Weißt du, was das letzte war, was ich sah, als ich zu Boden ging?
Es war dein Gesicht.
Deine sinnlichen roten Lippen.
Deine Augen, die so blau waren wie das eisige Wasser, in dem ich zu ertrinken drohte.
Und deine schokoladenbraunen Locken, die sich immer so sanft um dein Gesicht schmiegten.
Soll ich dir verraten, was das letzte war, was ich roch?
Honig, den Duft, den ich immer so sehr mochte, wenn du in meinen Armen lagst und deine Haare meine Nase streiften.
Mir wurde kalt und das Atmen fiel mir immer schwerer.
Wenigstens, so dachte ich, würde ich sterben mit der Gewissheit, die Frau meines Lebens getroffen zu haben.
Doch so leicht wollte ich dich nicht aufgeben.
Nicht jetzt. Nicht hier. Und auch nicht so.
Ich bat Gott darum, mir beizustehen, mich hier irgendwie heraus zu holen, nur um dich noch einmal zu sehen oder dich in meinen Armen zu spüren.
Das Wetter hatte mal wieder umgeschlagen. Der Wind wehte nun heftiger und es fing an zu Nieseln. In den letzten Wochen passierte dies häufiger, als sonst. Ein Sturm schien sich irgendwo zusammen zu brauen. Ich packte meinen Block und den Stift wieder in meine Umhängetasche. Mit einer schnellen Bewegung stand ich auf meinen Füßen und zupfte mein Kleid zurecht. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus.
Noch ein letztes Mal drehte ich mich zum Meer um und verließ den Steg schnellen Schrittes. Ich kam seit Jahren immer wieder hier her. Es war der perfekte Platz zum Zeichnen. Hier konnte ich eins werden mit meinem Block. Doch seitdem das Wetter immer wieder so schlecht wurde, blieb kaum Zeit um sich richtig in ein Szenario hinein zu denken.
Keine fünfzehn Minuten trennten mich vom Meer und dennoch, war es nie voll an diesem Platz. Ich öffnete die kleine Haustür und betrat mein kleines Reich. Es war nicht groß, aber für eine Person vollkommen ausreichend. Hier war alles was man brauchte. Ich war mit achtzehn, also vor fünf Jahren, von zuhause ausgezogen. So leicht war es nicht, plötzlich alleine auf den Füßen zu stehen. Denn meine Eltern, waren eher der Auffassung, das ich mir einen Mann suchen und Hausfrau sein sollte. Aber das waren nicht meine Vorstellungen vom Leben. Doch nun hatte ich es geschafft. Ich hatte mein kleines Haus und meine Arbeit, als Krankenschwester, was wollte ich mehr?
Mein Kater Saim kam angelaufen und miaute laut.
"Hast du Hunger?", fragte ich und ging in Richtung Küche.
Saim kam mir hinter her gelaufen und schnurrte um meine Beine. Ich füllte seine Schüsseln mit Milch und etwas Futter und schon war er zufrieden.
Ich ließ mich auf mein Sofa nieder und stieß geräuschvoll Luft aus. Meine Augen schlossen sich und ich lauschte einfach nur. Ich vernahm das Schnurren von Saim, sein Schmatzen und... Ich öffnete meine Augen wieder und stand vom Sofa auf. Meine Füße bewegten sich Richtung Tür und meine Hände öffneten diese. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen. Ich hatte richtig gehört. Soldaten, haufenweise Soldaten die, die Hauptstraße langgingen. Na gut einige fuhren. Leider war unser Leben hier nicht so einfach. Krieg, lag seit einiger Zeit über uns. Immer wieder fielen Bomben oder man vernahm Schüsse. Da war es kein Wunder, das nun die US Army ihre Truppen hier her sandte. Einige Männer drehten ihre Köpfe, da auch meine Nachbarn aus ihren Türen sahen. Ein paar Augen blieben an mir kleben und Pfiffe waren zu hören. Ich spürte wie mir Wärme in den Kopf schoss und ich rot wurde. Schnell verzog ich mich wieder ins Haus und schloss die Tür.
"Oh Gott, wie peinlich...", murmelte ich.
Mein Telefon klingelte und ich ging ran.
"Hallo?"
"Hey Jane, alles klar bei dir?"
Ich lächelte, es war meine beste Freundin Evelyn. Sie arbeitete auch in dem Hospital.
"Ja, alles okay. Wie war die Arbeit?", wollte ich wissen, denn ich hatte mir heute frei genommen.
"Alles wie immer. Ziemlich ruhig gewesen. Sag mal hast du nachher schon was vor?"
"Ähm nein, wieso?"
"Kommst du mit ins ins Rock'n'Roll? Wir wollten heute alle bisschen feiern."
"Was wollen wir denn feiern?", hakte ich nach.
"Na ja..."
Sie fing an zu stocken. Irgendwas war im Busch.
"Ja?"
"Peter hat mir einen Antrag gemacht!", quietschte sie los.
"Oh mein Gott! Wie schön! Ich freu mich ja so für euch!", sagte ich grinsend.
Wenigstens eine, der das Glück vor der Nase herum schwebte. Mit Männern hatte ich noch nicht die großen Erfahrungen gemacht. Da gab es einen, Andrew, er war damals meine High School Liebe, aber natürlich nur heimlich. Ich wäre nie auf die Idee gekommen ihn anzusprechen, wenn dann sollte er mich ansprechen.
"Na dann bis nachher!", fügte ich noch schnell hinzu und legte auf.
Meine Haare ließ ich in dichten Wellen offen herab fallen. Meine kleine Schwester Meredith war immer etwas neidisch gewesen, als sie klein war. Meine Lippen betonte ich noch einmal mit rotem Lippenstift. Mein schwarzes Kleid schmiegte sich eng an mich und an der Taille wurde es etwas ausgestellter.
"Du bleibst schön brav und passt auf", sagte ich zu Saim und der senkte wieder den Kopf und rollte sich zusammen.
Die Musik dröhnte schon aus der Bar und es standen ein Haufen mir unbekannter Männer davor. Das waren hundertprozentig die Männer der Army. Ich sah Trisha und ging auf sie zu.
"Hey!", rief ich und sie umarmte mich.
"Hey, dann können wir ja jetzt rein. Ich hab hier auf dich gewartet", sagte sie grinsend.
"Wohl eher die Männer beobachtet", sagte ich schelmisch und wir lachten.
Drinnen war es noch voller. Hätten die sich nicht eine andere Bar aussuchen können? Wir gingen auf den Tisch zu, wo schon Peter, Evelyn und andere Freunde von uns saßen. Auf den Weg dahin mussten wir uns durch die Männermassen quetschen und wurden förmlich mit Blicken ausgezogen. Ich umarmte Evelyn fest. Ihre rotbraunen Locken fielen mir ins Gesicht und ich hatte wieder den Geruch von Jasmin in der Nase.
"Ich freu mich ja so für euch", sagte ich an Peter gewandt, der mir nur einen Handkuss gab.
"Ich bin erleichtert das sie ja gesagt hat!", meinte er.
Ich ließ mich neben Evelyn nieder und sie fing auf mein Bitten dann an zu erzählen wie er sie gefragt hatte. Ein paar Augen stachen mir entgegen, als ich meinen Blick durch den Raum gleiten ließ. Sie waren so hell wie das Meer und sie gehörten zu einem der Soldaten. Ich sah ihn kurze Zeit genauso fasziniert an, wie er mich. Seine Haare waren etwas dunkler, aber so richtig konnte ich das in dem Licht eh nicht erkennen. Er trug dunkle Kleidung mit ein Paar Abzeichen. Ein verschmitztes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und ich wandte sofort den Blick ab. Was war das denn gerade? Wieso war ich eben so gefesselt von ihm? Mein Herz schlug etwas zu schnell. Wie konnte das sein?
"Jane!"
Ich sah Evelyn mit großen Augen an.
"Sag mal hörst du mir überhaupt zu?", fragte sie.
Ich nickte leicht und sah kurz wieder zu dem Mann. Anscheinend folgte sie meinem Blick.
"Der sieht gar nicht so schlecht aus", meinte sie.
"Wen meinst du?", fragte ich und sah sie an.
"Den Mann den du da ansiehst!"
Wärme schoss mir wieder in den Kopf. War das so offensichtlich?
"Du sollst dich trauen", fügte nun Trisha hinzu und ich sah sie Kopf schüttelnd an.
"Niemals. Dafür bin ich viel zu schüchtern, das wisst ihr doch..."
Trisha presste die Lippen aufeinander.
"Und außerdem wäre er sowieso bald wieder weg."
Damit war das Thema abgehakt für mich und die beiden bohrten nicht noch weiter nach.
Es spielte ein Song von irgend so einer Rockband die Trisha so toll fand und sierastete vollkommen aus. Ich verabschiedete mich von allen, denn ich hatte morgen Frühdienst und musst früh aufstehen. Ich schlängelte mich durch die Bar hindurch zum Ausgang und verließ das Getümmel. Die kalte Luft strömte mir entgegen. Es hatte sich ganz schön abgekühlt. Mir fiel auf, das meine Strickjacke bei Trisha war. Ich hatte sie ihr gegeben, als sie kurz draußen war. Ich sah wieder zur Bar. Rein wollte ich definitiv nicht noch einmal. Das hieß dann wohl im Schnelltempo nach Hause gehen.
"Ist ihnen nicht kalt?", fragte eine tiefe männliche Stimme und ich drehte mich um.
Es war der Mann aus der Bar mit den hellen Augen. Er hatte wirklich dunkelbraune kurze Haare. Von nahen war er sogar noch faszinierender, als von weiten. Er hatte ein markantes Gesicht mit hohen Wangenknochen und einer geraden Nase. Ganz zu schweigen von seinen Lippen die total perfekt aussahen. Mir fiel auf, das ich noch nicht geantwortet hatte und sah schnell woanders hin.
"Äh doch ein wenig, aber meine Freundin hat meine Jacke und ich will nicht noch einmal rein gehen", sagte ich letztendlich und versuchte entspannt zu wirken.
Er fing an zu Lächeln und Grübchen bildeten sich auf seinem Gesicht.
"Wie wärs, ich gebe ihnen meine Jacke und und sie gehen mit mir einen Kaffee trinken?", fragte er engelsgleich. So jemand konnte doch gar nicht von dieser Welt sein! Reiß dich zusammen Jane! Schmachte nicht so! Sonst denkt er nachher noch er kann alles machen! Sag ihm das du nicht kannst!
"Eigentlich muss ich morgen früh raus, weil ich Frühdienst habe..."
Er presste die Lippen aufeinander und senkte leicht den Blick.
"Aber ich würde gerne mit ihnen einen Kaffee trinken gehen."
Innerlich hätte ich mich Ohrfeigen können. Wieso machte ich es ihm so leicht?! Wieso ließ ich ihn überhaupt machen?
Er zog sein Jackett aus und hing es mir über die Schultern.
"Danke", brachte ich heraus und wir gingen die Straße entlang.
Sein Jackett roch atemberaubend - wortwörtlich! Den Geruch konnte ich nicht richtig definieren, aber er war männlich und würzig und dennoch leicht und auf eine gewisse Art und Weise süß. Er ging dicht neben mir und hatte die Hände in die Hosentaschen vergruben.
"Wieso sind sie überhaupt alleine unterwegs?", fragte er plötzlich und ich sah zu ihm auf.
"Na ja, ich wohne alleine und da ich, wie gesagt morgen Frühdienst habe", antwortete ich.
Er nickte.
"Verraten sie mir ihren Namen?", sagte er und sah mich nun an.
"Jane."
"Jane, was für ein schöner Name."
Ich lächelte und wurde automatisch rot. Zum Glück war es auf der Straße dunkler, sodass er es nicht sehen konnte.
"Verraten sie mir auch ihren Namen?"
"Oh ja, klar. Ich bin Dean."
"Wie wärs wenn wir uns hier in das Café setzen? Die haben immer lange auf und sehr gute Auswahl."
Er nickte. Was blieb ihm auch anderes übrig? Er kannte sich hier eh nicht aus. Wie ein Gentleman hielt er mir die Tür auf. Und ich nickte ihm lächelnd zu. Sowas fand man heute ja echt selten! Oder wohl eher gar nicht? Wurden diese ganzen Soldaten auf Gentleman getrimmt?
"Wo wollen sie sitzen, Jane?", fragte er und ich sah mich um.
Mein Lieblingsplatz war frei. Er bestand aus gemütlichen Stühlen und einem kleinen Tisch etwas weiter hinten im Laden. Man war etwas abgeschottet und dennoch bekam man viel mit, denn ein großes Fenster ließ einen alles sehen.
Ich bedeutete ihm mir zu folgen und er tat es. Wir setzten uns und kurze Zeit sahen wir uns einfach nur an. Ich wusste in dem Moment nicht was ich sagen sollte. Niemand würde mir glauben das ich, ich wiederhole ICH, mit einem Mann "ausgehen" würde, weil ich das noch nie getan hatte.
Miranda, eine gute Bekannte brachte uns die Karten. Ich kannte sie seit ich zum ersten Mal vor fünf Jahren hier war. Erst sah sie mich an und lächelte, dann sah sie Dean an und wieder zu mir. Ihre grünen Augen weiteten sich und ihre Augenbrauen hüpften. Sie legte uns die Karten hin und wir bedankten uns.
"Würden sie mir...", setzte er an, doch ich stoppte ihn.
"Bitte duzen sie mich", bat ich, denn wenn er mich immer mit sie ansprach kam ich mir vor wie vierzig.
Er stockte kurz den Atem und lächelte dann.
"Okay, aber nur, wenn du es auch tust!"
"Für mich kein Problem, Dean!", sagte ich lächelnd.
Wieso war es jetzt kein Problem für mich so offen zu lächeln? Sonst war ich doch auch nicht so. Ich sah kurz in die Karte. Eigentlich kannte ich sie schon auswendig und ich würde sowieso einen Cappuccino nehmen, aber ich hoffte immer das mal neue Kreationen auf die Karte kommen würden.
"Weißt du schon was du nimmst?", fragte ich und sah auf, da bemerkte ich das er mich beobachtet und schnell wieder in die Karte geguckt hatte.
"Wie schmeckt der Latte Macchiato hier?", wollte er wissen und tat als ob nicht wäre.
"Sehr gut, der Beste den ich kenne!", meinte ich grinsend.
"Gut dann nehme ich den und setz es auf deine Rechnung, wenn er nicht schmeckt!"
"Okay, aber ich versichere dir, das er zu hundert Prozent gut ist."
Miranda kam wieder und nahm unsere Bestellung auf.
"Wie bist du zur Army gekommen?", wollte ich wissen.
"Na ja, mein Dad ist ein ziemlich hohes Tier und es war schon immer sein Traum, das sein ältester Sohn in seine Fußstapfen tritt", meinte er und faltete seine Hände.
Seine Haltung und seine Stimmlage ließen mich aufhorchen. Wollte er gar nicht so sein, wie es sein Vater wollte? Nach kurzem Zögern stellte ich dann doch die Frage.
"Und ist es auch dein Traum?"
"Ich wollte immer sein wie er. Wollte auch so ein guter Mann werden und für mein Vaterland kämpfen und wenn es sein muss auch sterben."
Okay ich hatte mich wohl getäuscht. Er war anscheinend ein Soldat von innen und außen.
"Wie lange bleibst du hier stationiert?", wollte ich ablenken.
"Wohl etwas länger, aber genaueres darf ich dir nicht sagen."
"Staatsgeheimnisse, was?", belächelte ich es.
"Sozusagen."
Die Zeit verging wie im Flug. Es war, als würden wir uns ewig kennen und hätten uns schon ein Jahr nicht mehr gesehen, weil wir so ungezwungen miteinander sprachen. Er erzählte mir von seiner Einheit, das er von den US Marines war und von seiner ganzen Kindheit und seinem bisherigen Leben. Er war so offen und herzlich. Das konnte einfach nicht real sein.
Kurz nach drei Uhr verließen wir das Café. Ich hatte die Zeit total vergessen. Ich würde wohl heute nicht mehr schlafen gehen, sondern nur noch duschen und mich dann für die Arbeit fertig machen. Das würde wohl ein langer Tag werden.
Dean bestand darauf mich nach hause zu begleiten.Den Geruch von seinem Jackett hatte ich schon vollends aufgenommen und abgespeichert. Den würde ich wohl nie wieder vergessen.
Wir gingen am Strand entlang und er staunte nicht schlecht, als ich sagte, dass ich direkt am Strand wohnte. An meiner Haustür angekommen gab ich ihm sein Jackett zurück. Das Veranda Licht schaltete sich ein und seine hellen Augen sahen mich an.
"Es war ein schöner Abend", sagte ich.
"Ja, das fand ich auch."
"Also...bis bald, Dean."
"Dann wünsch ich dir mal einen guten Arbeitstag", sagte er lächelnd und drehte sich schon um, um die kleine Treppe hinunter zu gehen. Ich kramte meinen Schlüssel aus meiner Handtasche und drehte mich zur Tür.
"Jane wann sehen wir uns wieder?", fragte er plötzlich und ich sah ihn an.
"Wie wärs mit heute Abend da vorn?", sagte ich und zeigte auf meinen Lieblingssteg.
Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen.
"Sehr gerne, bis heute Abend!"
Ich schloss die Tür auf und ging ins Haus. Saim lag immer noch so da wie, als ich gegangen war. Der faulste Kater der Welt.
Ich zog meine Schuhe aus und schmiss mich auf mein Sofa. Mein Blick war einfach nur starr geradeaus auf die Wand gerichtet. Ich konnte es gar nicht fassen. Das war gerade sowas wie mein erstes Date! Und er wollte mich wiedersehen! Mein Herz raste etwas. Wie konnte das nur möglich sein, das mich ein einziger Blick von ihm gleich so sehr fesseln konnte?
Wenn ich daran dachte ihn heute Abend wieder zusehen, wurde mir ganz komisch.
Ich stand vom Sofa auf und schüttelte den Kopf. Ich musste mich jetzt erstmal auf meine Arbeit konzentrieren bei der ich in weniger als drei Stunden sein musste.
"Jane! Sofort! Wir brauchen dich hier!", rief Emily und ich flitzte zu ihr hin. Ein Mann hatte sich den halben Arm mit einer Kreißsäge abgeschnitten und blutete wie ein Irrer alles voll.
"Bringt ihn sofort in den Operationsbereich!", sagte ich und sie schoben ihn hinein.
Ich war froh, wenn ich gleich Feierabend hatte. Heute war definitiv mehr los, als sonst. Wollte mich Gott so also bestrafen das ich lieber durchgemacht habe anstatt zu schlafen?
Evelyn kam herein gestürmt, weil ihre Schicht schon vor fünf Minuten angefangen hatte. Mit einem Lächeln begrüßte ich sie.
"Hey, habt ihr gestern noch einen schönen Abend gehabt?", fragte ich.
Sie sah in die Akten.
"Ja, es war noch ganz lustig. Und bist du gut nach hause gekommen?", wollte sie wissen und hing dann ihre Strickjacke an den Haken.
Ich grinste und sah auf den Schichtplan, wann ich morgen anfangen müsste und stellte fest das ich wieder Frühdienst hatte.
"Wieso grinst du so?", fragte sie und stellte sich direkt neben mich.
"Ich war erst heute morgen um kurz nach drei Uhr Zuhause."
Sie riss die Augen auf.
"Okay, was hast du gemacht?"
"Weißt du noch der Mann von gestern?"
Sie sog scharf Luft ein.
"Oh mein Gott! Ich will alles wissen!", sagte sie und versuchte sich zu beherrschen nicht los zu quietschen.
Ich fing wieder an zu grinsen und schnappte mir meine Tasche und meine Jacke.
"Wärst du pünktlich gewesen, hätte ich es dir ja erzählt und Zeit gehabt. Aber ich bin heute noch verabredet, Süße!"
"Du bist gemein! Du kannst mich doch jetzt nicht mit so einer wichtigen Info ohne weitere Infos hier arbeiten lassen!"
"Oh doch ich kann!", sagte ich ich streckte ihr die Zunge raus.
Ich hätte eigentlich müde sein sollen. Doch ich war so aufgeregt, dass mir wahrscheinlich das Adrenalin zu Kopf stieg. Ich zog mir meine Leggins an, dazu ein längeres weißes T-Shirt mit rundem Ausschnitt, eine dunkelblaue Strickjacke und Ballerinas an. Ich sah mich im Spiegel an. So sehr aufdonnern wollte ich mich nun auch nicht. Schließlich, waren wir am Strand. Jetzt hatte ich nur noch ein Problem. Wir hatten uns ausgemacht das wir uns heute Abend sehen. Aber woher wusste ich denn, was für ihn Abend war? Ich beschloss mir meinen Schal um zumachen und mir meinen Zeichenblock in die Tasche zu stecken. Wer weiß wann er kommen würde. Ich meine gut irgendwann würde er schon auftauchen. Hoffte ich.
Ich schloss meine Haustür und sah zum Steg. Ich liebte diesen Platz. Wo Himmel und Wasser zusammen prallten. Ich ging über die Straße, die selten viel befahren war und hinüber zum Strand. Es war schön ruhig hier. Der Sand war noch heiß, obwohl die Sonne bereits am Untergehen war. Der Sand unter meinen Schuhen knirschte auf dem Holz von dem Steg. Ich setzte mich ans Ende des Stegs, weil er dort etwas breiter wurde. Das Wasser war heute relativ aufgewühlt. Ich konnte den Boden nicht sehen, so wie sonst und einige Wellen brachen sich an den Holzpfeilern. Der Wind wehte meine Haare durcheinander. Aber das war nicht schlimm. Ich legte mich auf den Rücken und sah hoch in den Himmel. Einige Wolken zogen vorbei. Ich schloss die Augen und lauschte dem Wind und den Wellen. Wie gern ich hier lag und einfach nur nichts tat. Nach der Arbeit war ich sehr oft hier, um meinen Kopf von dem Stress auf Arbeit frei zu kriegen. Ich tat einen kräftigen Atemzug und roch das salzige Wasser und einen anderen Duft. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und öffnete die Augen. Die hellen Augen von Dean sahen mich an. Hatte er mich etwa beobachtet? Wie konnte er sich so leise heran geschlichen haben?!
"Ich wollt dich nicht stören", meinte er.
"Ich mach das oft um meinen Kopf frei zu bekommen", sagte ich und legte meine Hände auf meinen Bauch und sah wieder in den Himmel.
Meine Knie hatte ich angewinkelt.
"Von was frei zu bekommen?"
"Ach es war ziemlich stressig auf Arbeit."
"Was arbeitest du überhaupt?", wollte er nun wissen.
Hatte ich das gestern echt vergessen zu erwähnen?
"Ich bin Krankenschwester."
"Hey, wenn mir was passiert, denn kannst du mich doch versorgen!", sagte er grinsend.
Ich setzte mich auf und lächelte ihn an. Mir fiel auf das er Zivilklamotten trug.
"Wo ist der Anzug hin?", fragte ich.
"Gefällt es dir nicht?!", fragte er schockiert und sah an sich entlang.
Ob es mir nicht gefiel? Viel eher war doch hier die Frage was nun noch besser aussah! Anzug stand ihm echt gut und darin sah er total erwachsen und reif und männlich aus, was hieß das es echt sexy war. Aber in dieser dunklen Jeans, den Sneakers, dem schwarzen T-Shirt und der grünen Adidas Jacke sah er genauso gut aus!
"Du siehst ganz passabel aus", sagte ich dann letzten Endes mit einem Zwinkern um ihn etwas zu ärgern.
"Das nehme ich jetzt trotzdem mal, als ein Kompliment an."
"Kannst du gerne tun!"
"Was hast du morgen für Dienst?", fragte er.
"Frühdienst..."
"Und hast du schon geschlafen?"
Ich verneinte dies mit einem Kopfschütteln.
"Muss ich ja echt wichtig sein, das du dich von mir vom Schlafen abbringen lässt", sagte er grinsend.
Ich biss mir auf die Unterlippe und wurde schlagartig rot. Oh peinlich! Er sollte doch nicht merken das ich eigentlich total aufgeregt und alles war.
"Du bist süß, wenn du rot wirst", meinte er leise und ich sah ihn kurz an.
"Nein,bin ich nicht. Es ist einfach nur peinlich!"
"Ach was, aber das sagt mir auf jedenfall das du nicht lügen kannst!"
"Ich kann sehr wohl lügen!"
Einige Sekunden sah er mich einfach nur an und ich wurde wieder rot, das spürte ich, aber ich wurde nur rot, weil er mich so ansah. Aber das konnte ich ihm ja wohl schlecht sagen.
"Nein, kannst du nicht", sagte er belustigt und sah mich wieder an.
Plötzlich fing es an zu nieseln, doch dann wurde dieses Nieseln zu einem reißenden Wasserfall und wir waren in der kürze der Zeit klitschnass. Wir sprangen auf und ich schlug vor erstmal zu meinem Haus zu rennen. Auf meiner Veranda angekommen sahen wir uns erstmal an und mussten lachen. Ich holte den Schlüssel aus meiner Tasche und schloss die Tür auf. Seine Schuhe zog er ganz brav vor der Tür aus und stellte sie dann auf die kleine Matte für die Schuhe. Ich zog meine Strickjacke aus und hing sie über die Heizung, auch wenn sie nicht wirklich heiß war. Meine Tasche legte ich auf dem Couchtisch ab.
"Setz dich ruhig hin. Willst du auch einen Tee?", sagte ich und lief in die Küche.
"Gerne", gab er bloß zurück und setzte sich auf die Couch.
"Ich hoffe dein Kater ist kein Killer?", rief er.
"Nein, nein, der ist ganz lieb. Wieso?"
"Weil der mich so komisch anguckt..."
Ich kam mit zwei Tassen dampfenden Tee wieder und grinste.
"Du hast keine Angst vor dem kämpfen und sterben, aber Angst weil dich mein Kater so anguckt?", fragte ich belustigt und stellte die Tassen auf den Tisch ab.
Ich schob Saim von der Couch und setzte mich neben ihn. Ich legte mir meine braune Decke über die Beine, da meine Füße froren. Dean griff nach vorne zum Tisch und zog meinen Zeichenblock hervor. Ich biss mir auf die Unterlippe. Normalerweise rastete ich total aus, wenn ihn auch nur jemand berührte, weil es mir unangenehm war. Aber bei ihm interessierte es mich gerade nur, ob er lachen würde oder ob es ihm gefallen würde.
"Du zeichnest?", fragte er in einem ruhigen Ton und sah leicht auf.
Ich nickte.
"Eine kleine Freizeitbeschäftigung. Ich zeichne aber nicht so gut."
Er blätterte den Block durch. Vorbei an den Landschaften und weiter zu meinen Portraits und Zeichnung von Menschen, die ich zufällig beobachtete. Langsam und so, als würde er jedes Detail einsaugen, betrachtete er die ganzen Zeichnungen.
Mein Blick glitt von seinen dunkelbraunen Haaren hinunter auf seine Lippen und weiter auf seine Hände. Er hatte ziemlich große Hände, wie mir auffiel. Sie waren sehr gepflegt und sahen auch ziemlich weich aus.
"Machst du Witze? Die sind klasse!"
"Nein, guck doch ich kann keine Hände zeichnen."
Er sah mich total schockiert an.
"Die Hände sehen sehr gut aus. Soll ich dir mal was malen? Dann weißt du was schlecht ist."
Irgendwie musste ich darüber lachen.
"Lach ruhig. Das stört mich gar nicht", meinte er grinsend.
"Sag mal musst du eigentlich nicht irgendwann arbeiten?", fragte ich, nachdem ich mich ein gekriegt hatte.
"Ich arbeite nur, wenn ich muss. Na ja eigentlich müsste ich, aber ich find es hier bei dir ganz nett."
"Ich will aber nicht der Grund sein, weshalb du aus der Army fliegst!", meinte ich.
"Keine Angst, mich wirft so schnell keiner raus. Schließlich brauchen die eh jeden Mann den sie kriegen können."
"Hast du wirklich keine Angst vorm Sterben?", fragte ich mit ernsten Ton.
Er presste die Lippen aufeinander und seine Augenbrauen zogen sich nur ganz minimal für eine Sekunde zusammen. Wahrscheinlich hatte er irgendwo Angst oder aber ihn irritierte meine Frage.
"Der Tod ist nicht so schlimm. Es gibt schlimmeres", meinte er in einem ruhigen Ton, darauf bedacht jedes Wort auch so zu betonen, dass es diesem angemessen war.
"Und das wäre?"
Seine Augen bohrten sich förmlich in meine und es jagte mir eine extreme Gänsehaut über die Haut.
"Jemanden zu begehren obwohl man es eigentlich nicht dürfte..."
Mir wurde plötzlich unerträglich heiß. Meine Haut brannte gewaltig. Am liebsten hätte ich ihn jetzt sofort an mich heran gezogen und ihn geküsst. Und irgendwie machte mein Körper auch genau das!
Ich stellte wie ein Roboter meine Tasse ab und lehnte mich zu ihm herüber. Einige Zentimeter kam er mir entgegen und ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
Und dann ergriff er die Initiative. Er legte seine Hand an meine Wange und zog mich zu sich. Sein heißer Atem striff meine Wangen und schon berührten sich unsere Lippen. Mein Zeichenblock flog vom Sofa. Und ich erschrak über den Aufschlag auf den Holzboden. Ich zeichnete sein Gesicht mit meinen Augen nach. Er strich eine Strähne hinter mein Ohr und lächelte. Das brachte mich auch zum Lächeln.
"Ich glaub ich werde jetzt gehen. Nicht das sie mich schon suchen."
Ich nickte nur und wir standen gleichzeitig vom Sofa auf. Wir gingen zur Tür und ich öffnete sie.
Ein kurzes Lächeln schob sich auf seine Lippen.
"Bis dann."
Er ging die Stufen der Veranda herunter. Na toll. Jetzt hatte ich es echt versaut. Doch plötzlich drehte er um und kam nochmal hoch gerannt. Seine Lippen drängten sich auf die Meinen.
"Bis morgen", korrigierte er sich nochmal.
"Bis morgen."
Mein Herz sprang hoch und runter. Ich konnte kaum atmen, weil sich meine Lunge so zugeschnürt hatte. Er lächelte mich noch einmal an und verschwand dann. Das würden mir meine Freundinnen niemals glauben! Doch es machte mir etwas Angst. Schließlich würde er nicht für immer hier bleiben. Er hatte seine Verpflichtungen und irgendwann würden sie ihn fortschicken.
Was für eine verzwickte Angelegenheit! Konnte nicht mal was ganz glatt laufen?
Der Regen hatte immer noch nicht aufgehört. Aber das störte mich gerade gar nicht. Das Adrenalin pulsierte immer noch durch meinen Körper. Ich setzte die Kapuze auf und steckte die Hände in die Hosentaschen. Wir hatten uns geküsst und bei diesem Gedanken musste ich lächeln. Wie sie mich angesehen hatte, aus ihren eisigen Augen heraus, ich konnte einfach nicht wegschauen. Sie waren so hypnotisierend. Ihre Lippen waren weicher und süßer, als die beste Zuckerwatte. Und ihr Duft. Ich hatte das Gefühl, er klebte immer noch an mir. Honig. Süßer Honig. Wie konnte ein Mensch so süß riechen?
Ich erreichte unsere Lager. Die Jungs saßen schon wieder draußen und ließen sich volllaufen. Ich schüttelte den Kopf. Sie waren unmöglich. Würde jetzt der Befehl zum Ausrücken oder zum Angreifen kommen, hätten wir verloren, bevor es überhaupt angefangen hätte.
"Dean!", lallte Ryan und hob sein Bier hoch.
"Wo kommst du denn jetzt her? Wir haben dich beim Schießen vermisst!", sagte John, er schien noch relativ nüchtern zu sein.
"Ich war anderweitig beschäftigt", sagte ich und setzte mich zu ihnen.
"Mit der Kleinen aus der Bar? Mit der du abgehauen bist?", scherzte Mike. Ein Wunder das er überhaupt noch sitzen konnte, so betrunken wie er aussah.
"Oh du suchst dir für die kurze Zeit hier also deinen Spaß?", fing Ryan wieder an.
Es machte mich wütend wie sie über Jane redeten. Und ich musste mich echt zusammen reißen nicht aus meiner Haut zu fahren.
"Wenn du mit ihr fertig bist, meinst du das du sie mir dann mal ausleihen kannst?", sagte Mike und das brachte das Fass zum überlaufen. Ich schnappte ihn mir und schlug ihm eine rein. Mike ging zu Boden und rieb sich die Nase. Ich packte ihn am Kragen und sah ihm fest in die Augen.
"Lass deine Finger von ihr", knurrte ich ihn an und drückte ihn wieder zu Boden.
Ich ging zu meinem Bungalow, doch leider fing mich auf dem Weg dahin Major Whitman ab und schickte mich geradewegs zu meinem Vater. Na toll. Damit wollte ich mich jetzt gar nicht auseinander setzen.
Ich öffnete die Bungalowtür von meinem Vater und schloss sie hinter mir.
"Wo warst du heute?", fragte er mit einem scharfen Ton.
"Ich war zivil unterwegs. Das siehst du doch", sagte ich.
"Halte mich nicht zum Narren, Dean! Du hast nicht zivil herum zu laufen, wenn du eigentlich hier sein solltest!"
Seine Stimme bebte und ich verkniff mir einfach einen weiteren Kommentar. Kaum zu glauben, ich war sechsundzwanzig Jahre alt und ließ mich immer noch von meinem Vater unterbuttern. Ich konnte es selbst nicht fassen. Aber die Erkenntnis selbst, war ja auch schon mal eine Menge wert.
"Du läufst morgen zehn Kilometer! Und dann hoffe ich, dass das nicht mehr vorkommt, das du außerhalb deiner Zeiten zivil unterwegs bist."
Zehn Kilometer?! Ich meine, das war zwar kein Problem, aber ich wollte doch morgen zu Jane. Scheiße! Wie sollte ich das hinbekommen?
Wer weiß wann morgen unser Training zu Ende sein würde und dann sollte ich noch zehn Kilometer rennen.
Ich drehte mich um und schmiss die Tür hinter mir zu. Ein weiteres Wort konnte ich nicht sagen, das wäre nur ausgeartet.
Ich schmiss mich auf mein Bett. Ich hatte meine Verpflichtungen schon total vergessen. Sie brauchte mich nur ansehen und schon war es mir egal ob ich hier war oder nicht. Ich kannte sie gerade mal einen Tag und schon hätte ich am liebsten alles geschmissen. Das konnte doch einfach nicht sein. Ich steckte jetzt schon fest in der Scheiße. Ich wollte meinen Vater nicht enttäuschen, aber sie auch nicht verletzen. Der Tag würde kommen an dem wir ausrücken und ich sie verletzen müsste. Und ich hatte irgendwie das ungute Gefühl, dass das sehr bald sein würde. Aber vielleicht sollte ich auch einfach alles so passieren lassen und diese Zeit genießen? Jeden Augenblick festhalten, den ich mit ihr habe. Ich legte meinen Arm über mein Gesicht. Das ganze bereitete mir große Kopfschmerzen. Doch trotzdem sah ich ihr Gesicht direkt vor mir. So deutlich, als würde sie direkt vor mir stehen. Wie sollte ich denn so einen klaren Gedanken fassen?
Ich rieb mir übers Gesicht und stand auf. Die Nacht war beschissen. Ich hatte kaum geschlafen und wenn, dann hatte ich eigenartige Träume. Es war gerade mal vier Uhr Morgens.
Ich ging in mein kleines Bad und duschte schnell, ich hatte leider nicht allzu viel Zeit. Mein Plan war, jetzt so schnell wie möglich die zehn Kilometer zu laufen und dann das Training durchzuziehen. Ich zog mir schnell eine Jogginghose und ein T-Shirt an. Es dauerte keine weiteren fünf Minuten schon stand ich draußen. Der Himmel war schon ziemlich erhellt, die Sonne würde wohl demnächst aufgehen. Schnell lief ich los, damit ich das auch in zwei Stunden schaffen würde.
Die Strecke hatte sich schnell laufen lassen. Ich war durch die Stadt gelaufen und dann noch einmal weiter bis zum nächsten Ort und zurück. Es war kurz vor sechs, als ich wieder ankam. Wahrscheinlich wurden die anderen gerade aus ihren Betten geworfen. Aber ich musste mich noch schnell umziehen. Das würde wohl ein etwas anstrengender Tag werden. Aber das würde sowieso wieder vergessen sein, wenn ich wieder bei Jane war.
Ich schloss gerade die Haustür auf und ein erleichtertes Stöhnen entglitt mir. Endlich zuhause. Das wurde aber auch Zeit. Wieso war es zurzeit so stressig auf Arbeit? Das war doch sonst nicht so. Aber zum Glück war erstmal Wochenende und ich hatte zum Glück keinen Wochenenddienst.
Ich ging erstmal ins Bad und duschte. Das Wasser prasselte, kühl über meinen Körper und ich hatte das Gefühl, das all der Stress mit in den Abfluss gezogen wurde. Ich wickelte mich in ein großes Handtuch ein und ging in mein Schlafzimmer. Ich zog mir Unterwäsche und Socken an und dann noch meine dunkelblaue Jogginghose und ein weißes T-Shirt mit V-Ausschnitt an. Meine Haare knotete ich zusammen und ging dann ins Wohnzimmer. Ich setzte mich aufs Sofa und holte meinen Zeichenblock aus meiner Tasche heraus. Und plötzlich kam mir wieder der Gedanke an Dean. Ich schloss meine Augen. Seine klaren Konturen waren deutlich vor mir zu sehen. Diese harten Gesichtszüge, die doch irgendwo weich waren. Seine kühlen hellen Augen in denen man sich immer wieder verlor. Das dunkle kurze Haare, durch das ich liebend gerne mal mit der Hand gefahren wäre. Die weichen Lippen, die sich sanft auf meine legten. Ich öffnete meine Augen wieder und sah auf das leere Blatt Papier. Meinen Stift legte ich wieder hin. Mir kamen keine Ideen, mein Kopf war nur mit Bildern von ihm gefüllt. Ich legte den Block wieder weg und lehnte meine Kopf gegen die Wand.
Ein dumpfes Geräusch ließ mich aufwachen. Was war das? Es hörte sich fast so an wie, wenn jemand an eine Tür klopft. Ach du Gott Dean! Ich war eingeschlafen und hatte das total vergessen. Schnell ging ich zur Tür und öffnete sie. Dort stand tatsächlich Dean und sah mich lächelnd an.
Ich drückte mir peinlich berührt die Hände aufs Gesicht. Ich sah bestimmt schrecklich aus.
"Was ist denn jetzt los?", fragte er verwirrt.
"Ja guck doch wie ich aussehe. Ich hab gerade total geschlafen."
Er fing an zu schmunzeln und nahm meine Hände vom Gesicht.
"Und das findest du jetzt schlimm, wenn ich dich in Jogginghose sehe? Oder du gerade geschlafen hast?", fragte er belustigt.
"Du bist trotzdem schön", fügte er hinzu.
Hitze stieg mir wieder ins Gesicht und damit er es nicht sah drehte ich mein Gesicht schnell etwas weg und bat ihn rein.
"Willst du was trinken?"
"Nein, danke. Sag mal hast du vielleicht Lust, also, mein Kumpel Eric, der hat morgen Geburtstag und er wollte reinfeiern. Willst du, also ich meine, hast du Lust mich zu begleiten?", stammelte er.
"Wenn das für Eric kein Problem ist?"
"Nein, quatsch! Umso mehr umso besser. Es ist ja nur eine Party auf unserem Gelände."
"Vielleicht sollte ich ein paar Freundinnen von mir anrufen?"
"Klar, die Jungs würden sich sicherlich freuen!", sagte er.
"Okay. Wann willst du denn los?"
Er sah auf seine Uhr, die verdammt nochmal sehr teuer aussah.
"So in zwei Stunden."
"Gut!"
Ich zog sofort meine Handy aus der Tasche und wählte sämtliche Nummern. Dean setzte sich in der Zeit auf das Sofa und sah mich an.
"Du kannst dir gerne den Fernseher anmachen. Ich mach mich schnell fertig."
"Schnell?", sagte er belustigt.
Ich verdrehte die Augen und streckte ihm die Zunge heraus. Zum Glück hatte ich vorhin schon geduscht, sonst hätte ich das mit dem "Schnell" jetzt vergessen können. Ich ging ins Schlafzimmer und suchte mir was schönes zum Anziehen. Eine Leggins, dazu ein schwarzweiß gestreiften engen Rock, ein schwarzes T-Shirt mit einem runden Ausschnitt und dazu einen braunen Gürtel und braune Ballerinas. Ich ging ins Bad und Machte meine Haare auf. Eigentlich sahen sie ganz gut so aus, also beschloss ich sie einfach so lockig zu lassen und gar nichts an ihnen zu machen.
Ich legte kein Make up drauf. Ich war so schon braun genug und Pickelchen hatte ich zum Glück nicht mehr. Ich weiß noch, als ich vierzehn war, hatte ich so viele Pickel, da hätte mich niemals jemand wie Dean angesprochen. Ich legte etwas Mascara und Lipgloss auf. Ich ging zurück zu Dean, er sah gespannt auf den Fernseher und sah sich ein Football Spiel an. Er hatte sich mit seinen Armen auf seinen Knien abgestützt und bemerkte nicht einmal das ich in der Tür stand. Er hatte ziemlich muskulöse Arme. Nicht so übertrieben, wie Bodybuilder. Und sein Rücken sah auch sehr entzückend aus. Man konnte bloß die durch trainierten Rückenmuskeln erahnen.
"Ich bin fertig", sagte ich und er drehte sich erschrocken um.
"Wie lange stehst du denn schon da?", fragte er.
"Lange genug um zu wissen, das du ein Fan bist und ewig nicht mehr geguckt hast."
Er drückte mit der Fernbedienung den Fernseher aus und kam zu mir. Er strich mir eine Strähne hinters Ohr und lächelte.
"Ich könnt mich immer wieder in deinen Augen verlieren...", hauchte er.
Ich lächelte und nahm seine Hand. Woher nahm ich nur gerade diese Selbstsicherheit und das ohne rot zu werden?!
Er drückte mich gegen den Türrahmen und nahm mein Gesicht in seine Hände. Oh mein Gott! Mein Herz riskierte gerade einen Aussetzer. Unsere Lippen berührten sich. Und meine Gedanken überschlugen sich kurzer Hand. Wieso tat er mir das an, obwohl er wusste das er vielleicht bald weg musste? Waren wir jetzt zusammen? Würden wir uns wiedersehen, wenn er gehen würde?
Es klopfte an der Tür und wir lösten uns von einander. Ein letztes Mal sahen wir uns direkt in die Augen, dann ging ich zur Tür und öffnete sie. Sophie sprang mich fast an, weil wir uns ewig nicht mehr gesehen hatten.
"Hilfe! Du erdrückst mich!", röchelte ich und sie ließ grinsend von mir ab.
Doch dann verschwand ihr grinsen und sie starrte einfach nur Dean an.
"Du hast mir ja gar nicht gesagt, dass du so gutaussehende Männer kennst!"
Sie sollte ihre Finger von ihm lassen und da rutschte es mir einfach so heraus.
"Er ist mein Freund."
Nicht nur Sophie entglitten die Gesichtszüge, sondern auch den anderen Mädels und Dean. Den ich nun entschuldigend ansah. Oh peinlich!
Damit war das Gespräch beendet und wir verließen mein Haus.
Dean ging neben mir her und ich beobachtete seinen Gesichtsausdruck. Und er verkniff sich eindeutig das Lachen!
"Lache nicht!", zischte ich.
"Als dein Freund darf ich das!", sagte er belustigt.
"Ich wollte einfach nicht das sie sich an dich heran macht."
"Sehr aufmerksam von dir!", meinte er und nahm meine Hand.
"So bin ich halt!"
Es dauerte nicht lange bis wir an dem Lager ankamen und man hörte schon lautes Gebrüll.
"Keine Angst, die sind auch so, wenn sie nichts getrunken haben."
"Klasse!"
Diese ganzen riesigen Kerle entdeckten Dean und ich musste wortwörtlich in Deckung gehen um nicht um gewalzt zu werden. Ey, als ob er zehn Jahre nicht dagewesen wäre!
"Hey hey, wen bringst du denn hier alles mit?!", sagte der eine.
Meine Freundinnen mischten sich unter die Männer.
"Und du bist bestimmt Jane, was?", sagte einer mit blonden kurzen Haaren.
"Ja, scheint ja nicht unbekannt zu sein", sagte ich und sah dabei zu Dean.
"Ich bin Eric, na dann viel Spaß noch."
Eric verdrückte sich und ließ uns alleine.
"Du hast über mich gesprochen?", fragte ich lächelnd.
"Wie könnte ich nicht?", sagte er und küsste mich.
"Hey ihr zwei! Nehmt euch ein Zimmer!", rief ein riesengroßer muskelbepackter Kerl.
Wir lachten und setzten uns zu den anderen.
Der Abend verlief total lustig. Die waren alle genauso wie Dean. Von außen sahen sie zwar hart aus, aber eigentlich waren sie alle total lieb.
Wir hatten ein wenig getrunken und Dean ließ mich keine Sekunden alleine. Er meinte, das er seinen Kumpels nicht trauen würde. Beschützerinstinkt? Sehr hoch! Eric hatte ein Lagerfeuer gemacht, damit es nicht kalt werden würde für uns alle. Die Hitze wärmte meinen ganzen Körper. Na ja, ich brannte sowieso förmlich, weil mich Deans Nähe schon so verrückt machte.
Ich blieb die Nacht bei ihm. Nein, nicht um mit ihm zu schlafen! Er durfte das Gelände um diese Uhrzeit nicht mehr verlassen und ich hatte Angst alleine nach Hause zu gehen. Wir verabschiedeten uns von den anderen und Dean nahm meine Hand. Nicht das ihr denkt ich hätte viel getrunken. Ich war nun nicht gerade der Typ Mensch, der sich hemmungslos betrank.
Ich nahm einen tiefen Atemzug. Die Luft roch frisch und sauber oder eher nach Frühling.
Ich sah mich um und stellte fest, das hier viele längere Bungalows standen. Wahrscheinlich Schlafräume. Aber Moment mal... Wo sollte ich denn dann schlafen? Doch wir gingen an den längeren vorbei und kamen zu kleineren Bungalows. Hatte er etwa seinen eigenen?
"Bewohnst du einen alleine?", fragte ich.
"Klar, hat auch irgendwo seine Vorteile, wenn der Vater so viel Einfluss hat."
"Beneiden dich da die anderen nicht?"
"Ein bisschen, aber den Spaß gönne ich mir immer wieder", sagte er und lächelte mich an.
"Du bist gemein", sagte ich und streckte ihm die Zunge raus.
"Ich kann noch fieser sein!", meinte er und schnappte sich mir und warf mich über seine Schulter.
"Ahhh! Lass mich runter, Dean!", schrie ich.
"Sei nicht so laut! Andere wollen schlafen!", sagte er lachend und rannte mit mir zu seinem Bungalow bevor sich jemand beschweren könnte.
Er schloss die Tür und ließ mich runter.
"Du bist echt doof", sagte ich grinsend.
Wie ein kleiner Junge sah er mich grinsend an. War denn Weihnachten?
"Was ist?", fragte ich.
"Du bist einfach so schön."
Wahrscheinlich lag es am klitzekleinen Alkohol, denn ich wurde nicht rot. Ich lächelte und nahm seine Hand. Ich legte sie an die Stelle wo mein Herz lag. Ich wollte das er spürte, wie sehr mein Herz bei ihm schlug. Mit sanften Augen sah er mich an und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Das reichte mir vollkommen.
Ich lag neben ihm gekuschelt und war selbst über mich erschrocken. Ich lag neben einem Mann! Das gab es noch nie! Er hatte seinen Arm um mich gelegt und hatte einfach mal kein T-Shirt an. Und VERDAMMT hatte er einen guten Körper. Nicht übermäßig sodass es nach fünf mal die Woche Fitnessstudio aussah. Und er roch wieder so unbeschreiblich gut männlich. Ich konnte einfach nur meine Augen schließen und das genießen. Ich könnte jeden Abend so einschlafen.
Ich wurde plötzlich geweckt durch einen Kuss in den Nacken. Zuerst war es befremdlich und ich erschrak, doch, als ich sah, dass es Dean war, musste ich lächeln.
"Gut geschlafen?", fragte er.
"Die beste Nacht seit langem", sagte ich und schloss wieder die Augen.
"Nein, warte. Du kannst nicht wieder schlafen. Wir müssen los."
"Was wohin?"
Ich öffnete ein Auge und sah aus dem Fenster.
"Es ist doch noch gar keine Sonne am Himmel", argumentierte ich.
Ich vernahm sein Gelächter.
"Ich würde ja liebend gerne mit dir den ganzen Tag im Bett liegen. Aber ich muss ja schließlich was für mein Land tun."
Ach verdammt. Stimmt! Er musste ja wieder so früh aufstehen.
"Es ist noch sehr früh. Ich bringe dich nach Hause und bin rechtzeitig wieder hier."
Widerwillig stand ich auf und machte mich fertig.
Ich sah ihn zum ersten Mal in seiner Kleidung die er wahrscheinlich hier immer tragen musste. Sie war in beigefarben und braun. und dazu Stiefel in schwarz.
"Steht dir ungemein gut", sagte ich grinsend.
"Mir steht ja auch alles."
"Eingebildeter Stiefel!"
"Einbildung ist auch eine Bildung!", sagte er.
"Ja und bei einigen die Einzige!"
"Du bist ganz schön frech!", meinte er und kam auf mich zu.
Wir gingen die Veranda Stufen hinauf und er sah mich lächelnd an.
"Ich weiß nicht ob ich es heute nochmal zu dir schaffe."
"Ist nicht schlimm. Wir sehen uns ja morgen bestimmt wieder?"
"Natürlich!", sagte er und gab mir einen Kuss.
Ich zog ihn näher an mich heran und er drückte mich gegen meine Haustür. Wenn meine Nachbarn das sehen würden, die würden mich für vollkommen durchgedreht halten.
"Ich komme morgen so schnell ich kann", sagte er, als er sich von mir gelöst hatte.
"Ich hoffe es doch."
Einen letzten Kuss gab er mir noch auf die Stirn und dann verschwand er wieder. Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen, aber man konnte schon erahnen, welche Stärke sie heute wieder haben würde.
Ich rubbelte meine Haare im Handtuch trocken und ging in die Küche. Ich hatte erstmal ausgiebig gebadet mit ganz viel Schaum. Nun war ich total entspannt und meine Muskeln waren gelockert.
Ich machte mir einen schwarzen Tee und setzte mich dann ins Wohnzimmer. Mit lautem Schnurren kam Saim zu mir und legte sich neben mich. Ich schaltete den Fernseher ein und sah mir die Nachrichten an.
"Vor einer Stunde fiel wieder eine Bombe über Washington D.C. Es gibt hundert verletzte und fünfzig tote. Der Präsident der Vereinigten Staaten gab nun in einem Interview bekannt, das nun offiziell Krieg mit dem Irak und den verbündeten Ländern des nahen Ostens herrscht. Amerika wird auf die Angriffe antworten!..."
Ich schaltete ab. Wieder eine Bombe. Wieder unschuldige Menschen, die sterben mussten. Aber jetzt war erst der Anfang, der dritte Weltkrieg hatte gerade erst begonnen. Es würden wohl viele verletzte zu beklagen sein. Vielleicht sollte ich mich freiwillig melden um denen zu helfen, die es dann am nötigsten haben? Ich seufzte. Ich hätte niemals gedacht, das es wirklich zum dritten Weltkrieg kommen würde.
Ich erschrak heftig, als plötzlich mein Handy klingelte. Ich sah auf den Display. Meine Mutter?
"Hey Mum", sagte ich.
"Oh Liebling, schön das du gerade Zeit hast."
"Wieso was gibt es denn?"
"Hast du gerade die Nachrichten gelesen?"
Ah sie sorgte sich also. Wahrscheinlich, weil ich in Annapolis wohnte und das nur dreiundfünfzig Kilometer davon entfernt liegt.
"Ja, ich hab es auch gerade gesehen. Mach dir keine Sorgen um mich."
"Ach du weißt doch wie ich bin. Willst du nicht lieber zu uns kommen, solange bis der Krieg vorbei ist?"
"Ich kann jetzt hier nicht weg und ich will auch nicht. Niemand ist irgendwo auf der Welt sicher, Mum."
"Sag ich doch das sie nicht kommt!", hörte ich meinen Dad aus dem Hintergrund brüllen.
"Ich weiß du meinst es nur gut, aber ich bleibe hier."
"Einen Versuch war es ja wert."
"Melde dich bald wieder okay?", fügte sie noch hinzu.
"Ja ich versuch es!", sagte ich mit der Gewissheit, dass ich mich wieder einmal nicht melden würde. Ich hatte immer soviel im Kopf, da vergaß ich dies viel zu schnell.
Evelyn hatte sich für heute Nachmittag angekündigt und ich machte mich Strand fertig. Das hieß mein dunkelblauer Bikini und meine weiße Tunika. Ich schnappte mir meine kleine Decke und meine Tasche, dann verließ ich das Haus.
Evelyn lag schon mitten im Sand mit Peter. Ich schlich mich von hinten an und breitete meine Decke aus. Total erschrocken sahen mich die beiden an, doch ich grinste nur vor mich hin.
"Musst du das immer machen?", fragte Evelyn.
"Mittlerweile weißt du das doch, also ja."
"Na dann kann ich euch ja jetzt beruhigt alleine lassen was?", quatschte Peter schnell dazwischen.
Er gab Evelyn einen sanften Kuss auf die Lippen und schon war wieder Dean in meinen Kopf. Sie lächelte ihn an.
"Bis heute Abend", flüsterte sie.
"Ich vermiss dich jetzt schon", gab er zurück und verschwand dann zu seinem Auto.
Ich stützte mich mit meinen Händen ab und hielt mein Gesicht in die Sonne.
"Irgendwas ist anders an dir", sagte Evelyn und ich sah sie durch meine Sonnenbrille an.
"Was soll denn anders sein?"
"Keine Ahnung. Irgendwas ist mit dir passiert. Du strahlst das aus. Und ich hab da so meine Vermutung."
Ich sah sie belustigt an.
"Und die da wäre?"
"Dieser junge Mann, der Soldat."
"Wie kommst du denn darauf?!", sagte ich und wusste, das sie nicht locker lassen würde.
"Du wirst rot! Also hab ich Recht!"
Ich verdrehte die Augen. Ich wollte ja nun auch kein Schwein sein.
"Na gut vielleicht hast du Recht."
"Ich wusste es! Erzähl schon. Fang am besten ganz vorn an! Wie heißt er überhaupt?", plapperte sie aufgeregt los und setzte sich im Schneidersitz direkt vor mich.
Manchmal war Evelyn wie ein kleines Kind, wenn sie so da saß und mich mit ihren rötlichbraunen Augen ansah. Sie bekam dann immer solch ein Funkeln in den Augen und Grübchen bildeten sich auf ihren Wangen. Ich konnte gar nicht anders, wenn sie so aussah. Also erzählte ich ihr alles über Dean und über die Treffen mit ihm. Leise entglitt ihr ein berührter Laut und sie sah mich mit mitfühlenden Augen an. Wahrscheinlich stellte sie sich gerade vor, wie Dean wohl so ist.
"Ich bin ja so glücklich", meinte sie plötzlich und ich musste laut los lachen.
"Wieso bist du bitteschön glücklich?"
"Weil mein Mädchen endlich einen Topfdeckel gefunden hat!", meinte sie und umarmte mich.
"Übertreibe mal nicht. Hast du schon vergessen was ich gerade gesagt habe?"
Sie sah mich an wie ein Auto. Hatte sie mir überhaupt bis zum Schluss zugehört?!
"Du vergisst das er ein Marine ist und nur darauf wartet weiter zu ziehen."
Sie verdrehte die Augen. Ich hasste es, wenn sie das tat.
"Na und? Ist ja nicht so das er für immer aus der Welt ist!"
"Du hast leicht reden. Du hast Peter ja auch immer bei dir. Wer weiß wie lange er weg ist. Vielleicht eins, zwei oder drei Jahre?! Das ist lange. Wer weiß wie lange der Krieg andauert..", meinte ich und irgendwie wurde mir jetzt erst richtig bewusst, was das bedeutete. Ich würde vielleicht Monate, ja sogar Jahre darauf hoffen, ihn wieder zu sehen. Darauf hoffen, dass er überleben würde.
"Alles okay?", fragte Evelyn plötzlich und sah mich Stirn runzelnd an.
"Ja, ja alles okay."
"Du warst grad irgendwie ein bisschen bleich im Gesicht."
"Ach du halluzinierst. Und jetzt lass uns mal ins Wasser gehen", lenkte ich schleunigst ab, damit sie nicht noch weiter nachhaken konnte.
Langsam aber sicher wurde es kühler und die Sonne versteckte sich hinter einigen Wolken. Ich zog mir meine Tunika wieder an. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Frische, kühle Sommerluft. Ich liebte es.
"Jane...", flüsterte plötzlich Evelyn und tippte mich am Oberarm an.
Ich sah sie fragend an, doch ihre Augen gaben mir Antwort genug. Ich drehte mich um und sah Dean dort stehen. Er hatte noch seine Uniform an.
"Geh schon. Ich ruf Peter an", sagte sie lächelnd.
"Danke."
Ich gab ihr noch eine herzliche Umarmung und stand dann auf. Dean sah mich abwartend an und ich ging auf ihn zu.
"Hey was machst du denn hier? Ich dachte wir sehen uns heute Abend nicht mehr?", fragte ich lächelnd, doch ich bekam kein Lächeln zurück.
"Wir müssen reden."
Und irgendwie ahnte ich was als nächstes kam. Ich konnte es an seinen Augen ablesen. Sie waren nicht so funkelnd wie sonst und er sah ziemlich traurig aus.
Wir gingen zu meinem Haus und ich schloss die Tür auf.
"Willst du was trinken?", fragte ich um das Ganze noch etwas herauszuzögern.
Ich wusste was er sagen wollte, doch ich wollte es nicht hören.
"Nein, bitte, können wir uns setzen? Ich habe nicht so viel Zeit. Ich habe mich aus dem Lager geschlichen."
Ich nickte und schluckte erstmal. Wir setzten uns auf die Couch und ich sah ihn abwartend an. Kurze Zeit sagte er gar nichts. Vielleicht überlegte er, wie er es am besten sagte.
"Jane, es tut mir so leid...", setzte er an.
Ich legte meine Hand auf seine.
"Ich weiß. Bitte sprich es nicht aus. Ich weiß das du gehen musst."
Er presste die Lippen aufeinander.
"Ich wusste es doch seit dem ersten Treffen, seit unserem ersten Kuss, das es irgendwann soweit sein würde."
Ich versuchte so ruhig zu klingen wie nur möglich, denn in meinem Inneren sah es ganz anders aus. Ich war aufgewühlt und mein Herz weinte.
"Du weißt gar nicht wie schwer mir das fällt..."
"Du hast keine andere Wahl", meinte ich lächelnd und legte ihm meine Hand an die Wange.
Er umschloss meine Hand mit seiner und schloss kurz die Augen. Wärme durchfuhr meine Hand.
"Vielleicht sollte ich alles hinschmeißen", sagte er plötzlich.
War er verrückt? Es war doch sein Traum! Und denn sollte er nicht wegen mir aufgeben. Das wollte ich nicht.
"Nein. Das will ich nicht, das würde mir im Herzen weh tun."
"Sag mir was ich machen soll?", sagte er und öffnete wieder seine Augen.
Seine Augen waren so traurig. Ein Schimmer hatte sich auf seine Augen gelegt. Weinte er etwa?
Ich sollte ihm jetzt sagen was er machen sollte? Ich wusste doch nicht was das Beste für ihn war.
"Komm einfach so schnell wie möglich wieder. Ich warte hier auf dich."
Er brachte ein lautloses okay heraus und nickte.
"Wann musst du los?", fragte ich.
Ich versuchte nicht zu weinen.
"Morgen Mittag..."
Doch schon so früh. Damit hätte ich nicht gerechnet und das traf mich.
"Wir werden bis zum Flughafen gebracht und werden dann in den Irak geschickt..."
Ich presste die Lippen auf einander und sah nach unten, denn eine leise Träne hatte sich aus meinen Augen geschummelt.
Wir standen an der Tür, denn er musste gehen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich ihn nie wieder gehen lassen.
"Ich komme wieder, versprochen."
"Ich werde auf dich warten", sagte ich und versuchte ihm aufmunternd zuzulächeln.
Er sah mich lange an so, als würde er mich einstudieren. Ich nahm seine Hand und ließ sie wieder los. Er sah auf seine Hand und auf das Bild darin.
"Damit du mich auch nicht vergisst."
"Wie könnt ich. Schließlich hast innerhalb von wenigen Tagen so starke Gefühle in mir für dich ausgelöst."
Er steckte das Foto in seine Brusttasche.
"Genau da wo es hingehört. Zu meinem Herzen", sagte er und zog mich an sich.
Ich klammerte mich so sehr an diesen Moment und hoffte das er nie vergehen würde. Ich wollte einfach nur in seiner Umarmung bleiben. Seine Lippen drückten sich auf meine Stirn und ich schloss die Augen. Ich sog seinen Duft noch einmal auf und lauschte seinem Herzschlag.
Wir lösten uns aus der Umarmung und er gab mir noch einen letzten Kuss auf die Lippen. So sanft und dennoch spürte ich jegliche Leidenschaft.
Er ging rückwärts über die Türschwelle und verschwand schnell in der Dunkelheit. Vielleicht damit er nicht noch einmal umkehren könnte. Ich schloss die Tür und lehnte mich dagegen. Mit einem plötzlichen Schwall kamen mir die Tränen. Ich konnte es nicht mehr unterdrücken. Nicht nur bei ihm waren die Gefühle in so kurzer Zeit gewachsen. Wie konnte jemand einem so sehr das Herz rauben nach so kurzer Zeit?
"Jane hast du mir zugehört?", fragte Judy, meine Kollegin.
Ich sah sie an aber sagte kein Wort. Die Nacht war schlimm gewesen. Ich hatte noch lange geweint und dann vielleicht drei Stunden geschlafen.
"Du bist nicht bei der Sache heute, was?", sagte sie lächelnd.
"Sorry. Was wolltest du?"
Mein Blick glitt auf die Uhr. Es war nun zehn vor elf. In einer Stunde würde Dean für eine ungewisse Zeit weg sein.
"Schon okay. Ich frag Meredith. Du solltest vielleicht mal ein paar Stunden Auszeit nehmen. Ich seh doch das dir was auf dem Herzen liegt. Geh schon. Ich übernehme deine Schicht und sage das es dir nicht gut ging."
Sie hatte Recht.
"Danke du hast was gut bei mir."
"Ich komme drauf zurück, Jane."
Ich schloss mein Auto zu und eilte in den Flughafen. Mein Atem ging Stoßweise und ich hatte schon Seitenstiche. Doch ich musste weiter und zwar schnell. Das war meine letzte Gelegenheit ihn nochmal zu sehen. Ich rannte durch die große Halle und entdeckte Uniformierte Männer. Ich rannte auf sie zu.
"Entschuldigen sie bitte, aber können sie mir sagen wo ich Dean Granville?", sagte ich vollkommen außer Puste.
"Der müsste da vorne sein!", sagte einer der beiden und zeigte in eine Richtung.
Ich folgte seinem Finger und bedankte mich noch einmal. Es war nun fünf vor zwölf. Nicht viel Zeit. Und dann entdeckte ich ihn und mein Herz schlug schneller.
"Dean!", rief ich und er sah in meine Richtung.
Sofort kam er auf mich zu und schloss mich in seine Arme.
"Was machst du denn hier?", fragte er erleichtert und drückte mich noch fester an sich.
"Ich musste dich einfach noch einmal sehen", flüsterte ich an seine Brust.
"Granville!", rief eine autoritäre Stimme.
"Es tut mir leid das ich nicht früher hier sein konnte."
"Der Moment reicht mir absolut!"
Er gab mir einen leidenschaftlichen Kuss und löste sich dann von mir mit einem Lächeln im Gesicht. Die unzähligen Uniformierten Männer bewegten sich zu der Schiebetür die zu dem Flugplatz führte. Dean drehte sich noch einmal um und ich warf ihm einen Luftkuss zu. Er fing ihn auf und fasste sich an sein Herz. Eine einzelne Träne schob sich durch meine Wimpern, meine Wange hinunter. Wer weiß wann ich ihn wiedersehen würde. Kriege konnten ja so elendig lange gehen...
Dean
Es waren mittlerweile zwei Monate vergangen die ich nur im Dreck und Staub verbracht hatte. Es war schlimmer, als wir alle angenommen hatten. Über uns vielen Bomben und unter unseren Füßen lauerten die Minen. Keiner von uns konnte sich je sicher sein, den richtigen Weg zu gehen. Ein falscher Schritt und man war Geschichte. Vereinzelt waren schon Männer gestorben von uns, doch wir kämpften eisern. Die Sonne brannte mir im Gesicht und der Schweiß lief mir an den Schläfen entlang hinunter. Es war nicht gerade der Himmel auf Erden.
"Staff Sergeant Granville!", rief einer der Soldaten und ich lud meine Waffe.
Es fielen wieder Bomben und unsere Feinde waren nah. Das würde wieder ein schlimmer Tag werden. Ich fasste mir ans Herz, dorthin wo ihr Foto war, wo sie war. Wenn ich hier jemals wieder raus kommen würde und sie wieder sehen dürfte, wäre DAS definitiv der Himmel auf Erden. Was sie wohl gerade machte? Ob sie an mich dachte? Ich atmete noch einmal tief durch und kam aus meiner Deckung. Scharfe Schüsse fielen und es krachte wieder einmal gewaltig.
Die Sonne war bereits am Aufgehen, als wir unseren Stützpunkt wieder erreichten. Ich setzte mich auf einen Stein und verband meinen Arm. Zum Glück nur ein Streifschuss.
"Alles klar bei dir?", fragte John.
Ich sah zu ihm auf und sah nur seine Silhouette da die Sonne ihn von hinten anstrahlte.
"Ja, war nur ein Streifschuss."
"Was meinst du wie es in der Heimat ist?", wollte er wissen.
Wie sollte es schon sein? Wahrscheinlich war es dort ebenfalls schlimm. Aber für die Sicherheit in unserem Land waren ja andere Einheiten zuständig. Wir mussten die Lage hier bessern. Wobei "bessern" hieß, die Feinde umzubringen.
"Dort wird es wahrscheinlich ähnlich sein. Bomben, Schüsse, Bomben."
Hoffentlich war es bei Jane nicht ganz so schlimm. Ich hatte mehr Angst um ihr Leben, als um mein eigenes.
"Du solltest dich vielleicht mal hinlegen", sagte er.
An schlafen konnte ich gar nicht denken. Wenn es wieder Bomben regnen sollte, dann wollte ich es wenigstens mitbekommen und nicht im Schlaf sterben.
"Nein, ich kann eh nicht schlafen."
John zuckte mit den Schultern und verschwand. Ich griff in meine Brusttasche und holte das Foto von Jane heraus. Auf dem Bild stand sie auf dem Steg. An ihrem Lieblingsplatz mit einem lockeren Sommerkleid. Sie lächelte in die Kamera. Ich liebte es so, wenn sie lächelte und dabei verlegen wurde. Ich vermisste sie. Wie konnte sie mir nur so schnell den Verstand rauben? Das hatte noch keine Frau geschafft. Na ja, es gab ja auch noch keine richtige Frau, mit der ich länger, als einen Tag verbracht hatte.
"Deine Freundin, Granville?", hörte ich Gregors Stimme hinter mir und ich steckte das Foto wieder weg.
"Das geht dich nichts an", blockte ich ab.
Ich musste mir von ihm nichts gefallen lassen, er war Rang niedriger, als ich.
"Na wenn sie nicht deine Freundin, dann kannst du sie ja mal bei mir vorbei schicken!", witzelte er, doch ich fand das gar nicht lustig.
Tja und meine Faust machte auch was sie wollte. Ich schlug ihm dafür eine rein.
"Denk nicht einmal an sie!", knurrte ich ihn an und verschwand.
Was bildete er sich eigentlich ein! Na ja, vielleicht hatte ich überreagiert. Aber, wenn man wirklich so wenig schlief wie ich, dann war das doch vorhersehbar.
Ich legte mich auf meine Liege und sah hoch in den Himmel, der langsam immer heller wurde. Er sah wie ein Regenbogen aus. Wenn ich so den Himmel betrachtete, sah es gar nicht nach Krieg aus. Es sah friedlich aus. Wie ein warmer Sommertag. Aber, wenn ich meinen Blick nach vorne richtete, wurde einem das Ausmaß schon jetzt bewusst. Nicht nur wir litten unter dem Krieg, sondern die anderen auch.
Jane
Ich hatte mich in die spezielle Versorgung versetzen lassen, dorthin wo die meisten Kriegsopfer waren. Immer wieder mussten wir Soldaten vorfinden, die teilweise verbrannt waren oder denen eine Gliedmaße fehlte. Es war anstrengend. Ich hatte in den letzten Tagen besonders wenig geschlafen.
Ich band gerade einem Verletzten den Arm ab, denn für ihn würde es wahrscheinlich das letzte Mal sein wo er seinen Arm sehen würde.
"Es wird alles wieder gut", versuchte ich ihm beruhigend mitzuteilen.
Ich musste meinen Kopf schnell wieder frei kriegen, denn die nächsten Verletzten kamen bereits herein. In diesem Krankenhaus lagen kaum noch Leute mit normalen Verletzungen. Der Krieg hatte bereits jetzt überall seine Spuren hinterlassen. Der Schweiß lief mir die Stirn hinunter und ich wischte ihn mit meinem Handrücken ab. Es war stickig im Krankenhaus und das merkte man bei dem schönen Wetter ungemein.
Ich stieg eilig aus meinem Auto. Die Sirenen waren wieder angegangen, dass hieß, das wieder Bomber über unsere Stadt flogen. Ich lief schnell ins Haus und schnappte mir Saim, meinen Kater. Doch bevor ich den Keller erreichen konnte, erbebte die Erde. Es war eine Bombe ganz in der Nähe meines Hauses eingeschlagen. Ich krabbelte schnell unter meinen Küchentisch und hielt Saim ganz fest. Ein zweite Bombe fiel und wieder erbebte der Boden. Meine Deckenlampen wackelten gefährlich und ein Bild war von der Wand gefallen. Ich zuckte und kniff die Augen zusammen. Wäre doch nur Dean bei mir, dann hätte ich nicht ganz so viel Angst. Ich verfolgte jeden Tag die Todesanzeigen und von Tag zu Tag standen immer mehr Menschen drin, die umgekommen waren. Gestern waren es alleine zweitausend Seelen. Und ich betete jeden Tag, nicht seinen Namen zu lesen, denn es standen auch Opfer drin, die im Irak kämpften. Ich betete auch jeden Tag, nicht die Namen meiner Eltern oder die Namen meiner Freunde zu lesen. Leider blieb mir das einmal nicht erspart. Trisha stand unter den Todesopfern. Es war vor genau zwei Wochen. Sie war zur falschen Zeit am falschen Ort. Es war ein riesengroßer Schock für uns alle. Peter wurde vor einem Monat auch eingezogen in die Army. Er hatte sich freiwillig gemeldet um etwas für sein Vaterland zu tun. Seitdem hatte Evelyn nichts mehr von ihm gehört und es machte sie fertig, denn eigentlich wollten sie heiraten.
Die Bomben verebbten und es wurde totenstill im Haus. Draußen hörte man einige Laute. Menschen, die schrien und um Hilfe riefen. Ich ließ Saim los und kam unter dem Tisch hervor. Ohne zu überlegen öffnete ich die Haustür und sah das Ausmaß. Ein paar Häuser weiter, brannte es und Menschen rannten wild durcheinander. Ich lief hinaus und rannte zu den Menschen. Ich musste helfen! Ich konnte nicht einfach nur zusehen.
Ich entdeckte ein kleines Kind das schrie und weinte. Ich schätzte ihn auf sechs Jahre. Ich zog ihn unter den Trümmern hervor. Sirenen von Krankenwagen waren bereits zu hören.
"Alles wird wieder gut, Kleiner!", sagte ich aufgebracht. Er hatte schlimme Verbrennungen und ein Arm blutete heftig. Ich nahm mir mein Halstuch ab und band es extrem fest um den Arm des Jungen um die Blutung zu stoppen.
Um die vier Krankenwagen trafen ein und ich nahm den kleinen Jungen auf meine Arme und lief zu den Krankenwagen.
Ich übergab den Jungen an die Sanitäter und half dann dabei die anderen Verletzten zu den Krankenwagen zu bringen.
Nachdem die Krankenwagen voll waren, schlossen sich die Türen und sie fuhren los. Meine Kleidung war dreckig und voller Blut. Ich strich mir mit dem Handrücken über die Stirn und ging langsam zurück in Richtung meines Hauses. Ich konnte jetzt schon nicht mehr. Wer weiß wie lange das noch dauern würde? Tränen rannen mir aus den Augen und ich wischte sie schnell weg. Ob es bei Dean genauso schlimm war? Ich würde weiterhin für ihn beten und hoffen das ich ihn eines Tages wieder sehen würde.
Jane
Der Winter hatte Einzug genommen. Die Ufer waren bereits eingefroren und keine Welle war mehr zu hören. Die Temperaturen waren eisig. Mittlerweile war genau ein Jahr vergangen. Ein Jahr der Trostlosigkeit. Ich musste flüchten aus meinem Haus und hatte mir das Nötigste geschnappt. Ich hielt Saim eng an mich gepresst und lief die Straße entlang. Mein Haus war vollkommen zerstört sowieso mein Auto. Es geschah in der Nacht, als ich schlief. Plötzlich gingen die Sirenen los und ich hatte nicht mal mehr die Zeit mich zu verstecken, das Dach über mir und der Boden unter mir krachten zusammen und ich lag zwischen den Trümmern. Ich musste einen Schutzengel gehabt haben, denn ich kam dort mit leichten Verletzungen heraus. Wir waren auf dem Weg zu Evelyn, sie hatte mir angeboten bei ihr unterzukommen. Es war früher Nachmittag, doch der Himmel war so dunkel, das man meinen könnte, es wäre später Abend. Ich beschleunigte meinen Schritt, denn ich hatte so ein ungutes Gefühl, das es gleich wieder Bomben regnen würde. Ich klopfte bei Evelyn an der Tür. Sie öffnete leicht die Tür und als sie mich entdeckte riss sie die Tür auf und zog mich hinein. Die Tür schloss sich wieder und sie umarmte mich hektisch. Russen waren bereits in unsere Stadt eingefallen. Und die US Army hatte es schwer sie im Zaum zu halten. Man hatte schon von verschwundenen Frauen gehört und von Vergewaltigungen. Kaum eine Frau traute sich noch alleine auf die Straßen.
"Gott sei Dank, Jane."
Sie ließ mich los und ich ließ Saim von meinem Arm. Ich hörte Geräusche und sah sie fragend an.
"Es sind noch andere Frauen aus dem Krankenhaus hier. Ich hab ihnen angeboten hier zu bleiben, weil es näher am Krankenhaus ist."
Ich nickte. Es fing an zu beben.
"Komm wir sollten in den Keller gehen!", sagte Evelyn und zog mich hinter sich her.
Doch es war zu spät. Die Decke über uns brach zusammen und ich hörte nur noch Evelyns erschrockenen Schrei. Und dann hörte ich nichts mehr. Keinen Laut. Kein Atmen. Es war still. Ich stieß einen Schmerzensschrei aus. Etwas hartes war direkt auf mein Bein gefallen und ich spürte es kaum.
"Ahhhh! Hilfe!", schrie ich wieder.
Es kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit, die ich unter den Trümmern lag. Ich wusste nicht wie spät es war, ob es Tag oder Nacht war. Doch dann hörte ich Stimmen. Ich hatte schon kaum noch Kraft und der Boden unter mir war feucht, vielleicht von meinem Blut?
"Hier", hauchte ich.
"Hier ist noch jemand!", versuchte ich es lauter.
Die Stimmen entfernten sich. Auch Evelyns lauter Atem neben mir war langsam leiser geworden.
"Hilfe!", schrie ich nun aus voller Kraft.
Die Stimmen wurden wieder lauter und Trümmer über uns bewegten sich. Die Helligkeit brannte in meinen Augen und ich musste öfters blinzeln bis ich in die Gesichter gucken konnte.
Soldaten.
"Halten sie durch. Ich helfe ihnen!", sagte mir eine raue mitfühlende Stimme und ich sah in moosgrüne Augen. Bevor ich meine Augen schloss spürte ich wie die Last über mir weniger und ich hochgehoben wurde.
Dean
Wir wurden für eine Woche zurück in die Heimat geschickt um dort zu helfen. Die Lage im Irak hatte sich gerade etwas abgekühlt. Wir stiegen aus dem Flugzeug und wurden zu einem Bus geschickt. Jane. Wie es ihr wohl ging? Ob sie überhaupt... nein! Daran durfte ich gar nicht denken. Aber so wie es hier aussah, konnte man sich alles erdenkliche ausmalen.
Jackson und McKenzie waren in meinem Trupp. Wir liefen die Straßen zu dritt ab und unser Weg führte uns am Strand entlang. Nichts erinnerte mehr an die schöne Idylle die hier einst geherrscht hatte. Es war totenstill. Keine Menschen waren zu hören. Selbst das Rauschen des Wassers war wie ausgestorben. Kaum ein Haus war noch heil geblieben. Jedes dritte Haus hatte irgendeinen Schaden. Und dann erblickte ich den Steg, wo Jane so gerne gesessen hatte. Ich sah auf die gegenüberliegende Seite zu ihrem Haus. Na ja, was davon übrig geblieben war.
"Wartet mal Jungs", sagte ich und ging zu dem Haus.
Es war ein einziger Trümmerhaufen und mein Herz schlug heftig gegen meine Brust. Hoffentlich ging es ihr gut. Ich schob einige Trümmer beiseite und entdeckte die Couch. Sie war vollkommen zerfetzt. Mir blitzte etwas entgegen und ich steuerte darauf zu. Es war eine Kette, die anscheinend auf einem dicken schwarzen großen Buch gelandet war. Ich hob sie auf und nahm das Buch und schlug es auf. Das war kein Buch. Das war ihr Zeichenblock. Sie hatte ihn zurück gelassen? Ich blätterte durch und entdeckte ein Bild von mir. Zumindest sah es so aus. Sie hatte wirklich Talent.
"Staff Sergeant Granville!", rief Jackson und ich drehte mich um.
"Alles okay bei ihnen? Wieso interessiert sie dieses Haus so?"
"Meinen Freundin hat hier gewohnt."
"Tut mir leid", sagte er und ich steckte das Buch in meine Tasche. Die Kette hängte ich mir um. Sie war aus Silber und an ihr war ein flacher Anhänger des heiligen Judas. Der Schutzpatron der hoffnungslosen Fälle. Ich steckte die Kette unter meine Kleidung und wir verließen die Trümmer. Vielleicht war sie auch irgendwo anders untergekommen. Ja, so musste es sein. Ich würde sie wiederfinden!
Jane
Ich öffnete meine Augen und hörte lauter Stimmen. Menschen in weiß überall. War ich im Himmel? Ich blinzelte noch ein paar Mal. Nein, ich war im Krankenhaus und lag auf dem Flur. Aber nicht nur ich. Ich blickte auf mein Fußende und entdeckte noch mehr Betten mit Verletzten. Mein Bein. Ich erinnerte mich wieder. Ich war eingeklemmt zwischen den Trümmern und wurde gerettet. ich schreckte hoch. Evelyn! Ich sprang von der Trage auf. Mein Bein war gar nicht so schlimm wie ich vermutet hatte. Ich musste wirklich einen Schutzengel haben. Ich lief über den Flur, na ja so gut es ging. Ich humpelte eher. Ich sah auf jede Liege und dann erblickte ich sie.
"Evelyn!", rief ich und nahm ihre Hand. Sie sah etwas demoliert aus. Einige Schrammen und Schnittwunden.
"Jane! Du musst ihr Ruhe gönnen!", hörte ich eine Stimme hinter mir.
Ich drehte mich um und entdeckte eine Kollegin von mir.
"Sie hat es etwas schwerer, als dich erwischt."
Ich sah wieder zu Evelyn. Nein, sie durfte nicht auch noch von mir gehen. Es reichte langsam! Ich wollte nicht noch mehr Freunde verlieren. Freunde... und plötzlich dämmerte es mir. Saim! Mein armer lieber Kater. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Der arme war noch gar nicht so alt. Er hatte ja gar keine Chance mit seinem kleinen Körper...
"Willst du dir vielleicht was anderes anziehen, Jane?", fragte mich Andrea und ich sah an mir herunter. Meine Sachen waren zerfetzt und sie bedeckten gerade so das nötigste. Ich nickte Andrea zu und sie begleitete mich zu den Umkleiden. Ich zog mir meine Arbeitskleidung an. Ein grünes Oberteil und eine weiße Hose. Das war definitiv erstmal besser.
"Danke", sagte ich und Andrea lächelte mir warmherzig zu. Der Krieg hatte auch auf ihrem Gesicht bereits Spuren hinterlassen.
"Also wo soll ich jetzt anfangen?", fragte ich.
"Was? Du willst jetzt arbeiten? So? Du bist doch noch nicht gesund."
"Gesund ist hier keiner mehr, Andrea", argumentierte ich.
"Mach wenigstens mal zehn Minuten Pause und dann..."
"Gib mir Bescheid, wenn Evelyn sich regt."
Sie nickte und ich drängte mich durch den Flur. Vorbei an blutenden Zivilisten und Soldaten, an Ärzten und Schwestern. Ich erreichte die Tür und angehende Dunkelheit strahlte mir entgegen. Wie lange war ich denn weg gewesen?
Es war alles zerstört. Kaum ein Haus war noch heil. Wie sollte es bloß weiter gehen? Wann würde dieser sinnlose Krieg vorbei sein? Sah denn niemand, das jeder darunter litt? Diese Stadt bestand hauptsächlich aus Frauen, nur weil all die Männer eingezogen wurden. Das war alles kein Leben. Es war traurig und trostlos. Ich setzte mich auf die Treppe und ließ meinen Kopf auf meine Knie sinken. Ich wusste nicht einmal ob meine Eltern noch lebten. Ich hatte ja schließlich kein Telefon mehr. Ich hob meinen Kopf und sah in der Dunkelheit einen Soldaten. Der Schnee ließ alles etwas verwischen. Doch diese eisblauen Augen würde ich überall wiedererkennen. Aber das konnte einfach nicht wahr sein! Der Soldat stand einfach nur da und sah mich an. Und wenn er es nun doch war? Ich erhob mich langsam. Die Tatsache, das ich fror, hatte ich verdrängt. Ich ging ein paar Schritte die Treppe hinunter. Er bewegte sich keinen Zentimeter.
"Jane...", hörte ich eine Stimme flüstern und in dem Moment war ich mir sicher, das er es sein musste.
Ich rannte los durch den Schnee und er kam immer näher. Tränen liefen meinen Wangen hinunter und ich breitete meine Arme bereits aus. Als ich bei ihm ankam fiel ich hin. Ich lag im kalten Schnee auf meinen Knien. Ich blickte auf und er war weg. Es war nur eine Einbildung...
Dean
Ich hatte alles abgesucht. Doch nichts. Niemand wusste etwas. Nicht einmal Evelyn, ihre Freundin, hatte ich gefunden. Die Woche war eine einzige Qual. Wenn sie nun doch umgekommen war? Ich schmiss meine Flasche in die Ecke. Meine Zeit hier in den Staaten war wieder abgelaufen und nun war es noch schlimmer, als vorher. Nun wusste ich wie es hier aussah, wie die Lage hier war. Und ich hatte ihr Haus gesehen. Jetzt quälte mich die Tatsache, dass ich nicht wusste was mit ihr geschehen war.
"Staff Sergeant Granville!"
Ich drehte mich um und sah in das Gesicht von Jimmy. Ich wusste das er noch keine sechzehn war. Er hatte sich älter ausgegeben um seinem Vaterland zu dienen. Töricht von ihm, aber würde ich ihn jetzt verraten, wäre das sein Tod.
"Der General lässt fragen ob wir soweit sind", sagte er.
Ich nickte.
"Sag dem General das wir los können."
Jimmy nickte und rannte zum Zelt. Nun würde es keine Stunde mehr dauern und wir würden wieder im Flugzeug sitzen Richtung Irak.
Ich stieg aus dem Flugzeug und die Hitze erschlug mich. Was für ein Unterschied. Vor wenigen Stunden hatten wir noch in der Kälte gesessen und nun Das. Wenigstens, waren wir nicht lange hier, wenn Weihnachten war, so wurde es mit den Irakern und den östlichen Ländern ausgehandelt, galt Waffenstillstand und alle Soldaten konnten für die Tage nach hause zurück kehren. Doch wo sollte ich anfangen? Wo sollte ich nach ihr suchen? Ich wusste ja nicht einmal, ob sie immer noch in Annapolis war. Vielleicht sollte ich im Krankenhaus, meine Suche fortsetzen... Doch vorerst musste ich die Zeit hier überstehen. Unsere Reihen hatten sich gelichtet. John war bereits gefallen. Er war mitten auf eine Miene getreten. Ich hatte Glück, doch eigentlich hätte es mich auch erwischen müssen, da ich kaum fünf Meter von ihm entfernt war. Ich griff an meine Brusttasche und zog ihr Bild heraus. Meine Finger strichen darüber.
"Mein Schutzengel."
Jane
Die Tage verstrichen und verschwommen miteinander. Ich wusste nicht mehr, welches Datum wir hatten oder wie spät es überhaupt war. Mir kam es so vor, als würde ich nur noch arbeiten. Wann hatte ich das letzte Mal richtig geschlafen? Das musste lange her gewesen sein. Ich war wie ein Roboter, alles was ich tat, war Routine und ich dachte nicht drüber nach.
"Mach mal Pause, Jane", sagte Evelyn und legte ihre Hand auf meine Schulter.
Sie war fast wieder gesund. Nur etliche Narben schmückten nun ihr schönes Gesicht.
"Ich kann nicht, dann mache ich mir zu viele Gedanken."
"Es wird wieder ruhiger, du wirst sehen. Weihnachten wird alles wieder etwas ruhiger machen", sagte sie.
Weihnachten? Hatte ich wirklich vergessen, das es dieses Fest auch noch gab?
Ich ging zu einer Verletzten Frau und säuberte ihre Wunde.
"Bitte, Schwester...", sagte sie zwischen zusammen gepressten Zähnen.
"Es wird alles wieder gut. Sie werden wieder gesund."
Wie oft hatte ich diesen Satz gesagt in den letzten Monaten? Und meistens war es doch wieder gelogen. Ich desinfizierte die Wunde und verband sie letztendlich.
Ich sah auf den vollen Flur. Das nahm einfach kein Ende.
Evelyn und ich sahen uns an und ich sah die Angst in ihren Augen. Wieder hatte man von verschwunden Frauen gehört. Es fiel schwer mit solch einem Gefühl hinaus auf die Straßen zu gehen.
"Wir schaffen das. Du weißt doch, wir schaffen alles!", sagte ich und versuchte optimistisch zu sein.
"Ich weiß nicht...", sagte sie und ich spürte wie zerbrechlich sie doch seit dem Krieg geworden war.
Ich nahm ihre Hand und lief mit ihr hinaus in den Schnee. Das er kalt war spürte ich erst gar nicht.
Unser Schutzbunker war drei Straßen weiter, eigentlich nicht weit, doch die Straßen kamen einen viel zu lang vor.
"Ich hab solche Angst, Jane."
"Das brauchst du nicht, ich bin doch bei dir."
Und dann hörten wir drei Frauen schreien. Ich riss die Augen auf und sah um die Ecke. Dort wurden gerade Frauen verschleppt und bedroht. Evelyn neben mir fing an zu schluchzen und ich befahl ihr stark zu sein. Eine der Frauen musste uns gesehen haben denn plötzlich stachen ihre Augen in die Meinen.
"Helft uns! Bitte!", schrie sie und die Männer drehten sich in unsere Richtung.
Es waren zu viele. Wie sollten wir sie abschütteln? Sie sagten irgendwas in einer anderen Sprache eventuell russisch und liefen auf uns zu.
"Lauf, Evelyn!", befahl ich und zog sie auf die Beine hinter mir her.
Ich sah hinter uns zwei Männer und sie kamen immer näher. Ich sah vor uns einige Leichen von Soldaten und wir liefen direkt über sie hinüber. Hoffentlich konnten sie uns vergeben. Doch dann ließ Evelyn meine Hand los und ich sah zurück. Sie war über einen Arm eines Soldaten gestolpert.
"Bring dich in Sicherheit, Jane!", rief sie mit Tränen.
Nie und nimmer würde ich auch noch meine beste Freundin verlieren! Ich schallte schnell und die Männer kamen näher. Was konnte ich tun? Und dann erblickte ich eine Pistole. Ich ergriff sie und zielte auf die Männer. Bevor ich überhaupt über die Folgen nachdenken konnte hatte ich abgedrückt und einen von den beiden erschossen. Der andere blieb stehen und wollte nun seine Waffe zücken, doch bevor er dies tun konnte ertönte ein zweiter Schuss und er fiel zu Boden. Evelyn sah mich erschrocken an. Auch ich war über mich selbst erschrocken. Ich hatte zwei Männer getötet.
"Alles okay, Evelyn?", fragte ich kleinlaut.
Sie nickte nur und ich half ihr auf die Beine. Ich stand unter Schock. Doch hätte ich es nicht getan, wer weiß was dann mit uns passiert wäre. Wir gingen die Straßen schweigend weiter entlang durch den Schnee. Zur Sicherheit hatte ich die Waffe mit genommen, wer weiß, ob ich sie noch einmal brauchen würde. Meine Füße waren bereits vollkommen taub von der Kälte des Schnees. Doch es war nicht mehr weit bis zu unserem Schutzbunker. Ich erblickte ihn und sah wie zwei weitere Frauen dort hin liefen.
"Komm Evelyn, wir haben es gleich geschafft!", sagte ich und nahm ihre Hand.
Wir erreichten den Bunker und ich öffnete die schwere Eisentür. Wir gingen hinein und sofort spürte ich, wie mein Körper auftaute. Es war schön warm hier drinnen.
"Jane, Evelyn!", rief Lucy eine Freundin die wir hier kennen gelernt hatten.
"Ich hab mir schon Sorgen gemacht, wann ihr kommen würdet."
Evelyn setzte sich auf eine Decke. Und ich umarmte Lucy. Ich hatte schwer damit zu kämpfen nicht in Tränen auszubrechen.
"Wir wurden aufgehalten...", hauchte ich.
Lucy war einige Jahre älter, als ich und man sah ihr die Strapazen des Krieges genau an.
"Hauptsache euch gehts gut, Jane", sagte sie.
Ich drückte mich von ihr weg und sie lächelte mich herzlich an. Auch wenn alles den Berg hinunter ging, hatte sie immer ein warmes Lächeln für einen über. Sie war voller Optimismus, das der Krieg bald vorüber sein würde. Doch bei mir war das schon längst verflogen. Ich hoffte nur noch zu überleben.
"Wollt ihr was essen? Wir haben Suppe gekocht. Sie ist noch schön warm."
Ich nickte und setzte mich zu Evelyn.
Es waren nun wieder fünf Tage des langen Wartens auf irgendwelche guten Nachrichten vergangen. Ich hatte aus dem Radio entnommen, das nun auch Frankreich und Deutschland uns zur Hilfe eilten.
Evelyn ging es seit zwei Tagen nicht so gut. Sie war krank, hatte sich eine Lungenentzündung weg geholt. Sie blieb im Bunker zurück, mit einigen anderen. Währenddessen besorgt ich aus dem Krankenhaus Medizin für sie und andere. Ich lief die Straßen entlang, darauf bedacht so wenige Laute wie möglich zu machen. Endlich erreichte ich das Krankenhaus und lief die kleine Treppe hinauf ins Gebäude. Ich ging sofort an die Arbeit.
Den halben Tag hatte ich nun geschafft. Ich wischte mir über die Stirn und sah aus dem Fenster. Es herrschte ein heftiger Schneesturm. Sowas war eigentlich ungewöhnlich. Ich sah einen Transporter vor dem Krankenhaus halten. Und lief sofort hinaus. Das waren die neuen Medikamente und Verbandsmaterialien.
Soldaten kamen mir entgegen. Es waren Deutsche. Ich versuchte ihnen einen Lächeln entgegen zu bringen.
"Ich kann es ihnen gleich abnehmen", sagte ich zu einem.
"Sicher das sie das schaffen?", fragte dieser.
"Ich habe schon einiges geschafft."
Er gab mir eine Kiste und ich ging mit dieser hinein. Zwei Soldaten folgten mir mit weiteren vier Kisten.
"Wohin?", fragte einer.
"Stellen sie es einfach dort drüben ab", meinte ich und nickte in eine Richtung.
Sie stellten die Kisten ab und sahen mich dann wieder an.
"Dankeschön", meinte ich.
"Viel Glück, Miss", sagte der etwas kleinere und nickte mir zu.
Die beiden verschwanden wieder und ich öffnete die Kisten. Es war weniger, als vor zwei Wochen. Gingen den Deutschen etwa die Medikamente aus? Ich räumte die Medikamente in die Schränke.
"Jane...", hörte ich Andrea hinter mir und drehte mich um.
"Du...Dein... Hier ist jemand für dich."
Mein Herz blieb kurz stehen. Dean. Nur er konnte es sein! Ich trat aus dem Raum heraus und mir blieb der Atem weg. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Unmöglich.
"Dad...", hauchte ich und ging auf ihn zu.
Mein Dad sah schrecklich aus. Er hatte einen kaputten Mantel an und einige blutige Stellen. Er nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich. Es tat gut ihn zu sehen, doch wo war Mum?
"Wo ist Mum...?", flüsterte ich halb.
Mitleidig sah mich mein Dad an. Ich spürte das er innerlich ein gebrochener Mann war. Und ich kannte die Antwort schon alleine, weil sein Gesicht es mir verriet. Er schüttelte vorsichtig den Kopf und ich fing an zu nicken. Tränen sammelten sich in meinen Augen und er nahm mich wieder in die Arme.
"Sie wird es gut haben, da wo sie jetzt ist..."
Seine Stimme klang zerbrechlich, er wollte, dass ich glaubte was er sagte, doch er glaubte es selbst nicht...
Ich schickte meinen Dad wegen seinen Verletzungen auf die Station um ihn dort den Ärzten zu übergeben. Meine Schicht endete und ich schnappte mir die Medikamente für Evelyn und verließ das Hospital. Ich zog meinen Mantel enger um meinen Körper und ging die Straßen entlang. Mir kam eine Gruppe Soldaten entgegen. Deutsche. Sie liefen die Straße hinunter. Meine Ohren vernahmen einige Schüsse und ich beschleunigte meinen Gang. Ich wollte definitiv in keine Schießerei geraten.
Dean
Ich stieg aus dem Zug und verabschiedete einige Freunde. Na ja, es war nicht leicht Freunde zu finden, denn immer wieder, starben sie mir vor den Augen davon. Endlich zurück, endlich konnte ich nach Jane suchen. Lebte sie noch? Diese Ungewissheit zerfraß mich förmlich. Ich hatte drei Tage Zeit um sie zu finden, denn dann würde ich wieder im Zug zurück zum nächst größeren Flughafen sitzen. Ich schultere mir meine Tasche auf und verließ den Bahnhof. Ein Wunder das überhaupt noch Züge fuhren, es war alles zerstört. Es war noch schlimmer, als beim letzten Mal. Ich verlor komplett die Orientierung. So gut kannte ich mich ja hier nun auch nicht aus. Zuerst musste ich das Hospital finden. Wenn sie irgendwo war, dann wahrscheinlich dort und wenn nicht...
Diesen Gedanken durfte ich nicht weiter denken... Egal was kam, egal wie lange dieser sinnlose Krieg noch gehen würde, ich würde niemals aufhören sie zu suchen. Bis ich die Gewissheit hatte ob sie lebte... oder nicht.
Ich machte mich auf durch die zerstörten Straßen, vorbei an zerfallenen Häusern. Das Krankenhaus dürfte man eigentlich nicht verfehlen.
Immer weniger Nahrung für immer mehr Menschen. Unser Schutzbunker füllte sich nun ungemein. Du musstest unweigerlich dort schlafen, wo du aßt. Langsam aber sicher, fiel es immer schwerer Leute abzuweisen.
"Evelyn, trink das", sagte ich und hielt ihr die Medizin entgegen.
Sie nahm sie mir ab und drehte die Flasche auf.
"Was würde ich nur ohne dich tun? Ich bin dir für vieles so dankbar", sagte sie und nahm einen Schluck aus der Flasche, nur um sich danach zu schütteln, weil die Medizin so bitter war.
"Du würdest das Selbe für mich tun", sagte ich kleinlaut und sah auf meine Hände.
Wann hatte ich zum letzten Mal richtig duschen können? Oder baden? So richtig entspannt und wohlig warm? Meine Hände waren voller Dreck, selbst meine Fingernägel waren dreckig. Es war, als hätte sich der ganze Dreck festgesaugt, wie ein Blutegel. Nicht einmal mit viel Kraftaufwand bekam ich es hinunter. Sollte es mich etwa an all die Menschen erinnern, dessen Blut an meinen Händen klebte? Denen ich versprach, dass alles wieder gut werden würde und sie dann doch verstarben? Schnell versteckte ich meine Hände in den Ärmeln meiner Jacke. Ich stand auf und sah mich um. Unsere Räume waren eindeutig zu klein für so viel Menschen, aber was blieb einen schon anderes übrig? Ich blickte hinunter zu Evelyn und lächelte sie an. Sie fühlte sich schon viel besser, die Medizin schien zu wirken.
"Ich werde jetzt ins Krankenhaus gehen. Nach dem Bombenhagel diese Nacht, werden sicherlich wieder viele Hände benötigt werden."
Evelyn nickte.
"Pass auf dich auf", sagte sie eindringlich.
"Immer."
Ich lief die Stufen zum Hospital hinauf und schwang die weiße Tür mit riesigen Glasfenster auf. Durch sie kam damals immer soviel Helligkeit, das es einen im Sommer blendete. Holzplatten ließen nun kaum einen Lichtstrahl hindurch. Ich kam in die Notaufnahme und zog mir meinen Pullover aus. Meine Arbeitskleidung trug ich nun schon viel zu lange. Ich sah auf den Flur und atmete schwer aus. Er war wieder einmal voll. Dieses Mal, aber nicht mit Zivilisten, sondern mit Soldaten. Kaum einer von ihnen sah so aus, als ob er hier an der Front gekämpft hatte.
Sofort machte ich mich an die Arbeit und nahm den ersten Verletzten an mich. Er hatte einige Glasscherben abbekommen, so wie es aussah. Sein eines Auge wurde bereits provisorisch verbunden.
"Schwester, was passiert nun mit meinem Auge? Man hatte mir gesagt, das mir jemand alles erklären würde", sagte er und sah mich mit seinem grünen Auge an.
"Ich werde mir ihr Auge jetzt mal ansehen."
Vorsichtig löste ich den Verband. Kaum hatte ich zwei Lagen des Verbandes gelöst sah ich, dass das Blut durchgelaufen war. Ich musste schlucken. Sein Auge war rot unterlaufen, geschwollen und eitrig.
"Ich sehe nichts", stellte er verzweifelt fest und wollte sich an sein Auge greifen. Ich hinderte ihn daran und bat ihn ruhig zu bleiben und durchzuatmen. So schwer es auch fiel.
"Ich werde ihnen jetzt etwas spritzen. Und sie bleiben zur Beobachtung hier. Wenn das Mittel anschlägt wird die Reizung zurück gehen und sie erlangen höchst wahrscheinlich ihr Augenlicht zurück."
Eine der Wahrheiten die in letzter Zeit viel zu selten ausgesprochen hatte. Langsam fing er an zu nicken.
"Sie dürfen nur nicht durchdrehen. Es kann sich etwas hinziehen."
"Ich... ich habe aber nicht so viel Zeit"; sagte er und wollte weiterhin wissen ob es einen einfacheren Weg gab. Natürlich, das Auge zu entfernen, aber das hätte ich niemals ausgesprochen.
"Ich denke die Zeit müssen sie sich nehmen."
"Aber mein Flug geht in zwei Tagen zurück in den Irak."
Mein Herz blieb stehen und fast hätte ich die kleine Nierenschale fallen gelassen die auf meinem Schoß stand.
"Haben sie Irak gesagt?", fragte ich kleinlaut.
"Ja, wieso?"
"Die ganzen Männer dort draußen, sind das alles Soldaten aus dem Irak?", wollte ich wissen.
"So ziemlich, direkt neben dem Bahnhof sind Bomben gefallen, als unser Zug ankam. Aber wieso fragen sie?", wollte nun auch er wissen und mein Atem ging stoß weise.
"Kennen sie... Dean Granville?"
"Staff Sergeant Granville? Sicher."
"Ist... ist er auch hier?"
"Ja, Miss. Nachdem wir aus dem Zug stiegen war er sofort verschwunden. Er hatte von seiner Freundin geredet die er finden musste."
Ich schlug mir die Hand vor den Mund und unterdrückte meine Tränen.
"Vielen Dank..."
"Corporal Jesse Luther, Miss"
"Ich danke ihnen."
"Ich habe ihnen zu danken", sagte er und legte sich auf die Liege.
Ich verließ das Zimmer und lief auf den Flur. Mein Herz klopfte wie wild. Dean war hier! Er war hier und suchte mich! Doch wieso kam er nicht zum Krankenhaus? In mir tobte ein gewaltiges Gefühlschaos. Ich konnte gar keinen klaren Gedanken fassen, also trugen mich meine Beine irgendwie zu meinem Vater in das Zimmer. Ich setzte mich zu ihm und nahm seine Hand. Er lächelte mich mit seinem warmherzigen Vaterlächeln an.
"Was hast du?", fragte er.
In mir drin zog sich alles zusammen. Mein Herz machte fünf Sprünge. Doch was sollte ich Dad sagen? Er wusste doch noch nicht einmal das ich einen Freund hatte. Aber ich musste es jetzt einfach raus lassen!
"Dad, ich hab einen Freund", sagte ich einfach und konnte mir einen Grinsen nicht verkneifen.
Wie lange hatte ich nicht mehr so ausgelassen gelächelt?
"Okay? Seit wann?"
"Schon länger."
"Gut zu wissen. Und wo ist der junge Mann?"
Mein Vater stellte ein Verhör auf, als ob wir nie Krieg gehabt hätten.
"Also..."
Mein Lächeln verschwand, denn es war nicht zum Belächeln.
"Na ja normalerweise wäre er jetzt im Irak, doch ein anderer Soldat, den ich gerade behandelt hatte meinte, er wäre hier für drei Tage und ist auf der Suche nach mir."
"Oh Schatz. Das hört sich wunderbar an."
"Ja."
Ja, es hörte sich wirklich wunderbar an. Es vertrieb mir für kurze Zeit die dunklen Wolken und brachte mir den Sonnenschein zurück.
"Ich hoffe er findet den Weg ins Krankenhaus..."
"Das Schicksal wird drüber entscheiden ob er her finden sollte. Deine Mutter wäre sicher höchst glücklich. Sie könnte dir mit Rat und Tat zur Seite stehen..."
Ich sah meinen Vater nur durch einen Schleier. Ich verbot mir zu weinen. Sie hätte es nicht gewollt.
"Sie sieht von oben zu...", flüsterte ich.
"Natürlich."
Ich wischte mir über die Stirn und ging den Flur entlang. Endlich hatte ich den letzten Soldaten geschafft. Der Flur hatte sich allmählich geleert. Kaum zu glauben das sie alle am Bahnhof waren und die Splitter oder ähnliches abbekommen hatten. Dean musste echt einen Schutzengel gehabt haben.
"Jane!", rief Andrea total außer Puste.
"Was ist los?", fragte ich aufgeregt.
Oh nein, nicht schon wieder ein Ansturm...
"Da, da vorne war grad ein junger Mann, ein Soldat, der nach dir gefragt hat!"
Meine Augen weiteten sich und mein Herz blieb stehen.
"Ich hab dich aber nicht sofort gefunden und er wollte wieder raus gehen."
"Ich muss sofort raus!", sagte ich aufgeregt und lief einfach los.
Dean! Er war hier! Mein Herzschlag beschleunigte. Ich riss die Holz bedeckten Glastüren auf und atmete schwer aus. Mein Atem schwebte zu einer Wolke in den Himmel hinauf. Da war er. Doch was tat er? Was hatte Andrea zu ihm gesagt, dass er gehen wollte? Die Türen sausten gegen die Wände und plötzlich blieb er stehen.
Er war es! Er war es wirklich! Das war kein Traum. Hundertprozentig kein Traum.
"Dean", flüsterte ich leise und unterdrückte Freudentränen.
Langsam drehte er sich um und ich sah in die mir so vertrauten blauen Augen. Kaum fünf Meter trennten uns. Ungläubig sah er zu mir hinauf. Sekunden verstrichen in denen wir uns nur ansahen. Und plötzlich ließ er seinen großen Rucksack fallen und kam mit schnellen Schritten auf mich zu. Ich lief die Treppe hinunter und fiel in seine Arme. Diesmal, fiel ich an seine warme Brust, sein Herz schlug schnell, das spürte ich durch seinen Mantel. Es war kein Traum! Er war wirklich hier.
"Du bist hier", flüsterte ich an seine Brust.
"Ich hab gesagt ich komme zurück."
"Du hast mir so sehr gefehlt."
"Ich weiß", sagte er und drückte mich noch fester.
Ich spürte wie seine Lippen meinen Haaransatz berührten. Ich war seit langem nicht mehr so glücklich.
Ich sah in sein Gesicht. Er hatte sich etwas verändert. Ein drei Tage Bart zierte sein Gesicht, doch seine Augen strahlten.
"Du bist ja verletzt", stellte ich unter Tränen fest.
Er sah auf seine Brust und lächelte.
"Nur ein paar Splitter, nichts schlimmes. Solange ich dich habe, ist nichts schlimm."
"Komm mit rein. Ich verarzte das schnell", sagte ich und bevor er antworten konnte zog ich ihn schon an der Hand hinter mir her ins Gebäude.
Andrea sah mich lächelnd an und hielt sich eine Hand vor den Mund. Ich führte Dean in ein freies Zimmer und bedeutete ihm seine Tasche abzusetzen und sich hinzusetzen. Ich wollte den Raum verlassen um Verbandsmaterial und Desinfektionsmittel zu holen, doch er hielt meine Hand fest.
"Ich bin sofort wieder hier", flüsterte ich und küsste seine Hand.
Er ließ widerwillig los und ich lief hinaus und holte mit zittrigen Händen die Materialien. Er war hier. Er war wirklich hier! Das war kein Traum. Ich lief schnellen Schrittes zurück in das Zimmer. Auf den ersten Blick sah ich ihn gar nicht und mein Herz blieb stehen. Hatte ich mich doch getäuscht? Doch dann sah ich das die Badtür einen Spalt aufstand und Licht an war. Ich stellte die Verbandssachen hin und ging zur Badtür um sie einen Spalt weit zu öffnen. Er stand am Waschbecken und wusch sich seine Hände und sein Gesicht. Als er sein Gesicht abgetrocknet hatte sah er mich im Spiegel an und lächelte. Er war kein Traum, er war real und er war wirklich bei mir. Dean drehte sich um und kam zu mir herüber. Aus Reflex umarmte ich ihn und er umarmte mich. Ich war einfach nur froh das er nicht weiter großartig verletzt war und überhaupt am Leben war.
"Komm ich verarzte deine Wunde", sagte ich und führte ihn zum Bett. Er setzte sich und ich bedeutete ihm seinen Mantel sowie sein Oberteil auszuziehen.
Es war wirklich nicht so schlimm, wie es ausgesehen hatte. Kleine Schnittverletzungen und eine Große. Er stützte sich mit seinen Armen ab, sodass ich besser an die Wunden heran kam. Ich nahm einen Tupfer und besprühte ihn mit Desinfektion. Ich sah noch einmal genauer auf seine Brust oder besser gesagt zu seinem Hals. Er trug eine Kette. Und irgendwoher kannte ich diese Kette...Als ich mich seiner Brust zu wenden wollte, bemerkte ich, dass er mich nicht aus den Augen ließ und mich genauestens begutachtete. Ein kurzes Lächeln zuckte um meinen Mund.
"Woher hast du die Kette?", wollte ich wissen und tupfte behutsam über die Schnitte, wobei er ein kurzes leises Stöhnen von sich gab und dann die Zähne zusammen biss.
"Als ich vor einigen Wochen mit meinem Trupp hier war, kam ich an deinem Haus vorbei..."
Ich dachte an den Moment zurück, wie über mir das Dach und unter mir der Boden zusammen stürzte. Wie ich Saim und meinen Notfallkoffer geschnappt hatte. Wie ich hinaus lief und zusah, wie alles in Trümmern lag und wie alles brannte. Und an den Moment, in dem ich unter den Trümmern lag und gebetet hatte, das uns jemand retten würde. Mein armer Saim, sein Leben war viel zu früh beendet.
"Ich bin in dein Haus hinein, zumindest in den Rest davon und da hab ich die Kette gesehen, sowie deinen Zeichenblock."
"Ich dachte schon, dass du es nicht geschafft hättest...", flüsterte er und ich sah in seine Augen.
"Ich habe einiges überstanden. Bin so oft dem Tod entkommen... Ich hatte eher Angst um dich, als um mich", flüsterte ich und schlang das Verbandsmaterial um seinen Thorax.
Er zog etwas aus seiner Hosentasche, es war leicht geknickt und doch erkannte ich, dass es das Foto von mir war.
"Du hast mir so einige Male mein Leben gerettet", sagte er, "Du warst mein Schutzengel..."
Ein Lächeln glitt über mein Gesicht und er hob seine Hand an meine Wange.
"Du hast immer noch dieses zarte Lächeln", flüsterte er, "An dir scheint der Krieg spurlos vorbei gezogen zu sein, so schön, wie du bist."
Er lag so falsch. Der Krieg hatte mich gebrandmarkt. Ich hatte Freunde und meine Mutter verloren und wo meine jüngere Schwester steckte, wusste ich nicht. Ich hatte Männer mit einer Pistole getötet, verwundete Menschen belogen, dass alles wieder gut werden würde und ich hatte die Hoffnung, auf ein Kriegsende verloren...
Ich bemerkte erst, dass ich weinte, als er mich an seine Brust zog.
"Bitte weine nicht, mein Engel", flüsterte er in mein Ohr.
Doch so leicht konnte ich das alles nicht abschütteln. Endlich konnte ich mal meinen Tränen freien lauf lassen. Sonst musste ich immer stark sein, für Evelyn und mich. Doch jetzt war Dean hier und ich konnte meine erbaute Mauer herunterreißen.
"Ich hab solche Angst gehabt", sagte ich.
"Ich weiß, aber jetzt bin ich ja da."
Eigentlich musste ich zum Schutzbunker, denn Evelyn brauchte immer noch die Medizin. Ich stand vom Bett auf und ging zur Tür.
"Bitte geh nicht."
"Ich muss, Evelyn ist krank sie braucht Medizin", sagte ich und drehte mich zu ihm um.
"Bleib bei mir, ich hab nur noch einen Tag hier und will dich wenigstens für diese wenigen Stunden in Sicherheit wiegen... bei mir...", flehte er mich an.
Ich wollte doch auch hier bleiben, aber ich konnte Evelyn nicht im Stich lassen, sie brauchte mich doch...
"Ich bin sofort wieder da", sagte ich und verließ das Zimmer.
Mit schnellen Schritten rannte ich durch das Krankenhaus und suchte nach Elena. Sie half gerade einem Mann mit nur einem Bein auf eine Trage.
"Elena!", rief ich und sie sah mich erschöpft an.
Sie war gerade mal sechzehn und hatte sich hierher schicken lassen um zu helfen. Wenn ich daran dachte, dass meine Schwester irgendwo da draußen war und arbeitete, wurde mir eiskalt. Ich half ihr und wir bugsierten den Mann zusammen auf die Trage.
"Wenn du zum Schutzbunker zurückkehrst, würdest du mir einen Gefallen tun?"
Sie nickte.
"Du musst Evelyns Medizin mitnehmen", sagte ich und führte sie zu den Kartons mit Medikamenten. Ich nahm zwei Flaschen von dem Saft heraus und drückte sie ihr in die Hand.
"Aber ich hab doch Nachtschicht", sagte sie.
Ich schüttelte den Kopf und drückte ihr auch noch zusätzlich die Waffe von mir in die Hand.
"Ich übernehme deine Schicht. Sag Evelyn bitte, dass es mir gut geht, ja?"
"Okay..."
"Am besten du machst dich jetzt auf den Weg, bevor es ganz dunkel ist."
Sie nickte und ich umarmte sie, als Dank.
"Pass auf dich auf ja?"
"Mach ich", sagte sie und verschwand.
Ich öffnete die Zimmertür von Dean und ging hinein.
"Ich hab mir schon Sorgen gemacht!", sagte er und stand auf.
"Alles okay. Ich musste nur etwas regeln", sagte ich und schloss die Tür ab.
Er nahm mich in seinen Arm und wir legten uns ins Bett. Es sollte wohl die schönste Nacht seit langem für mich und ihn werden.
Irgendwann in der Nacht öffnete ich meine Augen. Und sah neben mich. Dean schlief und sein nackte Oberkörper mit dem Verband leuchtete. Mein Blick glitt aus dem Fenster. Ich schlich mich aus dem Bett und ging hinüber zum Fenster. Schüsse waren zu hören und es flackerten immer wieder Lichter auf. Es war viel zu nah. Ich sollte mich anziehen und in den Flur gehen. Dort brauchte man bestimmt meine Hilfe. Und ich lag hier herum und vergnügte mich... ich war wirklich selbstsüchtig. Ich spürte etwas warmes an meinem Rücken, es war Deans Brust. Dabei hatte ich mich extra leise angestellt um ihn nicht zu wecken.
"Sie sind schon wieder so nah", flüsterte ich.
Er legte seine Arme um meine Hüften.
"Kaum zu glauben, dass es bereits fast eineinhalb Jahre her ist, das die Welt ruhig war", fügte ich hinzu.
"Und es ist noch nicht vorbei", murmelte er.
Ich drehte mich zu ihm um und nahm seine Hand. Ich versuchte zu Lächeln, ich wollte ihm irgendwie Hoffnung vermitteln. Schließlich hatten wir es bis hier her geschafft, also wieso sollten wir diesen Krieg nicht gänzlich überstehen?
"Leg dich wieder hin und ruhe dich aus. Ich muss hinaus. Man braucht sicherlich meine Hilfe", sagte ich und widerwillig gehorchte er mir. Während ich mich anzog, beobachtete er mich die ganze Zeit.
"Ich bin bald wieder da", sagte ich und verließ widerwillig das Zimmer.
"Jane, würdest du bitte nach draußen gehen und entscheiden, wen wir noch behandeln können und für wen es sich nicht lohnt?!", rief mir Loretta, die Oberschwester, zu.
Was?! Nein, das konnte ich nicht!
"Los! Wir sind jetzt schon fast bis obenhin voll! Alex wird dir helfen!"
Alex, ein Assistenzarzt, kam zu mir gelaufen und zog mich hinter sich her. Ich konnte doch niemals über Leben und Tod entscheiden... Das, das war nicht meine Absicht!
Wir öffneten die große Tür und ich erschrak. Es bewegten sich so viele Menschen auf das Krankenhaus zu, es war wirklich unmöglich sie alle hinein zu lassen! Doch wie sollte ich die Entscheidung über Leben und Tod treffen?
"Alex, ich schaff das nicht!", rief ich.
"Doch, Jane, du schaffst das!", rief er zurück und ließ schon die ersten Menschen ins Krankenhaus hinein. Ich atmete durch und sah zu den den Verwundeten Menschen, die auf mich zukamen. Es waren einfach so viele. So viele konnte ich einfach nicht durchlassen, aber auch nicht abweisen...
"Bringen Sie ihn rein!", sagte ich einem Mann, der einen anderen stützte. Er hatte eine klaffende Wunde am Kopf.
Als wir fertig waren, war die Sonne bereits am Aufgehen und ich spürte die kleinen Sonnenstrahlen, die meine verschmutzten Wangen streichelten. Es erinnerte mich an den letzten Tag mit Evelyn, als wir am Strand lagen. Da war unsere Welt noch in Ordnung.
Meine Zehen waren bereits taub und ich schleppte mich müde die Treppenstufen hoch. Ich war nun schon bestimmt über vierundzwanzig Stunden wach. Es machte sich bemerkbar. Meine Lider waren schwer, ebenfalls meine Beine und meine Auffassung war gleich null.
"Jane!", hörte ich Elena rufen und ging zu ihr hin.
"Evelyn weiß Bescheid. Sie sagte, du sollst dir keine Gedanken um sie machen."
"Danke, Elena", murmelte ich.
"Lass mich deine Schicht übernehmen okay? Du musst todmüde sein", meinte sie mitfühlend.
Ich schlich mich in das Zimmer von Dean. Und sah ihn erschrocken an. Sofort war ich wieder hellwach.
"Was machst du da?", fragte ich.
Er hatte sein Hemd zugeknöpft und schnürte seine Schuhe zu.
"Ich..."
"Du musst gehen, ich weiß...", sagte ich kleinlaut.
Er zog seinen Mantel über, sowie sein Barett.
"Es tut mir so leid, Jane", sagte er und nahm mich in den Arm, "Aber ich verspreche dir, das wir uns wiedersehen werden."
Er klang fest entschlossen, also glaubte ich ihm und hoffte darauf, das er wirklich wiederkam.
"Ich werde auf dich warten", flüsterte ich an seine Brust und sog ein letztes Mal seinen Duft ein.
Er hob mein Kinn an und ich konnte in seinen Augen sehen, dass er angst hatte. Er drückte seine Lippen auf die Meinen. Für einige Sekunden blieb die Zeit stehen. Ich vergaß den Krieg, die Toten, die Verwundeten und die, die Überlebten. In diesem Moment zählte nur Dean für mich.
Seine Lippen lösten sich von mir und ich kam wieder in der Realität an. Er schulterte seine Tasche und sah mich mit traurigem Blick an. Es war ein Déjà-vu. Wieder standen wir hier, sahen uns an und eigentlich wollte keiner von uns Abschied nehmen. Dennoch mussten wir. Wieder einmal auf unbestimmte Zeit. Er gab mir einen letzten Kuss auf die Stirn und verschwand aus dem Raum. Kälte breitete sich aus und der Raum füllte sich mit Stille. Er war weg, wieder einmal.
Jane:
Es war Anfang April. Und ich hatte seit unserem letzten Treffen nichts mehr von Dean gehört. Es war mittlerweile etwas ruhiger bei uns geworden. Es passierte vielleicht nur noch ein oder zweimal im Monat, dass eine Bombe fiel. Das Krankenhaus hatte sich auch halbwegs normalisiert. Dennoch war der Krieg nicht vorbei, auch, wenn es auf dem ersten Blick so aussah. Der Schein trübte.
"Dad, ich hab dir was zu Essen mitgebracht", sagte ich und hielt ihm die in Folie gewickelte Box hin.
Mein Vater war mit in den Schutzbunker gezogen. Er hatte ja sonst nichts, wo er hin konnte.
"Du bist ein Engel."
Er lächelte mich an. Dad hatte seit langem mal wieder gelächelt. Er war seit Monaten nur noch in Gedanken. Wahrscheinlich um Meredith. Ich hatte mich immer noch nicht getraut ihn zu fragen, was mit ihr passiert war. Doch nun musste ich all meinen Mut zusammen nehmen, denn ich wollte es erfahren.
"Machst du dir Gedanken um Meredith?", fragte ich zögernd und er sah mich direkt an.
Ich hatte ins Schwarze getroffen und er nickte.
"Was ist mit ihr passiert?"
Er presste die Lippen auf einander und rieb seine Hände aufgeregt gegeneinander. Er musste sich zurück halten, dass spürte ich.
"Ich konnte nichts tun...", sagte er leise, "Sie haben sie einfach mit genommen. Mir praktisch aus den Armen gerissen... Ich..."
"Wer hat sie mit genommen?", wollte ich wissen.
"Russen... Es war an dem Tag, wo deine Mutter gestorben ist... Ich, ich hab versucht Meredith zu beschützen, doch dann...", sagte er und seine Stimme zitterte.
"Es ist nicht deine Schuld, Dad!", warf ich ein.
"Du bist wie deine Mutter", sagte er und lächelte mich an, "Trotzdem macht es keinen Unterschied für mich, ich fühle mich schuldig, daran kannst auch du nichts ändern."
Ich widersprach nicht, es hätte sowieso nichts geändert.
"Was ist mit ih passiert? Lebt sie noch?"
Er zuckte mit den Schultern und sah auf den Boden.
"Als sie sie mitgenommen haben, lebte sie noch. Ich höre immer noch ihre Schreie. Sie haben sie in einen Transporter gebracht, wo noch andere Frauen drin waren."
"Sie wurde in ihre Lager gebracht", murmelte ich zu mir selbst.
Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was sie dort mit ihr machten. Was sie ihr vielleicht antaten. Irgendwas musste ich doch tun. Doch was konnte ich ausrichten? Ich wusste ja nicht einmal wo sie sein könnte. Es war zwecklos.
Wir machten uns auf den Weg ins Krankenhaus Evelyn und ich hatten beschlossen, Elena immer mitzunehmen. Sie war mittlerweile eine gute Freundin geworden und ich wollte nicht auch noch sie verlieren.
"Bist du sicher, dass du das schaffst?", fragte Elena.
Elena machte sich immer viel zu große Sorgen um Evelyn, da diese immer so anfällig auf Krankheiten war.
"Keine Sorge, mir gehts wieder, den Umständen entsprechend, gut."
Evelyn ging es eigentlich nicht gut, das sah ich ihr an. Ihre Augen waren rot. Sie hatte diese Nacht wieder viel geweint. Peter war vor einer Woche aufgetaucht und es zerrte immer noch an ihren Nerven. Er hatte sich komplett verändert, nicht nur äußerlich, auch innerlich schien er ein anderer zu sein. Er trug einen Verband über einem Auge. Hatte er also Splitter von Bomben abbekommen? Er hatte nicht darüber gesprochen, wie es an der Front zu sich ging. Man hatte gemerkt, das ihm sichtlich die Last von den Schultern fiel, als er Evelyn in die Arme nahm. Er hatte zu Evelyn gesagt, "Sollte der Krieg vorbei sein und ich noch leben, heirate ich dich auf der Stelle und du bekommst alles was du je wolltest." Es war süß von ihm. Und ich musste wieder an Dean denken. Hoffentlich würde er bald wieder kommen. Wir erreichten das Krankenhaus und liefen schnell hinein. Ich schloss die großen Türen.
Dean:
"Los los los!", schrie ich und mein Trupp kam hinter einen Felsen gelaufen. Schüsse waren zu vernehmen und ich lugte über den Stein hinüber. Die Iraker waren kaum sechshundert Meter entfernt. So nah waren sie uns noch nie gekommen. Mein Herz pochte wie wild und ich schloss noch einmal die Augen.
Janes Gesicht erschien vor meinem inneren Auge und sie lächelte mir entgegen. Es gab mir Kraft. Nein, heute würde ich nicht sterben, ebenso wenig morgen oder nächste Woche! Ich würde wieder zu ihr zurück kehren. Sie war mein Schutzengel.
Ich sah zu den anderen Trupps hinüber, die etwas weiter von uns entfernt hinter anderen Felsen und hinter Sanddünen kauerten. Ich atmete laut aus und mein Blick schweifte zu meinem Trupp. Sie sahen mich erwartungsvoll an und warteten auf meinen Befehl. Heute würde ich niemanden von ihnen sterben lassen. Heute nicht. Dieses Mal würden diese Schweine das bekommen was sie wollten - Krieg.
"Auf meinen Befehl, Kameraden!", sagte ich und wartete auf den richtigen Moment.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals und Schweißperlen liefen an meinen Schläfen hinunter. Ich tat einen tiefen Atemzug und betete noch einmal zu Gott.
"Los!"
Wir kamen aus unserer Deckung heraus und liefen auf die Iraker zu. Schüsse waren zu hören und ich hatte jegliche Orientierung verloren. Ich versuchte meinen Trupp zu schützen und schoss auf alles und jeden der sich mir in den Weg stellte. Wir hatten die Iraker überrannt wie eine Horde Elefanten. Als wir die Sanddüne hinauf kamen blickte ich in ein schwarzes Loch. Sofort blieb ich stehen und drehte mich um.
"Zurück! Zieht euch alle zurück!", brüllte ich.
Ein Hinterhalt wartete auf uns hinter der Düne. Iraker, Russen und Japaner! Sie besaßen riesige Geschütze. Plötzlich übermannte mich die Angst.
Mein Trupp schien mich nicht sofort verstanden zu haben, denn sie kamen immer näher.
"Rückzug!", brüllte ich wieder und plötzlich schienen sie zu begreifen.
Ein zwei Schüsse waren zu hören und plötzlich wurde es still um uns. Schmerzen durchzogen meinen Körper und ich verlor den Halt unter meinen Füßen. Der Boden kam näher und ich sah meinen Trupp, wie er auf mich zu gerannt kam. Dumpfe Schreie, Laute und Schüsse waren zu hören, doch richtig definieren konnte ich es nicht mehr.
Einer meiner Männer versuchte mich aus der Gefahrenzone zu ziehen, doch auch er wurde angeschossen und ging zu Boden. Sein Blick wurde leer und ich wusste das ich versagt hatte.
Kurze Zeit später wurde mir schwarz vor den Augen.
Jane:
Es war ruhiger geworden seit der Sommer wieder da war. Ich hatte lange überlegt was ich tun könnte und ich hatte einen Plan. Mein Vater war vor einem Monat gestorben. Eine schlimme Lungenentzündung hatte ihn ereilt und ich konnte nichts mehr für ihn tun. Doch es gab etwas was ich jetzt tun musste. Ich musste versuchen Meredith zu finden. Ich musste einfach wissen ob sie noch lebte. Und wenn ja, dann musste ich ihr helfen. Sie war das einzige was ich noch hatte von meiner Familie. Evelyn und Elena waren soweit sicher und ich wusste sie würden klar kommen. Ich hängte mir meine Tasche um und band meine Haare zusammen.
"Und du bist sicher das ich nicht mitkommen soll?", fragte mich Evelyn zweifelnd.
Ich nickte und versicherte ihr, dass ich auf mich aufpassen würde.
"Ich kann mich wehren, das weißt du."
"Ich weiß. Du wirst mir fehlen!", sagte sie und umarmte mich fest.
Sie würde mir auch fehlen. Doch mir blieb keine andere Wahl. Meredith war ein Teil von mir.
"Jane! Jane! Wo finde ich Jane! Jane!"
Es war Elenas Stimme die Evelyn und ich hörten. Wir kamen aus der Umkleide und sahen wie Elena mit einem Soldaten auf uns zu kam. Der Soldat hatte einen Brief und ein kleines Päckchen in der Hand und blieb kurz vor uns stehen. Hektisch atmete Elena ein und aus. Ich musterte den Soldaten. Verletzungen hatte er keine. Deshalb war er also nicht hier.
"Miss Jane Calvin?", sagte der Soldat.
Ich nickte, "Ja?"
"Staff Sergeant McKenzie. Ich war ein guter Kamerad von Staff Sergeant Granville."
"Dean?"
Mein Herz schlug höher. Doch wo war er?
"Mein aufrichtiges Beileid, Miss. Er hat immer viel von ihnen erzählt."
Er hielt mir den Brief und das Päckchen entgegen und mein Herz verstummte.
"....Beileid...?", fragte ich und meine Stimme brach.
"Es tut mir leid...", sagte er und legte mir eine Hand auf die Schulter. Mein Herz stand still, die Zeit stand still. Was passierte nur? War das vielleicht alles ein böser Albtraum? Das konnte nicht sein. Dean konnte nicht... Ich durfte gar nicht daran denken. In meinem Hals bildete sich ein riesiger Kloß, als ich den Brief öffnete. Mit zittrigen Fingern faltete ich das Stück Papier auseinander.
Dir Geliebte Jane,
Jetzt bin ich schon so lange von dir getrennt. Ich vermisse dich jeden Tag mehr und mehr. Die Sehnsucht nach dir, treibt mich jedoch weiter und weiter.
Bei jeder Ruhepause, die mir vergönnt ist, sehe ich mir dein Bild an, und denke an unsere gemeinsame Zeit.Mein Alltag an der Front, wird durch stupide Eintönigkeit geprägt. Es ist heiß und das seit Wochen. Der Boden ist staubtrocken.Und die Kleidung durch geschwitzt. Ich habe mich unter einen kleinen Bretterverschlag verkrochen.
Wir müssen etwas aufpassen, da Scharfschützen, jederzeit darauf lauern, jeden ins Visier zu nehmen, der seinen Kopf über den Rand des Schützengrabens ragen lässt. Wenigstes lässt einen diese Tatsache aufmerksam sein.
Die Generäle lassen uns auf den Feind zu stürmen, um 10 Meter Front zu gewinnen, und 4 Stunden später, folgt dann der gegen Angriff, durch den wir wieder zurück geworfen werden. Man sieht jedes Mal Freunde sterben. Sieht und hört ihre Qualen.
Wenn man überhaupt dazu kommt, kann man eh kaum schlafen.Diese Bilder hat man ständig vor Augen. Die Obrigkeit würde wohl noch ewig so weitermachen.Was wohl dazu führen wird, dass ich noch länger von dir getrennt bin.Sei aber nicht traurig darüber. Wir werden uns ja bald wieder sehen. Und dann werden wir ein schöneres Leben führen und dies alles vergessen.
Wenn ich wieder da bin und dich wieder bei mir habe, dann möchte ich dich nie wieder hergeben. Nie wieder. Ich möchte dich dann Miss Granville nennen und dich als meine Frau betiteln. Ich werde auf diesen Moment warten. Egal wie lange es dauert.
In Liebe,
Dean
Es waren nun bereits drei Monate vergangen seitdem ich mich auf den Weg gemacht hatte um Meredith zu suchen... und auch drei Monate seitdem ich erfahren hatte, dass Dean nicht mehr zu mir zurück kommen würde.
Ich vergrub sämtliche Gedanken über ihn in den Tiefen meiner Seele, denn jedes Mal, wenn ich über ihn nachdachte brach ich zusammen. Das konnte ich mir gerade nicht erlauben. Meredith war noch irgendwo da draußen. Alleine und auf sich gestellt und kämpfte um ihr Leben. Zumindest hoffte ich dies. Gewissheit war leider keine in Sicht.
Ich hatte mich an die Fersen von ein paar russischen Soldaten gehängt und verfolgte sie nun bereits seit zwei Wochen im Verborgenen.
Doch bis jetzt führte ihr Weg nicht zu einem Lager. Vielleicht war ich auf der falschen Fährte. Doch ich klammerte mich an jeden Strohhalm.
Tag der Veröffentlichung: 15.04.2012
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