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Erschienen 2010 im Eigenverlag
Alle Rechte beim Autor


Als Petra aus dem Arbeitsamt heraus auf die Straße trat, schlug ihr eine Mischung aus lautem
Straßenlärm und stinkenden Abgasen entgegen.
Wieder nichts, dachte sie.
"So ein Mist!", sagte sie laut, doch von den vorbeieilenden Menschen beachtete sie niemand.
Petra schlug den Kragen ihrer Jacke hoch und machte sich auf den Weg zur Bushaltestelle. Sie wollte jetzt nur noch heim, sich in ihrem Zimmer einschließen und Musik hören. Und, wenn es sein sollte, ein wenig weinen.
Seit neun Monaten war sie jetzt schon ohne Arbeit, dutzendmal umsonst auf dem Arbeitsamt, dutzende Absagen, die Ihr langsam jede Hoffnung nahmen.
Braucht denn niemand eine gute Sekretärin? ging es ihr durch den Kopf. Aber auch keine andere Tätigkeit hatte man ihr bisher anbieten können.
Sie erreichte die Haltestelle und hatte Glück: nach drei Minuten kam der Bus, und sie stieg ein. Gedankenverloren gab sie dem Fahrer Geld für eine Fahrkarte, nahm das Wechselgeld,

und setzte sich auf einen der wenigen freien Plätze.
Mit was soll ich denn heuer meine Weihnachtsgeschenke bezahlen, dachte Petra, Ich muss meine Miete bezahlen, und essen muss ich ja auch noch was.
Erst jetzt bemerkte sie den jungen Mann, neben den sie sich gesetzt hatte. Sie drehte ihren Kopf in seine Richtung und sah ihn verstohlen an.
Der junge Mann sah zum Fenster hinaus, aber es war, als bemerkte er ihren Blick, und er sah ihr plötzlich in die Augen.
Petra erschrak und schaute sofort auf Ihre Fußspitzen.
"Hallo, junge Frau, hab' ich dich erschreckt? Das tut mir echt leid. Ich heiße Michael."
Petra blickte vorsichtig zurück in sein Gesicht und war auf einmal gefangen von seinen Augen.
" Ha..hallo, ich heiße Petra. Ich bin nicht erschrocken, ich wollte nur mal schauen ob meine Schuhe schmutzig sind."
Sie fand ihre Fassung wieder.


"Ich weiß, wo du warst.", begann Michael, "Du warst auf dem Arbeitsamt."
"Woher weißt du das?", fragte Petra mit weit aufgerissenen Augen.
Er antwortete: "Weil ich dich schon länger beobachte."
Sie spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie ihren Kopf unter einer Trockenhaube. Ehe sie etwas erwidern konnte sagte Michael:
"Verzeih' mir bitte, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Mein Boss hat mir den Auftrag gegeben, ein Auge auf dich zu werfen. Er meinte, du wärst etwas traurig in letzter Zeit, und er beauftragte mich, das zu ändern."
"Wie meinst du das? Was meinst du mit ´ändern´?"


Etwas trotzig sah sie Michael an. Wer mischte sich hier so massiv in ihr Leben ein?
"Sieh mal“, sagte Michael, "der Boss denkt, dass du wieder arbeiten solltest. Und zwar möglichst bald. Du wolltest doch deinem Freund ein Schlauchboot zu Weihnachten kaufen.“
"Aber..."
"Und deiner Mutter wolltest du eine Küchenmaschine schenken, deinem Papa hattest du eine neue Pfeife versprochen und du hättest gerne ein neues Bett, denn dein Altes kracht und knarrt bei jeder Bewegung."
Petra starrte ihn mit offenem Mund an und fand keine Worte.
Aber als er sie aufmunternd ansah, begann sie zu sprechen:
"Woher weißt du das alles, ich habe mit niemandem darüber geredet? Kannst du etwa hellsehen? Wer bist du?"
"Ich bin Michael", wiederholte er, "und mein Boss ist ziemlich mächtig. Ich würde sagen, er weiß alles." Nachdenklich massierte Michael sein Kinn.
"Ist er bei der Mafia?", fragte Petra etwas verunsichert.
Jetzt musste Michael herzhaft lachen.
"Nein, nein, wie kommst du nur auf so was! Nee, mein Boss ist in der Wohlfahrt tätig."
Der Bus fuhr unter einer Brücke durch und hielt kurz darauf an.
"So, ich muss hier aussteigen", sagte Michael.
Er hielt ihr einen zerknüllten Zettel hin.
"Geh doch morgen mal dorthin, ich glaube, die suchen eine neue Angestellte. Bitte vergiss es nicht!"
Flehend sah er sie an, doch Petra dachte: da mach dir mal keine Sorgen. Dankbar nahm sie den Zettel und drückte noch kurz seine Hand. Ein elektrisierendes Gefühl des Glücks sprang auf sie über.
Schnell zog er seine Hand weg. "Bis bald!", flüsterte er und stieg aus.
"Danke, danke.", rief sie ihm nach, doch er war schon verschwunden.


Sie schaute aus dem Fenster, konnte ihn aber nirgends entdecken.
Mit gemischten Gefühlen faltete sie den Zettel auseinander und las:


Bankhaus Schäfer und Hertel
Wiesener Straße 34
8 Uhr

Mehr stand da nicht.

Am nächsten Morgen stand Petra schon früh vor dem Bankhaus.
Soll ich, oder soll ich nicht? dachte sie. Kurz entschlossen ging sie hinein.
Eine halbe Stunde später hatte sie wieder eine Arbeit.
Woher sie denn wusste, dass eine Stelle frei wird, wurde sie gefragt, es war doch noch gar nicht offiziell, dass die Stelle einer Sekretärin zum Januar nächsten Jahres neu besetzt werden sollte!
Petra wusste darauf keine Antwort. Sie zog die Mundwinkel nach unten und zuckte mit den Schultern.

Nun geht sie überglücklich die Straße entlang. Plötzlich sieht sie einen Mann auf sich zukommen.
Er strahlt in einem beinahe überirdischen Licht, oder kommt es ihr nur so vor, weil der Mann die aufgehende Sonne im Rücken hat?
"Hallo Petra!", ruft er ihr schon von weitem zu, und sie erkennt Michael in dem sich nähernden Mann.


"Hallo, Michael!", antwortet Petra und rennt ihm entgegen.
Michael breitet seine Arme aus und fängt sie auf, und er hebt sie hoch als wäre sie eine Feder,
und er dreht sich mit ihr dreimal um sich selbst.
Eine Woge nie gekannten Glücks durchströmt Petra.
Als er sie loslässt sagt er:
"Es hat geklappt, richtig?"
Und sie strahlt ihn an:
"Ja, ja. Oh ist das toll!! Ich danke dir, ich danke dir!"
"Danke nicht mir, danke meinem Boss. Im Übrigen danke ich dir,

denn durch dich habe ich auf meiner Erfolgsskala wieder einen Pluspunkt sammeln können."
"Bezahlt dich dein Boss nach erfolgreich vermittelten Arbeitsverträgen?“, fragt Petra.


"Nein, nach erfolgreichen guten Taten an euch Menschen. Und er bezahlt auch nicht, er gewährt uns etwas."
"Er gewährt euch etwas?"
"Ja, wir können eine höhere Ebene erreichen, oder mal für einige Zeit woanders arbeiten. Da wo ich herkomme gibt es jede Menge Arbeit. Und sie macht Spaß!"
"Michael, du bist ein Rätsel für mich. Woher kommst du? Wer ist dein Boss? Wo arbeitest du?"
Michael überlegt kurz. Er ergreift ihre Hände, dann schaut er ihr tief in die Augen.
"Liebe Petra, glaubst du an Engel?"
"Was..."
"Glaubst du, ich könnte ein Engel sein?"
Petras Herz beginnt zu hämmern. Eine leichte Gänsehaut kribbelt auf ihren Armen.

Ihre Hände loslassend entfernt er sich von ihr, ehe Petra etwas erwidern kann. Er geht zurück in die aufgehende Sonne.

Sie sieht ihm nach. Er ist schon einige Meter weit gegangen, als er sich umdreht und sanft spricht:
"Ja hast du es denn nicht begriffen, kleines Mädchen? GOTT ist mein Boss, Gott!“
Mit großen Augen schaut sie ihn an. Seine Gestalt scheint durchsichtig zu werden, er verblasst.
Er scheint davonzuschweben, und kurz darauf ist er fort.



G O T T


hallt es in ihrem Kopf, dann lässt sie ihren Tränen des Glücks freien Lauf.

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Tag der Veröffentlichung: 05.11.2010

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