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Der Kirschbaum nahe unserem Dorf war der Ort, an dem sich die Liebenden trafen. Im Schatten seiner Äste verbrachten sie Stunden der Leidenschaft, verborgen vor den Augen der Alten, die ihre Verbindung nie erlaubt hätten. In das Tal der Elben kamen kaum Reisende und noch seltener war es, eine fremde Elbe anzutreffen. Deswegen bestanden die Herrscher unseres Klans darauf, dass alle Ehen arrangiert wurden. Junge Mädchen mussten ihre Familien verlassen, um einen fremden Mann zu heiraten, der in einem anderen Seitental des schwarzen Gebirges wohnte und den sie noch nie zuvor gesehen hatten.
Vor einem Mond waren ein halbes dutzend junge Frauen in das siebte Tal aufgebrochen, Nessa war unter ihnen gewesen. Ich war mit ihr aufgewachsen und jetzt vermisste ich sie schmerzlich. Ihr blondes Haar, der Duft nach Jasmin, die Tiefen ihrer blauen Augen, das alles wollte ich für immer in meinem Gedächtnis behalten. Als wir von ihrer Heirat erfahren hatten, waren wir zum Kirschbaum gekommen und hatten getan, was Liebende miteinander taten.
Auf den niemals welkenden, weißen Kirschblüten, die überall auf dem Boden verstreut lagen, hatte sie mir ihr Innerstes geschenkt, wie sie es vor Jahren versprochen hatte.
„Wenn je ein Mann es von mir bekommt, dann wirst es du sein, Lenwè.“
Ihre Worte waren so greifbar nahe, als stände sie in diesem Moment vor mir. Doch sie war weit fort.
Nessa war wie eine Schwester gewesen, und selbst wenn ich sie nie begehrlich geliebt hatte, konnte ich ihr diesen Gefallen nicht ausschlagen. Und das, was unter dem Kirschbaum gesehen war, würde ich nie vergessen. Nein, ich erinnerte mich immer wieder daran, kehrte jeden Abend, während die Alten in die Gebete versunken waren, hier her zurück. Ich war nicht von meiner Geliebten getrennt worden, so wie viele der anderen jungen Männer, doch ich hatte eine Freundin verloren und dieser Verlust nagte an meinem Herzen.
Meine Schritte auf der dunklen Erde des schwarzen Gebirges waren leise, ich duckte mich unter einem herunter hängenden Ast hindurch, der wie ein Vorhang den Stamm vor den Blicken aller Geschöpfe schützte.
Ich zuckte zusammen, als ich die Gestalt vor mir sah. Der Mann bewegte sich nicht und in der Abenddämmerung war er leicht zu übersehen. Alles an ihm war dunkel, nur seine tiefblauen Augen nicht. Das lange Haar, das für die Elben so typisch war, glänzte in einem Schwarz, das an die Kohle erinnerte, die aus den schwarzen Bergen gewonnen wurde. Der Elb hatte es hinter die spitzen Ohren gestrichen und die vordersten Strähnen zu einem Zopf geflochten, der beinahe bis zu seinen Knien hinab hing. Er hatte ein steingraues Leinenkleid übergestreift, das üblicherweise zu den Gebeten getragen wurde.
„Círdan.“, flüsterte ich beinahe ehrfürchtig. Mein bester Freund wandte sich mit einer anmutigen Bewegung um. Elben galten als anmutige, graziöse Geschöpfe, doch Círdan
übertraf sie alle. Seine blasse, beinahe gläsern wirkende Haut strahlte auf seltsame Weise von innen heraus und machte der Schönheit der untergehenden Sonne Konkurrenz.
„Lenwè, mein Freund.“
Mit seinem Lächeln entblößte er eine Reihe kristallweißer Zähne. Wieder einmal wurde ich mir seiner seltenen Schönheit bewusst. Ich selbst war, wie die meisten im Dorf, blond. Von der Statur glich ich der Círdans, doch ich hatte nicht so ein fein geschnittenes Gesicht und meine Augen glichen nicht dem Meer sondern dem grün von Moos.
„Was tust du hier? Ireth ist seit über einem Jahr fort.“
Círdans Auflachen klang bitter und er machte einen Schritt auf mich zu. Seine Augen wandten sich Richtung Himmel, doch von hier aus konnte er nur die schweren Äste mit den wundervollen, weißen Blüten sehen.
„Ich bin nicht wegen Ireth hier. Ich werde sie nie wieder sehen und irgendwann akzeptiert man diesen Gedanken. Wenn nicht wird man verrückt.“
Er wandte sein Gesicht wieder mir zu.
„Ich komme hier her, um mich daran zu erinnern, dass der einzige, den ich liebe und den sie mir nicht wegnehmen können, du bist. Und ich wusste, das du her kommst.“
Círdan richtete seinen Blick genau auf meine Augen, mit einem anmutigen Schritt stand er genau vor mir.
„Dich werden sie nie wegschicken.“, hauchte er in den Wind.
Die Situation verwirrte mich zu tiefst, doch ich konnte und wollte mich dem Anblick des wunderschönen Mannes vor mir nicht entziehen.
„Das…Das ist doch etwas anderes. Du liebst mich schließlich nicht auf die Art, wie du sie geliebt hast.“
Wieder lachte er auf, hob seine Hand an meine Wange.
„Das ist wahr. Nie hätte ich sie so lieben können wie dich, Lenwè.“
Sein Gesicht war dem Meinen so nah, das Durcheinander in meinem Kopf fand plötzliche Ordnung, als mein Verstand beschloss, jede seiner möglichen Handlungen zu akzeptieren oder sogar zu erwidern.
„Aber…“
Das Wort flüchtete sich von meinen Lippen und ich unterbrach mich selbst.
Círdans Blick war fragend, doch gleichzeitig zeigte sein Gesicht, dass er handeln würde, selbst wenn ich verneinte.
„Lange habe ich mich gegen all das gewehrt, aber meine Kraft ist aufgebraucht. Schenk mir diese eine Nacht unter dem Kirschbaum und ich werde mein Leben davon zehren.“
Begehrliche Blicke wanderten über meinen Körper, jagten wie Feuerelfen über meine Haut und verursachten eine angenehme Hitze in mir. Begehrte ich meinen besten Freund? Waren meine Gefühle für ihn schon immer so stark gewesen wie in diesem Moment?
Jetzt griff meine Hand zögernd nach der Seinen.
„Ich gebe dir, was immer du willst, Círdan.“
Mein Blick war auf seine Brust gerichtet, ich konnte ihm nicht in die Augen sehen.
Finger, so schlank und blass wie Elfenbein fuhren sanft unter mein Kinn und schoben meinen Kopf zu ihm hinauf.
Sein Kuss war berauschender als der goldene Met, süßer als die Früchte des Baumes, der uns unter seinem Stamm ein Bett bereitet hatte. Mit einer Leidenschaft, die wilder als die blauen Feuer loderte, erwiderte ich jede Berührung seiner Lippen mit meinem Mund.
Schon einmal war ich hier gewesen, hatte geküsst, gestreichelt, liebkost. Doch niemals zuvor war solch pures Glück durch meine Adern geflossen. Ich fragte mich einen Moment lang, ob je eine Elbe auf dieser Welt so gefühlt hatte und verneinte es in Gedanken mit einem Lächeln.
Círdans Arm lag um meine Hüfte und er ließ mich langsam auf den weichen Boden sinken. Sofort war er über mir, ich fing seinen Blick auf.
Ein Sprichwort der Elben sagt: Alles, das wirklich von Bedeutung ist, bleibt lange vor uns verborgen und erscheint erst im rechten Moment.
Ja, diese Gefühle, die durch meinen Kopf rasten, hatten sich vor mir verborgen, aber jetzt brachen sie mit aller Kraft aus der Bahn, überspülten mich und machten mich zu ihrer Marionette. Ich ließ es ohne jeden Zweifel geschehen.
Mit einer hastigen Geste, die im Widerspruch zu seinem ganzen Erscheinen stand, zerrte Círdan sich das Gebetskleid vom Körper, er trug nichts darunter. Ich konnte mich an seinem Anblick nicht satt sehen. Seine Haut sah aus wie gegossenes, reines Wachs, die Muskeln darunter waren gut definiert. Ohne den Blick von seiner Brust zu lösen, machte ich mich an dem Gürtel zu schaffen, den ich über meiner Tunika trug, doch ich zitterte und Círdan half mir mit einem Lächeln. Wenige Momente später lag ich nackt unter ihm.
Nie konnte ich genug von seinen Küssen bekommen, doch gleichzeitig wollte ich seine Lippen auch auf dem Rest meines Körpers spüren. Er wanderte über meine Brust hinab zu meinem Bauch, bevor ich ihn wieder für einen Kuss an mich zog. Dann begann seine Reise erneut, liebkoste die Perlen, zu denen sich meine Brustwarzen zusammen gezogen hatten und leckte mit der Zunge über meine bebende Haut.
Niemand vermag es, die Köstlichkeit eines saugenden Mundes an meiner intimsten Stelle zu beschreiben. Als Círdan seine Lippen über mein Geschlecht stülpte, schrie ich auf, während ich im selben Moment um Atem rang. Gefangen in der Ekstase vergruben sich meine Finger in seinem dunklen Haar, dessen Strähnen gleich Schmetterlingsflügeln immer wieder über die empfindliche Haut an meinen Oberschenkeln strich und mich zusätzlich reizten.
Zwiespalt keimte in mir auf, wollte ich doch, dass dieses Gefühl der reinen Erregung nie endete. Gleichzeitig war es der Wunsch meines Herzens, nur mit Círdan gemeinsam die Freuden der Liebe zu erleben.
Mein Liebhaber schien überrascht, als ich ihn zu mir hinauf zog, doch im nächsten Moment fiel er über meinen Mund her, tauchte mit seiner Zunge ein und wiegte sich mit der Meinen im einem ewigen Tanz.
„Schenk mir den Höhenflug, Círdan, und komm mit mir.“, keuchte ich. Meine eigene Stimme schien mir fremd.
Sein Lächeln jagte einen warmen Schauer über meinen Körper. Dann legte sich seine Hand dort hin, wo noch vor Sekunden seine Zunge gewesen war.
Meine Finger strichen an seinen Seiten entlang und umfassten seine Erregung.
Im gleichen Takt rieben wir uns dem Höhepunkt entgegen, während schneeweiße Kirschblüten auf uns herab fielen wie warmer Regen.
Die Erregung jagte durch meinen Körper und während sich der Erguss meiner Lenden auf meinem Bauch verteilte, schrie ich Círdans Namen in unendlicher Verzückung. Mein Liebhaber war mir auf den Gipfel gefolgt, sein Stöhnen war Musik in meinen wunden Ohren.
Sicher konnten Männer sich in ihrer Lust noch viel intensiver vereinigen, doch für den Moment genügte mir diese Art der Befriedigung vollkommen, konnte ich noch immer nicht glauben, dass je eine andere Elbe so gefühlt hatte.
Círdan ließ sich neben mich auf das Blütenbett fallen, seinen Kopf auf meiner Brust.
Noch einmal trafen sich unsere Lippen für einen kurzen Kuss.
„Du bist der Einzige, den sie nie wegschicken werden.“, flüsterte er.

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Bildmaterialien: Cover by Google
Tag der Veröffentlichung: 20.04.2012

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Widmung:
Meiner Moni

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