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Theodor Fontane im Supermarkt.


 Ich mag überhaupt nicht gerne einkaufen gehen. Schon gar nicht in einem Supermarkt.

Damit es schnell geht, sause ich mit meinem Einkaufswagen flotten Schrittes durch die Gänge, werfe im Vorbeigehen die nötigen Waren in den Korb und da ich weiß, wo alles steht, bin ich in wenigen Minuten fertig. Mit sicherem Blick überschaue ich die Schlangen an der Kasse und stelle mich hinter die kürzeste Reihe.

Nur gestern dauerte mein Verweilen im Supermarkt deutlich länger!

Bei meinem üblich schnellen Durchgang stieß ich fast mit einem jungen Mann in weißem Kittel zusammen.

Bevor ich mich entschuldigen konnten, nahm er mich freudestrahlend in die Arme, rief laut und begeistert: „Frau Heyer, Frau Heyer, wie schön dich zu sehen!

Ich war zwar im ersten Moment verblüfft, doch ich erkannte ihn sofort.

„ Jesus,“ rief ich freudig „ so lange haben wir uns nicht gesehen, ist das schön, dich hier zu treffen, schnell, wie heißt du noch mal!“

„Du hast mich vergessen“ entgegnete er enttäuscht „ ich hab’ dich nie vergessen!“

Ich versuchte ihn zu beruhigen.

„Nein, nein, bitte verzeih mir, aber etwa 1. 000 000 Schüler im Laufe meines Lebens, da kann ich leider nicht jeden Namen behalten.“

Das sah er ein und er lachte: „ Ich bin doch Turgey K., Frau Heyer! Und siehst du, was du für eine gute Lehrerin warst, ich hab’ hier eine Lehrstelle bekommen.
Du warst eine strenge Lehrerin, aber immer gerecht und lustig.“

Mittlerweile blieben schon Leute stehen und hörten unseren überschwänglichen Freudenausbrüchen zu.

Der Marktleiter kam mit zwei Vertretern und drei Damen vom übrigen Personal vorüber.

Turgey stellte mich allen lautstark vor und dann erklärte er den Anwesenden, er hätte nie vergessen, welch ein tolles Gedicht er damals bei mir gelernt hätte.

Da stand der nun zwischen Tiefkühltruhen und einem Stand von Weihnachtsgebäck und deklamierte mit deutlicher Stimme und Betonung:

„ HERR RIBBECK AUF RIBBECK IM HAVELLAND…“

Ein dutzend Leute verstummten und hörten ihm gebannt zu. Nur einmal stockte er kurz und ich konnte ihm weiterhelfen.

Alle zollten ihm begeistert Beifall und waren hin und weg, weil er dieses schöne Gedicht so wunderbar vorgetragen hatte.

„Das es das heute noch gibt“, sinnierte ein älterer Herr.

Der Marktleiter meinte schmunzelnd:„ Ja, ja, ich wusste ja, dass er ein besonderer junger Mann ist. Hier zeigt er sich als ein sehr aufmerksamer und äußerst hilfsbereiter Mitarbeiter.
Da können Sie einmal sehen, wie sich Ihre Arbeit gelohnt hat, wenn Ihnen nach Jahren noch soviel Begeisterung entgegen gebracht wird!“

„ Ja, “ stimmte ich überwältigt zu „das sind die Sternstunden für jeden Lehrer, über das Berufsleben hinaus.“

Ich knuddelte Turgey noch ein bisschen und wir verabschiedeten uns mit der Versicherung, dass wir uns jetzt noch oft hier sehen würden.

Dieses wirklich wunderbare Erlebnis hier zu schildern, war mir ein besonders großes Vergnügen!


Der eiskalte Hammelbraten.

 



Vor einigen Jahren fuhr ich mit meiner Klasse für eine Woche auf die Nordseeinsel Terschelling.
Hier hatten wir das gemütliche Jugendheim für uns alleine.

Das Wetter war herrlich, schönstes Strandwetter und wenn wir am Mittag und Abend, von verschiedensten Freizeitspielen und Wanderungen am Meer entlang zu unserer Herberge zurückkamen, empfing uns eine warmherzige, immer gut gelaunte Hausmutter.

Sie kochte hervorragend und es schmeckte allen, auch den sonst auf „Fastfood“ eingestellten Kindern.

Alle Schüler liebten diese kleine, mollige Frau mit den rosigen Wangen und den Lachfältchen um ihre blauen Augen. So manches Kind fand, an ihren mütterlichen Busen gedrückt, Trost bei Heimweh und kleinen Wehwehchen.

Nun war Ayahn, ein libanesischer Junge, der seit seiner Geburt in Deutschland lebte, besonders von Heimweh geplagt und er ließ sich nur zeitweilig von seinem Kummer ablenken.

Das ging so weit, dass er auch keinen Appetit mehr hatte und sehr wenig aß.

Eines Abends legte die Herbergsmutter, die glaubte, Ayan, der muslimischen Glaubens war, würde das Essen nicht zusagen, liebevoll die Arme um ihn und sagte: „ Weißt du was, Ayan, ich habe noch ein schönes Stück Hammelbraten in der Gefriertruhe, das bekommst Du morgen, extra nur für Dich!“

„Nee,“erwiderte Ayan - im schönsten rheinischen Dialekt – „datt iss mich ze kalt!“


Schöne Haut

 



Im Jahre 1970 wurde eine der ersten Sonderschulen für Lernbehinderte im Kreis Heinsberg gegründet.

Ich war Klassenlehrerin in einer Unterstufe. Die Schülerinnen und Schüler waren zwischen acht und elf Jahre alt und wiesen meist mehrfache Behinderungen auf.
Von leichter geistiger Behinderung, Sprachbehinderung, Koordinationsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten reichte das Spektrum der Schülerschaft.
Nach vielen Jahren, die ich mit den Kindern in dieser Schulform gearbeitet habe, kann ich viele Geschichten erzählen.

Die ersten fünfundzwanzig Jahre erlebte ich die Schüler und auch die Eltern disziplinierter und allen schulischen Belangen gegenüber weitaus zugänglicher, als in den letzten zehn Jahren.

Ich habe mich häufig gefragt, wohin die immer unverständlichere Schulpolitik noch führen sollte, besonders im Hinblick auf die Bildung und Erziehung der Kinder in der Sonderschule. Meines Erachtens werden die Kinder nicht auf den harten Berufsalltag vorbereitet. Werte, wie Disziplin, Höflichkeit und Respekt wurden immer weniger wichtig genommen.
Doch ich will mich hier nicht in Einzelheiten meiner Kritik ergehen, über die ich ein Buch schreiben könnte.
Ich habe meinen Beruf geliebt und ich erinnere mich an viele köstliche Episoden aus dem Schulalltag.

An einem heißen Sommertag, Anfang der siebziger Jahre, trug ich ein ärmelloses, buntes, weißgrundiges Streifenkleid mit kurzem, schwingendem Rock und dazu rote Stöckelschuhe. Wegen der Hitze hatte ich keine Strümpfe an.

Während alle Kinder schriftliche Rechenaufgaben lösten, ging ich an den Schulbänken vorbei, kontrollierte die Hausaufgaben der Schüler und beugte mich dabei über die Hefte.

Ich stand neben Jürgen, einem stillen, lieben, sprachbehinderten Jungen und schrieb ihm aufmunternde Worte unter seine Hausaufgaben, die er sichtlich mit Sorgfalt und Mühe angefertigt hatte.
Da merkte ich plötzlich wie seine kleine Hand über mein Bein, von der Kniekehle aus, langsam nach oben streichelte.
Ich war so überrascht, dass ich einen Moment lang stumm vor Staunen war, dann fuhr ich herum und wollte ihn lebhaft zusammenstauchen – aber da er sah mich treuherzig und völlig entwaffnend an und sagte: „ Chöne Haut, Fau Heyer !“

Natürlich konnte ich ihm nicht böse sein. Ich habe ihn auch nicht zurechtgewiesen, sondern mich still und köstlich amüsiert.

Im Lehrerkollegium wurde diese Geschichte mit schallendem Gelächter aufgenommen und bis heute, wenn ich alte Kollegen treffe, begrüßen mich einige mit : „ Ah, chöne Haut, Frau Heyer!“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 10.01.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Den drei Schülern, die hier die Hauptrolle spielen.

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