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Der Nobelliteraturpreis 1924 ging nach Polen.

Wladyslaw Stanislaw Reymont erhielt 1924 den Nobelpreis für Literatur und zwar ausschließlich für das eine Buch „Die Bauern“ zuerkannt.

Ich fand dieses wunderbare Buch vor kurzem auf einer Büchertauschbörse.

Das Buch und sein Autor, den ich bisher nicht kannte, haben mich so fasziniert, dass ich diese Literatur hier vorstellen möchte.

Das Leben des polnische Autor W.St. Reymont liest sich wie ein Abenteuerroman.

1867 als Sohn des Dorforganisten in Kopiele Wielkie des Petrikauer Kreises geboren, hütete er als Kind barfuss die Kühe auf der Weide, wenn er nicht gerade die Gemeindeschule besuchte.

Danach arbeitete er, halbwüchsig, als Lehrling bei einem Schneider und im Einzelhandel, war vorübergehend Gehilfe eines Landvermessers, bildungswillig, aber immer „extern“ und meist ohne Glück.

Mit 18 oder 19 Jahren floh er vor der Armut des Elternhauses und schloss sich einer Wanderbühne an.
Ein Jahr arbeitete er als Eisenbahner, danach hielt er sich kurz in Deutschland – in spiritistischen Kreisen – auf, war abermals Schmierenkomödiant, dann Novize bei den Paulanern, schließlich zum zweiten Mal Eisenbahn-Praktikant im Dorf Krosnow bei Skierniewice.
Heimlich, im Flackerschein einer Kerze, schrieb er (miserable) Gedichte.

1898 debütierte er nach mehrmaligem Anlauf in der Warschauer und Krakauer Presse mit Novellen und zog im gleichen Jahr nach Warschau, um in der Hauptstadt als Literat Wurzeln zu fassen.
Nun trat er jährlich mit einem Buch hervor.

1899 erlitt er bei einem Eisenbahnunglück einen schweren Unfall und das hohe Schmerzensgeld befreiten Reymont aus materieller Not und ermöglichten ihm Auslandsreisen nach Italien, den USA und Frankreich.

In Paris blieb er länger: hier schuf er auch in zäher Kleinarbeit von 1902 bis 1909 sein opus magnum, das Monumentalepos >Die Bauern<, das ihn später weltberühmt gemacht hat.

Die subtile Behandlung des Alltagslebens des polnischen Dorfes, den Reichtum der Details, die originelle Komposition, das tiefe Naturempfinden und die Majestät, die die Beschreibungen atmen, machten dieses Buch so außergewöhnlich

Der Slawist aus Uppsala, Professor Ekblom, stellte in einem Gutachten für die Akademie in Stockholm das Werk so hervor, dass die meinungsbildende Presse Reymont verglich mit Homer, Hesiod, Hamsun und Tolstoi.
Fryderyk Böök, Professor in Lund, Mitglied der Akademie, stellte in >Svenska Dagbladet<
Reymonts Beschreibungen des bäuerlichen Lebens ausdrücklich höher als die von Zola in >La terre<.
Dem Vorsitzenden des Stockholmer Preiskomitees, dem Erzbischof von Uppsala, Natan Söderblom, wird wohl, zusätzlich noch, die tiefe Gläubigkeit des dargestellten Volkes gefallen haben.
Jedenfalls war man sich damals darüber einig, dass Polen die Stellung, die es in Europa einnimmt, zum großen Teil seiner Literatur verdankt.

Reymont schrieb das Buch ausschließlich in Paris. Hier wohnte er mit seiner Familie am Boulevard Montparnasse.
Der Romancier schrieb täglich von neun bis eins. Eisern, mit Blaustift in seinem Wachstuchheft.
Er verkehrte hier in einigen Lokalen, traf bei einem Kaffee mit Landsleuten zusammen und war im Übrigen taub für die Stimmen der Weltstadt, deren Sprache er nie erlernen konnte.
Zeitungen las er nicht, ins Theater ging er so gut wie nie.
Aber seine Epopöe, sagte er, hätte er niemals in Polen schreiben können.
Paris gab ihm Distanz und den nötigen Auftrieb.
Er, der alle Stufen der Armut erfahren hatte und nun in Paris wie ein ländlicher spießiger, langsam Fett ansetzender Exot lebte, sah sich von der Fremde herausgefordert.

„ Komisch, es zu gestehen, aber ich sehe auf den Pariser Boulevards mein trautes Dorf vor mir; wie sich Antek mit Hanka oder Jaguscha unterhält, ich sehe, wie sie in den Wald fahren, Feldarbeit verrichten, ich betrachte die bernsteinfarbenen Kiefernstümpfe, das in der Stille schlummernde Waldinnere, das goldene Stoppelfeld, die grüne Schonung, die der flinke Bach durchplätschert.“
Reymont war von seinem Stoff besessen, das wusste jeder, aber niemand wusste, woher dieser Autodidakt das Wissen und die Kunst nahm, seinen minuziösen Beobachtungen den Rang eines gewaltigen, sittengeschichtlich authentischen und sozialkritisch relevanten Gesellschaftsgemäldes zu geben.
Das Werk verriet ein erstaunliches „Maß an Fülle und Harmonie“. So nannte es Per Hallström in der Nobelpreis-Verleihungsrede 1924.

Der Roman, voller Farbe und Leben, von bezwingender Menschlichkeit, erzählt die Geschichte des Boryna, der Jagna, seiner zweiten Frau, und ebenso von Antek dem Sohn.

Es ist aber auch die Geschichte eines Dorfes, dessen Leben sich im Rhythmus der Jahreszeiten vollzieht.
Bildhaft und eindringlich die Schilderung der Landschaft, vor deren Hintergrund sich ein vielschichtiges Drama entwickelt.
Der Familienkonflikt, der Kampf um die Macht in der Gemeinde, die Revolte der Bauern gegen den Gutsherrn.
Leidenschaften und Intrigen- nichts Menschliches ist diesen unerhört lebendig gezeichneten Menschen fremd.
Ihr zunächst fest gefügter Rahmen (das polnische Dorf Lipce, die Zeit des ausgehenden 19.Jahrhunderts ) weitet sich aus.
Dieser Roman, bis zum Rand mit nationalen Sitten, Gebräuchen, Legenden erfüllt, bekommt letztlich doch ein internationales, gemeingültiges Gepräge.
Eines der großen Bücher osteuropäischer Literatur.

Trotz des Nobelpreises, wenn auch im Jahr 1924, ist dieser Autor heutzutage so gut wie unbekannt.
Das Buch wurde zuletzt 1975 verlegt und ist heute nicht mehr im Buchhandel zu beziehen.
Aber man kann es übers Internet bei Amazon bestellen.
Dort sind noch einige Exemplare vorhanden.
Eine derart fesselnde Lektüre, ich konnte das Buch kaum zu Seite legen - 700 Seiten, recht klein gedruckt – möchte ich jedem Freund sehr guter Literatur wärmstens empfehlen.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.01.2010

Alle Rechte vorbehalten

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