Ein Jahr in einem Internat.
Nach meiner Schulzeit schickten mich meine Eltern für ein Jahr in ein Internat, welches von katholischen Schwestern eines Franziskanerordens geleitet wurde.
Hier sollte ich vor meiner Berufsausbildung eine ausgezeichnete Allgemeinbildung und eine gute Haushaltsführung kennen lernen.
Dieses eine Jahr hat mein weiteres Leben sehr geprägt..
Meine Familie lebte nach streng religiösen Grundsätzen und so war mir der Tagesablauf in diesem katholischen Internat nicht fremd.
Dreißig Mädchen, die etwa 18 bis 20 Jahre alt waren, kamen aus gutbürgerlichen Gesellschaftsschichten um hier alle nötigen Kenntnisse der feineren Haushaltsführung kennen zu lernen. So waren hier auch einige Töchter aus reichen Bauernhöfen.
Einmal, es war während eines theoretischen Unterrichtes in Ernährungslehre, konnte eine dieser Mädchen eine Frage nicht richtige beantworten und gab deshalb erst gar keine Antwort.
Nach mehrmaliger Ansprache der Schwester Ethelburga und weiterem beharrlichem Schweigen der Schülerin, rief die Schwester ärgerlich : „ Warum gibst Du mir denn keine Antwort ? DU BIST WOHL STIERIG !!!
Die fünf Bauerntöchter erstickten fast vor unterdrücktem Lachen und wurden alle zur Strafe eine Weile aus dem Raum geschickt.
Wir anderen, unaufgeklärt wie man damals eben war, verstanden nichts und die gescholtenen Mädchen gaben auch nie eine Erklärung für ihren Heiterkeitsausbruch.
Die Schwestern waren streng, aber sie brachten uns wunderbare Sachen bei und förderten Kunst und Kultur.
So fuhren sie mit uns zur Weltausstellung nach Brüssel, reisten mit uns in den Elsass und wir lernten auf dieser Reise die deutschen Dome in Mainz, Worms, Speyer und Freiburg kennen.
Museen, Konzerte und Ausstellungen der verschiedensten Kunstrichtungen wurden uns ebenfalls angeboten.
Hier habe ich besonders den Isenheimer Altar von Matthias Grünewald in Colmar und den geschnitzten Altar von Tilman Riemenschneider im Breisgau in Erinnerung.
Wir schliefen alle in einem großen Schlafsaal, der in dreißig kleine Schlafplätze, abgetrennt durch rosafarbene, schön gearbeitete Vorhänge, gestaltet war.
Hier standen ein Bett, ein Nachtschränkchen, ein Hocker und ein Kleiderschrank.
Da ich zu Hause mit drei Schwestern ein Zimmer teilte, erschien mir dieser Schlafraum als ein erstes, ganz alleine mir gehörendes Zimmer
Am Morgen um halb sieben ging eine Schwester mit einer kleinen Glocke durch die Gänge des Saales und rief: „Gelobt sei Jesus Christus!“
Wir antworteten, noch etwas schläfrig: „ In Ewigkeit. Amen.“
Dabei warfen wir das Oberbett über das Fußende des Bettes und damit bauschte sich der Vorhang am Ende der Schlafstatt auf und somit konnte die Schwester von außen sehen, dass wir aufgestanden waren.
Um sieben Uhr nahmen wir am täglichen Gottesdienst teil, den ich besonders schön fand, weil die Schwestern gregorianische Gesänge anstimmten. Der Wohlklang dieses Gotteslobes in den Kirchen ist mir bis heute der liebste.
Der Tag verging mit den verschiedensten Tätigkeiten:
Von feinsten Handarbeiten, leckersten Gerichten und ihren Zubereitungen, dem Gestalten eines festlichen Tischschmuckes, dem Verhalten bei Tisch und Gesprächsführungen bei Gesellschaften, der Pflege eines guten Haushaltes, Übungen zur Wäschepflege und guter Allgemeinbildung, nichts, was wir später nicht gebrauchen konnten, wurde uns beigebracht.
Die Schwestern achteten darauf, dass wir auch miteinander gut auskamen und ich habe nie irgendwelche Bösartigkeiten oder Streitigkeiten erlebt.
Sämtliche Schwestern waren freundlich, aufrichtig, fröhlich und eine Schwester, die noch ganz jung war, habe ich wie eine Freundin empfunden, der man alles anvertrauen konnte.
Da mir dieses Jahr dort so gut gefallen hat, ist mir auch bis heute eine ganz besondere Vertrautheit mit christlichen Bräuchen und Verhaltensweisen erhalten geblieben.
Prägend für mein Leben in christlicher Gemeinschaft waren für mich die ersten zwanzig Jahre, die mir durch eine intakte Familie und eine gute Ausbildung geschenkt wurden.
Texte: Annelie Heyer
Lektorat: eigenes Lektorat
Tag der Veröffentlichung: 01.03.2016
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Meinen damaligen Ordensschwestern in diesem Internat, die mir alle sehr lieb waren!