrick in Ruhe zu lassen. Da Marten Isabell über alles liebte, versuchte er sich zu beruhigen und ließ von Patrick ab. Nur leider war Patrick mehr als lernresistent und begann den größten Fehler den er nur begehen konnte. Marten hatte zwei Kinder, die nicht bei ihm lebten, da sie geistig behindert waren. Das brach Marten, jedes Mal, wenn er sie nach einem Wochenende alle 3 Monate wieder ins Heim mussten, das Herz. Patrick ging drei Schritte zurück, baute sich mit seinen 1,69 m vor Marten auf und sagte: "Was willst du eigentlich, du kannst dich ja nicht einmal um deine eigenen Missgeburten von Kindern kümmern und willst hier den Chef spielen, werde mal ein richtiger Vater!" Das war zu viel! Marten riss sich von Isabell los, die noch immer ihre Hände um Martens Oberarme gelegt hatte und rannte in blinder Wut auf Patrick los. Der schien den Ernst der Lage zu erkennen und rannte um sein Leben. Patricks Glück war, dass er verdammt schnell war, daher entkam er Marten. Dieser kam nach ca. 2 Minuten zurück, ging ins Wohnzimmer, zu seinem Beistelltisch neben der Couch, nahm seinen Autoschlüssel und ging wieder. So schnell wie Marten reinkam und wieder ging hatte Isabell keine Chance etwas zu unternehmen. Nach ca. 30 Min kam Marten wieder und sagte nicht ein Wort. 2 Weitere Minuten später stand die Polizei vor der Tür. Sie Wollten Marten sprechen; Verkehrsunfall mit Fahrerflucht, Gewaltandrohung, Beschädigung öffentlichen Eigentums, fahren unter Alkoholeinfluss, Körperverletzung und Lärmbelästigung. Sie nahmen Martens Aussage auf und machten einen Alkoholtest. Marten ist mit dem Auto zu Patricks bekannter Frau Bentax und ihrer Tochter Jennifer gefahren, wo Patrick derzeit jeden Tag verbringt. Jedoch ist er, seit dem er so viel Zeit dort verbrachte, noch komischer und aggressiver geworden. Patrick war schon da gewesen, als Marten ankam. Marten stieg aus dem Auto, klingelte und brüllte den gesamten Wohnblock aus den Betten. Als Frau Bentax drohte die Polizei zu rufen wenn er nicht verschwand, hat Marten beim Ausparken das Auto von Frau Bentax und einen Laternenpfahl gerammt und ist weiter gefahren.
Knapp drei Monate nach dem Abendessen bei Alina's Mutter stand Marten's Gerichtsverhandlung vor der Tür und alle fürchteten das Ergebnis denn schon das Verhör bzw. die Aussage bei der Polizei war ein Desaster. Keiner glaubte Marten was wirklich passiert war. Nicht nur, dass Patrick beim Arzt war um sich ein Attest zu holen, so hat er auch alles an Fantasie aufgebracht und eine mehr als haarsträubende Story erzählt. Marten sei ihm gegenüber schon immer aggressiv gewesen, hätte ihn mehrfach geschlagen weil er ihn nicht leiden könne, aber immer nur, wenn Isabell nicht da war, zudem würde Marten Isabell überhaupt nicht gut tun und zum Schluss behauptete Patrick noch, dass Marten regelmäßig betrunken Autofahren würde. Das Ergebnis der Gerichtsverhandlung war noch schlimmer als befürchtet. Alina's Mutter rief am Montagnachmittag an und berichtete, dass die Anhörung vor Gericht eine Katastrophe war. Patrick hat gelogen, dass sich die Balken biegen und Marten hat sich leider im Gerichtssaal nicht angemessen verhalten, so dass er während der Aussage von Patrick den Gerichtssaal verlassen musste und nur kurz für seine eigene Aussage und dann später zur Urteilsverkündung wieder herein kommen durfte.
Führerschein unwiderruflich weg, drei Jahre Sperre und zur Fahrschule dürfte er sich erst nach bestandener MPU wieder anmelden, 3.500 EUR Geldstrafe wegen Trunkenheit am Steuer und Beschädigung öffentlichen Eigentums sowie Unfallverursachung mit Fahrerflucht und die Aussicht, dass Patrick noch eine zivilrechtliche Klage hinterher schieben würde, denn dazu hatte der Richter ihm geraten auf Grund der massiven Körperverletzung. Leider hatte Frau Bentax fast alles, was Patrick vor Gericht aussagte bestätigt, unabhängig davon, ob es wahr war oder nicht. Großartig! Wie man sich vielleicht vorstellen kann, gingen Patrick und Marten sich derzeit aus dem Weg. Für Alinas Mutter war die Situation kaum aushaltbar, weswegen sie fast täglich mit Alina telefonierte. Aber eigentlich hatte Alina, so schlimm sie die ganze Situation auch fand, gerade ganz eigene Sorgen.
Denn eine Woche zuvor war ihr Chef Thomas von heute auf morgen einfach weg und keiner, abgesehen von den obersten Chefs, wusste warum. Man hatte Alina Anfang der letzten Woche zu einer Excel-Tabelle befragt, ob sie diese erstellt hätte. Alina antwortete wahrheitsgemäß, dass sie diese Tabelle noch nie in ihrem Leben gesehen hätte und fragte die beiden anschließend was denn damit sei. Die einzige Antwort die sie bekam war: „Wenn du sie nicht erstellt hast, hat es dich auch nicht zu interessieren, du kannst jetzt gehen und hast nichts zu befürchten." Am Donnerstag kam Thomas erst gegen 11 Uhr ins Büro, ging sofort in den Konferenzraum und verließ diesen nicht, denn als Alina gegen 17:30 Uhr nach Hause ging, hörte sie noch immer Stimmen aus dem Konfi. Seit dem wurde Thomas nicht mehr gesehen und man sagte der Belegschaft nur, dass Thomas nicht mehr dort beschäftigt war. Alina war sehr traurig darüber, denn auch wenn Thomas sie viele Überstunden machen ließ, so förderte er ihre Talente, unterstützte sie bei ihren Schwächen und hatte ein offenes Ohr wenn es darauf ankam. Er war hart aber fair in seinem Führungsstil.
Am Montagmorgen fing nun die neue Chefin an, Ursula Herbst. Alina war grundsätzlich unvoreingenommen, denn in ihrer Ausbildung beim Zoll hatte sie sowohl weilbliche als auch männliche Ausbilder und beide waren ihr gleichermaßen lieb. Alle wurden zusammengerufen, um Frau Herbst kennen zu lernen. Sie war geschätzt Anfang bis Mitte 50, hatte schulterlanges dunkelrot gefärbtes Haar, eine schlanke, sportliche Figur und war sehr elegant gekleidet allerdings war Frau Herbst zu stark geschminkt, zumindest für Alinas Geschmack, die sich selbst nur dezent schminkte und Make-up sowieso nur benutze, wenn sie wegging oder andere „wichtige" Termine anstanden.
Frau Herbst trug ein hellgraues Kostüm, und eine türkisfarbene Satinbluse was ihr sehr gut stand und dem Dresscode der Firma entsprach. In einer Traditions-Reederei zu arbeiten war sehr spannend und wurde mehr als gut bezahlt, war jedoch leider auch sehr konservativ bis veraltet und das nicht nur was die Arbeitszeiten betraf. Bereits nach 5 Minuten war Alina klar, dass jetzt ein anderer Wind wehen würde, denn Frau Herbst verkündete sogleich, dass innerhalb der nächsten Stunde auch noch 5 neue Kollegen kommen würden, die sie aus ihrem vorherigen Team mitgebracht hätte. Alina bekam eine Gänsehaut. Sie konnte es nicht erklären aber sie hatte das Gefühl, dass es in nicht allzu ferner Zukunft Ärger geben würde. Fragende Blicke von allen Kollegen gingen durch den Raum und noch immer wurde nicht gesagt, was mit Thomas passiert war oder warum sie so schnell eine neue Chefin bekamen und die auch noch ihr eigenes Team mitbrachte. Jeder vom „alten" Team bekam jemanden aus Frau Herbst „altem" Team ins Büro gesetzt und bereits nach ein paar Tagen war klar warum. Frau Herbst wollte ihre Leute dazu nutzen um herauszufinden, wer loyal zu Thomas stand und diejenigen, die nicht vorsichtig waren mit ihren Äußerungen, waren recht schnell von ihren Arbeitsplätzen verschwunden. Auch versuchte sie die Verantwortungsbereiche neu zu strukturieren und dem alten Team jegliche „wichtigen" Aufgaben zu entziehen. Da Alina sehr technikaffin war, wurde sie zusammen mit dem Prokuristen der Firma zum einen beauftragt eine neue Software zu implementieren und die Datenmigration zu begleiten, zu überwachen und am Ende zu kontrollieren. Zum anderen wollte die Firma umweltschonender werden und somit weitestgehend „paperless" arbeiten, so dass alle Bestandsakten gescannt und archiviert werden mussten. Auch mit dieser Aufgabe, eine Firma zu finden, diese zu beaufsichtigen und alles zu koordinieren, wurde Alina betraut Beides wollte Frau Herbst, bzw. nach ein paar Wochen wurde es Ursula, ihr wegnehmen und einer der neuen Kolleginnen aus ihrem alten Team geben. Zu Alina’s Glück wurde sie in der Firma sehr geschätzt und das nicht nur für ihre gute Arbeit, sondern auch für ihre freundliche, hilfsbereite und offene Art. Daher haben es die beiden obersten Chef's es nicht zugelassen, dass man Alina ihre Aufgaben wegnahm. Leider passte das Ursula so gar nicht in ihr Konzept und sie machte von da an Alina das Leben auf andere Art sehr schwer. Wieder waren viele Überstunden angesetzt, Schreiben, die vorher in Ordnung waren, wurden jetzt fünf Mal umgeschrieben, bis sie am Ende doch wieder der Ursprungsversion entsprachen und immer wenn Alina Feierabend machen wollte, hatte Ursula noch diverse Dinge, die erledigt werden mussten.
All dies, die Sorgen die sie sich um ihre Familie machte und der Stress auf der Arbeit führte dazu, dass Alina immer dünner und unzufriedener wurde, was sich auch auf ihre Beziehung mit Chris auswirkte. Sie fühlte sich von ihm teilweise allein gelassen und unverstanden. So kam sie oft erst um 20 Uhr nach Hause und er lag auf dem Sofa und schlief. Es war rein gar nichts im Haushalt gemacht und zu essen hatte er auch nichts vorbereitet. Reden konnte sie aber auch nicht so recht mit ihm, denn seit drei Wochen endete jeder Versuch zu reden immer und immer wieder im Streit. Aber auch er zog sich immer mehr von ihr zurück und sprach kaum noch über seine Tage auf der Arbeit oder was er sonst so erlebte. Sie wusste einfach nicht was sie machen sollte, also traf sie sich wieder vermehrt mit Mia, was die Spannung zwischen ihr und Chris nicht unbedingt besserte. Es kam sogar dazu, dass Alina und Chris ein ganzes Wochenende getrennt verbrachten und Alina das Wochenende über bei Zoe war. Zoe war noch nie ein großer Freund von Chris gewesen, da sie ihn immer als etwas überheblich und arrogant empfand. Aber niemals würde sie Alina dies sagen, denn für Zoe war es wichtig, dass es Alina gut ging. Nur tat es das leider nicht und das machte Zoe sowohl wütend als auch traurig. Seit dem kalten Entzug von Isabell sahen die beiden sich zwar nach wie vor recht selten, aber sie standen sich näher als jemals zuvor. Um Alina etwas abzulenken schlug Zoe vor: „Lass uns doch in deine Lieblingsdisco fahren, damit du auf andere Gedanken kommst. Vielleicht bekommen wir ja noch eine etwas größere Gruppe zusammen. Das wird bestimmt lustig." Alina überlegte und entschied sich am Ende dann dafür, dass rumsitzen und Trübsal blasen die Situation auch nicht besser machte und willigte so ein. Zoe war froh, dass Alina zugestimmt hatte und telefonierte sofort mit ein paar Freunden und Cousins von ihr und ihrem Freund Dennis, mit dem sie seit etwas über 1 Jahr zusammen war und auch schon zusammen wohnte. Am Ende waren sie zu fünft und fuhren in die Disco. Es war wirklich ein total gelungener Abend. Alle hatten Spaß, haben getanzt, bis die Füße brannten und Alina konnte zumindest mal wieder für ein paar Stunden alle Sorgen vergessen. Am Sonntagnachmittag, Alina saß noch mit Dennis und Zoe bei ihnen im Wohnzimmer und trank gerade Kaffee, schrieb ihr Chris:
Hey mein Schatz, wann kommst du nach Hause, ich vermisse dich!
So etwas hatte er schon lange nicht mehr geschrieben. Voller Freude und regelrecht beflügelt stürzte sie ihren restlichen Kaffee hinunter, packte ihre Sachen zusammen, schrieb noch kurz eine SMS:
bin auf dem Weg. Freue mich auf dich
zurück, verabschiedete und bedankte sich noch bei ihrer Schwester und Dennis und fuhr nach Hause.
Chris freute sich tatsächlich Alina zu sehen, er hatte aufgeräumt, durchgesaugt, das Badezimmer geputzt und ihr sogar Blumen gekauft. Wow, staunte Alina und war total glücklich. Nachdem sie alle ihre Sachen weggepackt hatte, sagte Chris zu ihr, dass die beiden jetzt wegfahren würden und so zog Alina sich wieder Schuhe und Jacke an und sie verließen gemeinsam die Wohnung. Sie fuhren zu ihrem Lieblings-Griechen, insgesamt saßen sie 4 Stunden dort, aßen, redeten und tranken Wein. Es war wie früher, sie lachten, führten ernste Gespräche, alberten rum und Alina fühlte sich wieder wohl und geliebt. Es war so schön, dass sie doch wieder alles in den Griff bekommen hatten, denn nur bei Chris fühlte sie sich geborgen und sicher, daher waren die letzten Wochen für sie wirklich schlimm gewesen, aber nun war ja alles wieder gut und Chris ihr strahlender Ritter.
Am Montag holte sie jedoch die Realität wieder ein. 10 Uhr Mitarbeitergespräch mit Ursula, Jey. Alina ging in Ursulas Büro, sie saß bereits in dem großen Büro an der kleinen Sitzgruppe direkt links neben der Tür. Sie hatte das Büro kaum merklich verändert seit Thomas es verlassen hatte. Der knapp 20 Quadratmeter große Raum war mit royal blauem Teppich, einem 3 Meter langem Mahagonischreibtisch, einem großen Schreibtischsessel aus schwarzem Leder, einem Schiffsmodell eines Containerschiffes, einem abschließbarem Schrank ebenfalls aus Mahagoni, einer kleinen Sitzgruppe bestehend aus einem viereckigen mahagonifarbenen Tisch und schwarz bezogenen Freischwinger-Stühlen ausgestattet. Lediglich die Bilder von verschiedenen Schiffsklassen, die Thomas hängen hatte, waren gegen bunte Farbklecks-und Strichbilder ausgetauscht worden. „Und sowas nennt sich Kunst. In der 3. Klasse haben wir schönere Bilder gemalt und dafür hat sich niemand interessiert", dachte Alina als sie sich im Büro umsah, auf Ursula zuging und sich zu ihr an den Tisch setzte. Das Gespräch verlief eher wie ein hartes Vorstellungsgespräch oder vielleicht sogar eher wie ein Verhör. Sie wollte ganz genau wissen warum Alina nicht nach ihrer Ausbildung beim Zoll geblieben war und warum sie so viele Fortbildungen machte und auch weiterhin machen will, denn schließlich sei sie ja noch gar nicht so lange im Berufsleben. Alina schluckte und lief leicht rot an. Damit hatte sie nun gar nicht gerechnet. Ursula schien ihre Mitarbeiterakte genauestens studiert zu haben. Drei Jahre war sie jetzt bei der Reederei und noch nie, abgesehen vom Vorstellungsgespräch hat man sie gefragt, warum sie nicht beim Zoll geblieben war und dafür war sie dankbar. Zwar war durch ihre Familiengeschichte lügen schon lange kein Problem mehr für Alina gewesen, diesmal jedoch hatte sie das Gefühl es mit einem lapidarem: „Ich will mehr im Leben erreichen und nicht meine gesamte berufliche Laufbahn nur der Handlager vom gehobenen Dienst sein" nicht sehr weit kommen würde, aber sie würde sich auch eher die Zunge abbeißen als dieser kaltschnäuzigen Person auch nur ein Detail aus ihrem Privatleben oder der Vergangenheit zu erzählen. Also entschied sich Alina für folgende Version: „Die Arbeit und die Kollegen dort haben mir sehr gut gefallen aber man darf leider nach der Ausbildung nicht an dem Standort bleiben an dem man ausgebildet wurde und der Standort, der mir angeboten wurde war für mich leider weder von der Lage noch vom Einsatzgebiet her reizvoll, somit habe ich mich entschieden, mich umzusehen und als ich mir die Stellenbeschreibung von dieser Firma angesehen und anschließend das Vorstellungsgespräch hatte, war ich hin und weg und wollte unbedingt hier anfangen. Als ich dann hier war, hat Thomas sich oft mit uns zusammengesetzt und uns angeboten vorhandene Defizite mit Schulungen wettzumachen und unsere Fähigkeiten weiter auszubauen um damit auch das Unternehmen weiterzubringen. Ich habe in den drei Jahren die ich hier bin viel gelernt und festgestellt, dass ich noch mehr lernen möchte. Deswegen bin ich hier und mache so viele Fortbildungen." Alina wusste nicht warum, aber Ursulas Gesicht wurde immer finsterer, ab und an kam ein „Mhm", „ach so?" „interessant „oder „aha" von ihr. Plötzlich schürzte Ursula die Lippen und sagte: „Nun, ich denke nicht, dass auf deiner Position noch großartig Entwicklungsbedarf von Nöten ist, somit sind auch keine Weiterbildungen mehr notwendig, was aber natürlich auch bedeutet, dass eine Gehaltserhöhung für das kommende Jahr überhaupt nicht in Frage kommen wird. Schön, dann wäre das ja alles geklärt und du kannst dann jetzt auch gehen." Alina starrte sie an und realisierte die Tragweite des Gespräches und vor allem auch den Zusammenhang von dem was sie wissen wollte und dem was sie gerade gesagt hatte nicht. Ursula schaute sie nicht weiter an oder schenkte ihr sonst irgendeine Form der Beachtung. Sie schrieb etwas auf ihren Block und ignorierte Alina gänzlich. Alina erwachte einen Augenblick später aus ihrer Starre, stand auf, verließ das Büro von Ursula und entschied sich eine rauchen zu gehen.
Sie versuchte Chris zu erreichen, der hatte aber leider keine Zeit zum Telefonieren. Sie hatte gerade aufgelegt, da rief Mia an. Alina ging ans Handy: „Hey Mia, alles klar?" – Pause –
„Hey Lina, wow du warst ja schnell am Telefon. Sag mal, kannst du sprechen?"
„Ja, ich stehe gerade unten und rauch' eine, was ist denn los?" fragte Alina.
„Also, weißt du, oh man, ich weiß gar nicht wie ich es dir sagen soll?!? Ok, ich tue es einfach, aber bitte erschieß nicht den Boten".
„Meine Güte Mia, was ist denn los? Nun komm schon raus damit.", sagte Alina leicht gereizt, denn sie hatte nun auch nicht mehr so viel Zeit denn sie hatte schon fast aufgeraucht.
„Ok, Süße, ich habe mir in letzter Zeit totale Sorgen gemacht um dich und deshalb, oh bitte, sei nicht sauer, dir die Karten gelegt… und… also, ich glaube Chris hat dich betrogen, ich habe es drei Mal überprüft und…."
Alina hörte den Rest nicht mehr. Wie ferngesteuert drückte sie die Zigarette aus, legte auf, schaltete ihr Telefon ab und steckte sich eine neue Zigarette an. Sie stand da, unfähig zu denken, zu weinen oder überhaupt etwas zu empfinden, sie stand da, rauchte und starrte vor sich hin. Nach 5 Minuten machte sie die Zigarette aus, ging wieder nach oben und arbeitete, um sich abzulenken. Eigentlich war Alina sehr gesellig, aber heute redete sie mit niemandem mehr. Kurz vor Feierabend, und heute würde sie bestimmt nicht eine Sekunde länger bleiben, schaltete sie ihr Handy wieder ein. Sie ignorierte die 5 verpassten Anrufe von ihrer Mutter und von Mia auch die 4 SMS beachtete sie ebenfalls nicht. Sie wusste, dass Chris am Samstag mit den Jungs aus der Firma unterwegs war und die Nummer von einem hatte sie, von Lennard! Lennard ging nach dem dritten Klingeln ran.
„Hey Lina, was für eine Überraschung, wie geht es dir?", fragte er.
„Lennard, lass das! Ich habe eine Frage und erwarte, dass du mir die Wahrheit sagst. Hat Chris am Samstag Mist gebaut? Hat er was mit einer anderen gehabt?" Schweigen…1,2,3 immer noch Schweigen .
„Lennard, ich muss es wissen! Bitte!!!!"
„Tja weißt du, also, naja, also….oh man, ja, Chris hat eine andere geküsst." Alina fing an zu weinen, es fühlte sich an, als würde ihr Herz in eine Million Einzelteile zerspringen.
„Bist du dir ganz sicher Lennard?"
„Alina, ich habe sogar ein Foto davon."
Das war zu viel.
„Schicke es mir, sofort!" Sie legte auf und ging nach Hause, sie verabschiedete sich von niemanden, sie musste raus, in die Bahn und die Anonymität ausnutzen, um sich weiterhin zusammenreißen zu müssen, um nicht zusammenzubrechen, denn wenn sie jetzt anfangen würde zu weinen, würde sie vermutlich nie wieder aufhören.
Sie fuhr von einem Park and Ride Parkplatz mit dem Auto nach Hause. Sie war, sauer, traurig, fuchsteufelswild, verletzt, erschüttert, gekränkt aber vor allem fühlte sie sich hintergangen. Insbesondere weil er gestern so eine Show abgezogen hatte, anscheinend nur um sein schlechtes Gewissen zu erleichtern…... und dann…. Es kam mit dem Hammer, oh nein, das war die Strafe für die Nummer mit Anja vor ein paar Jahren. Er tat es wieder!?!?! Diese Erkenntnis schnürte ihr die Luft ab. Sie war kaum noch fähig zu atmen oder klar zu denken. Sie rauchte auf dem kurzen Stück von vielleicht 15 Minuten 4 Zigaretten, ihr war kotzübel und trotzdem wollte sie noch eine rauchen. Er war schon zu Hause, als sie ankam. Sie ging die Treppe hinauf, schloss die Tür auf und ging in die Wohnung. Er lag auf dem Sofa und schaute fern. Er sah sie und schaute auf die Uhr, es war halb 6.
„Hey, schon zu Hause? Hatte nicht vor 7 mit dir gerechnet.", sagte er.
„Chris, ich muss dich etwas fragen und bitte lüg mich nicht an!"
„Klar, schieß los."
„Versprich mir, mich nicht zu belügen" forderte Alina ihn mit hochgezogener Augenbraue auf.
„Um Himmels willen, ja doch, was ist denn bloß los mit dir, du hast ja noch nicht einmal „Hallo" gesagt." grinste Chris.
„Hast du letzten Samstag, als du mit den Jungs unterwegs warst, eine andere geküsst?" fragte Alina.
Chris war sichtlich schockiert und wurde etwas blass, fing sich jedoch schnell wieder und herrschte sie an: „Welcher Pfosten behauptet das? Natürlich nicht. Bist du vollkommen übergeschnappt?"
„Lennard hat es mir erzählt und er hat mir ein Foto geschickt Chris!"
„Das ist bestimmt eine Fälschung! Der ist total scharf auf dich und will dich mir wegnehmen" versuchte Chris sich heraus zu reden.
„Komisch, denn ich habe ihn angerufen und danach gefragt, wie soll er das denn so schnell gemacht haben?" entgegnete Alina und war auf die Erklärung gespannt.
„Wie kommst du überhaupt dazu ihn anzurufen und danach zu fragen, was glaubst du denn? Das hat er bestimmt schon lange vor und nur auf eine Gelegenheit gewartet. Lina-Schatz er lügt, er will uns nur auseinanderbringen".
Diesen Blick kannte Alina nur zu gut und plötzlich sah sie sich wieder in der Situation, damals mit Anja vor der Wohnung von Chris und ihr platzte der Kragen: „Kannst du mir sagen, wie ich dir glauben soll? Schließlich hast du mich auch schon als Lügnerin beschimpft obwohl ich die einzige war, die damals die Wahrheit gesagt hat! Damit ich dir jemals wieder etwas in dieser Richtung glauben könnte, beantworte mir nur eine Frage: Hast du die Sache mit Anja jemals aufgeklärt? Hast du IHR jemals die Wahrheit gesagt????
Tag der Veröffentlichung: 12.04.2016
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Drama, Freundschaft, Beziehungen, Familie, Selbstfindung