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In meiner Kindheit war die große Wäsche eine Arbeit, die sich niemand, der es selbst nicht erlebt hat, vorstellen kann.
Man zog nicht, wie heute selbstverständlich, täglich frische Unterwäsche an, die bekam jeder nur einmal wöchentlich.

Am Samstagabend wurde gebadet und auch das war, für die Frauen eines Haushaltes, Arbeit und Mühe. Fließend heißes Wasser gab es nur in reichen Häusern, ansonsten musste erst in großen Kesseln Wasser auf dem Herd erhitzt und in eine Zinkbadewanne, die aus dem Keller heraufgeschleppt wurde, geschüttet werden.

Im Sommer stand die Wanne dann in der Waschküche, im Winter in der Wohnküche.
Nun kamen erst die Kinder, je nach dem Grad der Verschmutzung, an die Reihe. Wir drei Mädchen saßen gleich zusammen in der Wanne.
Groß geplanscht und getollt haben wir nicht, denn jeder wurde sehr schnell abgeschrubbt und herausgehoben.
So hatte der nächste Badende auch noch warmes Wasser. Bildete sich eine Schmutzschicht auf dem Badewasser, wurde sie mit einem Eimer abgeschöpft und heißes Wasser nachgeschüttet!
So badete die ganze Familie.
Die Erwachsenen stellten sich Stühle, die mit Tüchern behangen wurden, um die Wanne, damit keiner sie nackt sah.

Ein seltener Hochgenuss war es, wenn eine Tablette mit Fichtennadelduft in das Badewasser gegeben wurde. Ansonsten scheuerte man sich den Schmutz mit Kernseife herunter, die höllisch brannte, wenn sie in die Augen geriet.
Danach zogen wir Kinder frische Schlafanzüge an und am Sonntagmorgen gab es frische Wäsche.

Die damaligen hygienischen Zustände waren sehr bescheiden, da jedoch niemand etwas anderes kannte, vermisste man auch nichts.

So gab es im Haus nur eine Toilette, unten im Anbau neben der Waschküche, die acht, ja zeitweise zehn Personen, benutzten.
Bis zu meinem elften Lebensjahr gab es keinen Kanalanschluss und somit nur ein Plumpsklo, mit einer darunter befindlichen Grube. Hier wurde im Frühjahr mit dem „Jütschklomp“, einem, an einem langen Stock befestigtem Metalleimer, einen Teil der Jauche von Vater herausgezogen und zur Düngung der Gartenerde auf die Gemüsebeete verteilt und untergegraben.

Einmal im Jahr kam eine Fäkalientransportfirma um die Grube leer zu pumpen. Zu diesem Zweck musste ein dicker Schlauch durch den Flur, die Wohnküche und die Waschküche gezogen werden. Die Jauchegrube befand sich, gleich hinter dem Anbau, auf dem Hof und konnte nicht anders erreicht werden, da das Haus rechts und links angebaute Nachbarhäuser hatte.


Dieser Abfuhrtag war für meine Mutter die Hölle. Am Tag vorher mussten alle Teppiche aus den Räumen, durch die der Schlauch geführt wurde, entfernt und alle Böden mit dickem Papppapier ausgelegt werden, welches hinterher im Garten verbrannt wurde. Plastikplanen kannte man damals noch nicht.

Die beiden Männer, die den Schlauch durchs Haus führten stanken, der Schlauch stank, das ganze Haus stank, die nun geöffnete Grube stank und es ließ sich gar nicht vermeiden, dass einige Flecken der abgesaugten Brühe zumindest im Hof auf den Boden tropfte.

Darauf stürzten sich nun, wenn es Sommer war, Millionen Fliegen und meine Mutter lief aufgelöst hin und her und bat um Vorsicht, damit nur ja nichts unnötig beschmutzt würde.

Den Männern der Firma, für die diese Arbeit Alltag war und die einen wenig einfühlsamen Eindruck machten, konnte man ansehen, dass sie meine Mutter für nicht ganz normal hielten, weil sie ein solches Theater machte.

Wehe, wenn sich einer von uns hervorwagte und womöglich im Wege stand!
War der ganze Spuk endlich vorüber, wurden die Abdeckpappen vorsichtig aufgerollt und nun begann ein Putztag, der es in sich hatte!

Alle arbeitsfähigen Personen im Haus, Großmutter, Onkel Willi und wir Kinder bekamen Aufgaben zugewiesen.
Sämtliche Fenster im Haus wurden aufgerissen und geputzt, Gardinen abgenommen und gewaschen, die Böden im Haus und auf dem Hof geschrubbt, die Wohnküche gebohnert und poliert, Möbel ab- und ausgewaschen, Decken und Kissen gelüftet, Teppiche draußen auf der Stange geklopft und trotzdem glaubte Mutter noch immer, den Gestank nicht vertrieben zu haben und so wurde auch noch der Waschtag in Angriff genommen, der endgültig alle missliebigen Gerüche im Haus beseitigte.

Diese Arbeit belief sich stets von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende, je nach Wetterlage, über mindestens drei Tage bis zu einer Woche.
In der Waschküche stand ein großer kupferner Waschkessel, der unten eine Feuerstelle hatte.
Nun wurde erst die weiße Wäsche in den Kessel gegeben und eimerweise kaltes Wasser bis kurz unter den Rand des Kessels hingeschüttet, darüber kam das Waschpulver und nun wurde die Feuerstelle mit Papier und Holz angeheizt. Darauf kamen zwei Briketts und das Wasser erhitzte sich. Dann ließ man die Feuerstelle wieder ausgehen. Die Wäsche wurde nun über Nacht in dieser warmen Waschlauge
eingeweicht.

Um fünf Uhr am nächsten Morgen ging die Großmutter mit Onkel Willi in die Waschküche, ließ die Lauge teilweise ablaufen, fügte neues Waschmittel und frisches Wasser hinzu und heizte den Waschkessel erneut an.
Begann das Wasser dann endlich zu kochen, wurde mit einem langen Waschholz die Wäsche hin und her geschwenkt und einige Zeit kochen gelassen.
In der Waschküche dampfte und wabberte die Luft und man konnte kaum etwas erkennen. Nun wurden die kochend heißen Stoffstücke mit dem Wäschestock heraus gehoben.
Gleich neben dem Waschkessel stand ein Holzbottich, auf dem oben eine Wäschewringe befestigt war. Willi betätigte diese mit einer Handkurbel und durch zwei übereinander laufende, armdicke Hartgummiwalzen schob Großmutter die Wäsche hindurch und die Lauge wurde herausgepresst.
Jetzt konnte jedes Wäschestück nach noch vorhandenen Flecken untersucht werden. War dies der Fall, wurden diese im Sommer, draußen auf der Wiese hinter dem Haus, ausgebreitet und in der Sonne gebleicht. Daher nannte man dieses Wiesenstück auch die Bleiche.

Willi begoss vorsichtig mit einer Gießkanne die Wäsche, denn während des Bleichvorganges durften die Stoffe nicht trocknen und musste stets feucht gehalten werden.
Nach einiger Zeit kam die Wäsche dann wieder in eine neue warme Lauge, der Sil, ein Bleich -und Waschmittel, zugesetzt war.
Danach schrubbte man die Wäsche auf einem Waschbrett mit Kernseife und einer Bürste. Das gewellte Waschbrett stand in dem Holzbottich mit der noch warmen Lauge.
Nun wurde die saubere Wäsche wieder durch die Wringe gedreht. Jetzt musste alles noch in großen Bütten dreimal klar ausgespült, wieder ausgewrungen und dann zum Trockenen auf die Wäscheleinen im Garten oder bei schlechtem Wetter auf den Speicher oder im Keller getrocknet werden.

Die abgekühlte Lauge der weißen Wäsche wurde nun für die bunte Wäsche genutzt. Hierfür kam ein so genannter „Stößel“ zum Einsatz.
Das war ein Besenstiel, an dem unten ein ineinander greifender, glockenartiger Kupfertopf befestigt war, der kolbenartig das Wasser herauspresste, wenn er in die Wäsche gestoßen wurde. Damit wurde die Wäsche einige Zeit bearbeitet und danach wiederholten sich die einzelnen Spülvorgänge, bis zum Schluss die schmutzigen Socken als letztes an die Reihe kamen und das Ende des Waschtages ankündigten.

Der Trockenvorgang der Wäsche hing vom Wetter ab. An windigen klaren Wintertagen wurde die Wäsche auch draußen auf die Wäscheleine gehangen und steif gefroren und bretthart am Abend ins Haus geholt. Die Großmutter und die Mutter hatten blau gefrorene Hände, die sie zum Aufwärmen unter die Achseln hielten, um sie wieder bewegen zu können.

War die Wäsche endlich trocken, musste sie gebügelt werden. Zum Glück gab es schon Strom und somit auch elektrische Bügeleisen.

Ansonsten kamen zwei schwere Bügeleisen, die ganz aus Eisen bestanden und abwechselnd zum Erhitzen auf die heiße Herdplatte gestellte wurden, zum Einsatz. Die Griffe waren ebenfalls aus Eisen, die sehr heiß waren und nur mit einem Topflappen angefasst und benutzt werden konnten.
Auf dem Tisch in der Wohnküche kam eine dicke Decke, darauf ein weißes Bettlaken, das immer als Bügeltuch seine Dienste tat und nun wurde geplättet.

Die Mutter und die Großmutter wechselten sich beim Bügeln ab. Während die eine bügelte, saß die andere vor dem Tisch und flickte und stopfte, nähte Knöpfe an und faltete die fertig gebügelten Teile.

Diese Arbeit nahm, neben der üblichen Hausarbeit, mindestens zwei Tage in Anspruch.
Erst dann konnten die Körbe voller duftender, sauberer Wäsche in die Schränke eingeräumt werden.

Große Teile, wie Tisch- und Bettwäsche wurden in die Heißmangel gebracht, die ein ältliches Fräulein, die Anna Backes, wenige Häuser von uns entfernt, betrieb.
Zuvor wurden diese Teile von zwei Personen gereckt und gestreckt und mit Wasser angefeuchtet.
Die Tischdecken und weißen Männerhemden mussten vor dem Mangeln oder Bügeln noch gestärkt werden.
Diese Waschtage wiederholten sich in vierwöchigem Rhythmus und alle waren erleichtert, wenn diese mühsame Arbeit erst wieder einmal vorüber war.

Welch eine Errungenschaft war da die erste Waschmaschine, welche Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ins Haus kam!
Es war eine Teilautomatikmaschine, eine „Lavamat“ von AEG. Die Waschtrommel arbeitete separat und die Wäsche wurde danach in die daneben befindliche Schleuder gelegt. Wir standen alle staunend um diese Maschine und konnten es nicht fassen, welche Arbeit- und Zeitersparnis nun Einzug hielt.
Mutter erlaubte niemandem die Bedienung dieser teuren Maschine und die Großmutter war froh, von dieser ihr erst nicht ganz geheueren Anschaffung, verschont zu bleiben.
Sie murrte ein wenig, weil die Wäsche nun nicht mehr so weich wie vorher war und außerdem sah sie es als Verschwendung an, dass jetzt öfter die Wäsche gewechselt werden konnte.

Heute steht sogar ein Wäschetrockner zur Verfügung und erspart auch noch das Auf- und Abhängen der Wäsche.
Viele Wäschestücke, z.B. Frotteestoffe und bügelfreie Materialien brauchen noch nicht einmal mehr gebügelt zu werden und können gefaltet gleich weggeräumt oder angezogen werden.

Welche schönen Dinge kann man heute tun, wozu damals keine Zeit war, weil Waschtage angesagt waren!


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Tag der Veröffentlichung: 13.08.2010

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