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Abschied fällt immer schwer...

 

Meine Geschichte beginnt, als ich gerade einmal sieben Jahre alt war. Es war Winter, dicke Schneeflocken fielen sanft vom Himmel herunter und schmolzen auf meiner Zunge. Sie waren geschmackslos und dennoch war ich fasziniert von jeder einzelnen Flocke. Sie waren alle so verschieden, keine Schneeflocke glich einer anderen. Sie waren alle etwas besonderes, etwas Einzigartiges. Trotz der mehrfach angedrohten Strafen die ich bekommen würde, wenn ich das Haus verließe, hatte ich einfach nicht drinnen bleiben können. Ich musste raus und diese wundervolle Pracht genießen. Adrian würde sicherlich verärgert sein, wenn er mich hier draußen erwischte. Er war zwar nicht mein Vater, aber er war der Mann, der mich bei einem solchen Wetter vor zwei Jahren im Schnee gefunden hatte. Mir war nicht kalt gewesen, ich hatte mich in meinem Bett aus Schnee sehr wohl gefühlt und war bereits im Begriff gewesen einzuschlafen, da hatte ich seine Hände gespürt, die sich schützend um mich legten. Seit dem, hatten mich seine Hände im geiste nie wieder losgelassen und beschützen mich auch heute noch. ,,Milla, du darfstt doch nicht draußen sein", rief mir Darius von unserer kleinen Holzhütte zu. Er war nur ein Stück größer als ich, besaß weißes, kurzes Haar und trug - wie schon so oft- nur eine Boxershorts. Wir lebten fern ab von der Stadt auf einem kleinen Hügel im Wald und dennoch hatten wir mehr als genug Geräusche und Personen um uns herum. Wir waren nie alleine, denn wir hatten Adrian und Adrian hatte mich und Darius. Darius war zwar nur drei Jahre älter als ich, aber tat immer so, als wäre er bereits erwachsen und ich noch ein kleines Kind, auf das aufgepasst werden musste. Er war ebenfalls eine art Adoptivkind von Adrian und somit auch etwas ganz besonderes. Allerdings nicht ganz so besonders, wie ich. Darius war als Kind zu einem Vampir gewandelt worden. Er konnte sich lediglich noch daran erinnern, wie er in einer dunklen Seitenstraße aufgewacht war und plötzlich den Drang verspürte anderen die Kehle aufzubeissen. Bei mir hingegen, war es etwas anderes. Ich erinnerte mich an jedes einzelne Detail und dennoch war ich kein Vampir. Man könnte sagen, die Wandlung war bei mir nicht abgeschlossen worden. Niemals werde ich diese bernsteinfarbenen Augen vergessen, die mich im Dunkeln der Nacht anfunkelten wie zwei Scheinwerfer. Sein Haar war so schwarz wie der Himmel gewesen, seine Stimme so tief und von Macht erfüllt, das mein Körper erzitterte. Er war vor mir in die Hocke gegangen, hatte mir einmal über den Kopf gestrichen und mich dann in seine Arme geschlossen. Dieser Moment hatte mich verwirrt und geängstigt. Niemand, erst recht keiner mit solchen Augen, der so edel gekleidet war, nahm ein dreckiges Straßenkind in die Arme. Dann spürte ich auch schon seine Zähne in meinem Hals und schrie vor Schmerz auf. Der Schrei war lautlos, als hätte dieser Mann meine Stimme gestohlen. Ich spürte wie Hitze durch meinen Körper schoss und dann wurde alles in meinem Blickfeld von einem dunkelroten Schleier verhüllt. Mein Körper wollte mir nicht mehr gehorchen und mein Gehirn schien ein einziger Brei zu sein. In diesem Moment, ließ der Mann von mir ab, hob mein Kinn hoch und tropfte mir etwas in den offenen Mund, bevor er bereits im nächsten Moment von etwas zur Seite gerissen wurde. Ich fiel mit ihm zu Boden. Noch ehe ich wusste, was genau ich da eigentlich tat, war ich bereits aufgestanden und lief so schnell ich konnte davon. Seit diesem Tag, war ich anders, nahm alles deutlicher wahr, war stärker und schneller und hatte dazu auch noch psychische Kräfte. Meine Kräfte äußerten sich in einer eigenartigen Art und Weise, die selbst Adrian bisslang noch fremd gewesen war. Er war ein Vampir, einer wie Darius, ein vollständig gewandeltes Wesen der Nacht. Ich konnte Dinge mit bloßer Gedankenkraft bewegen, Menschen und Gegenstände einfach schweben lassen, wenn ich diese konzentriert ansah und es mir im Kopf bildlich vorstellte. Eine weitere, sonderbare Gabe war die, dass ich eine art mini Druckwelle von mir ausgehen lassen konnte. Das erste mal, hatte ich diese bei Adrian angewandt, allerdings unbeabsichtigt. Er hatte mir für mein ungehorsam zum ersten mal eine Ohrfeige verpasst und ich hatte einfach nur noch weggewollt. Als ich meine tränenerfüllten Augen geöffnet hatte, war Adrian an die Wand vor mir gepresst worden und fiel in dem Moment herunter, als ich mir bewusst wurde, das ich es gewesen war, die ihn dort hingedrückt hatte. ,,Jetzt komm endich rein Milla!", sagte Darius, zerrte an meinem Pulloverärmel und riss mich aus meiner Gedankenversunkenheit heraus. ,,Ja doch", murrte ich und lief mit ihm zurück zur Hütte. Adrian würde bald heimkehren, er war in die Stadt gegangen, um einige Einkäufe zu tätigen und nun bald schon zwei Stunden unterwegs. Ich setzte mich vor den Kamin um meine kalten Hände zu wärmen und streckte Darius die Zunge heraus. ,,Ich bin noch rechtzeitig drinnen." ,,Rechtzeitig drinnen wofür ?", fragte Adrian, der im Türrahmen der Hütte lehnte und mich wütend ansah. Mir stockte einen Moment der Atem. Ich hatte ihn nicht kommen gehört und auch nicht gerochen, er war so unauffällig hier hineingelangt, dass es mich schon beinahe ängstigte. Von seinem muskulösen, aber dennoch sportlichen Körper ging immerzu eine unglaubliche Selbstsicherheit und Stärke aus, die schon so manchen Vampir in die Knie gezwungen hatte. Sein platinblondes Haar stand ihn in leichten Wirbeln von Kopf ab und verdeckte eines seiner stahlgrauen Augen. ,,Du solltest doch nicht rausgehen", sagte er so ruhig, als würde er mit mir über das Wetter plaudern. Ich konnte seine Wut spüren und schluckte schwer. Mit geschlossenen Augen ließ ich die Ohrfeige die er mir verpasste über mich ergehen. ,,Ich mach mir doch nur sorgen um dich Milla", sagte er ruhiger und zog mich in seine Arme. Er hatte mir einmal gesagt, dass er es hasste uns zu bestrafen und ich glaubte ihm auch, dass es ihm leidtat. ,,Zieht euch etwas warmes an, ihr beiden. In fünf Minuten gehen wir los." Adrian ließ von mir ab und ging zurück richtung Tür. ,,Wohin denn?", fragte Darius neugierig. ,,Werdet ihr sehen, wenn wir da sind", antwortete Adrian kühl. Ich holte meine Jacke aus unserem gemeinsamen Schlafzimmer und zog sie ann, Darius tat es mir gleich und da wir bis eben noch draußen gewesen waren, hatten wir unsere Schuhe noch an. Adrian ging voran und Darius und ich versuchten mit seinem Tempo mitzuhalten. Nach gut einer halben Stunde standen wir vor einem der höchsten Gebäude der Stadt. Bisher hatte ich mich noch nie gefragt, was sich eigentlich in diesem befand, aber die Tatsache das Adrian genau hier stoppte, ließ meine Neugier wachsen. Das Gebäude war ein altes Herrenhaus, mit schmuckvollen Verzierungen an der Außenfassade in einem ausgeblichenen Rotton. Es gab mehrere Balkone und mindestens drei Stockwerke. Über der Tür befand sich ein Symbol, das ein geöffnetes Auge darstellte. Die Pupille des Auges wurde von einem kostbar aussehenden, lilafarbenen Stein eingenommen. Adrian öffnete eine der beiden schwarzen Flügeltüren und betrat das Gebäude. Bereits jetzt schlugen mir dutzende Gerüche entgegen, darunter befanden sich unter anderem der von Vampiren, Alkohol und Zigarettengestank. Darius folgte Adrian und auch ich traute mich nun zögernd einzutreten. Die Gerüche im Raum wurden jetzt nur noch von dem Lärmpegel im Innern übertroffen. Wie war es möglich gewesen, so einen Geräuschetumult nicht schon draußen zu hören ? Der Raum war voll von Menschen, die an Tischen saßen und Alkohol tranken, während sie sich lachend unterhielten. Jedoch wurde die Menge schlagartig leiser und verstummte dann fast ganz. Alle Blicke waren auf mich gerichtet. Dutzende Vampiraugenpaare starrten mich leicht überrascht, leicht entsetzt an. Dann sah ich ihn. Er saß an einem Bartresen, ein Weinglas in der Hand und drehte sich exakt in dem Moment um, indem ich ihn bemerkte. Der Mann, der mich zu dem gemacht hatte, was ich war. Der Mann mit den Bernsteinfarbenen Augen. Binnen Sekunden war ich durch den Raum zu Adrian gerannt, der sich ein Stück weiter an den Tresen begeben hatte und sich gerade mit dem Barmann unterhielt. Ich zuppfte an seiner Jeanshose und sah flehend zu ihm hoch. ,,Einen Moment kleine", sagte dieser einfach nur ohne mich anzusehen. Panik stieg in mir hoch und ich hatte plötzlich das dringende Bedürfnis einfach wegzulaufen. Jemand packte mich an der Kapuze meiner Jacke und zog mich in die Höhe. Als ich in bernsteinfarbene Augen blickte, schien mein Herz einen Moment lang still zu stehen. Im nächsten Moment reagierte meine Vampirhälfte und mit einer enormen Wucht wurde der Vampir durch die Seitenwand des Hauses nach draußen geschleudert. Ich fiel zu Boden und drehte mich aus Reflex sofort zu Adrian herum. Jetzt galten erst recht alle Blicke mir. ,,Was sollte das?!", fragte er erbost und packte mich am Handgelenk. Ich spürte wie Tränen meine Augen füllten und meine Kehle ganz trocken wurde. ,,Sie hat sich nur gewehrt, Adrian", erklang plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich musste mich nicht erst umdrehen, um zu wissen, dass es der Mann mit den bernsteinfarbenen Augen war. Adrian zog mich auf die Beine und blickte dann zu den Vampiren an ihren Tischen. Stille. Noch nie hatte ich eine solche angespannte Stille erlebt. Mir kam es so vor, als könnte man die Luft schon mit einem Messer schneiden, so dick war diese. Adrian drehte sich erneut zum Barmann und die Stille ebbte langsam wieder ab. Ich konnte nicht verstehen, was sie redeten, nicht etwa, weil sie zu leise redeten, sondern weil sie in einer anderen Sprache kommunizierten. Noch immer wagte ich es nicht mich umzudrehen und stand einfach nur still da. Darius saß an einem der Tische mit den Vampiren und bekam gerade einen Saft eingegossen. Es schien nicht das erste Mal zu sein, dass er hier war. Vielleicht war Adrian schon mit ihm hier gewesen, bevor er mich gefunden hatte. ,,Wärst du nicht damals weggelaufen, hättest du ein Leben in wohlstand haben können. Als Vampir, als meine Schülerin", hallte es in meinen Gedanken und ich wusste sofort, dass der Mann hinter mir in meinen Kopf eindrang. Wäre ich damals nicht weggelaufen, wäre ich auch niemals Adrian begegnet und Darius auch nicht. Dann wäre ich nicht an diesem Ort. Ein Vampir wollte ich nicht sein, wollte ich nie, aber das durfte ich mir anscheinend nicht aussuchen. Adrian beendete das Gespräch, winkte Darius zu sich und zog mich am Ärmel zu sich heran. ,,Also ihr beiden. Ich muss für zwei Wochen verreisen. Es geht um einen Auftrag von einem guten Freund. In dieser Zeit, werdet ihr beiden hier leben, schlafen und essen. Joshua", er deutete auf den Barmann ,,wird sich darum kümmern, dass es euch an nichts mangelt. Ich will nicht, dass ihr alleine seid, während ich fort bin. Seid brav und haltet euch an die Regeln, die euch gegeben werden." Er gab jedem von uns einen Kuss auf die Stirn und war dann verschwunden. Nicht verschwunden im Sinne von einfach gegangen, sondern verschwunden im Sinne von "puff" und einfach weg. Ich schaute zu Darius, der mit einem ebenso entsetzen Gesichtsausdruck da stand, dann sah ich zu Joshua. ,,Für den Schaden an der Wand wirst du noch aufkommen, Kleine. Du kannst mit Gläser spülen anfangen." Mein Blick glitt zur Wand, dann wieder zu dem glatzköpfigen Barmann, der das vollkommen ernst zu meinen schien. Erst jetzt bemerkte ich, dass der Mann mit den bernsteinaugen nicht mehr hinter mir stand. Ich trat zu Joshua hinter die Bartheke, beugte mich kurz vor und murmelte eine Entschuldigung. Auch wenn ich ein Straßenkind gewesen war, an manieren mangelte es mir nicht, was vor allem auch an Adrians erziehung lag. Darius kam zu mir hinter die Theke. ,,Wieso hast du den Mann da eben durch die Wand gedrückt ?", fragte er neugierig. Ich flüsterte ihm aus reiner Vorsicht den Grund ins Ohr und beobachtete danach, wie seine Augen sich weiteten. ,,Joshua? Der Mann, der da eben durch die Wand geflogen ist, dass ist doch Clay West oder ? Einer der besten Kopfgeldjäger?" Erschrocken blickte ich zu Darius, dessen Wissen mich verwunderte. ,,Ganz recht, Darius." Ich schluckte hörbar, lugte kurz hinter der hohen Theke hervor und versuchte den Vampir im Raum zu erspähen. ,,Suchst du nach jemand bestimmten ?", erklang plötzlich diese schneidende Stimme hinter mir und noch ehe ich mich hätte umdrehen können, hatte mich der Vampir bereits über die Theke ans Ende des Raumes geschleudert. Ich prallte hart mit dem Kopf gegen die Wand, bevor ich zu Boden ging und mir den schmerzenden Hinterkopf hielt. Erneut kehrte Stille im Raum ein. Tränen brannten in meinen Augen, als ich erst zu Joshua und dann zu meinem "Schöpfer" blickte. Binnen Sekunden stand dieser bereits wieder vor mir und packte mich an meinen kurzen, schwarzen Haaren. Ich schrie auf und brüllte, er solle mich loslassen. ,,Du wirst mit mir kommen. Ich habe dich halb gewandelt, also bin ich dein Meister, Somit hast du mir zu gehorchen." Niemand sagte etwas und so nahm er mich mit sich. Das Training, dass er dann mit mir vollzog war hart und kraftaufwendig. Als Adrian auch nach vier Wochen noch nicht heim kehrte, machten sich die ersten auf die Suche nach ihm, unter ihnen auch Clay. Das einzige, was sie noch von ihm fanden, war ein Häufchen Asche und eine Spieluhr gewesen, die er immer abgespielt hatte, wenn wir ins Bett gingen. Sein Tod trieb mich dazu das Training mit Clay fortzuführen um stärker zu werden. Von diesem Tag an war es nicht nur mein Ziel, den Mörder Adrians zu finden, auch Darius ging bei einem Vampir in die Lehre. Gemeinsam würden wir Rache üben und niemand würde uns jemals davon abbringen können, so dachten wir zumindestens....

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Tag der Veröffentlichung: 23.05.2013

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