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Der grässliche Treppensturz




Ferdinand von Weiden, adeliger Großgrundbesitzer und Offizier, lebte auf einem Gut in Wehlau/Ostpreußen. Seine Vorfahren hatten sowohl zu Zeiten der Preußischen Könige wie auch dem Kaiserreich und zuletzt dem Großdeutschen Reich vielfach als hohe Militärs gedient.
Ferdinands Söhne Siegfried und Richard und seine Frau Johanna erlebten zu Ende des 2. Weltkrieges, dass ihr Vater und Ehemann weder das Gut noch sein Leben über den Krieg hinweg zu retten vermochte. Damit nahm die Tradition der adeligen Familie, mindestens einen Sohn zur Verteidigung des Vaterlandes dem Militär zu überlassen, nun ein jähes Ende.

Sozusagen in letzter Minute flüchtete Frau von Weiden mit ihren beiden Söhnen vor den einmarschierenden Russen. Mit großem Gepäck, drei Leiterwagen, sechs Zugpferden und einigem Personal zogen sie in bitterster Kälte Richtung Westen.
Nach langer, entsetzlicher Flucht kam sie und die beiden Jungen halbwegs gesund aber unterernährt, völlig entkräftet und ohne Gepäck, Leiterwagen, Zugpferde oder Personal im Rheinland an.
Mit preußischer Haltung: Härte gegen sich selber, Pflichtbewusstsein, Sparsamkeit – um nur drei von mindestens fünfundzwanzig preußischen Tugenden zu nennen - ertrugen sie in den folgenden Jahren alle Unpässlichkeiten . In den zerbombten Städten und der allseits bestehenden Armut fand adelige Herkunft keine Beachtung.
Erst einmal erhielten sie ein Zimmer bei einer griesgrämigen Familie, die sie nur gezwungenermaßen aufnahm und schikanierte, wo es nur ging. Frau von Weiden schuftete bei den „Trümmerfrauen“ und klopfte emsig Steine sauber, weil diese zum Aufbau der Zerstörungen dringend benötigt wurden.

Die beiden Söhne Siegfried und Richard, obwohl sie in den letzten zwei Jahren nur hin und wieder Unterricht erhalten hatten aber vor der Flucht durch ihren gestrengen Hauslehrer so geschult worden waren, dass sie nun mühelos die erste bzw. zweite Klasse eines Gymnasiums besuchen konnten, zeigten in ihrem ganzem Wesen, dass preußisches Blut durch ihre Adern floss.
Ihre stets respektvolle Haltung gegenüber ihren Lehrern, die sich lobend über die intelligenten, höflichen und fleißigen Jungen äußerten, empfand die Mutter als Selbstverständlichkeit, hatte sie doch die kühle Strenge ihrer eigenen Kindheit an die Söhne weitergegeben.

Gottesfurcht, Unterordnung bis zur Selbstverleugnung und Gehorsam kennzeichneten in erster Linie das weitere Leben Siegfrieds. Er entschied sich nach dem Abitur ein Theologiestudium aufzunehmen, blieb ledig und seine Mutter begleitete ihn bis zu ihrem Tod.

Disziplin, Fleiß, Pünktlichkeit zeichneten Richard aus, doch im völligen Gegensatz zu seinem Bruder, zeigte er ein sehr großes Interesse am weiblichen Geschlecht. Nach seinem Studium der Literaturwissenschaften setzte er eine weitere Ausbildung zum wissenschaftlichen Bibliothekar hinzu, promovierte und wurde innerhalb weniger Jahre Leiter einer Universitätsbibliothek.
In seiner Studienzeit hatte er einige flüchtige Liebschaften, die zu seinem Glück keine peinlichen Auswirkungen zeitigten, die ihm womöglich teuer zu stehen gekommen wären.

Sein Vater, der manchmal einige hübsche, junge Mägde zu schwängern pflegte, überredete stets einen ledigen Knecht oder Angestellten seines Gutes, erklärte ihm die Situation warum er wünschte, dass das Mädchen zu ehelichen sei und belohnte diesen „Gefallen“ mit einer besseren Anstellung, einer Wohnung und einem „Handgeld“, damit die Leutchen eine Familie gründen konnten.
Die Ehefrau Johanna war immer im Bilde aber sie sagte nichts dazu. ( preußische Haltung ließ dieses Thema unter den Eheleuten unerwähnt) !!!

Richards zukünftige Ehefrau und Mutter seiner Kinder sollte selbstverständlich ein Mädchen aus gutem Hause, makellos aussehend, in der Lage sein ihm ein gemütliches Heim zu schaffen und selbstverständlich „ohne Vergangenheit im geschlechtlichen Leben“.
Genau eine solche Frau fand er auch.
Regina war zwar ein wenig schüchtern und geradezu ängstlich wenn er sich ihr näherte, doch das würde sich ändern lassen, dachte Richard. Ihre Vorstellung von Liebe und Nähe war jedoch völlig anders als Richards nahezu tägliches Einfordern von wilden Sexspielen, die sie in kurzer Zeit abstoßend und ekelig fand.
Noch vor Ablauf des ersten Ehejahres bekam sie eine Tochter. Regina sah schon an Richards Gesicht, als er enttäuscht das Kind betrachtet. „Ach, ein Mädchen – ich hoffe, dass du mir als nächstes einen Sohn schenkst!“ war alles was sagte. Damit hatte er Reginas Zuneigung endgültig verspielt.

Zwei Jahre später wurde „sein Sohn“ geboren und danach war ihr geschlechtliches Eheleben sozusagen zu Ende! Die Kinder erhielten alle ihre Liebe. Richard hatte zwar ein Haus gebaut, einen Sohn gezeugt und einen Baum gepflanzt aber die Liebe seiner Frau verloren.
Sie hätte einen zärtlichen, liebvollen Ehemann gebraucht, der auf ihre Wünsche eingegangen wäre und sie nicht mit seinen wüsten Liebesspielen abgestoßen und erschreckt hätte. Langsam fiel sie in eine Depression, die mit den Jahren immer schlimmer wurde, doch viele ärztliche Behandlungen brachten keine Besserung. So lebten sie nebeneinander her.

In seiner Bibliothek stellte Richard eine Kollegin ein, die nicht gebunden und nur wenig jünger wie er war, sehr humorvoll, warmherzig und feierfreudig. Ihr Aussehen konnte nicht mit dem seiner Frau verglichen werden. Lottes vollschlanke Figur und ihr Gesicht, mit einer langen etwas hakenförmigen Nase, war nicht anziehend aber ihre Ausstrahlung und Tüchtigkeit im Beruf wie auch in ihrem Alltag, zog Richard an. Nach wenigen Monaten wurde sie seine Geliebte, die seiner Lust und seinen Liebesspiele voll entsprach, ja noch übertraf.

Richards Ehefrau fiel immer tiefer in ihre Depression und im Alter von zweiundfünfzig Jahren rannte sie über eine belebte Straße. Ein Bus erfasste sie und Regina erlitt tödliche Verletzungen.
Richard lebte nun allein in seinem Haus. Er veränderte nichts, weder an seinem gewohnten Leben noch an Heim und Garten. Die Kinder studierten bereits in entfernten Universitäten und kamen nur hin und wieder nach Hause.
Richard schenkte Lotte einige teure Handtaschen seiner verstorbenen Frau – die Kleidungsstücke passten ihr nicht und wurden der Kleiderstube der Caritas übergeben.

Mit Lotte reiste er häufig in kostspielige Urlaube. Hier trat er wieder auf, wie ein Adeliger aus den alten Zeiten. Seine tadellosen Manieren, seine kühle, ein wenig herrische Art, wenn er auf den Namen „ Dr.von Weiden“ ein Appartement reservieren ließ. In strammer Haltung übergab er die Schlüssel seines teuren BMW einem Pagen und die vielen Bücklinge, die alle Angestellten vor ihm machten und seine Wünsche schnellstens erfüllten, alles erinnerte ihn an die herrlichen Zeiten, die er als Kind erlebt hatte. Leider waren sie für immer entschwunden.
Richard liebte die Musik und führte Lotte in die Oper, Konzerte, Ausstellungen und als Wagnerianer nahm er sie jedes Jahr mit nach Bayreuth zu den Wagner-Festspielen. Das hatten seine Eltern vor dem Krieg stets so gehalten. Lotte war fasziniert von seiner vornehmen Art.

Richards feierte in großem Rahmen seine Pensionierung, gleichzeitig mit Lotte. Am Ende der Feier stand er auf und verkündete: „Ich weiß sehr wohl, dass ihr alle herzlich froh seid, mich nicht mehr ertragen zu müssen. Meinen Spitzname „Hagestolz“ den ich wohl kannte, hat mich nicht geärgert, denn der entsprach tatsächlich meinem Naturell. Deshalb ist es mir ein Vergnügen euch mitzuteilen, dass ich mit der heute ebenfalls scheidenden Kollegin Lotte“ - hier unterbrach er seine Rede und trat hinter Lottes Stuhl, zog sie hoch, nahm ihre Hand und verbeugte sich zum formvollendeten Handkuss - „ seit über zwanzig Jahren eine Liebesbeziehung unterhalte! Somit darf ich also hoffen, dass ihr den „Hagestolz und sein Verhältnis" nie vergessen werdet und eure Klatschmäuler noch jahrelang an diesem Geständnis wetzen könnt!“
Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so unglaublich war allen das Gesagte. Der stets exakt arbeitende Chef, der nie ein persönliches Wort an sie gerichtet hatte, der immer in strammer Haltung seine Anordnungen erteilt hatte, kalt wie ein Eisblock erschienen war, nicht zu fassen!!!

Nun wandten sich alle Blicke zu Lotte, die nahm ihr Glas in die Hand, prostete allen lachend zu und ihr trockener Humor nahm dem Ganzen die Peinlichkeit indem sie rief: „Da ihr gerade alle den Mund offenstehen habt, greift tüchtig am Buffet zu und lasst es euch munden! Jedenfalls habe ich in den schönen Stunden mit Richard nichts von einem „Hagestolz“ erlebt – er ist ein ausgezeichneter Liebhaber!“


Mit siebzig Jahren bat Lotte ihren Liebhaber nun nur noch ihr guter Freund zu sein. Er sagte nichts zu diesem plötzlichen Wechsel ihrer Beziehung, doch er war offensichtlich beleidigt. Einige Wochen ließ er nichts von sich hören.
Als er wiederkam, brachte er seine tragbare Hammond-Orgel mit. Er spielte Lotte viele alte bekannte Volkslieder vor und sie sollte mitsingen.
Eines Nachmittags kam er mit dem Alten Testament an und brachte einige seiner Kleidungsstücke, die ein wenig auszubessern waren, mit. Wenn sie schon nicht mehr mit ihm ins Bett gehen wollte, konnte sie doch gewiss seine Sachen flicken?! Inzwischen las er ihr aus dem Alten Testament vor und Lotte war erstaunt, was für wenig fromme Dinge sie zu hören bekam.
Wenn er dann endlich nach Hause fuhr, ging sie zum Kühlschrank und holte eine Flasche Sekt hervor, die sie ohne ihn genoss, denn er liebte es nicht, sie angetrunken zu sehen, trank er doch selber nie, wenn er mit dem Auto unterwegs war.
Dass er nach dem Erkalten von Lottes Leidenschaft sich anderen Frauen zuwandte, hatte Lotte in ihrer Naivität nie bemerkt.
Zu Lottes Geburtstagen erschien er immer mit einem großen Blumenstrauß. Alle anderen Gäste waren Verwandte und viele Freundinnen, die entweder Witwen oder nie mit einem Mann verbandelt gewesen waren.
Richards Erscheinen ließ die Stimmung augenblicklich auf den Null-Punkt sinken. Mit großem Ernst und einer knappen Verbeugung begrüßte er jeden Gast. Sogleich wurde nur noch in bestem Hochdeutsch gesprochen.
Richard bekam den Ehrenplatz am Tisch und Lotte überschlug sich, seine Wünsche zu befriedigen. Dutzende Male erkundigte sie sich, ob Richard auch genug zu essen und zu trinken habe, sie füllte immer neue Leckerbissen auf seinen Teller, erkundigte sich, ob er auch bequem saß – kurzum alle fanden Lottes Veränderung, im Beisein Richards, mehr als seltsam.

Man flüsterte sich zu, das sei Herr Dr. von Weiden, Lottes Chef, der ihre Arbeit hoch schätzte und daher immer an ihrem Geburtstag zur Gratulation kam. Wer rechts und links neben ihm saß, suchte krampfhaft nach einem Thema mit welchem Herr Dr. von Weiden zu unterhalten sei. Er trank keinen Alkohol und von sich aus trug er nichts zur allgemeinen Unterhaltung bei. Alle atmeten auf, wenn er sich nach etwa zwei Stunden verabschiedete. Lotte begleitete ihn zu seinem Auto und winkte ihm hinterher.
Endlich wurde es lustig, der Sekt strömte, die Unterhaltung - losgelöst von dem Zwang sich zusammenzunehmen – kam in Schwung und lockere Erinnerungen aus der Vergangenheit machten die Runde.
So vergingen die Jahre und als Richard achtzig Jahre alt war, traf ihn ein Schlaganfall, der ihn lange Zeit ans Bett fesselte. Nach Krankenhausaufenthalt und einem halben Jahr in einem speziellen Reha-Zentrum konnte er nach Hause entlassen werden.
Weder Lotte noch seine Kinder hatten die Möglichkeit ihn Tag und Nacht zu betreuen. In ein Seniorenheim wollte er unter keinen Umständen und so wurde eine polnische Pflegerin, die jeweils ein halbes Jahr bei ihm wohnte, bevor sie von einer neuen Pflegerin ablöst wurde, angestellt. Sie übernahm auch die Hausarbeit und half ihm bei der täglichen Körperpflege, die er noch nicht selber bewältigen konnte.
Jeden Tag kam ein Therapeut ins Haus, der übte mit ihm alle verlorengegangenen Fähigkeiten. Seine Sprache wurde wieder verständlich, seine Bewegungsfähigkeit ließ ihn recht bald mit einem Rolator in der Wohnung herumgehen, jedoch konnte er kaum etwas hören. Das machte ihn sehr gereizt und immer unleidlicher.
Sein Bett stand nun im Wohnzimmer, denn die Treppe, die zu seinem Schlafzimmer führte, sollte und konnte er auch mit Hilfe nicht hochsteigen.
Lotte besuchte ihn, obwohl sie nun auch gebrechlich wurde, zweimal wöchentlich. Richard zeigte von seiner ehemaligen Großzügigkeit nichts mehr. Die Taxifahrten musste Lotte aus eigener Tasche bezahlen, obwohl er wusste, dass sie das Geld dazu kaum aufbringen konnte.

Zwei Nachbarinnen, die noch ein paar Jahre jünger waren, kamen öfter zu Besuch und seine Kinder mit ihren Familien erschienen wechselweise am Wochenende. Über zu wenig Anteilnahme an seinem Geschick konnte er sich nicht beklagen.

Ohne dass es jemand bemerkte, während seine Pflegerin Einkäufe erledigte, versuchte er mit verbissener Energie die Treppe zu bewältigen. Täglich eine Stufe mehr, die ihn seinem Ziel näher bringen sollte. Sein Alter, seine Gebrechlichkeit hatten seine sexuellen Begierden nicht zum Erlöschen gebracht. Immer wieder überkam ihn die Lust mit einer Frau zu schlafen. Wenn er es schaffte, die Treppe allein hinauf zu gehen, dann würde aus dem „Tattergreis“, wie er sich selber nannte, wieder ein ganzer Mann werden.
Die erste polnische Pflegerin gefiel ihm aus verschiedenen Gründen nicht. Sie war ihm zu bestimmend und ihr Aussehen keineswegs erregend. Doch dann kam, nach dem halbjährigen Wechsel, eine jüngere Frau, Ewa, die ihn gleich erregte. Sie war fleißig, liebenswürdig und nahm ihn auch schon mal tröstend in den Arm, wenn er traurig war.
Er fühlte ihre festen Brüste wenn sie ihn umarmte und sein Blut geriet in Wallung.

Inzwischen hatte es Richard geschafft die Treppe zu bewältigen, ohne dass jemand davon eine Ahnung hatte. Das Licht im Flur, so hatte er es von Anfang an gewünscht, blieb Nachts an und die Tür zu Ewas Zimmer sollte nur angelehnt sein, damit sie hörte, wenn er nach ihr rief.
Dies alles waren nur Vorbereitungen zu seinen Absichten. Ewa war drei Monate bei ihm als er eines Nachts nach oben schlich. Richard stand vor ihrem Bett und betrachtete die Schlafende voller Vorfreude auf ein Schäferstündchen mit ihr. Langsam hob er ihre Bettdecke und wollte sich zu ihr legen.
Mit einem Schreckensschrei fuhr Ewa in die Höhe. Sie erkannte ihn im Halbdunkel des Zimmers nicht gleich und konnte auch nicht wissen, dass er die Treppe bereits benutzen konnte. Dazu stand er in einem weißen Nachthemd vor ihr und in eindeutiger Pose, eine unwirkliche, gespenstige Situation. Ewa schrie und Richard wollte sie beruhigen. Er bat und bettelte um ihre Einsicht, dass er sie liebe, sie immer bei ihm bleiben könnte und sie reich entlohnen würde.
Ewa sprang entsetzt aus ihrem Bett und verwies ihn des Zimmers. Richard hatte nicht mehr die Kraft sie zu überzeugen. Zitternd gab er auf, drehte sich langsam um und taumelte zur Treppe. Er schaffte es nicht, die Treppe hinunter zu gehen. Er schwankte, seine Hand rutschte vom Handlauf und er fiel die Treppe kopfüber nach unten. Das Nachthemd rutschte ihm bis zum Hals hinauf, darunter war er nackt. Sein Genick brach und in grauenvoller Verrenkung blieb er tot am Fuße der Treppe liegen. Der geöffnete Mund, die starren Augen, das sichtbare Geschlecht - im Schock schrie Ewa ohne Unterlass und weckte die Nachbarn in den anliegenden Häusern. Eine Nachbarin konnte mit dem Hausschlüssel, welcher Richard ihr vor langer Zeit gegeben hatte, die Tür aufschließen.
So fanden ihn die Nachbarn in seiner körperlichen Erniedrigung und riefen die Polizei.
Ewa war erst am nächsten Tag in der Lage, das Geschehen zu schildern. Nichts deutete auf eine Schuld ihrerseits hin und sie wollte nur noch so schnell als möglich nach Polen zurück.

Die Peinlichkeit dieses Todes machte die Runde. Die Kinder wollten nur schnellstens das Haus verkaufen und mit dem Ende ihres Vaters abschließen. Dann aber gab es da ein Testament, welches seinen Kindern noch einige unangenehme Überraschungen bescheren sollte.
Nicht nur das Haus hatte Richard hinterlassen, hundertzwanzigtausend Euro lagen auf verschiedene Sparverträge und davon bekamen Lotte und zwei Nachbarinnen je 2000 Euro. Lotte war seinen Kindern nur flüchtig bekannt und nun ging allen Beteiligten ein Licht auf! Alle Damen, die im Testament bedacht worden waren, hatten langjährige Verhältnisse mit Richard unterhalten. Lotte konnte diese Verfügung ihres Richards überhaupt nicht begreifen. Fünfzig Jahre ihres Lebens hatte sie ausschließlich Richard gewidmet und er wusste um ihre geringen Geldmittel. Mit der gleichen Summe wie die verheirateten Nachbarinnen, die Haus und Ehemann besaßen, bedacht zu werden, das machte ihr klar, auch sie war nur ein Spielzeug seiner Lust gewesen. Keinerlei Gefühle der Verantwortung und Sorge um ihre Person hatte sie von Richard erfahren.
Diese Demütigung konnte sie nicht überwinden und die immer fröhliche Lotte wurde tief traurig. In ihrer offenen Art hatte sie ihre Misere und Enttäuschung allen ihren Bekannten erzählt und nun erlebte sie, dass etliche ihrer Bekannten ihre Naivität belächelten, ihr Vorwürfe machten und meinten, so dumm könnte doch keiner sein! Solche und ähnliche Äußerungen bekam sie zu hören.
Richards Grab besuchte Lotte nie und alle Erinnerungen an ihn vernichtete sie. Verbittert starb sie zwei Jahre später an einer Hirnblutung.

Impressum

Texte: by Annelie Heyer
Bildmaterialien: Cover - Google
Tag der Veröffentlichung: 17.10.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Lotte - leider warst du zu naiv und gutgläubig!

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