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Nicht irgendeine Feier fand im 86. Stock des New Yorker Bloomfield Buildings statt.
Jeder, der an den smarten Gentlemen mit den in der Taille leicht ausgebeulten Jacketts vorbeikam, gehörte zur Creme de la Creme der hier im Club organisierten Auftragskillern.
„Einen wunderschönen guten Abend, Ms. Stones, Glückwunsch zu Ihrer zauberhaften Begleiterin, Mr. Boil“. Mit einer kurzen Verbeugung reichte einer der Männer ein kleines Tablett, auf dem zwei in Samtpolster gestochene Anstecknadeln, in Form einer stilisierten Gewehrpatrone lagen. Mit einem Nicken in ihre Richtung, gab Normen Linda den Vorzug. Sie sah einfach blendend aus. Das rote Cocktailkleid ließ ihren ohnehin schon verführerischen Körper noch attraktiver wirken. Sie war nur dezent geschminkt, und selbst auf ihrem anziehenden Mund, ließ sich der Lippenstift nur erahnen. Normen konnte sein Glück immer noch kaum fassen. Sie hatten sich erst im letzten Dezember bei der Weihnachtsfeier des, wie er scherzhaft zu sagen pflegte, Silbernadelklubs kennengelernt. Lindas manikürte Finger zogen die Anstecknadel aus dem Polster und steckten sie an einen der Spaghettiträger ihres Kleides.
Welch ein wunderbarer Zufall war es, dass sie beide heute Abend gemeinsam den Olymp ihrer Zunft erreichen würden, dachte Normen. Drei Jahre hatte es gedauert, bis er sich emporgearbeitet hatte. Und es waren keine einfachen Aufträge gewesen.
Zwei Richter, ein Staatsanwalt und, als Krönung, der Gouverneur von Nebraska, standen auf seiner Habenseite.
Alles sauber ausgeführte Auftragsarbeiten, an deren Aufklärung sich das FBI bis heute die Zähne ausbiss. Die Organisation ließ sich nicht in die Karten blicken, aber er war sicher, dass er heute seine silberne, gegen eine goldene Anstecknadel eintauschen würde.
Nachdem Normen und Linda den Eingangsbereich verlassen hatten, betraten sie nun einen marmorgetäfelten Raum. Dieser teilte sich in einen kleineren Bereich, in dem sich ein Tisch mit einer gedeckten Tafel befand. In einem deutlich größeren, hielten sich etwa zwanzig Personen, meist Männer unterschiedlichsten Alters auf. Sie Linda und Normen sahen sich um. Der ein oder andere, dem sie in ihrer Vergangenheit begegnet waren, nickte ihnen freundlich zu. Ausnahmslos alle trugen die goldene Anstecknadel.
Ein Ober kam auf sie zu und bot Champagner in kelchförmigen Gläsern an. Normen hätte viel lieber etwas Härteres zu sich genommen, aber allein die stilvolle Umgebung verbot es, auch nur danach zu fragen.
Linda nippte gerade an ihrem Glas, als sich ein Mann, den Normen auf ungefähr sechzig Jahre schätzte, näherte. Dieser Mann trug keine silberne und auch keinen goldene Anstecknadel. Seine war mit schimmernden Diamanten besetzt.
Normen zog ein ungewohntes Kribbeln die Wirbelsäule hinauf „Hallo Linda, hallo Normen“. Mit einer Selbstverständlichkeit, so als wären sie alte Bekannte, stellte er sich zu ihnen. Ich schlage vor, Sie nennen mich einfach Bruce“. Ein kurzer Augenblick verging, bis schließlich Linda das Wort ergriff.
„Hallo Mr. Bruce“, meinte sie völlig Frau der Lage, und prostete ihm mit dem Champagnerglas zu.
„Sehen sie, in unserer Gemeinschaft“, er beschrieb mit ausgestrecktem Arm einen angedeuteten Bogen über die Anwesenden, "führe ich zurzeit, sozusagen allein, den Vorsitz.
Ich denke, Sie wissen bereits, warum wir Sie heute zu diesem besonderen Festbankett eingeladen haben.“ Normen deutete ein Nicken an.
„Na, dann wollen wir unsere Zeit nicht mit sinnlosen Gesprächen vergeuden. Sehen Sie sich um, essen Sie, trinken Sie. Mit anderen Worten, amüsieren Sie sich“.
Damit verließ er sie und widmete sich den anderen Anwesenden.
Zwei Stunden lang kamen sie sich vor, als befänden sie sich auf irgendeiner x-beliebigen Gesellschaftsfeier, probierten köstliche Weine, aßen erlesene Gerichte, wie Hummer, Austern oder Wachtelbrüstchen und hielten Smalltalk mit dem einen oder anderen Anwesenden.
Kurz vor Mitternacht, ertönte Gläserklingen. Bruce trat in die Mitte des Raumes.
„Verehrte Gäste“, begann er. „Alle von euch wissen, warum wir heute Abend zusammengekommen sind. Jeder von uns ist nur anwesend, da er zu den Besten der Besten in unserem Gewerbe gehört. Was uns von der Masse aus Totschlägern, Meuchelmördern oder sonstigen Amateuren unterscheidet, ist unsere absolute Kaltblütigkeit, dass Unterdrücken jeglicher Hemmung, sowie Erfolg. Wir betreiben ein Geschäft, das Emotionen oder Mitleid so gut gebrauchen kann, wie ein Albino ein Sonnenbad.
Ihr alle habt in eurer Vergangenheit bewiesen, dass ihr Nervenstärke und Flexibilität besitzt. Jeder Einzelne von euch hat, wie Normen und Linda in diesem Moment, vor uns gestanden um die goldene Patrone als Zeichen des besonderen Grades ihres Könnens und der Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft, in Empfang zu nehmen.
Aber ohne dass ihr es ahntet, verlangten wir von euch einen letzter Beweis, dass ihr es würdig seid, dieses Zeichen zu tragen“. Normen stutzte, letzter Beweis?
Bevor er Lina etwas zuflüstern konnte, wendete Bruce sich ihm zu.
„Normen, kommen Sie zu mir, kommen Sie“. Nach kurzem Zögern ging er einige Schritte auf Bruce zu. Applaus brandete auf.
Auf einen beiläufigen Wink hin, trat ein graumelierter älterer Mann näher, der ihm eine in Leder gefasste, etwa buchgroße Schachtel reichte.
Für eine winzige Anstecknadel etwas zu groß, dachte Normen irritiert.
„Bitte, dass ist für Sie“, mit einem verbindlichen Lächeln reichte Bruce ihm den Kasten.
„Öffnen Sie ihn!“ Einen kurzen Moment blickte Normen in Bruce graue Augen. Die Spannung in ihren Gesichtern war nicht zu übersehen.
Vorsichtig hob er den Deckel. Ein Stein viel ihm vom Herzen. Welch ein Geschenk.
In seidenschwarzem Glanz, lag dort eine 45er Magnum mit zugehörigem Schalldämpfer. In ihren mit Perlmutt besetzten Griffschalen waren stilisierte goldene Patronen eingraviert. Dankbar sah er Bruce an.
„Nehmen Sie sie heraus, spüren Sie, wie sie sich anfühlt“. Begleitet von einem schnellen Nicken, griff Normen zu.
Den Revolver in der Hand, entdeckte er überrascht einen weißen Zettel, der unter ihm gelegen hatte. Seine Augen weiteten sich, als er erfasste, was da in geschwungener Handschrift geschrieben stand.

„Erschießen Sie Linda, sofort“

Das kann nicht sein! schoss es ihm durch den Kopf. Er sah in Bruce graue Augen. Alle Freundlichkeit schien aus ihnen gewichen zu sein. Gefühllosigkeit starrte ihm entgegen.
Dann sah er Linda an. Sie wirkte völlig ahnungslos, ohne jeden Argwohn.
Ihr bezauberndes Lächeln stach ihm wie ein Schwert mitten ins Herz.
„Normen!“ Bruce Stimme war zu einem kalten Kredo geworden.
Das war also seine Prüfung. Er sollte vor aller Augen seine Geliebte erschießen.
Warum Linda? War sie in Ungnade gefallen, hatte sie einen Auftrag vermasselt?
Wie in Trance richtete er den Lauf der 45er auf ihren vollkommenen Körper.
Aus den eben noch freudestrahlenden Augen blickte ihm nun blankes Entsetzen entgegen.
„Was ist Normen, was hast du vor?“
Er stotterte, „Tut mir leid Liebes, man verlangt von mir, ich soll, muss!“ Mit zittrigen Händen hielt er ihr den Zettel hin. Er sah wie sich ihre braunen Pupillen vor Entsetzen weiteten.
Plötzlich waren da Bilder in ihm. Linda, die sich ihm im schwachen Kerzenlicht seines Schlafzimmers hingab. Ihre feinsinnigen Gespräche. Ihr Lachen, ihre Wärme.
„Das können Sie nicht von mir verlangen, Bruce, Linda bedeutet mir alles!“
„Sind Sie ein Profi, Normen, oder nicht? Sie müssen sich jetzt entscheiden!“, kam die schneidende Antwort. Normen schloss die Augen.
Als er sie wieder öffnete, stand sein Entschluss fest.
Er senkte den Lauf der Waffe, öffnete den Kasten, legte den Revolver hinein, und reichte ihn an Bruce zurück.
„Tut mir leid, aber diesen Auftrag kann ich nicht erledigen“.
Bruce stieß verächtlich Luft durch seine Nasenflügel. Dann klappte er rasch die Kiste auf, entnahm den Revolver, richtete ihn auf Linda.
Mit einem trockenen Husten löste sich der Schuss. Für einen Bruchteil einer Sekunde drehte sich Norman fassungslos zu Bruce um, der lässig mit der Waffe in der Hand dastand. Ein zynisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
„Tut mir wirklich leid, mein Lieber, aber nur die Besten verdienen die goldene Nadel. Für Amateure wie Sie, ist in dieser Liga kein Platz“.

„Normen!“, durch einen Nebel aus Fassungslosigkeit und Wut, hörte er Lindas Stimme. Sie stand da als wäre nichts geschehen. Alle Angst schien aus ihrem Gesicht gewichen zu sein. Herablassend schaute sie ihn an.
„Platzpatronen Normen, wirklich schade, mein Liebster, ich hatte mehr von Dir erwartet“.
Ungläubig betrachtete er sie. Dann sah er es. Dort, wo eben noch eine silberne Nadel in ihrem Kleid steckte, befand sich nun eine, die mit Edelsteinen besetzt war, und der von Bruce zum Verwechseln ähnlich sah.
„Aber wie mein Partner Bruce schon sagte“, ergänzte sie eiskalt, „nur die Besten….“

Noch bevor sie den Satz beendet hatte, zog sie blitzschnell eine 6mm Parabellum aus ihrer Handtasche, legte kurz auf Normen an, und traf zielsicher.

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Tag der Veröffentlichung: 12.11.2009

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