Cover

Vorwort



Erklärungsbedarf besteht wohl, weswegen wir uns mit den „zweitbesten“ Tiergeschichten zufrieden geben. Der Grund dafür liegt darin, dass schon ein anderer, nämlich der nicht unbekannte, inzwischen leider verstorbene Herr Kishon, "Beste Tiergeschichten" geschrieben hat und wir uns nicht gerne wegen eines Titels mit jemandem streiten, schon gar nicht posthum. Wir überlassen die abschließende Reihung lieber dem mehr oder weniger geneigten Leser, wobei uns ein aufrechter, besser: ein aufrichtiger Leser noch lieber wäre als ein geneigter. Vom geneigten darf man in seiner ungünstigen, gebückten Haltung wohl kaum Interesse erwarten, ein Buch zu lesen.

Anmerkung: Die jeweilige Erzählperspektive (Hager oder Stoll-Weber) wird im fertigen Buch mit entsprechenden Bildchen oder Ikonogrammen verdeutlicht werden.


Besuch beim Tierarzt - Das Kennenlernen





Grüß Gott!
Guten Tag!
Wie heißen wir denn?
Ich weiß noch nicht, wie Sie heißen, ich heiße Gerhard Hager.
Ich meine das Hunderl!
Das Hunderl heißt Yara!
Was fehlt uns denn?
Ich weiß nicht, was Ihnen fehlt, mir fehlt nichts, und was der Yara fehlt, hoffe ich mit Ihrer Hilfe zu ergründen.
Na was haben wir denn?
Ich weiß nicht, was Sie haben... aber lassen wir das. Sie frisst seit zwei Tagen nichts und erbricht Unmengen.
So, so! Wir werden sie uns anschauen. Komm Sarah, wir messen deine Temperatur. Stell dich nicht so an! Herrli passt schon auf Dich auf.
Erstens heißt sie Yara und wieso sagen Sie „Herrli“ zu mir? Ich bin Hofrat Professor Doktor Gerhard Hager, Abgeordneter zum Europäischen Parlament. Sie können doch nicht einfach „Herrli“ zu mir sagen!
Ich sage nicht „Herrli“ zu Ihnen, ich sage „Herrli“ zur Sarah.
Erstens heißt sie Yara und zweitens ist sie eine Hündin, also können Sie auch zu ihr nicht „Herrli“ sagen.
Ich sage doch zur Sarah, dass Sie, also ihr Herrli, auf sie aufpassen.
Erstens heißt sie Yara und zweitens, glauben Sie, sie versteht das?
Hunde wie Sarah verstehen alles!
Nach kurzer allgemeiner Untersuchung und Abtasten des Abdomens:
Yara hat eine Darminfektion. Sie geben ihr dreimal täglich eineinhalb Tabletten von diesem Antibiotikum, sieben Tropfen von der braunen Flüssigkeit gegen den Brechreiz und eine Portion Paste aus dieser Spritze zum Aufbau der Darmflora! Die Spritze hat Plastikzacken. Die Überwindung je eines Zackens bedeutet eine Portion.
Daheim angekommen überbringe ich meiner Frau die Botschaft und demonstriere (für den Fall meiner Abwesenheit) gekonnt, wie man die Medikamente einem sechs Monate alten, aufgeweckten Parson Russell Terrier verabreicht.
Na gut, die sieben Tropfen rinnen leider daneben.
Das mit den eineinhalb Tabletten schaffe ich aber mühelos.
Beim Einspritzen des Darmaufbaumedikamentes aus der raffinierten Spritze hustet das Hunderl plötzlich heftig. „Was ist los mit ihr?“, frage ich mich besorgt, als sie nebst Pasta mühsam den Plastikverschluss der Spritze hervorwürgt, den ich tief in ihre Kehle versenkt, weil abzunehmen vergessen habe. Dann fällt sie in den ohnmachtähnlichen Zustand aller Hundehypochonder.
Dass dabei die eineinhalb Tabletten von diesem Antibiotikum langsam aus ihrem Mundwinkel gleiten, ist nur ein kleines Detail.




Axel





Mein langjährigen Begleiter Axel ist für ein Buch mit Tierschmunzelgeschichten ein Muss. Er war mir ein treuer Freund zu einer Zeit, in der ich das zufolge meiner Jugend noch gar nicht richtig zu schätzen verstand und als selbstverständlich hinnahm. Man sagt, er sei ein schöner Hund gewesen, in Wahrheit aber war er gar kein Hund, sondern ein Clown. Jedenfalls war es Liebe auf den ersten Blick. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich vor beinahe einem halben Jahrhundert hinter der Auslagenscheibe einer Tierhandlung in der Märzstraße diese süßen Äuglein auf mich gerichtet sah, ein leichtes Zwinkern und ein angedeutetes Wedeln mit dem Schwänzchen des etwa acht Wochen jungen Langhaardackelwelpen bedeuteten eindeutig: „Kauf mich doch, du gefällst mir!“. Ich bin sofort nach Hause in die Leopoldstadt gefahren, vielleicht eine Spur zu schnell, und habe meine Mutter angebettelt. Als Student konnte ich mir den Hund natürlich nicht leisten. Die Mutter war schnell überzeugt, selbst mit Hunden aufgewachsen. Aber mein Vater war ein schwerer Brocken. Mit der "nur über meine Leiche"-Grundeinstellung ging er in die Verhandlungen, reduzierte erst nach längerer Diskussion diese Position auf die „entweder der Hund oder ich"-Deklaration, um schließlich – unter dem Eindruck schwerster Geschütze – nachzugeben. Also sauste ich mit der das Familienbudget damals doch belastenden Summe in der Tasche wieder in die Märzstraße, fürchtete während der ganzen Fahrt, dass schon jemand meinen Liebling gekauft haben könnte und stürmte das Lokal. Er saß da, sah mich lange an und seine Augen fragten: “Wo warst du denn so lange?“. Die Heimfahrt verbrachte er auf dem Beifahrersitz so, als wäre er sein bisheriges junges Leben lang ständig mit dem Auto unterwegs gewesen. Vom ersten Tag an war er anhänglich, bemühte sich, brav zu sein, verstand alles und konnte bald "Sitz", "Platz", "Steh" und den ganzen Unfug, ohne je auch nur eine Hundeschule von außen gesehen zu haben. Wie selbstverständlich überquerte er stark befahrene Straßen und verstand überhaupt alles – wenn er wollte. Ich widmete ihm natürlich meine ganze Freizeit und Mädchen, die ihn nicht mochten oder ein ‚IGITTIGITT’ - Verhalten an den Tag legten, interessierten mich sofort nicht mehr. Eigentlich hieß er ja „Abott von der Hofmark“. Das war uns aber zu umständlich, bei uns war er von Anfang an der Axel, in Schmusestunden der Axi oder Axilein. Dabei war der Anfang für ihn gar nicht so leicht. Sehr gerne fuhr ich mit ihm auf eine der schönen Praterwiesen, stellte meine Zweibeinliege auf und versuchte, meine Skripten in mich abzufüllen. Er spielte, tollte auch und zog sich dann unter die Liege zurück. Heute fällt mir auf, dass ich mich dabei nie um sein Essen gekümmert habe, schon gar nicht ums Gegenteil. Einmal lag er wieder unter der Liege, als die Schnur der Verspannung riss und ich auf ihn plumpste. Damals war ich Gott sei Dank um Vieles leichter, sodass er zwar ein wenig erschrocken quiekte, aber keinen Schaden nahm. Beim nächsten Mal lag er schon wieder unter der reparierten Liege und stellte damit sein Vertrauen unter Beweis. Mit dem „so etwas kann schon einmal passieren“- Blick kletterte er darunter und grunzte behaglich.
Seinen Jagdtrieb hatte er ziemlich gut im Griff…


Der flambierte Wellensittich



Eines Tages kam die kleine Susi in unsere Ordination. Unter dem Arm eine Schachtel mit Löchern, in dieser ihr Liebling Burli, ein Wellensittich. Ihr Liebling ist vielleicht etwas untertrieben, besser wäre ihr Ein und Alles Burli, dem sie die Schachtel liebevoll mit Watte ausgelegt hatte, damit er sich auch richtig wohl fühlen könne. So wohl, wie das bei einem Arztbesuch halt möglich ist.
„Ich glaube, er hat da was!“, meinte sie mit tränennahen Augen. Mit Augen, die aber gleichzeitig alle Hoffnung in mich setzten und die nicht enttäuscht werden durften. Ihr vertrautes Verhältnis zu Burli hat sie rechtzeitig entdecken lassen, dass er an einem Hauttumor, nach erstem Eindruck einem Pappilom, litt. Was tun? Die einzige Erfolg versprechende, wenngleich nicht gerade einfache Lösung war eine Operation – eine spektakuläre Lösung zwar, aber es galt ja, die Hoffnung des Kindes nicht zu enttäuschen. Haben Sie schon einmal überlegt, wie man aus einem 100 Gramm schweren Federball einen Tumor entfernt? Die Schwierigkeiten beginnen schon bei der Dosierung des Narkotikums. Die Angaben der Hersteller für Kurznarkosen bei Wellensittichen sind in ml/kg gehalten. Also müssen wir von einem Kilogramm auf 100 Gramm Wellensittich reduzieren. Wenn 1 kg Wellensittich (Wellenente?) 0,2 ml des Narkotikums Ketamin benötigt, dann brauchen 100 Gramm 0,02 ml, soweit reichen unsere Vor-Pisa-Mathematikkenntnisse leicht, aber haben Sie schon einmal 0,02 ml abgemessen, das ist ein Hauch mehr als gar nichts! Wir schaffen aber auch diese Hürde bravourös! Die nächste Frage: Wie kriegen wir den Sauerstoff in den Wellensittich? Zwerge oder Heinzelmännchen mit winzigen Händen täten sich leichter. Uns sind die doch wellensittichübergroßen eigenen Hände und überhaupt alles andere auch im Wege. Aber: Die Hoffnung in den Kinderaugen! Also basteln wir einen winzigen Trichter und es kann losgehen. Während ich mich im Waschraum vorbereite, desinfiziert die Assistentin, die im letzten Semester Veterinärmedizin studiert und das können muss, das Vöglein. Ich erscheine aus dem Waschraum – alles ganz steril, pikfein und genau – und präpariere mit viel Gefühl und vor allem „Gefizel“ aus dem kleinen Federwisch den Tumor raus. Klar, dass das Ganze auch noch ziemlich ordentlich blutet. Ganz toll! Aber wir sind schließlich modern eingerichtet und daher auf alles vorbereitet. „Man gebe mir den Kauter“, sage ich. Jenen wahrscheinlich 85 oder mehr Prozent der Leser, die nicht wissen, was das ist, muss ich es erklären: Ein Kauter ist ein Brenn(ätz)gerät, mit dem Blutungen mit Glühhitze schnell gestillt werden können, weil sich zufolge der punktgenauen Verbrennung ein festsitzender Schorf bildet. Also starte ich den Vorgang, aber schon beim ersten Druck zum Vorglühen gibt es eine Stichflamme und – flusch - Burlis Federkleid steht in Flammen. Ein Wellensittich-Autodafé sozusagen. Man könnte natürlich sagen, Burli hat gestrahlt. Das wäre zwar objektiv vielleicht sogar richtig, träfe aber nicht den Kern der Sache. Eher blickte er nach der Art eines Minigrillhuhnes etwas nackt und traurig in die Welt. Vielleicht wunderte er sich auch nur über diese modernen Behandlungsmethoden. Aber immerhin konnten wir das Feuer sofort ersticken, Burli lebte, blutete nicht mehr und war den Tumor los.
Die kleine Susi war begeistert. Dass man Patienten vor der Operation rasieren muss, hat sie schon gehört. Bei Vögeln wird das halt ähnlich sein, dachte sie. Hauptsache, Burli lebt und es geht ihm gut, die Federn werden schon wieder nachwachsen.

Unsere Schlussfolgerungen daraus lesen Sie im fertigen Buch...


Das Fenster





In meiner Kindheits- und Jugendwohnung gab es ein Fenster, das während der warmen Jahreszeit nahezu ständig offen stand und deswegen mit einem Fliegenschutzgitter versehen war. Ein engmaschiges feines Drahtnetz in einem Holzrahmen hinderte Insekten aller Art, vor allem aber die gemeine Stubenfliege und die Stechmücke, vulgo Gelse, in die Wohnung einzudringen und uns Insassen zu sekkieren. Die in der Einleitung schon genannte schwarze Katze mit den Bernsteinknöpfen und dem eher fantasielosen Namen Murli hatte bald entdeckt, dass sich dieses Fliegenschutzgitter sehr gut zum Schärfen ihrer Krallen eignete. Sie saß – wie die dressierten Tiger im Zirkus – davor auf dem Allerwertesten und hakte die Krallen ihrer Vorderläufe in die Maschen des Drahtnetzes, um dann wie eine Harfenistin daran zu zupfen. Dass das Gitter nach kurzer Zeit eine eigenartige Struktur erhielt, bedarf keiner Erwähnung, sie behinderte die eigentliche Funktion auch nicht. Allmählich baute Murli die Nummer aus, vollzog den Krallenschärfakt im Stehen, sprang dann ein wenig hinauf und kletterte an dem Gitter in die Höhe, bis sie schließlich gegen das Licht betrachtet wie ein lebender Katzenscherenschnitt senkrecht an dem Gitter hing. Aus größerer Entfernung ein Katzenumriss im Nichts, in der Luft schwebend. Dann erhöhte sie den Reiz der Übung, indem sie mit einem kleinen Anlauf auf das Gitter sprang und dort kreisförmig herumkletterte. Der Gipfel der Gitterkletterkunst war allerdings erst erreicht, als sie nach mehreren Verlängerungen des Anlaufs durch das 5 Meter lange Vorzimmer und das Zimmer raste, sich gegen das Gitter warf und dort mit seltsam angelegten Ohren hing, bis sie Applaus vernahm. Durch das ständige Dagegenprallen des Katzenkörpers war das Gitter schon ziemlich nach außen gebeult und ich dachte an die Erneuerung des Maschendrahtnetzes. Dazu kam es aber nicht mehr, weil eines Tages eine Aushilfsraumpflegerin in Unkenntnis der Katzengepflogenheiten das Fliegenschutzgitter zur Reinigung abmontierte und das just in dem Augenblick, als Murli ihr eine besonders attraktive Spring-Kletter-Hängenummer vorführen wollte!
Was hätten sie gedacht, wenn sie beim Spazierengehen eine schwarze Katze aus dem Fenster eines Wohnhauses fliegen gesehen hätten? Abergläubisch oder nicht! Glücklicher Weise lag die Wohnung im so genannten Mezzanin, also einem Halbstock und nicht allzu hoch, so dass Murli nach ihrem Bravourstück zwar unsanft auf dem Gehsteig landete, aber nicht verletzt war. Sie schlich dann in die Wohnung zurück. Der Vorfall war ihr sichtlich peinlich und sie entschloss sich, die Nummer aus dem Programm zu streichen, die Erneuerung des Maschendrahtnetzes war nicht mehr nötig.


Schnurliballi





Meine Yara liebt es unter anderem, einem an einer armlangen Schnur befestigten Ball nachzujagen.
Der einzige Nachteil, der mit dem „Schnurliballisport“ verbunden ist, liegt in der damit verbundenen Verletzungsgefahr (abgesehen jetzt von ungeschickten Fehlwürfen!). Weil der Hund full speed über die Stoppelwiesen hetzt, irr beschleunigt und bremst, können seine Pfoten schon einmal etwas abbekommen. Yara hat sich einmal die ohnedies eher überflüssige letzte, abseits angeordnete Zehe (Daumenkralle) des vorderen rechten Laufes eingerissen und ist mit ihrem Balli wie eine österreichische Nationalflagge rot-weiß-rot zurückgekommen. Sofort zur Tierärztin. Reinigung, Gewebekleber, fester Verband in kaum 10 Minuten angelegt! Hinausgehen, nach Hause fahren, fester Verband in 5 Minuten abmontiert. Ich habe damals auf die Erneuerung des Verbandes verzichtet, aber es war sehr langwierig, weil Yara immer wieder die Wunde aufgerissen und geblutet hat. Das sind Situationen, in denen man sich einen Bernhardiner wünscht, der sich ein oder zweimal am Tag zum nächsten Häufchen schleppt, dann aber wieder malerisch zum Kamin (Winter) oder in den Schatten (Sommer) legt und – nur von kurzen blutunterlaufenen Augenaufschlägen unterbrochen – friedlich vor sich hinträumt.
Das Modell eines PRT hingegen ist ein perpetuum mobile, ein Hund also, der bei derartigen Verletzungen am Besten mit einem schnell anziehenden Alleskleber an allen vier Pfoten auf die Fliesen des Badezimmers gestellt wird, will man ihn nicht mit vier 100er-Nägeln auf dem Parkettboden fixieren, weil das nach Tierquälerei klingt (ACHTUNG: das ist kein veterinärmedizinisch untermauerter Ratschlag!).
Vor kurzem hat sich Yara wieder verletzt, diesmal den Nagel der rechten Zeigezehe ziemlich blöd eingerissen und wieder stark geblutet. Also wieder sofort zur Tierärztin. Reinigung, Gewebekleber, fester Verband. Diesmal nach den letzten Erfahrungen ein noch festerer, der den Eindruck hinterlässt, als hätte Yara eine zertrümmerte Pfote. Diesen Eindruck unterstreicht sie noch, indem sie mit der Pfote nicht nur nicht auftritt (wofür keinerlei Notwendigkeit besteht), sondern die ganze Pfote in einem skurrilen Winkel vom Körper abspreizt und so auf den restlichen drei Pfoten erbärmlich humpelt. Es folgen zwei Tage „Schaut doch, wie arm ich bin!“, gefolgt von zwei Tagen „Schaut, was ich trotz schwerer Verletzung kann!“ und dann schon die Abnahme des Verbandes und auf zu neuen Schandtaten. Die „Schaut doch, wie arm ich bin“-Phase hat sie nur kurz unterbrochen, als ich ihr, falsch wie ich bin, das Schnurliballi warf und ihr Spieleifer sie, wie erwartet, ihre schwere Verletzung vergessen und auf allen Vieren ganz normal über die Wiese brausen ließ. Natürlich fällt ihr sofort nach der Heimkehr ein, dass sie da einen kleinen Fehler gemacht hat und sie schleppt sich mühsam humpelnd auf drei Pfoten mit abgespreizter vierter zu Frauchen, die sofort in Mitleidskundgebungen ausbricht. Eine Bekannte hat mir glaubwürdig versichert, dass sich ihre Hündin einmal etwas verknackst und sofort wehleidig um Massageeinheiten gebuhlt und auch erhalten hat. Danach hat sie leider vergessen, mit welcher Pfote sie humpeln müsste und hat prompt die falsche erwischt. Aber Mitleid erwecken ist so schön, weil man sicher sein kann, im Mittelpunkt zu stehen.



Die Alarmanlage





Alarmanlagen neigen anfangs dazu ungewünschten Lärm zu erzeugen. Auch wir haben – wie wahrscheinlich alle Alarmanlagenanfänger – ausreichend Fehlalarme ausgelöst, sodass unser Graupapagei Pedro genügend Gelegenheit hatte, das ohrenbetäubende, schrille, auf- und abschwellende Pfeifgeräusch des Alarms zu erlernen und nachzuahmen. Da haben wir den entscheidenden Fehler gemacht und darüber gelacht und ihn bewundert. Das war genug Ansporn, alles bisher Erlernte zur Seite zu schieben. Seine Deutsch- und Französischkenntnisse waren vergessen, auf die posthume Nachahmung des Beo verzichtete er, alle Spottgesänge wurden eingestellt. Lediglich, wenn das Telefon läutete, sagte er weiterhin mit der Stimme meiner längst verstorbenen Mutter „Hallo!“ und wenn man sich anschickte wegzugehen, „Baba!“. Woher er weiß, wann es ernst ist und man wirklich geht, kann ich mir bis heute nicht erklären. Alles andere wurde also über Bord geworfen und ab sofort nur noch Alarm gespielt. Das ging so weit, dass sich der sonst äußerst intelligente und tapfere Pedro letztendlich für eine Alarmanlage hielt und tagaus, tagein das bekannte nervenzermürbende Geräusch von sich gab, und zwar nicht viel weniger laut, als der Alarm selbst. Da sein Käfig zur Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte in unserer Wohnküche aufgestellt ist, hat meine Frau nach vielen Versuchen, ihn zur Räson zu bringen, das Handtuch geworfen und die Küche zur Sperrzone erklärt. Das wiederum hat zur Folge, dass ich kaum noch etwas zu essen bekomme, weswegen ich wohl die Senkung meiner überhöhten Laborwerte in naher Zukunft erwarten darf.
Nachdem der Versuch, ihn durch pausenloses Berieseln mit Mozart’schen Flötenkonzerten wieder zu ohrenfreundlicheren Äußerungen zu verführen ebenso gescheitert war wie jener, ihn gewinnbringend als Alarmanlage an eine Tierhandlung zu vermieten, habe ich mich – meinen nahenden Hungertod vor Augen – zu folgendem Inserat entschlossen, das ich überall affichiert habe und europaweit veröffentlichen ließ:
Völlig vertrottelter Graupapagei, der sich für eine Alarmanlage hält, sonst aber lieb, tapfer und eigentlich auch intelligent ist (der Widerspruch ist mir klar, aber es ist so), samt sündteurem Käfig gratis abzugeben!!!



Die Delle





Nicht immer entsprechen Geschichten der Wahrheit. Sie sind meiner Meinung nach aber auch gut, wenn sie nur „ben trovato“ sind, wie sehr wahrscheinlich die folgende:
Ein Mann fährt mit seinem neuen Auto und der Familie (oder umgekehrt, je nachdem, wer es erzählt, er oder ein Familienmitglied) in einen Safaripark. Das Wetter ist herrlich, die Kinder sind besonders gespannt auf das Kommende, der Hund antizipativ erregt, alle freuen sich auf den schönen Tag. Bei der letzten Kreuzung vor dem Safaripark muss er vor einer roten Ampel anhalten und das nachfolgende Auto knallt ihm hinten hinein. Der Dame hinter dem Lenkrad war der Lippenstift hinuntergefallen und während sie ihn suchte, war die Ampel auf rot umgesprungen. Da sie sehr hübsch war, fand er das Ganze nicht so tragisch, es sei ohnedies nur eine Versicherungsangelegenheit, meinte er. Nach Abwicklung der notwendigen Formalitäten fuhren sie – eine Oktave tiefer in der Stimmungslage – weiter, bezahlten den bemerkenswerten Eintritt und kauften Futter, soweit Füttern erlaubt war. Schon bald hatte sich eine Horde Affen ihrer bemächtigt. Weil die Leute auch nicht folgen und immer füttern wollen! Die Affen mögen das auch und werden ganz schön frech. Sie trampeln auf dem Autodach herum, klopfen gegen die Fensterscheiben und wehe, du machst einen Spalt auf. Dann bist du erledigt. Dann hat ein so ein Affe mindestens vier Hände! Was ihn mehr störte, waren die kratzenden Geräusche, die die lieben Tierchen verursachten. Ganz kurz öffnete er ein Fenster, um sich zu vergewissern, ob sie Kratzer hinterließen. Na ob! Er hätte besser nicht aufgemacht, weil der Elefantenrüssel war nicht mehr hinauszubringen. Schon gar nicht die flinken Affenhände. Kaum war das endlich geschafft, hat sich der PRT Rüde auf den Öffner für das Lamellendach gesetzt! Ehe er es noch bemerkt hat, war quasi Feuer auf dem geöffneten Dach, wenn man das so sagen kann. Rüssel, Arme, Schnauzen … schwierig. Mit vereinten Kräften haben sie wieder alles hinausgeschoben, was nicht in das Auto gehörte. Ein, zwei Biss-, einige Kratzwunden und ein verbogenes (sündteures) Lamellendach, dann aber klar Schiff! Bis…ja bis der Elefant das Bedürfnis verspürte, sich am Hintern zu kratzen. Was eignet sich dafür besser als ein verbeulter Pkw? Also fuhr er mit dem Allerwertesten auf der Kühlerhaube hin und her und setzte sich zu guter Letzt darauf. Gut, dass es so ein widerstandsfähiger Geländewagen war. Er ging zwar in die Knie, hatte eine schwere Delle, war aber noch fahrbereit, als sie endlich flüchten konnten. Der Mann beim Schalter meinte, der Safaripark würde jede Haftung ablehnen, sie hätten alles falsch gemacht und vor allem das Kleingedruckte auf der Eintrittskarte nicht aufmerksam genug gelesen. Sie könnten froh sein, wenn man sie nicht verklagen würde! Das hat das Maß voll gemacht. Er betrachtete sein inzwischen schwer ramponiertes Auto, ging in die Safari Lounge und gab sich zwei doppelte Whisky. Dann traten sie – weniger gut gelaunt als beim Ankommen – die doch ziemlich lange Reise nach Hause an. Fast hätten sie es geschafft. Doch dann kurz vor dem Ziel plötzlich: Verkehrskontrolle: Der Polizist holt sie zielsicher aus der Kolonne und fragt, nicht im Geringsten an einen Safaripark denkend, was mit dem Auto passiert sei.
„Zuerst ist mir eine reingefahren, dann haben mich die Affen gekratzt und zuletzt hat sich der Elefant auf uns gesetzt!“, berichtet der Mann wahrheitsgemäß.
„Hauchen Sie mich bitte an!“.
„Ich habe nur einen kleinen Whisky zur Beruhigung getrunken!“.
„Achso, ja, eh klar, kommen Sie bitte mit!“….



Freddi, der Streuner



Erlauben Sie, dass ich mich vorstelle: Mein Name ist Freddi, ich bin ein mittelgroßer, rauhaariger, hellgrauer Hund. Ich trage ein Ohr aufgestellt und das andere lässig umgelegt. Am Schönsten ist aber, dass ich eine schwarze Brille habe, die von braunen Augenbrauen überragt wird. Ohne eitel sein zu wollen, muss ich sagen, ich glaube, ich bin sehr putzig. Mein Herkunft liegt etwas im Dunkeln, meine Mutter – man sagt, jeder habe eine solche – ist mir nicht mehr in Erinnerung. Ich war von klein an auf mich allein gestellt, nicht immer ganz leicht! Was glaubst: Jeden Tag und bei jedem Wetter auf Futtersuche, der Ärger mit den anderen Kollegen. Habe aber viel gelernt dabei. Ich weiß, wo es – je nach Bedarf – warm oder kalt ist, wo es Futter zu holen gibt, ohne dass die Kollegen über mich herfallen. Ich weiß, wie man welche Menschen anschauen muss, um etwas zu bekommen. Weißt eh: Kopf etwas schief, Augenlider auf Halbmast und das Umklappohr noch etwas gesenkt, also treuherzig und herzig zugleich! Ich habe gelernt, mich im Straßenverkehr zu behaupten, kann zwischen den Autos über die Fahrbahn laufen, ohne eines zu übersehen. Ich kann sogar mit der Straßenbahn schwarzfahren. Das ist vor allem im Sommer praktisch, wenn ich hinaus zum Teich fahren will. Natürlich habe ich schon einige Fußtritte einstecken müssen, aber das ist eben das Lehrgeld. Im Übrigen weiß ich erst seit kurzer Zeit, welcher Rasse ich angehöre. Inzwischen ist mir das ganz klar, weil es alle wissen, alle sagen es zu mir! Nicht Dackel, Pudel, Schäfer (wie zu meinen Bekannten), sondern Streuner. Also wohlgemerkt: Ich bin ein reinrassiger Streuner! Vor kurzem hatte ich allerdings ein seltsames Erlebnis. Ich treffe einen jungen Mann, zu dem seine Freunde Christoph oder Chris sagen, und – weißt eh – Kopf schief, Augenlider auf Halbmast etc… Chris spricht sofort darauf an, nimmt mich mit. Auf dem Weg nach Hause kramt er in seiner Hosentasche, dass es klimpert, geht in ein Haus und kauft mir sogar ein Halsband und eine Leine!!! Das hatte ich überhaupt noch nie. Ist ja nicht irre bequem, aber ich war sehr stolz. Dann nahm er mich mit zu seinen Geschwistern, einer junge Dame namens Betty, ihrem jüngeren Bruder Daniel und dem kleinen Dominik. Ich fand die alle toll, am meisten Spaß schien mir aber mit der Katze möglich. Nur, als ich mit ihr spielen wollte, haben sich alle aufgeregt. Überhaupt, als ich versuchte, auf den Tisch zu springen. Da schrie Chris so laut „sofort runter da!“, dass ich erschrak, vom Sessel sprang, die Kante der Bank übersah und mit dem Kopf dagegen donnerte. Na servus, da hat mir der Schädel gebrummt. Alle haben mich gestreichelt und ich hab das einfach weggesteckt. Zur Belohnung gingen sie mit mir ein wenig an die frische Luft. Ich konnte ihnen ja nicht erklären, dass „frische Luft“ für mich keine Sensation war. Zuerst hat mich Betty an der Leine geführt, dann wollten die Buben mit mir! Also liefen wir, ich an der blöden Leine, aber trotzdem lustig. Zunächst mit den größeren Buben hin und her, die waren ganz schön schnell. Dann wollte der ganz Kleine. „Büüüüddde, darf ich ihn auch halten?“, bettelte Dominik. Betty versuchte, das abzuwehren, aber sie gab schließlich in schwesterlicher Liebe nach. Kurz und gut: Abwechselnd zogen die Buben an meiner Leine, bis es mir zu blöd wurde. Denn geschickt war ich ja. Und ehe sie es sich versahen, hatte ich den Kopf aus dem Halsband gezogen, das zum Glück nicht eng genug angezogen war. Jetzt wollte ich ihnen zeigen, was laufen heißt. Ich schoss in Richtung Hauptstraße, worauf meine Begleiter hysterisch reagierten, schrien, mir nachliefen und mich fangen wollten. Ich ließ sie immer ganz knapp heran und war wieder weg. Das war ein sehr lustiges Spiel, das mir viel Freude bereitete. Betty wurde aber immer aufgeregter, sodass ich mich freiwillig gefangen nehmen ließ. Nun wollten sie mich tragen, weil sie der Leine nicht mehr trauten. Sie schleppten mich zu dritt nach Hause. Ich habe das Gezerre zwar überstanden, aber der Empfang war alle andere als freundlich: „Der Streuner – wenigstens kannte er meine Rasse! – kommt mir nicht ins Haus“, schrie aufgebracht der wütende Vater, der inzwischen nach Hause gekommen war, worauf die vier mit mir wieder hinaus schlichen. Wir hatten alle fünf Tränen in den Augen. Ich stand – obwohl Streuner – wie ein begossener Pudel da. Dass ihr Vater so unfreundlich sein konnte, war für meine Freunde unerwartet gekommen. Ich hatte ja schon meine Erfahrungen und konnte das ganz gut wegstecken. Für mich würde sich ja nichts ändern. Also lief ich davon und traf in den nächsten Tagen regelmäßig „zufällig“ Betty, wenn sie aus der Schule kam, und zeigte, dass wir auch so Freunde sein konnten. Bald hatten wir ein fixes Rendezvous, aber nach einigen Tagen verspätete ich mich ein wenig, weil ich einen wunderbaren Knochen gefunden hatte. Als ich hinkam, wollte Betty gerade gehen. Da beeilte ich mich, um sie noch zu erwischen und lief schnell über die Straße. In meiner Angst, sie könnte mir davonlaufen, achtete ich entgegen meiner sonstigen Vorsicht nicht auf den Verkehr und prompt: Ich hörte die Reifen noch quietschen, dann ein Knall und alles dunkel. Als ich wieder zu mir kam, hatte ich eine dick weiß eingewickelte Pfote. Aber keine Angst, das Zeug krieg ich schon runter. Und was glaubt ihr, wer mich hinter den Ohren gekrault hat: Der alte Grantscherben, der mich zuletzt hochkant hinausgeworfen hat!


Hier eine Auflistung der Titel, die Sie im Buch erwarten:

- Vorwort
- Ouvertüre
- Besuch beim Tierarzt - Das Kennenlernen
- Der flambierte Wellensittich
- Axel
- Jó napot, Filou!
Oder warum ich ein Schnitzel jedem Salat vorziehe
- Wie man der Katze eine Pille verpasst...
- Das Fenster
- Löwenherz
- Tierarzt und Greißler
- Schnurliballi oder „Wetten, dass…“
- Der Reiz der Mülltonne
- Die Delle
- Der Bordellterrier
- Das Landei
- Sam und die Vorhänge
- Vorausdenken
- Lady im Loch
- Affengeil
- Balzende Affen
- Die verwirrten Elefanten
- Pferd, hinterlistiges
- Der kollektive Mäuseselbstmord
- Die Alarmanlage
- Freddi, der Streuner
- Merlin, der Junkie
- Achill
- Die wundersame Auferstehung
- Das Schlitzohr
- Die Geldwäscherei
- Der Kaisermantel
- Zahnlos in Kierling

- EPILOG



Autor und Autorin:




Prof. Dr. Gerhard Hager





1942 in Wien geboren, hat schon als Höchstrichter und später als Mitglied des Europäischen Parlaments immer wieder zwischen dem Verfassen von Sachbüchern zur Entspannung zur belletristischen Feder gegriffen. „Heiteres vom Höchstgericht“, MANZ 1995, „Wie bring ich meinen Mann ins Grab“, ÖGV 2000, „Am Brunnen weit vom Tore“, Edition Fischer 2003, ein Beitrag zu „Wenn’s Recht kocht“, Manz 2003 und zuletzt „ Ernstes & Unernstes rund um das Europäische Parlament“, ÖGV 2004, waren die Folge. Gereizt durch den vom sehr verehrten Konrad Lorenz erhobenen Vorwurf, es schrieben Leute über Tiere, die davon nichts verstünden, und durch die Behauptung Kishons, die besten Tiergeschichten geschrieben zu haben, wollte er nun nachweisen, dass auch trockene Juristen Zugang zu tierischem Humor haben. Allerdings gestützt auf die reiche berufliche Erfahrung von

MagMag. Susanna Stoll-Weber





1966 in Wien geboren, Landflucht im Vorschulalter, verbunden mit der Entdeckung, dass alles Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde liegt. In der Folge wird das Leben geprägt von Sport und Tieren. Zunächst denkt klein Susanna (Sternzeichen Fisch), schwimmen zu müssen und nimmt das Training auf. Daneben auf hohem Niveau Volleyball und Skirennlauf. Schließlich wieder nach Wien zum Lehramts(Sport)- und Biologiestudium. Mit 23 schon Unterricht an einer Handelsakademie und daneben Studium an der VetMed in Wien. Deswegen die zwei „Mag.“! Neben dem Schuldienst Praxis bei Tierärzten und schließlich 1999 Übernahme der Tierambulanz in Kierling mit zusätzlicher Akupunkturausbildung. Neben der beruflichen Erfahrung als Veterinärmedizinerin selbst Herrin (Frauchen) über (von) 2 Hunden und 2 Katzen.

Impressum

Texte: Copyright an Text und Bild: Prof. Dr. Gerhard Hager Wien, April 2011
Tag der Veröffentlichung: 16.04.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet meiner unersetzlichen Parson-Russell Terrierin, Yara.

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