Die Hitze der letzten Nächte bescheren mir die seltsamsten Träume.
Gestern war wieder so eine Nacht – ich kann nicht einschlafen und so lese ich, bis ich kaum noch die Augen aufhalten kann. Doch kaum ist das Licht gelöscht nimmt mich Morpheus mitnichten in seine Arme. Ich wälze mich herum, stehe wieder auf, trinke etwas, versuche nur an Positives zu denken, doch es nutzt nichts.
Das erste fahle Licht lugt zwischen die Vorhänge im Schlafzimmer und schon sind sie wieder da. Die ersten durchdringenden Lustschreie des Taubenheeres, das mich schier um den Verstand bringt. Keines der, von mir so geliebten frühmorgendlichen Vogelkonzerte, sind mehr zu vernehmen. Vertrieben von diesen seit Jahren anwachsenden Taubenmassen! Die heimische Vogelwelt wird von den großen, fetten, frechen Tauben vertrieben. Mit wenigen kleinen Zweigen bauen sie in einem Tag ihre Nester und scheuen sich nicht, ganz dicht bis an die Häuser zu nisten. Sie sieht mich an, die Taube auf dem Nest, ich klatsche in die Hände, sie rührt sich nicht. Sie weiß, ich kann sie nicht erreichen. Die Männchen führen in den Bäumen lautstarke Revierkämpfe auf, sie schlagen sich gegenseitig mit ihren Flügeln, dass die Federn fliegen. Den ganzen Tag nur Tauben, die ihre Hinterlassenschaften auf Hauswände, Gartenmöbel und letztens auf meinen Kopf fallen ließen, dazu ihre unschönen Laute, selbst beim Fliegen schreien sie und stürzen im Steilflug auf ihr nächstes Ziel. Sie wackeln ungelenk über den Rasen, picken hier und da und die hellen Steinplatten der Gartenwege scheinen ihnen wohl gerade recht um ihre „Tretminen“ abzuwerfen!
Nichts ist mehr zu hören und zu sehen von meinen Meisen, Rotkehlchen, Spatzen, Buchfinken und dem Dompfaff, die ich im Winter fütterte und an deren An- und Abflüge ich mich erfreute. Sie wollten mir im Frühling und Sommer mit ihren frühmorgendlichen Konzerten sicher dafür danken. Doch nicht einmal Amseln und mehrere Elstern konnten diese Taubenheere vertreiben. Nein, ich weiß, man darf in bewohnten Gebieten nicht schießen, nur das würde helfen. Ich drücke meine Oropax noch tiefer in meine Gehörgänge....
Putin steht mir gegenüber, ich bin eine seiner Begleiterinnen durch unser Land. Er sieht mich kühl an. Doch mein Lächeln und meine Unbefangenheit gefallen ihm. Das sehe ich in seinem Blick. Zweifellos besitzt er Charme, wenn er will. Er nickt mir kurz zu und senkt den Kopf.
Es sind immer die Augen eines Menschen, die mich anziehen. Sie treten mit meinem Verstand in Verbindung ohne dass ein Wort gesprochen wird.
Auch Putin hat diese „sprechenden Augen“. Er neigt nie zu spontanen Entscheidungen und jovialer Freundlichkeit. Der Herr des Kreml, der Zar ohne Thron aber ausgestattet mit gleich großer Macht. Gefürchtet und selber furchtlos, gehasst und geliebt. Einer der weiß, wie seine Russen „ticken“. Immer geteilt in ihrer Zuneigung oder Abneigung. Das war so, ist so und bleibt so im riesigen Russland. Ohne einen starken Mann versinkt das noch übriggebliebene Reich im Chaos.
Das verstehe ich, auch wenn er dazu kaum etwas äußert. Wir besteigen ein Flugzeug und fliegen über Länder und Meere. Hin und wieder landen wir, besuchen viele Orte und immer sind da rote Fahnen, die ihn willkommen heißen aber gleich viele schwarze Fahnen, die er nur kurz wahrzunehmen scheint, sie heißen ihn keineswegs willkommen. Frohe und finstere Gesichter schweben an Putin und mir vorbei. Ich bin noch immer an seiner Seite und will ihm etwas sagen, doch komme ich nicht dazu.
Das goldglänzende Innere einer orthodoxen Kirche mit tausenden brennenden Kerzen, dort stehe ich mit ihm, mitten in einer großen, dichtgedrängten Menge von Gläubigen. Uralte wertvolle Ikonen – Christus und Maria – schaue ich und nur die menschlichen Stimmen, ein Chor mächtiger Bässe und heller Tenöre, bringt Gott Lobpreisungen dar. Reich gekleidete Mönche schwenken silberne Weihrauchgefäße. Hin und wieder bekreuzigen wir uns.
Auch hier kann ich kein Mienenspiel bei Putin entdecken. Mein Erstaunen zu diesem Aufenthalt in einer orthodoxen Kirche kommentiert er jedoch: „ Auch das gehört zur russischen Seele und niemand hat sie imgrunde je ändern können.“ Kurz und knapp, ich nicke und verstehe ihn.
Ich nehme an einer Demo teil, viele sind nicht länger damit einverstanden, dass nichts gegen die immer größer werdende Taubenplage unternommen wird. Putin marschierte neben mir und nickte mir zu. Will er mir helfen? Wo ist denn hier das Problem? Er schüttelte den Kopf und ein leichtes Grinsen erreicht seine Augen. Kaum merklich blinzelt er mir zu.
Alle Straßen sind plötzlich menschenleer und über der Stadt kreisen unzählige große Hubschrauber. Sie lassen riesige Vogelkäfige herunter und da erheben sich tausende von Tauben, der Himmel verdunkelt sich von diesen Schwärmen und sie verschwinden in diesen Käfigen, werden von den Hubschraubern hochgezogen und fliegen mit ihnen der aufgehenden Sonne entgegen.
Neben mir landete ein Hubschrauber. Putin sitzt am Steuer und bedeutet mir wortlos, dass er mein Problem gelöst hat – in seinen unendlichen Wäldern werden diese Tauben mich nicht mehr belästigen! Sein Hubschrauber steigt in die Höhe und ich kann ihm nicht einmal mehr danken.
Ich erwachte von dem Gekrächze mehrerer Tauben auf der Kiefer vor meinem leicht geöffneten Schlafzimmerfenster!!!
Texte: Annelie Heyer eingest. am 5.7.2013 "Biografisches" WB August zu "Träume"
Bildmaterialien: Cover - Horst Hüben
Lektorat: Alle Rechte bei mir
Tag der Veröffentlichung: 05.08.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Cover wurde erstellt von Horst Hübner und ich möchte ihm hiermit ganz
herzlich danken!