Cover

Ja doch, ich kann mich noch sehr genau an den Tag erinnern, da ich der Meinung war, dass es an der Zeit war, meinen ersten Mord zu begehen.
Die meisten meiner Klassenkameraden hatten auf diesem Sektor schon breit gefächerte Erfahrungen und ich habe nicht ohne Neid ihre heimlichen Gespräche belauscht.
Aber ich war schon immer schlauer gewesen, als sie es ahnten, und kannte ihren geheimen Treffpunkt. Manchmal versteckte ich einen Kassettenrekorder zwischen den Büschen, da wo sie ihre Bretterbude gebaut hatten. So konnte ich mir später alles nochmals anhören. Wirklich mitbekommen habe ich nie, wenn Sie jemanden um die Ecke brachten

, wie sie es nannten. Ich hatte einige Versuche unternommen mich ihnen anzuschließen, aber sie wollten nichts von mir wissen. Behaupteten immer, ich wäre nicht ganz dicht.
Ich war mir sicher, dass ich allen erst beweisen musste, dass ich würdig war, zu ihnen zu gehören.
Keiner nannte je die Namen ihrer Opfer, sie sprachen von Indianern, Räubern, Dieben oder Verrätern. Sie knallten sie eiskalt über den Haufen, erstachen sie von hinten und spielten ihren Todeskampf in den verschiedensten Varianten nach.
Der Druck in mir wuchs.
Wenn ich noch vor Ende des Schuljahres zu ihnen gehören wollte, musste ich selbst so bald wie möglich zuschlagen.
Aber wer sollte es sein? Es musste eine besondere Person her. Jemand den alle kannten und dessen Tod für alle von Vorteil war.
Auf die richtige Idee kam ich, als ein Mitglied der Bande von einem Klassenkameraden beim Abschreiben verpfiffen wurde. Lutz hieß der Verräter. Lutz war, außer bei den Lehrern, überall unbeliebt. Er war derjenige, der auf alle Fragen eine Antwort wusste, aber nie beim Fußballspielen zu sehen war, da er sich die meiste Zeit hinter seinen Büchern vergrub. Wenn Lutz verschwand, würde ihm kaum einer eine Träne hinterher weinen.
Ich erwischte ihn Donnerstagabend am Hinterausgang der Bücherei. Eine Woche lang hatte ich hinter unserem Haus Wurfübungen mit dem Messer gemacht. Ich glaube, er hat überhaupt nicht begriffen, was da passierte. Es war ziemlich enttäuschend, kein Röcheln, kein Aufschrei, er kippte einfach um und rührte sich nicht mehr. Ich hatte mich vorbereitet und einen alten Kartoffelsack mitgebracht. Lutz wog nur knapp die Hälfte von mir. Trotzdem war ich ziemlich außer Atem, als ich zum Versteck kam.
Die Andern waren schon da und amüsierten sich prächtig. Werner amte gerade einen Typ nach, den er mir einem Revolver erschossen hatte. Sie alle starrten mich vorwurfsvoll an, als ich ihren Treffpunkt betrat.
„Wartet nur ab“, dachte ich. Dann hab ich den Sack in die Mitte der Hütte gezogen und mit meinem Messer aufgeschnitten. Zuerst haben alle an einen Scherz gedacht und zwei haben sogar angefangen blöde zu lachen. Als sie jedoch das Blut sahen, fingen sie an zu schreien. Für einen Moment hatte ich geglaubt, es gehöre dazu und mitgebrüllt. Erst als Michael angefangen hat sich zu übergeben, und alle Anderen weggelaufen sind, kam es mir doch seltsam vor. Ich musste irgendeinen Fehler gemacht haben. Vielleicht hätte ich Lutz nicht mit zum Treffpunkt bringen dürfen. Sie waren jedenfalls so sauer, dass sie mich bei den Bullen verpfiffen habe.
Es ist jetzt schon ein Weilchen her, und hier ist es eigentlich nicht viel schlechter als zu Hause.
Ich hab eine Menge Zeit zum Nachdenken, aber dahintergekommen bin ich immer noch nicht. Sage sie es mir! Sie sind doch Profi, dass erkenne ich doch an ihrem Kittel.

Sagen Sie mir bitte endlich, was ich falsch gemacht habe!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.11.2009

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /