Cover

Er:



Da habe ich mich von einem dieser Kinobetreiber, der zu einem Verband größerer Filmbesitzer gehört, breitschlagen lassen, hier in diesem lausigen Provinznest, eine Kostprobe meines ersten Buches, eine Autobiografie, vorzulesen.

Anschließend soll ich den Film „Das Haus der schlafenden Schönen“ unter meiner Regie, meinem Drehbuch und ich in der Hauptfigur, dem Publikum auch noch in einer kurzen Ansprache erläutern.

Das wird so, wie ich es mir schon vorgestellt habe. Sicher, ich bin nicht mehr der Jüngste und Jugendliche werden mich nicht kennen.

Ich gehörte nie zu den lauten Strahlemänner, weder ein Frauentyp noch jemand, der sich für billige Machwerke hergegeben hätte.
Aber eine dreiviertel Stunde vor dem Beginn des Spielfilms sind höchstens 20 weibliche, ältere Damen, nun ja, besser gesagt, altbackene Frauen,hier.
Vom Bücherstapel neben mir, die ich beim Verkauf signieren soll, ist auch noch nichts weg.
Trotz Reklame und Ankündigung in den beiden Tageszeitungen. Den Nachmittag hätte ich mir ersparen können.


Sie:




Wunderbar, dieser Tag heute, nie hätte ich gedacht, meinem Lieblingsschauspieler hier in unserem Städtchen persönlich zu begegnen!

Kaum einer seiner vielen Rollen in Film- und Fernsehauftritten habe ich mir entgehen lassen.
Seine Ausstrahlung und seine schauspielerische Begabung, nicht sein Aussehen, da wirkt er eher ein wenig grobschlächtig und keineswegs so, was man heute „sexy“ nennt, hatten es mir immer angetan.

Seine Rollen spielte er so glaubhaft und man nahm ihm ab, dass er auch vom Leben nicht verwöhnt worden war, jedenfalls nicht, bevor ihn Gustaf Gründgens und Peter Zadek entdeckten und schon nach wenigen Auftritten gelang ihm eine schnelle Karriere.

Den Nachmittag werde ich genießen, natürlich sein Buch kaufen, das er mir unbedingt mit einigen herzlichen Worten signieren muss und vielleicht kann ich ein wenig mit ihm plaudern, falls er nicht erdrückt wird von seinen Verehrerinnen.


Er:




Da kommt noch eine, was stürmt sie denn so zur Kasse, ist
doch gar kein Betrieb hier.

Himmel, jetzt naht sie flotten Schrittes und strahlenden Blickes meinem Tisch!

Nun gut, sie kauft ein Buch von mir und bittet mich, es zu signieren. Dabei redet sie wie ein Wasserfall: Nahezu alle Filme hätte sie von mir gesehen, ich wäre mit Abstand ihr Lieblingsschauspieler und meine scheue Natürlichkeit in meinen Auftritten - mir fällt fast die Zigarette aus dem Mundwinkel – hätten sie immer so beeindruckt.
Jetzt auch noch ein Buch von mir signiert zu besitzen, sei ein Höhepunkt in ihrem Leben, denn sie hätte noch nie einem so berühmten Schauspieler,Regisseur, Produzent und jetzt auch noch Schriftsteller, gegenüber gestanden!

Ich schaue sie ein wenig länger an, sie hält meinem Blick stand und das Strahlen in ihren Augen geht nicht weg, obwohl ich noch kein Wort zu ihr gesagt habe.

Sie scheint ein wenig jünger zu sein als ich und trotzdem ist sie offensichtlich zu jugendlicher Begeisterung fähig.
Fast möchte ich sie fragen, ob sie wirklich so von mir angetan ist. Ansonsten würde ich ihr eine Rolle anbieten, für ihr Talent zu schauspielern.

In früheren Jahren hätte ich mir Zeit genommen, mit ihr zu reden, denn sie scheint durchaus sympathisch. Ich überreiche ihr das Buch, dann ruft mich der Besitzer des Kinos und sie geht weg.

Ihr Gesicht ist wie ein offenes Buch: Enttäuschung und ein Blick, als ob sie mir am liebsten ihre Meinung über meine kurze Abfertigung gesagt hätte.

Nun denn: sie wird es überleben!


Sie:




Der Film war wohl ein Fehlgriff seinerseits gewesen. Keinerlei nachvollziehbares Verhalten im gesamten Inhalt. Scheint er sich doch dem Zeitgeist anzupassen, wo die Welt von sexistischen Exessen überschwemmt wird.
Widerlich, wenn ich es recht bedenke. Die Handlung habe ich auch nicht so richtig verfolgt, da ich so maßlos über ihn enttäuscht war.

Sitzt da, Zigarette im Mundwinkel, gelangweilter Blick, wortkarg – besser noch wortlos –
schlürft an einem Getränk herum, alt und ungepflegt sah er aus. Als er aufstand, war er überraschend klein und auf der Straße hätte ich ihn gar nicht erkannt.

Etwa dreißig Leute, vorwiegend Frauen, waren im Kino. Vielleicht hat diese Anzahl seine Laune nicht gerade gesteigert aber dann hätte er mit mir ja nun wirklich einige Worte wechseln können.

Bei einem solchen Benehmen braucht er sich nicht zu wundern, wenn er hier so gut wie kein Buch verkauft hat.
19,95 ¤ - na, hoffentlich ist es wenigstens interessanter geschrieben als er mir heute so erschienen ist.
Die Widmung, dass ich nicht lache: „herzlich u. sein Name – eine Schrift, dass Gott erbarm’.
Ein Langweiler, arrogant und ohne jedes, seinem Alter entsprechendes, Benehmen.

Ich hätte ihm so gern meine Meinung gesagt aber da ist mir immer wieder meine Erziehung im Wege.


Meinem Mann darf ich es erst gar nicht erzählen, der sofort sagen würde " Und da kaufst du ihm auch noch ein so teures Buch ab, dafür hättest du besser warme Brötchen gekauft.

Aber Menschenkenntnis war noch nie dein Ding. Ohne mich wärst du bereits bettelarm, weil du auf jeden hereinfällst, der dir sympathisch erscheint, obwohl du ihn nicht kennst und dir alles andrehen lässt. Am liebsten hättest du ihm sicher noch gesagt:“ Wie können Sie das Buch so billig verkaufen!“
Statt der vielen Bücher, die du kaufst und liest, solltest du es machen wie ich: Mein einziges Lieblingsbuch ist und bleibt: Das Sparbuch!!!!


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.03.2010

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