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Kap. 1


Die letzten Strahlen der Abendsonne fielen durch die kleinen Butzenglasfenster in den Arbeitsraum der Heilerin. Winzige Staubteilchen, die immer in der Luft hingen, tanzten darin.
Die großen und kleinen Flaschen auf dem Regal links neben dem großen gemauerten Kamin klirrten leise, als einige von ihnen entfernt wurden.
Der gusseiserne Kessel, der über dem Feuer hing, pfiff leise seinen Protest darüber hinaus. Ein langer Schatten fiel über ihn, als sein Deckel angehoben und sein Inhalt verrührt wurde. Der aufsteigende Dampf bildete sofort kleine funkelnde Tröpfchen an den durch Brandflecken verunstalteten Wänden des Kamins. Breite schwarze Schmierspuren zogen sich über helle und dunkle unförmige Steine. Ruß bedeckte vor allem deren unteren Teil und zeugte von einer bereits Stunden andauernden Arbeit.
Als sich genug Feuchtigkeit angesammelt hatte, rannen mehrere kleine Bächlein die Wände hinab und zeichneten abstrakte Muster in den schwarzen Ruß.
Eryth schien das alles nicht zu bemerken, denn ihre Röcke schleiften in diesem Schmutz. Sie war sehr auf ihre Arbeit bedacht, wusste sie doch um ihren hohen Wert.
Vorsichtig legte sie den Deckel zurück auf den Kessel und trat in die rechte dunkle Ecke neben dem Kamin, um Holz nachzulegen. Anschließend richtete sie sich auf und drückte stöhnend den Rücken durch. Ihr Kopf streifte dabei fast eine der vielen Leinen, an denen die Kräuter trocknen sollten. Geschickt wich sie aus und schaute, ob alles noch gut befestigt war. Beruhigt ging sie dann langsam, Schritt für Schritt quer durch den Raum und setzte sich an den langen Tisch unter dem Fenster.
Aber sie nahm nicht sofort die Feder zur Hand, sondern ließ erst ihren Blick über die Tischfläche gleiten.
In den allerletzten orangeroten Sonnenstrahlen schienen die Flaschen, Kräuter und sogar die Bücher seltsam verzerrt. Das Licht brach sich an den gläsernen Flakons und veränderte die Farben der Flüssigkeiten darin. Die Umrisse der Blätter und Blüten der heilbringenden Pflanzen wirkten leicht verschwommen. In den zwei geöffneten Büchern gaben die Buchstaben längst Rätsel auf und ihre Zeichnungen glichen mehr tanzenden Gestalten im starken Morgennebel des Hafens, denn wirklichkeitsgetreuen Skizzen.
Eryth fuhr sich über die Augen. Das Licht war nicht schuld an dieser verzerrten Sichtweise und auch nicht an den Tränen der Erschöpfung. Vielleicht hatte sie sich diesmal wirklich zuviel zugemutet, wie Yaa vorhergesagt hatte. Dabei war sie sich ihrer selbst so sicher gewesen.
Verärgert griff sie zu der kleinen Schale neben sich und bearbeitete die darin befindlichen Blütenblätter mit dem Stößel, um den Duft freizusetzen.
Yaa hatte ihr geraten sich diese große Arbeit noch nicht zuzumuten. Und gar am Vortag der wichtigsten Nacht des ganzen Jahres. Aber sie hatte es wieder einmal besser gewusst und das schlimmste war Yaas geheimnisvolles und nachsichtiges Lächeln gewesen.
Insgeheim hatte sie natürlich gehofft, Yaa würde helfen, sie war nicht umsonst ihre Lehrmeisterin. Doch jemand hatte sie zu einem Kranken gerufen und Eryth war auf sich allein gestellt. Dabei würde Yaa nicht böse werden. Das tat sie nie. Aber sie hatte so eine Art an sich nachsichtig zu sein, dass man wünschte, sie würde schimpfen und schreien.
Eryth seufzte. Es nutzte alles nichts, sie musste aufgeben, ehe sie noch mehr verdarb, denn schon bald würde es auch zu dunkel sein.
Sie legte sorgfältig alles ab und wollte eben den Kessel vom Feuer heben, als die Tür aufgestoßen wurde. Ein heftiger Windstoß fuhr in den Raum und Eryth wurde sich dadurch des schweren Kräuterduftes bewusst, der sich in der Luft bewegte.
Ein im Verhältnis zur Größe des Eingangs kleiner Schatten bewegte sich hinein. Eryth lief ihm entgegen und stemmte sich gegen die schwere Tür, um sie zu verschließen. Das schien dem heulenden Wind nicht zu gefallen, denn er jaulte auf, als habe man ihn geschlagen. Dann drehte sie sich freudig, aber auch niedergeschlagen ihrer Lehrmeisterin entgegen.
Und stockte.
Die alte Frau ging stärker vorn übergebeugt als jemals zuvor. Ihre sonst so präzisen, wenn auch langsamen Bewegungen wurden von einem starken Zittern unterbrochen. Sofort war Eryth an ihrer Seite, nahm ihr den Mantel ab und half ihr sich nahe dem Feuer zu setzen.
Yaa fuhr sich mit den dunklen fleckigen Händen über das weiße Haar, das wirr durcheinander, statt ordentlich hochgesteckt auf ihrem Kopf lag.
"Meisterin! Was ist geschehen?"
Eryth musste in keinen Spiegel sehen um zu wissen, dass sie genauso blass geworden war wie Yaa.
Die alte Frau wurde von einem heftigen Hustenkrampf geschüttelt und Eryth begann sich ernsthafte Sorgen zu machen.
Sie holte Yaa frisches Wasser und kniete sich neben sie, um ihre Lebenszeichen zu überprüfen. Das Herz ging viel zu schnell und mit Schaudern dachte sie daran, wie oft es schon nur noch holpernd sein Werk getan hatte.
"Meisterin?"
Yaa hatte die Augen geschlossen und versuchte offenbar wieder ruhig und gleichmäßig zu atmen.
"Es ist gut Kind. Lass mich nur ruhen."
Ihre dunkle raue Stimme weckte in Eryth versunkene Erinnerungen und ihr war, als kenne sie sie schon länger, als ihr Leben währte.
Der Kessel begann protestierend zu pfeifen, als ihm keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt wurde und der Dampf suchte ins Freie zu gelangen. Schnell war Eryth an seiner Seite und nahm den bereits klappernden Deckel fort. Ihr Gesicht von der Hitze halb abwendend hob sie den Kessel vom Feuer. Sie stellte ihn auf ein metallenes Gestell und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Als sie sich wieder umwandte, saß Yaa gerade aufgerichtet und mit geöffneten Augen auf dem Stuhl und sah sie an. Es war ein Blick, wie sie ihn nie zuvor an ihr gesehen hatte und auch niemals wieder sehen wollte. Fast wie ein Raubvogel seine Beute betrachtete, berechnend und abschätzend, starrte sie sie an. Nur wenige Wimpernschläge und es war vorbei.
Yaa winkte sie zu sich und deutete auf einen Hocker. Eryth stellte beunruhigt fest, wie schleppend ihre Bewegungen wurden, als sie sich der alten Frau näherte. Ein Gefühl der Fremdheit machte sich in ihr breit, so als säße eine andere Person vor ihr. Trotz des Feuers wurde es plötzlich kalt und Eryth fragte sich, ob sie über ihrer Arbeit eingeschlafen war und das alles nur träumte.
Yaa lächelte und nahm Eryths rechte Hand zwischen ihre und das Gefühl verging so schnell, wie es gekommen war.
"Wie lange bist du jetzt schon bei mir?" fragte Yaa freundlich.
Eryth war verwirrt und runzelte die Stirn.
"Drei Jahre, Meisterin. Warum?"
Yaa schüttelte in alter Leute Manier den Kopf und deutete damit an, es sei nicht wirklich wichtig.
"Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, dass ich dich zu mir holte."
Eryth wusste absolut nicht, was sie davon halten sollte und wagte es, Yaa an Stirn und Wangen zu berühren. Ihre Haut war schon lange nicht mehr fest, sondern nachgiebig und weich. Aber eines war sie nicht, nämlich heiß und fiebrig.
"Meisterin, ich verstehe nicht. Sag mir, was geschehen ist. Du siehst aus, als wärst du in einen Kampf verwickelt worden."
Eryth stellte überrascht fest, dass es tatsächlich diesen Anschein hatte. Allerdings konnte sie sich nicht vorstellen, wer eine alte Frau angreifen würde.
Blitzschnell bewegten sich Yaas Hände und nahmen Eryths Gesicht zwischen sich. Langsamer folgten die Hände der jungen Frau nach, aber der Griff Yaas war hart und fest. Der Blick aus den wässrigen blauen Augen bohrte sich tief in Eryths Seele hinein. Wiedereinmal wurde ihr bewusst, wie wenig sie in dieses Land passte, wie fremd sie trotz ihrer hier verbrachten Kindheit war.
Die braunen, fast wie Gold glänzenden Augen, die helle glatte Haut und das wollene dunkle Haar zeugten von der unbekannten Herkunft. Und mehr noch, fühlte sie doch, dass sie anders war, und ließen die Nachbarn sie fühlen, dass sie nicht hierher gehörte.
Eryth berührte sanft Yaas Hände und löste mit ihrer letzten Willenskraft den fesselnden Blick.
"Ich werde dir berichten, was ich gesehen habe," flüsterte Yaa mit gebrochener Stimme. Als Eryth verwundert aufsah, bahnten sich Tränen den Weg nach unten über die Berge und Täler von Yaas Gesicht. Doch ehe sie etwas sagen konnte, winkte Yaa sanft ab und begann zu erzählen.
"Sie haben mich belogen als sie kamen, denn es gab keinen Unfall. Eryth, ich weiß nicht, was ich davon halten soll, was ich heute gesehen habe."
Sie brach ab und schüttelte auf die dass-ich-das-noch-erleben-muss Art und Weise alter Menschen den Kopf.
"Wer, Meisterin? Wer hat dich geholt?"
Die Augen Yaas richteten sich fast hilfesuchend auf sie.
"Die verschleierten Männer, die das leerstehende Haus der Paz gekauft haben. Eryth, ich sage dir, sie sind gefährlich!"
Die Bitte Yaas um mehr Wasser ließ Eryth Zeit, über die Worte nachzudenken. Es ergab alles überhaupt keinen Sinn und sie fühlte geradezu Yaas Unbehagen, darüber sprechen zu müssen.
Diese Männer waren vor etwas mehr als einem Monat mit einem großen Schiff gekommen, das sie sicher und gut in den Hafen gebracht hatten. Und dennoch hatte man ihnen die Angst vor dem Meer geradezu angesehen und das, obwohl nach ihrer Kleidung und der schleppenden Sprache zu urteilen, ihr Weg sehr weit gewesen sein musste. Die Kinder waren lachend um sie herum gerannt, denn sie boten einen nicht alltäglichen Anblick. Sie hatten es mit unbewegten Gesichtern hingenommen und das alte Paz Haus bezogen. Dabei wusste niemand, von wem sie es gekauft hatten, denn die Familie war längst tot. Aber sie besaßen ein Dokument, das sie als neue Besitzer auswies und weil sie ruhig waren und ihre Rechnungen bezahlen konnten, ließ man sie in Ruhe.
Eryth reichte Yaa einen Becher mit kaltem Tee, was ihr ein dankbares Lächeln einbrachte.
"Weißt du, Kind, ich bin schon seit einiger Zeit der Meinung, dass du einen eigenen Mann versorgen solltest," schmunzelte Yaa.
Eryth senkte mit geröteten Wangen den Blick, wusste sie doch, dass sich nie jemand so für sie interessiert hatte.
"Die Fremden, Meisterin?"
Yaa nickte und fuhr fort.
"Sie führten mich tief hinein in das Haus. Ich war dort schon so viele Jahre kein Gast mehr, dass ich vergessen hatte, wie groß es ist. Und, Eryth, es sind viele! So unglaublich viele Fremde! Ich sage dir, das macht mir Angst und in meinem Alter kommt dieses Gefühl nicht mehr sehr oft vor."
Eryth hielt die Luft an. Etwas an diesen Worten störte sie und es war, als füge sich ein Muster zusammen, von dem sie nur noch nicht sagen konnte, was es, einmal zusammengefügt, ergeben würde.
"Sie haben sich unter der Erde Räume angelegt, so wie wir unsere Vorratskammern. Aber, Kind, glaube mir, diesen Zweck hatten sie dabei nicht im Sinn. Am Ende des langen Ganges standen wir vor einer verschlossenen Tür. Und hinter ihr da sah ich..."
"Was, Meisterin?"
"Ihn."
Ein Zittern schüttelte Yaas Körper durch und die alte Frau drohte das Bewusstsein zu verlieren. Einzelne Haarsträhnen schwangen hin und her und nur das reine Weiß bildete nun die noch sehr schönen Augen der alten Frau. Eryth packte sie fest an den Armen und zwang den müden Körper zur Ruhe.
Langsam ging der Anfall vorüber und Eryth atmete auf. Sie sah genau, wie erschöpft ihre Lehrmeisterin war, doch sie konnte ihr noch nicht den Schlaf gönnen, den sie so dringend brauchte.
"Yaa!"
"Es ist gut, Eryth. Es ist gut. Hör mir nun gut zu, Kind. Hinter der Tür war es recht dunkel, denn sie brachten nur eine Fackel hinein. Ich sah eine zusammengekrümmte Gestalt auf dem Boden liegen und sie stießen mich zu ihr. Es war ein Junge und, Eryth, sie haben ihn so schwer misshandelt, dass ich nicht sicher bin, ob er die Nacht überleben wird."
Sie brach leicht in sich gekehrt ab, fuhr sich durch das immer noch wirre Haar und flüsterte dann in die Stille des späten Abends hinein:
"Ich glaube, es war Drachenkind."
Eryth runzelte die Stirn und glaubte, sich verhört zu haben. Wenn sie auch ihre Lehrmeisterin für vieles hielt, für senil ganz sicher nicht.
"Was macht dich da so sicher?"
Yaa schenkte ihr einen Blick so voller Stolz, der Eryth wissen lassen sollte, dass sie durchaus noch wusste, wovon sie sprach.
"Seine Augen. Sie sind von einem so starkem Grün, dass kein Mensch sie je besitzen könnte. Und seine Pupillen haben die Form, die nur bei Schlangen auftritt. Oder Drachen," schloss sie leise an.
Eryths Augen wurden vor Entsetzen groß und doch sahen sie viele Minuten lang nichts, denn ihre Erinnerungen zeigten ihrem Geist Bilder, die nur sie sehen konnte. Bilder, von endlosen Nächten ihrer Kindheit, in denen die Fürsorgerinnen die Kinder zur Ruhe brachten, indem sie sie mit Geschichten über Drachenkind erschreckten.
Er wird über uns kommen, hatten sie gesagt. Aber wenn wir ganz leise sind, kann er uns nicht finden.
Erst in ihrer Lehrzeit bei Yaa hatte sie von den wahren Prophezeiungen erfahren. Yaa sprach nicht oft über ihn, aber ihr zweiter Ehemann war ein großer Gelehrter gewesen und hatte sein gesamtes Wissen mit seiner Frau geteilt.
Eine sanfte Berührung an der Schulter riss sie zurück in die Gegenwart.
"Eryth, ich weiß nicht, woher sie ihn haben oder warum sie ihn nach Amorit brachten. Aber eines weiß ich ganz sicher. Bei ihnen wird er nicht überleben und sein Tod wird auch unserer sein."
Ein starker trockener Husten schüttelte den alten Körper durch und Eryth fasste ihre Lehrmeisterin fest um die Hüften. Der Weg zu dem alten Bett, das sie neben dem langen Tisch auf der einen und den Treppen zum zweiten Geschoss auf der anderen Seite aufgestellt hatte, war nicht weit. Und doch brach Yaa förmlich auf ihm zusammen, als hätten die wenigen Schritte ihr die letzten Kräfte aus dem Körper geschwemmt.
Sie schloss sofort ihre faltigen Lider und ihr Atem kam röchelnd, aber doch gleichmäßig aus Mund und Nase. Sie bemerkte nicht einmal mehr, wie Eryth die Haarnadeln entfernte, ihren Kopf sanft geraderückte und eine wollene Decke über ihr ausbreitete.
Die Welt, in die sie entschlüpft war, hatte nichts mehr mit der der Lebenden zu tun; ihren Ängsten, Nöten, ihrem Schein und Sein oder dem ewigen Auf und ab. In der Welt in Yaas Innerem war alles langsam und ruhig. Und gut.
Eryth zog noch ein letztes Mal die Decke über Yaas Körper glatt und zog sich dann einen Stuhl heran. Die Hände im Schoss gefaltet, blickte sie liebevoll auf die alte Frau und dachte zurück an die Jahre, die sie mit ihr verbracht hatte. Natürlich war es nicht perfekt gewesen, aber besser hätte es auch nicht sein können. Sie hatte wirklich Glück gehabt; wenigstens dieses eine Mal in ihrem Leben. Ohne zu wissen wieso, sah sie hinter sich zum Feuer. Es bildete nun im Dunkeln die einzige Lichtquelle und rief flackernde Schatten hervor.
Sie haben sich unter der Erde Räume angelegt. Drachenkind. Es sind so unglaublich viele Fremde. Sein Tod wird auch unserer sein.
Ohne zu überlegen stand Eryth auf und rannte förmlich die hölzernen Stufen hinauf. Sie knarrten leise, aber Yaas Schlaf würde viel zu fest sein, als dass sie davon erwachte.
Es war sehr dunkel, doch sie war diesen Weg schon so oft gegangen, dass sie ihn buchstäblich blind fand. Einige der Räume hier oben waren für Kranke gedacht, bei denen die Gefahr bestand, dass sie andere ansteckten. Aber eines davon war nur für Eryth. Vor ihrer Zeit bei Yaa hatte sie nie irgendetwas besessen, geschweige denn allein geschlafen.
Aber an all die Ängste ihrer Kindheit wollte sie jetzt nicht zurückdenken. Sie wollte gar nicht denken, denn die Gefahr, es sich anders zu überlegen, war viel zu groß.
In ihrem Raum neben ihrem Bett stand eine große Truhe, die schon vor ihrem Einzug hier gestanden hatte. Sie hob tief einatmend den Deckel und starrte auf die Beute ihrer gewonnenen Wette.
Du kannst das nicht. Du ganz sicher nicht. Niemand wie du könnte es.
Sie hatten sich geirrt und mussten in ihrer Unterbekleidung nach Hause laufen.
Ein letztes Mal zögernd griff Eryth zu den Hosen, die nun schon zwei Jahre ungetragen waren. Sie passten ihr, nicht perfekt, aber sie konnte sich darin bewegen und würde sie nicht unterwegs verlieren. Das dazugehörende Hemd und die dunkle glatte Lederweste folgten sofort nach.
Sie bewegte und dehnte sich, aber alles blieb an seinem Platz. Langsam schloss sie den Deckel der Truhe und prägte sich dieses Tun genau ein. Sie wusste nicht, wieso dies so war, aber dieser Augenblick würde irgendwann einmal sehr wichtig für sie sein.
Einen kurzen Moment betrachtete sie die geschlossene Tür und öffnete dann das kleine Fenster. Draußen war es bis auf die wenigen Lichter in den Häusern stockfinster.
Ausgerechnet in der Nacht, in der jedermann sich lieber unter seinem Bett verkroch und heimlich betete, als auch nur einen Schritt vor die Tür zu setzen, ging sie das bisher größte Wagnis ihres Lebens ein.
Ein paar Mal schnell hintereinander atmend schloss sie die Augen. Dann öffnete sie sie abrupt und war mit einem Satz draußen auf dem Dach.

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Tag der Veröffentlichung: 14.04.2011

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