Cover

Vor einigen Jahren waren wir zu einer Silvesterfeier eingeladen worden, die ich, wegen ihrer unglaublichen Vorgänge, nie vergessen werde!

Der Gastgeber war ein Freund meines Mannes, der nach seiner Scheidung von einer völlig chaotischen und äußerst temperamentvollen Spanierin, der er alles überlassen hatte, nur damit er endlich seine Ruhe bekam, das Neue Jahr in einem seltsamen Ambiente begrüßen wollte.

Er baute sich gerade ein neues Leben auf und hatte auf einem großen Gelände einen Autohandel mit Verkauf gebrauchter Ersatzteile eingerichtet.

Da das dazugehörige Haus noch großzügig um- und ausgebaut wurde, wohnte er mit seiner Lebensgefährtin, die fünfzehn Jahre jünger war als er, in einem größeren Wohnanhänger.
Diese Frau, nennen wir sie Renate, war ebenfalls geschieden und brachte eine aufmüpfige Vierzehnjährige mit in diese neue Beziehung.

Mein Mann und ich zogen uns sportlich und winterfest an und machten uns auf den Weg.
Es war klirrend kalt und es lag Schnee, der sich im Laufe des Abends noch stark vermehrte.

Ich war vorher noch nicht in dieser Umgebung gewesen, kannte nur den Freund meines Mannes, der aus sehr begütertem Elternhaus stammte und mehrere Fremdsprachen beherrschte. Vor diesem Abenteuer mit dem Autoplatz war er Pharmazievertreter mit sehr gutem Einkommen gewesen.
Da ihn aber seine Spanierin bis aufs Hemd ausgezogen hatte, sollte sie keinen weiteren Einblick in seine finanziellen Dinge bekommen und so machte er sich also mit ungewissem Ausgang selbständig.

Diese spanische Frau hatte ich nur einmal kennen gelernt und aufgrund ihres, fast möchte ich sagen, hysterischen Wesens, von weiteren Besuchen abgesehen.
Sie war krankhaft eifersüchtig und verdächtigte jede Frau, mit ihrem Mann ein Techtelmechtel zu haben. Während sie unentwegt dicke grüne Oliven aß und dazu tüchtig Rotwein trank, alles Dinge die ich nicht mochte, ließ sie mich mit giftigem Blick wissen, dass diejenige, die keine Oliven essen würde, auch nicht ihre Freundin sein könne. Auf beides konnte ich gut verzichten.

Bei unserem Eintreffen an jenem Silvesterabend war das Tor des Geländes geschlossen und zwei riesige Rottweiler bellten uns wütend an.

Dies war das Zeichen, dass der Gastgeber ans Tor kam, die knurrenden Hunde am Halsband festhielt und uns riet, schnell in den Wohnwagen zu laufen.
Ich betete, dass es den Bestien nicht gelingen würde, sich loszureißen, bevor wir den Wagen erreicht hatten.
Da wir die letzten Gäste waren, wurden die beiden zupackenden und lautstarken Wächter in ihren Zwinger gebracht.

Nun wurde uns Renate vorgestellt und ich traute meinen Augen nicht, sie trug ein loses, tief ausgeschnittenes Sommerkleidchen, keine Strümpfe und himmelhohe Absätze unter ihren sommerlich- offenen Riemchenschuhe.

Wäre sie nur im Wagen geblieben, so hätte sie als Gast, der bedient wurde und vielleicht ein etwas gewagtes Silvesteroutfit trug, sicher nicht weiter unser Erstaunen hervorgerufen.

Jedoch, sie sprang ständig hinaus in die Kälte und den Schnee und holte dieses und jenes aus dem Keller des Hauses, der etwa zehn Meter vom Wohnwagen entfernt, zu erreichen war.

Die Gästeschar bestand aus uns, den drei Wohnwagenbewohnern, zwei Schwestern der Renate mit dazugehörigen Männern und eines der Paare hatte seinen sieben Monate alten Sohn mitgebracht.

Der krähte und wurde herumgereicht und dann ging sein Krähen in Laute des höchsten Entzückens über, denn es wurde eine Buttercremetorte hereingebracht.
„Jetzt könnt ihr was erleben“, riefen uns alle voller Entzücken zu.
Ich staunte wirklich nicht schlecht, denn das Knäblein, recht stämmig und mit dicken roten Backen und niedlichen, weit abstehenden Ohren, noch ohne Haupthaar, bekam das erste Stück der Buttercremetorte und die, die ihn auf den Schoß hiel, konnte gar nicht so schnell füttern, wie er kaute und schluckte.

Mittlerweile wurde der Kaffee eingeschenkt und der Kleine deutete auf die Tasse in seiner Nähe.
Ohne weiteres schüttete seine Mutter ihm noch etwas Dosenmilch und zwei Löffelchen Zucker in den Kaffee, rührte und pustete ihn ein wenig kälter und Joachim, so hieß das Bübchen, schluckte in wenigen Zügen die Tasse leer.

Ich traute meinen Augen nicht, er gab erst Ruhe, nachdem er drei Stücke Buttercremetorte und zwei Tassen Kaffee verputzt hatte.
Man beruhigte mich, ob meines erstaunten Gesichtsausdrucks, indem bekannt gegeben wurde, er hätte nur koffeinfreien Ideekaffee bekommen.

Nun war Joachim aber so ermattet, dass er nach einigen Pupsern, Drücken mit hochrotem Kopf und anschließend einsetzender Duftmarke, gereinigt werden musste.

Dazu forderte Renate alle auf, mitzukommen, denn sie habe eine Überraschung vorbereitet.
Wir stiefelten also hinter ihr her in den Keller des Hauses.
Dort war eine Toilette und eine Duschecke mit Waschbecken eingebaut worden und wurde nun von Joachim eingeweiht, der hier als Erster sein Duschbad erhielt, welches er aber auch dringend nötig hatte und dazu fröhlich sabberte und quiekte.
Wohlig gesättigt und gesäubert schlief er sofort ein.

Nun kamen die weiteren Überraschungen:

Fünf kleine Kellerräume waren mit je zwei Gästebetten, zwei Stühlen und Kleiderhaken, sowie einer Stehlampe ausgestattet und auch beheizbar hergerichtet worden.
Auf jedem fertig bezogenen Bett lagen Nachthemd, Schlafanzug, mehrere Handtücher und zwei Zahnbürsten mit einer kleinen Tube Zahnpasta.

„Niemand braucht heute Nacht nach Hause zu fahren, für alle ist Platz und morgen frühstücken wir noch zusammen. Nur mit der Toilette und der Waschgelegenheit müsst ihr euch ein wenig beschränken, “ verkündete Renate mit strahlendem Gesicht.

Renates Tochter wollte unbedingt Joachim in ihrer Nähe haben. So wurde denn das Kinderfaltbettchen in ihr Zimmer getragen.

Wieder gingen alle mit, denn dieser Raum hatte sich das Mädchen alleine, nach ihrem Geschmack und zum ständigen Gebrauch, eingerichtet.

Alles war in bonbonrosa gestaltet und mit den üblichen elektronischen Geräten, die heute unerlässlich sind, ausgestattet.
In einer Ecke war ein größerer Käfig aufgebaut und darin tummelten sich weiße Ratten
Wie viele es waren, kann ich nicht sagen, denn ich war kurz vor einer Ohnmacht.

„ Ist der Käfig auch jut zu,“ erkundigte sich die Mutter des Buttercremetortenbabys,“ net dat sie an dat Kind knabbern gehen.“

Wenn die Tierchen gesehen, was das Knäblein verdrückt hätte, so konnte ich mir dies durchaus vorstellen.

„Nee,“ entgegnete die aufmüpfige Tochter beleidigt, „die sind janz zahm und würden ihn höchstens abschlecken!“
Über ein Babyphon konnten wir nachher hören, wie die Ratten unruhig durcheinander wuselten und versuchten, den Käfig aufzunagen, denn die Buttercremetorte duftete ihnen in Form des Babyatems und weiteren Pupsern, verlockend entgegen.

Ich machte, dass ich wieder nach oben in den gemütlichen Wohnwagen kam und flüsterte meinem Mann zu, dass ich unter keinen Umständen hier bliebe.

„ Irgendwann muss ich nach Hause,“ erklärte ich den liebenswürdigen Gastgebern, „ denn ich habe keinerlei Reinigungsmittel und
Aufbewahrungsgeräte für meine Kontaktlinsen dabei und so kann ich leider nicht über Nacht bleiben.“

Nun wurde von allen, außer mir, feucht-fröhlich gefeiert und es ging lustig her.

Mitternacht fielen wir uns alle um den Hals und jeder trank und sagte, was eben jeder trinkt und sagt, wenn es zwölf Uhr schlägt. Raketen wurden in Mengen abgeschossen und das übliche „Oh“ und „Ah“ erklang.

Jetzt sollte es ans Bleigießen gehen, alles wurde vorbereitet und jeder nahm seinen Platz ein.

Da wurde plötzlich die Wohnwagentür aufgerissen und die spanische Exfrau Rosita stürmte herein, wie eine leibhaftige Rachegöttin!
Das prachtvolle, lange, schwarze Haar zerzaust, fiel ihr teilweise ins Gesicht. Ihr Nerzmantel klaffte auseinander und ließ ein weißes Spitzenkleid aufblitzen.
Ihr Gesicht war gerötet und ihre dunklen Augen blickten wild in die Runde.
Dies war so erschreckend anzusehen, dass keiner bemerkte, dass sie die rechte Hand in der Manteltasche behielt.

Alle waren erstarrt und nun legte Rosita los, indem sie auf ihren Exmann zeigte, kreischte sie:
„Hast gedacht, du mich los bist und könntest mit diese Flittchen herumhuren?
Nein, ich bin und bleibe dein! Hier in meine Herz kann ich dich nicht herausreißen, du bleibst drin.“
Dabei schlug sie mit der linken Faust wild auf ihren Brustkorb.

Der Ex-Ehemann war erst ein wenig blass geworden, doch dann erhob er sich und sagte sehr ruhig:

„Hör bitte auf mit deinem Theater, es ist alles gesagt worden, was wir uns zu sagen hatten und du hast alles bekommen, wie du es wolltest. Geh jetzt und mach’ dich nicht lächerlich und verdirb uns nicht den Abend.“ Damit ging er zu ihr und wollte sie nach draußen befördern.

„Den ich allen verderbe, denn vor deine Augen werde ich töten mein Herz !“ brüllte sie in höchsten Tönen der Wut.

Dabei zog sie blitzschnell aus der rechten Tasche ihres Mantels ein kleines Messer und stach sich in den Brustkorb, dort wo man das Herz vermuten konnte.

Blut spritze über sie und die, die in ihrer Nähe saßen. Alle schrieen entsetzt auf. Rosita sank mit einem lauten Aufschrei ihrem Exmann in die Arme.
„Du mich getötet und dafür du büßen, dein Leben lang. Rosita verlässt du nicht ungestraft. Wenn du aus Gefängnis kommst, habe ich schon Killer. Ist von deinem Geld bezahlt. Du Schuft, bist mich nicht wert gewesen!“

Hätte sie jetzt nicht auch noch in spanisch zu fluchen angefangen, wären wir tatsächlich der Meinung gewesen, dass sie gleich stirbt.

Aber sie wurde weder stiller noch bleich und starr, wie man es von einer Erstochenen für gewöhnlich annehmen sollte.

Ihr Mann warf sie mit Schwung auf das Bett in der Nähe und knöpfte ihr Kleid auf.

„Hier seht ihr, liebe Freunde,“ rief er in aller Ruhe, „ solche Szenen waren bei uns an der Tagesordnung. Sie hat sich einen Beutel mit roter angedickter Farbe unter die Brust gebunden und diese Show aufgeführt. Gott, ich verfluche den Tag als ich dich im Urlaub kennen gelernt habe!“

Ohne weitere Worte knöpfte Rosita ihr Kleid und ihren Mantel zu und verließ hoch erhobenen Kopfes, spanische Flüche ausstoßend die Örtlichkeit, stieg in ihr Auto und düste davon.

„Das glaubt uns keiner, das ist was fürs Fernsehen!“ riefen die noch geschockten Besucher und waren mit einem Schlag alle nüchtern.
Keiner wollte noch länger bleiben und alle meinten, sie wären total fahrtüchtig.

„Bitte, bitte, setzt euch alle noch einen Augenblick“, bat Renate, „ich wollte noch etwas Erfreuliches heute Abend verkünden!“

Alle nahmen nochmals Platz, das Buttercremetortenkind war schon, ohne aufzuwachen, in seinen Maxi-Cosi platziert und ins Auto gehoben worden.

„ Ich glaube,“ verriet Renate mit leuchtenden Augen „ich bin schwanger!“

Alle gratulierten, bis auf die 14jährige Tochter, die sich an die Stirn tippte.

Der zukünftige Vater, der damals immerhin Mitte fünfzig war, wurde blasser als beim Anblick seiner Exfrau und meinte hellseherisch, ob dies wohl alles gut gehen würde?

Noch nie war ich so froh, eine Silvesterfeier rechtzeitig verlassen zu können.

Das Paar haben wir nicht wieder gesehen.

Vor einem Jahr erhielten wir einen Anruf aus der Dominikanischen Republik.

Sie lebten dort seit Jahren zusammen, ohne neues Kind.Ihre Tochter war in Deutschland geblieben.

Renates weibliche Geschlechtsorgane, malträtiert durch jahrelange, ständige Unterkühlungen, hatten der Beanspruchung einer Schwangerschaft nicht standgehalten und waren ihr leider samt und sonders entnommen worden.

Er lebte ruhig und ohne weitere Eskapaden seiner ehemaligen Rosita, still am Ufer, im Sessel sitzend und das Meer betrachtend, friedlich in immerwährendem sonnigen Wetter.

Hin und wieder bestieg er sein kleines Boot, rauchte gemütlich sein Pfeifchen, ruderte dem wunderschönen Sonnenuntergang entgegen und genoss seinen Ruhestand in vollen Zügen.

Renate verriet uns noch, dass das Buttercremetortenbaby mittlerweile einem Ringer- und Gewichtheberverein beigetreten war und zu den schönsten Hoffnungen berechtigte.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 03.01.2009

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /