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Kapitel 1 – Hohes Gras

 

Sollte er das Gras nicht mähen? Stattdessen lag er seit zehn Minuten darin und streckte die Arme von sich. Seine leichte Atembewegung verriet Claudia, dass wahrscheinlich alles in Ordnung war. Manchmal bewegte er seine Finger leicht, doch er blickte lieber nach oben, anstatt sich zur Seite zu drehen. Womöglich genau so, dass er direkt in ihre Augen blicken konnte. Soweit sie das wusste, war der Sohn ihrer Nachbarin 20 oder 21 und studierte. Er bevorzugte es wohl noch länger, bei seiner Mutter zu wohnen anstatt in einer WG.

 

Seine Oberarme waren ziemlich kräftig, auf seine Bauchmuskeln gewährte sein T-Shirt hingegen nur wenige Einblicke. Immerhin hatte er es nicht in der Hose, und die kleine freie Stelle ließ bereits viel erkennen. Manchmal lief er mit nacktem Oberkörper im Garten herum, durch die Hecke sah sie jedoch nicht allzu viel. Von dieser Position durch das Fenster wäre es perfekt gewesen. Vielleicht lockte es ihn doch noch dazu.

 

Wurde der Rasen der Nachbarn länger nicht gemäht, zeigten sich darin auch so mancher Löwenzahn und zahlreiche Gänseblümchen. In einem bestimmten Bereich war es diese rote Sorte, als ob sie … ihr den Weg zu ihm wiesen. Zu einem fast 20 Jahre jüngeren Typen – klar. Obwohl, wie lange war es her, seit sie sich nach ihrer Scheidung wieder einmal mit einem Mann getroffen hatte? War es nicht seltsam, dass sie bereits seit über einem Jahr hier wohnte, und sich noch nie wirklich mit ihm unterhalten hatte? Was sie wusste, bestand hauptsächlich aus mitgehörtem Tratsch aus der Nachbarschaft. So wie sie ihre Nachbarin kannte, seine Mutter, kehrte sie erst am frühen Abend zurück. Warum also nicht?

 

Sie überlegte noch, ob das knappe Sommerkleid angemessen war, und ob sie wirklich hinübergehen und sich an der Gartentür bemerkbar machen sollte. Was sollte sie zu ihm sagen, vielleicht „Oh, guten Tag junger Mann, ich wollte nur einmal kurz vorbeischauen“? Das wäre ohnehin zu altbacken gewesen. Oder gleich „Ich finde, deine Bauchmuskeln sehen wirklich gut aus. Ich würde sie gern einmal aus der Nähe sehen, darf ich?“. Sie spürte … eine gewisse Anspannung bei sich, als sich ihre Hand im Gedanken unter sein T-Shirt bewegte.

 

Auf einmal drehte er sich zur Seite, musste seine Augen nicht mehr vor dem grellen Sonnenlicht schützen – und sie hatte Blickkontakt mit ihm. Womöglich wusste er die ganze Zeit, dass sie ihn vom Fenster aus beobachtete. Sie durfte doch in ihren eigenen Garten sehen, oder? Nur weil die Hecke zum benachbarten gerade frisch zurückgeschnitten war …

 

Er wandte seinen Blick sofort ab, um ihn langsam wieder in ihre Richtung wandern zu lassen. Ein vorsichtiges Lächeln schaffte es über seine Lippen – und über ihre ebenfalls. Dieses enge Gefühl in ihrem Hals lies langsam nach, als sie andeutete, hinübergehen zu wollen. Sie war doch bereits einige Male dort gewesen und hatte mit ihrer Nachbarin getratscht – und? In seinem Gesicht glaubte sie eine vorsichtige Zustimmung oder Gleichgültigkeit zu bemerken – und sie machte sich auf den Weg.

 

__

 

„Oh, guten Tag, Frau …“, begrüßte er sie und schritt auf die niedrige Gartentür zu. Er wurde leiser und verstummte bei ihrem Anblick. Ob sie doch etwas zu luftig gekleidet war? Verstecken musste sie kaum etwas, und sie war noch eher schlanker als er. Das lag wohl an seiner durchaus ansehnlichen Muskelmasse, die sich nun aus zwei Metern Entfernung offenbarte. Erneut wandte er den Blick in Richtung Boden ab. So schüchtern? Wie schaffte er es dann

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Bildmaterialien: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 02.03.2017
ISBN: 978-3-7438-0045-8

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