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Prolog

Die Pflastersteine unter meinen nackten Füßen waren kalt und ließen mich frösteln. Bedrückende Kälte kroch langsam meinen Körper hinauf, während jede Zelle in ihm, sich dagegen sträubte weiterzugehen. Alles in mir schrie, mich zu verstecken und irgendwo Schutz zu suchen, doch stattdessen wagte ich mich weiter die verlassene Straße entlang. Vorbei an den teuren Boutiquen, in denen ich noch nie gewesen bin geschweigedenn etwas eingekauft hätte. Die nächste gelbleuchtende Straßenlaterne kam allmählich näher und verlieh mir ein Gefühl von Sicherheit. Doch diese lllusion währte nicht lange, denn plötzlich nahm ich ein Knacken hinter mir wahr. Erschrocken fuhr ich herum. Meine Muskeln waren angespannt, mein Körper bereit nach hinten wegzustürzen oder wenn es sein musste, einen Nahkampf standzuhalten. Doch meine Augen, die sich schon lange an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnten nichts außergewöhnliches erspähen. Keinen unheimlichen Schatten und auch keines dieser grässlichen Wesen, dessen entsetzenden Klagelaute mich jedes mal vor Panik lähmten. Nichts und Niemand befand sich auf der spärlich beleuchteten Straße, die sich einige Kilometer weiter in einer Kurve aufzulösen schien. Langsam drehte ich mich wieder um, während jede Zelle meine Körpers Alarm schlug und mich zu betäuben drohte. Mein Blick blieb an einem Schaufenster hängen. Nicht das wunderschöne Brautkleid, das sich hinter der dicken Glasscheibe verbarg, ließ mich Inne halten, sondern das Abbild, das sich in dem Schaufenster spiegelte. Ein kalter Schauder schlich meinen Rücken hinab und hinterließ eine Gänsehaut. Mechanisch ging ich einige Schritte auf das Geschäft zu, bis ich jeden Gesichtszug meines Spiegelbildes, das mir rätselhaft fremd vor kam, ins kleinste Detail hätte nachzeichnen können. Meine Fingerspitzen berührten ungläubig die hohen Wangenknochen, über die sich meine bleiche Haut spannte, während ich um meine Nase helle Sommersprossen ausmachen konnte. Meine leeren Augen, die von Tränen und von der Angst rotunterlaufen waren, hatten jegliches Leben, das sie jemals besaßen, verloren.Hätte mir jemand gesagt, es würde so grausam werden, hätte ich diesen Horror zu verhindern gewusst. Hätte mir nur jemand gesagt, ich könnte sie verlieren. Sie alle... Mein Blick wanderte hasserfüllt über meine Schultern, über die die breiten Träger des Kleides lagen, und über meine dunklen Haare, deren Locken verklebt über meinen Ausschnitt hingen. Die kalten Finger meiner Hand fühlten nach der klebrigen Flüssigkeit in meinem Haar und ich bemerkte gleichzeitig erschrocken den großen Fleck, der sich auf dem spitzenüberzogenen schwarzen Kleid gebildet hatte. Die rote klebrige Flüssigkeit an meinen Händen glitzerte widerwärtig in  dem Schein, der Straßenlaterne hinter mir. Die Tränen, die ich zuvor zurückgedrängt hatte, fanden nun wieder ihren Weg und schnürten meine Kehle zu.                                                                Das war ihr Blut. Ihr Schmerz und ihr Leiden haftete an meinen Händen. Ich war Schuld, ich alleine hätte sie alle retten können. Und ich habe es nicht getan...                                                                       Wütend blitzte das kalte Strahlen, der blau-grünen Augen meines Spiegelbildes, derweilen ihr bittere Tränen die Wangen hinab rannen. Ich wollte schreien, doch meine Kehle war so ausgedörrt, wie eine Grashalm in der Wüste. Meine Hände wollten die blauschimmernden Flügel, die hinter meinen Schultern majestätisch aufschlugen, niederreißen und sie zerstören. Ich wollte sie nicht.                                                           Die Schwingen, die zu einem unnatürlichen mystischen Wesen gehörten, schimmerten wie Mosaiksteine in verschiedenen Blautönen und ekelten mich an, je mehr ich sie betrachtete. Das Saphirblau ging über in Türkis, das sich mit einem Himmelblau zuvermischen schien und....Ich verabscheute es.                                   Meine Beine zitterten vor Wut und ich spürte benommen, wie sie einknickten. Ich hörte das Krachen meiner Kniescheiben, wie sie hart auf das kalte Pflaster aufschlugen, doch ich hatte keine Kraft mehr aufzuheulen. Die Abscheu, die zweifellos und gegenstandslos meiner selbst galt, raubte mir meine letzte Kraft...

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Tag der Veröffentlichung: 15.03.2013

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