Als Noah Liam entlassen und der Dämon sich langsam in Luft aufgelöst hatte, war eine einzige Träne über Vans Wange gelaufen, verborgen vor seinem Onkel. Ja, Shadow war ihnen erneut entkommen, dieser Mistkerl hatte Lunte gerochen, als seine Höllenhunde nicht mehr zurückgekommen waren. Es war nicht sein Fehler gewesen und schon gar nicht Liams. Sie hatten es vergeigt, alle beide. Und doch war Noah der Auffassung, der Dämon hätte seinen Auftrag nicht ausgeführt und musste entlassen werden. Van hatte es mit gleichgültiger Miene akzeptiert, doch als Liam in das Pentagramm trat und Noah eine lateinische Formel aufsagte, schnitt der Schmerz wie ein Messer in sein Fleisch. Ohne ein Wort verschwand Liam, für immer. Der Jäger hatte ihn nicht einmal verabschiedet, ohne ein Wort hatte er den Dunkelhaarigen gehen lassen, ohne einen letzten Kuss.
Van fing die Träne auf, als sie von seinem Kinn tropfte, schloss die Faust darum, als wolle er sie mit aller Macht fest halten. Er löste seine Finger auch nicht, als seine Nägel Wunden in die Handfläche rissen und einige Tropfen Blut herunter liefen. Nur so glaubte er die restlichen Tränen zurück halten zu können. Noch bevor Noah sich umdrehen konnte, war er zum Auto gelaufen und davon gefahren. Sollte der Kerl doch sehen, wie er nach Hause kam.
Die Straße schien ihm endlos, doch irgendwann hielt er vor dem Haus seines Onkels. Es regnete in Strömen. Hastig trat er in den Flur, warf den Mantel und seinen Hut in die Ecke und eilte die Treppen hinauf. Er brauchte eine Dusche. Er musste dieses Gefühlschaos in sich loswerden. Sein Weg zum Badezimmer führte ihn an dem Beschwörungsraum seines Onkels vorbei. Und plötzlich wusste er, was zu tun war. Es würde eine Weile dauern, bis er gelernt hatte, eine Beschwörung richtig und Fehlerfrei zu vollbringen, doch er hatte Zeit. Er würde alles Nötige lernen, es sich selbst beibringen. Und dann würde er Liam zurückholen.
Er würde ein Dämonenflüsterer werden.
Liebe hilft, alle Schmerzen zu ertragen, eine schöne Erinnerung lässt einen Menschen jede Qual überstehen. Doch unerwiderte Liebe, Erinnerungen voller Zweifel, verlängern das Leid, fressen sich in die Seele und irgendwann verliert man all seine Gefühle unter der Folter der Dämonen.
Kaum ein Dämon kehrte in die Hölle zurück, wenn er einmal beschworen worden war. Und die, die es taten, wurden verschmäht, verhöhnt, gequält. War die Hölle schon so ein schrecklicher Ort, war sie für mich noch viel unerträglicher geworden. Früher hatte man mich kaum beachtet, ich hatte die quälende Hitze ertragen, die Schreie der Gefolterten, doch nie hatte man mir solche Schmerzen zugefügt. Schmerzen, die nie enden würden. In alle Ewigkeit war ich hier gefangen, fristete mein Dasein. Mein Körper war geschunden, doch dies hätte ich ertragen können. Meine seelische Qual war so viel größer.
Jede Nacht lag ich wach, den Versuch zu schlafen hatte ich schon lange aufgegeben, versuchte, die Erinnerungen fest zu halten, die ich noch hatte. Doch das alles verschwand. Hatte ich gestern noch Vans Gesicht gekannt, verschwamm sein Anblick vor meinem inneren Auge immer mehr. Und obwohl ich bei der Folter noch immer seinen Namen rief, lösten sich auch die Gefühle für ihn auf. So schnell, wie ich angefangen hatte, ihn zu lieben, so schnell vergaß ich ihn jetzt. Für immer.
Immer dann, wenn auf der Erde die Sonne aufging, kam der Folterknecht, brachte mich in eine Zelle und begann sein verheerendes Werk. Oft hoffte ich, er würde mich einfach töten, doch ich war bereits tot. In der Hölle kann man nicht sterben, man kann niemals entfliehen. Beschworen zu werden, war die einzige Chance, die man hatte. Und niemand wurde je zweimal beschworen.
„Na, Kleiner. Wir beide haben heute etwas besonders schönes vor. Freust du dich schon.“
„Ich kann es kaum erwarten.“, meine Stimme triefte vor Sarkasmus. Ich würde auch diesen Tag über mich ergehen lassen, denn ich konnte sowieso nichts dagegen tun.
Trotzdem, auch wenn es mir lächerlich vorkam, wehrte ich mich jedes Mal, wenn er versuchte, die Ketten an meinen Armen fest zu machen. Er hatte bereits einige Wunden davon getragen und jede einzelne von ihnen war mein Triumph. Auch wenn ich damit nur erreichte, dass er sich mir öfters und gewaltvoller widmete als anderen. Er hatte nicht einmal einen Namen, er hatte ihn nach so vielen Jahren hier vergessen. Ich würde meinen Namen auch vergessen, ich würde alles vergessen. Und dann würde ich so werden wie er. Ich würde meine Unterhaltung in dieser tristen Welt darin finden, dass ich anderen Schmerz zufügte.
„Heute haben wir etwas ganz besonderes vor.“
„Das hast du schon gesagt. Fang endlich an.“
Niemals würde ich ihm meine Furcht zeigen, diese Genugtuung würde er von mir nie bekommen.
„Ich werde dir die Haut abziehen und sie verkehrt herum wieder annähen. Und weißt du, was das tollste ist? DU wirst nicht daran sterben. Du bist nicht mehr auf der Erde. Ist das nicht eine Ehre? Das erste Wesen, dass mit dem Gesicht nach innen herum läuft.“
Sein Gesicht war eine kreischende, irre Maske, seine Augen leuchteten vor Vorfreude.
An seinem Gürtel hingen Messer, sichelförmige Dolche, an denen noch das Blut meiner Vorgänger hing. Zum ersten Mal wich ich vor den Folterknecht zurück. Ich wusste, er war irre genug, dass wirklich zu tun. Und ich würde es überleben, für immer Schmerzen deswegen leiden, entstellt sein.
Mit den beiden Schritten rückwärts zauberte ich ein Lächeln auf sein Gesicht. Sein Mund, nein, sein Maul, verzerrte sich zu einem Grinsen, dass mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Der Kerl war ein Vergewaltiger, und so sah er auch aus. Er war beinahe zwei Meter fünfzig groß, seine Haut war grau-gelblich, seine Zähne messerscharf.
Mit einer Klaue packte er mich, ich duckte mich darunter hindurch, griff an seinen Gürtel und bekam ein kleines Messer zu fassen. Ich richtete mich wieder auf, rammte es in seinen Arm. Öliges, schwarzes Blut tropfte auf den steinernen Boden und der Dämon schrie vor Schmerz auf. Im nächsten Moment wand er das Messer aus meiner Hand, fixierte meine Arme an der Wand und legte meine Hände in Ketten, dann meine Beine. Hass erfüllte seinen Blick.
„Glaub mir, Kleiner, ich weiß, ich bin nicht der schönste, aber wenn ich mit dir fertig bin, werde ich neben dir wie ein Hollywoodstar aussehen.“
„Was ja keine Garantie dafür ist, dass du dann schön bist. Gibt ja genug hässliche Schauspieler.“ Ich spielte mit dem Feuer, doch eigentlich war es mir egal. Schmerzhaft würde es so oder so werden, ich hatte nichts zu verlieren.
„Was wird Van wohl dazu sagen…“, ich starrte ihn an. Die Erinnerung war schwach, doch ich kannte noch immer den Namen des Jägers. „Woher…“
„Weißt du, Kleiner, Dämonen die so… tüchtig sind, wie ich, sind beim Boss sehr angesehen. Nun ja, und immer, wenn ich meine kleinen Spielchen mit dir spiele, rufst du kleine Schwuchtel seinen Namen, da hab ich mich einfach mal erkundigt.“
„Wie süß von dir, dass du dich um mein Privatleben kümmerst. Ich könnte dich beinahe gern haben.“
Eine Klaue traf mein Gesicht, fünf Schnitte zogen sich über meine Wange und ich keuchte vor Schmerz auf.
„Glaub ja nicht, dass du so weiter kommst. Du wirst diesen Van vergessen. Doch noch bevor du ihn vergisst, wird er dich vergessen haben. Er wird einen anderen finden. Auf der Erde gibt es genug, die er lieben kann. Für dich gibt es niemanden.“
„Außer dich, Kumpel, glaub mir, ich bin so glücklich darüber, dass du immer für mich da bist.“
Jetzt breitete sich ein Lächeln auf dem Gesicht des Kerls aus. „Du wirst es nie lernen.“
Mit einem Ruck hatte er mir das Hemd vom Leib gerissen, es landete in einer Blutpfütze, die definitiv von mir stammte. Meine Hose folgte, dann stand ich nackt vor ihm.
„Es ist wirklich eine Schande, solch einen Körper so zu entstellen.“
Der Dämon fuhr mit einer Krallenbesetzen Hand über die Muskeln an meiner Brust, den Bauch hinab. Dann riss er den Blick von mir los.
„Du hattest Glück, das all die anderen Wunden hier unten so schnell heilen. Ist vom Boss bestimmt worden. Weil auf den Körpern sonst bald kein Platz mehr für was neues is…“ er grinste und ich musste mich zwingen, mich nicht auf seine Füße zu übergeben, so widerlich war sein Mundgeruch.
„Aber das hier wirst du nicht ohne Narben überstehen. Und glaub mir, ich werde gründlich nähen. Und du wirst jeden einzelnen Stich spüren.“
Den ersten Schnitt setzte er schräg über meine Brust und ich biss mit in den Oberarm um nicht zu schreien.
„Bloß blöd, dass du nicht bewusstlos werden kannst…. Dämonenschicksal…“
Und dann spürte ich seine Zunge, die über die Wunde fuhr und schrie auf. Es war, als hätte er Essig darüber gekippt.
„Hmm… köstlich.“ Sofort lief erneut Blut aus der Wunde, und ich betete, er würde einfach weiter machen, es ignorieren. Und tatsachlich, der Dämon legte nur einen Finger an die Wunde, schob eine dünne Kralle unter die Haut. Ich glaubte, noch nie so viel Schmerz erlitten zu haben. Wenn er jetzt ruckartig die Hand wegriss, würde er das Fleisch auf meiner kompletten Brust frei legen. Ich schloss die Augen, erwartete die Qualen der Hölle. Im wahrsten Sinne des Wortes. Doch der Schmerz war anders, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Langsam fraß er sich durch meinen Körper, schien mich fort ziehen zu wollen. Ich hatte schon einmal so gefühlt. Ich wurde beschworen. Im Moment größten Schmerzes rief mich ein Dämonenflüsterer. Ich hätte zu gern das Gesicht des Dämons gesehen, als ich vor seinen Augen verschwand.
Van zitterte, als er das Pentagramm zeichnete. Eigentlich war das hier Ironie. Ein Jäger, der sich selbst zum Dämonenflüsterer ausgebildet hatte, heimlich, damit der eigentliche Flüsterer nichts mitbekam. Klar, er hatte weiterhin Dämonen gejagt, getötet, doch in jeder freien Minute hatte er sich durch Noahs Bücher gefressen, Formeln auswendig gelernt, Regeln, die es bei einer Beschwörung einzuhalten gab. Er würde Shadow vernichten und er würde es mit Liams Hilfe tun.
Zwar schaffte er es, die Pentagramme ohne Lücke zu zeichnen, was ihm das Leben retten konnte. Dämonen nutzten jede Gelegenheit, um die Dämonenflüsterer zu töten. Und ein einziger falscher Strich konnte das Ende bedeuten.
Tief atmete er ein. „Reiß dich am Riemen. Nur weil du nicht erwarten kannst, ihn wieder zu sehen.“
Dann trat er in eines der Pentagramme, zündete die letzte Kerze an und sprach die Formel. Zum Schluss nannte er Liams Namen. Dann wartete er. Sekunden schienen ihm wie Stunden, bis endlich die Luft in dem Pentagramm ihm gegenüber zu vibrieren begann. Viele Dämonen benutzen Rauch, um ihre Gestalt, um sich zu verbergen und ihren Beschwörern Angst einzuflößen. Doch Liam viel einfach nur auf den Boden, blieb dort reglos und nackt liegen.
Am liebsten wäre Van zu ihm gerannt, doch er besann sich. Vielleicht war das alles nur ein Trick. Er musste sich an die Regeln halten.
„Hiermit, Dämon, befehle ich dir, nur die Wahrheit zu sprechen und mir zu gehorchen, was immer auch mein Auftrag für dich sein mag.“
Liam sah ihn nicht einmal an. Doch er brauchte keine Bestätigung von dem Dämon. Solange der sich der Kerl in dem Pentagramm befand, musste er tun, was Van sagte, ob er wollte oder nicht.
„Dein Auftrag lautet auch dieses Mal, mir zur Seite zu stehen, meinen Befehlen zu gehorchen. Wenn Shadow tot ist, entlasse ich dich aus dem Pakt und du kannst ein Leben auf der Erde führen.“ Van führte noch aus, was dem Dämon untersagt war, befahl ihm seine Unversehrtheit und vieles mehr, doch irgendwie schien im das alles unnötig. ER kannte Liam doch. Er würde ihm doch nie etwas tun.
Endlich, nach einer Ewigkeit, wie es schien, war die Beschwörung zu Ende. Er konnte zu Liam gehen, der sich noch immer nicht bewegt hatte.
Ja, Van hatte sich verändert. Liam hatte ihn verändert. Seit zwei Monaten hatte er sich so sehr nach diesem Moment gesehnt. Er liebte den Dämon. Lange Zeit hatte sein Ego es nicht zulassen wollen, doch dieses Mal war es nicht stark genug gewesen. Er war kein Macho mehr, er war Schwul, er war verliebt. Drei Tatsachen, die er erst gar nicht mehr zu leugnen versuchte, weil es unsinnig gewesen wäre.
Er tötete noch immer mit einer Kälte in den Augen, die das Blut der Dämonen gefrieren ließ, doch jedes Mal, wenn er an Liam dachte, leuchteten seine Augen auf. Ja, er hatte sich nach diesem Moment gesehnt, und jetzt war alles so anders, als er es sich vorgestellt hatte.
Liam bewegte sich noch immer nicht. Und dann sah er das Blut, das in den Boden sickerte. Mit zwei Schritten war er bei ihm, drehte ihn vorsichtig um. Über die Brust des Dämons verlief ein tiefer Schnitt, sein Gesicht war von Müdigkeit gezeichnet, Müdigkeit, die kein Schlaf vertreiben zu können schien. Ja, diese Wunde war nicht das Schlimmste, das Liam erlebt hatte. Verdammt, warum war er nicht schneller gewesen.
„Liam?“, er strich vorsichtig über die blasse Stirn, strich eine dunkle Haarsträhne fort. Erst jetzt öffnete der Dämon die Augen. Erst schien er verwirrt, sein Blick schweifte umher. Dann musterte er ihn, hob eine Hand, als wollte er prüfen, dass Van wirklich da war. Seine Hand berührte nur kurz und zaghaft das Gesicht des Jägers, zuckte dann zurück.
„Van… Van Snyders.“, stellte er mit kalter Miene fest. In Vans Brust zog sich sein Herz zusammen. Liam hatte sich auch verändert.
Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Van Snyders hatte für mich wieder ein Gesicht, das in meine Erinnerung zurückkehrte. Doch in diesem Moment merkte ich, dass mein Gefühl nicht mehr zurückkehren würde. Ich fühlte mich einfach nur leer und so müde. Ich wollte nur schlafen, für immer.
Ich erkannte Schmerz in den Augen des Jägers, den ich mir nicht erklären konnte. Doch dann packte er mich am Arm, zog mich hoch.
„Mein Onkel weiß nichts hiervon. Komm mit.“
Ich kannte diesen Raum. Genau hier hatte Noah mich auch beschworen. Noah… aber dieses Mal war es Van gewesen, Van der Jäger.
Verwirrt, schwach und müde stolperte ich neben ihm her, als er mich, den Arm unter meine Schultern geklemmt, in eines der Nebenzimmer führte. Dort viel ich erschöpft auf das Bett und war augenblicklich eingeschlafen.
Van wünschte sich, er wäre der geblieben, der er immer zu sein glaubte, der Herzlose, der Unerreichbare. Jetzt, wo er sich auf Gefühle eingelassen und sie, zumindest vor sich selbst, zugegeben hatte, glaubte er zu spüren, dass Liam ihn nicht mehr liebte. Er hatte den Blick des Dämons gesehen und darin so viel lesen können. Alles, nur keine Liebe.
Liam lag dort auf seinem Bett, nackt, die Augen geschlossen und sein Atem ging ruhig und gleichmäßig.
Der Jäger wusste alles über Dämonen, über ihre Regeln, ihre Gefühle, ihr Denken. Doch der Junge war ihm ein Rätsel. Die Wesen der Hölle fühlten nichts, nur den Schmerz, den man ihnen zufügte. Auch nicht den Wind oder den Boden unter ihren Füßen. Trotzdem hatte Liam ihn spüren können. Warum wusste Van noch immer nicht. Von Emotionen bei Dämonen hatte er auch noch nie etwas gehört. Hatte er sich das Glänzen, in seinen Augen, den Blick voller Liebe, nur eingebildet? Gedankenverloren fuhr sein Blick über die Muskel an Liams Brust, seinem Bauch und den Schenkeln. Er erinnerte sich, wie weich und warm die Haut dort war, wie Liam roch, herb, nach Mann eben.
Er wagte es nicht, ihn zu berühren, sich den Kuss zu holen, nach dem er sich so gesehnt hatte. Er hatte das Alles nur gemacht, um Liam wieder zu sehen, damit wieder alles so sein konnte, wie damals im Hotel. Doch diese Tage waren verloren.
Er würde sie nie vergessen.
Van hatte sich seitlich an sein Bett gelehnt, die Füße an seinem Körper gezogen. Er ließ den Schlafenden nicht aus den Augen. Liam lag ganz ruhig auf der Seite, die Decke, die Van über ihn gelegt hatte, war ein Stück herunter gerutscht und der Blick des Jägers glitt über seine glatte, muskulöse Brust. Der Schnitt, der noch vor Stunden geblutet hatte, war kaum mehr eine Narbe. Verlockend war es, Liams Haut zu berühren, seine leicht geöffneten Lippen zu küssen, doch der Jäger rührte sich nicht von der Stelle.
Nur sein Blick wanderte über den Körper, der ihm schon nach so kurzer Zeit so vertraut gewesen war. Nach den Tagen im Hotel hatten sie zwar nicht mehr miteinander geschlafen, Noah hatte sie mit Adlersaugen bewacht, doch in diesen Wochen hatte er Liam wirklich kennen gelernt, sein Wesen, sein Lächeln, seine fröhliche Art.
Und obwohl er nie daran geglaubt hatte, sein Herz einmal so schnell zu verschenken, lernte er den Dämon lieben. Und er hatte geglaubt, Liam fühlte genau so. Doch jetzt war da diese Leere in seinem Blick.
In diesem Moment öffnete der Dunkelhaarige die Augen, blickte Van direkt an. „Ich habe dich geliebt, oder?“ Seine Stimme war leise, aber Van verstand ihn klar und deutlich. Liam hatte sich aufgesetzt und verbarg hastig seinen Schoß unter denen Leinen.
„Du hast alles vergessen, nicht wahr?“ Vans Vermutung wurde plötzlich zur Gewissheit.
„Nein, nicht alles. Ich weiß noch, wer ich war. Ich weiß, warum ich in die Hölle kam, wer meine Familie war. Ich weiß auch, dass ich dich kenne, doch ich hatte vergessen, wie dein Gesicht aussieht.“
„Und du hast vergessen, was zwischen uns war.“
Liams Gesicht wurde bleich. „Was.. Was zwischen uns war?“
In diesem Moment klopfte es an der Tür und Noah trat ein. Sofort viel sein Blick auf den nackten Kerl in Vans Bett.
Zwar war Van schon zu alt, um sich mit einem Onkel eines Liebhabers wegen zu streiten. Doch ich kannte Noah, ich erinnerte mich daran, wie er mich beschworen hatte. Warum erinnerte ich mich daran, aber nicht an Van. Ich wusste, dass ich ihn geliebt hatte, der Folterknecht hatte es mir gesagt, ich hatte Vans Namen im Schmerz gerufen, doch ich hatte nicht gewusst, dass er diese Liebe auch erwidert hatte. Hatten wir miteinander geschlafen? Oder meinte er damit nur die Gefühle zwischen uns?
Peinliches Schweige erfüllte den Raum, doch Noah kochte vor Wut.
„Erkläre mir das! Sofort!“
„Du hast ihn mir weggenommen, ich hab ihn mir wieder geholt. Ganz einfach.“
„Du, mein Lieber hast einen Dämon beschworen. Du hast IHN beschworen, obwohl er verhindert hat, dass wir Shadow erwischen.“
„Weißt du was ich glaube? Das du etwas dagegen hast, das dein Neffe schwul ist. Und weil du glaubst, dass zwischen Ben und mir auch was lief.“
Van war aufgesprungen und funkelte seinen Onkel wütend an.
„Das nimmst du zurück. Mein Sohn war nicht schwul.“
„Aber ich bin es. Ich werde Shadow finden, aber nur zusammen mit Liam.“
„Ich kann es sowieso nicht mehr ändern. Aber glaube mir Van, wenn er anfängt, über deiner Arbeit zu stehen, werde ich ihn töten.“
„Keine Angst, Noah, ich werde ihm nicht mehr zu nahe kommen. Ich habe alles vergessen, was mich mit ihm verband.“, meldete ich mich zu Wort. Ich konnte beinahe das Knacksen hören, als Vans Herz brach.
Van hatte schon so oft getötet, doch in diesen Tagen empfand er eine Lust dabei, auf die Körper der schreienden, hilflosen Dämonen einzustechen. Er metzelte sie alle nieder, darauf bedacht, so viel Blut wie möglich zu vergießen.
Blutüberströmt stand er dann da, starrte auf die Stelle, an der sein Gegner noch einen Moment vorher gestanden hatte und rührte sich nicht, bis Liam ihn an der Schulter packte und zum Wagen zog.
Vielleicht versuchte er, durch den Schmerz, den er den Wesen zufügte, seinen eigenen Schmerz zu verbergen. Er wusste es selbst nicht.
Seit Tagen fuhren die beiden durch das Land. Es schien, als hätten alle, die fähig waren, eine Beschwörung durchzuführen, beschlossen, es genau jetzt zu tun. Van war froh darüber, so brauchte er nicht über seine Gefühle nachdenken. Noah war zu Hause geblieben, der Jäger hätte es nicht ertragen, ihn den ganzen Tag bei sich zu haben. Liam so nah zu sein war schon schwer genug.
Und dann erhielt er den Auftrag, eine Dämonin zu töten, die beauftragt wurde, für einen jungen Mann seine heimliche große Liebe zu beobachten. Ein harmloser Auftrag, doch Dämon war Dämon. Er fand sie in einer kleinen, schmutzigen Seitengasse, als sie durch das Fenster einer zwielichten Kneipe starrte. Sie wirkte relativ menschlich, beinahe wie Liam. Doch ihre Lippen waren blau und sie züngelte immer zu. Die Zunge einer Schlange.
Er kam langsam näher, sie hatte ihn schon lange bemerkt, doch sie bewegte sich nicht. Van zückte seinen Dolch, das Schwert hing an seinem Gürtel unter dem Mantel verborgen.
„Da bekomme ich einen Auftrag, der mehr als unter meiner Würde ist und dann kommst auch noch du, Dämonenjäger.“ Sie drehte sich langsam um, musterte ihn, gierig wie es schien.
„Schicksal.“, knurrte Van.
Ihr Lächeln war mehr als verführerisch, in ihrer Lederkluft sah sie wirklich heiß aus. Jetzt zog sie den Reißverschluss ihrer Jacke ein Stück nach unten, sie schien nichts darunter zu tragen.
„Sie wäre eine gute Ablenkung…“
Sofort verdrängte er den Gedanken. Diese Frau wusste um ihrer Wirkung und sie würde sie nutzen um ihr Leben zu retten. So dumm wer er nicht.
„Lass es uns hinter uns bringen.“ Sein Blick wanderte zu dem Dolch in seiner Hand.
„Aber mein Süßer.“ Sie trat näher an ihn heran, wickelte sich eine seiner Haarsträhnen um den Finger. Ihr Mund glitt zu seinem Ohr.
„Du weißt ja nicht, welche Freuden dir diese Zunge bereiten kann, mein Schöner.“
Van grinste schief, packte sie an der Hüfte, zog sie an seinen Körper und während sie siegessicher lächelte, drängte er sie gegen eine Hausmauer. Kurz bückte er sich, hob eine rostige Eisenkette auf, die neben einem Müllcontainer lag und fesselte ihre Hände über den Kopf. Dann hakte er ein Kettenglied in der Mauer ein. Sie konnte nicht mehr weg.
„So so, du stehst also auf die harte Tour. Das gefällt mir.“
Mit der Zunge leckte er über ihre Lippen. „Auf die ganz harte Tour, Baby.“
Dann stach er zu.
Der Dolch bohrte sich tief ihn ihre Seite, die Dämonin schrie auf. Van ließ die Klinge einfach stecken, zückte sein Kurzschwert und bohrte es ihn ihr Herz.
Noah sah vom Bildschirm auf, setzte die Lesebrille ab und rieb sich die Augen. Seit Stunden suchte er nach Anzeichen von Shadow. Er hatte in Kneipen herum gelungert, zwielichtige Gestalten belauscht und sich dann dem Internet bedient. Noah hatte schon jeden Dämon gefunden, er spürte die Anwesenheit dieser Biester, hatte Visionen mit deren Hilfe er Van die Aufträge gab. Doch Shadow zu finden war schwer, vor allem jetzt. Seine Gedanken schwirrten nur um seinen Neffen. Wieso hatte Van Liam erneut beschworen? Lag ihm wirklich so viel an dem Dämon? In seinem Kopf huschten die Erinnerungen herum. Ben und Van als Kinder, so vertraut. Wenn er mit seinem Cousin zusammen war, wurde aus dem stillen, nachdenklichen Van ein fröhliches Kind. Die Jungen liebten sich abgöttisch. Und Noah machte der Gedanke Angst, dass aus den Kindern Liebhaber werden hätten können, wenn Shadow seinen vierzehnjährigen Sohn nicht töten hätte lassen. Insgeheim schalt er sich einen Narren. Ben war tot. Und sie waren nur Kinder gewesen, wie Brüder. An ihrer unschuldigen Liebe änderte auch die Tatsache nichts, dass Van schwul war.
Die Jagd in dieser Nacht hatte Van wirklich angestrengt. Drei Dämonen, und dass in der Nähe sämtlicher Nachtclubs. Es war ein Wunder, dass sie niemand entdeckt hatte. Jetzt saß er auf dem Beifahrersitz, nahm nur noch die Lichter wahr, die an ihm vorbeihuschten, während Liam sie zum Hotel fuhr. Irgendwann schien er eingeschlafen zu sein, denn als er die Augen öffnete, stand das Auto bereits vor dem Hotel.
„Geh schon mal rauf. Ich such einen Parkplatz.“, hörte er Liam sagen. Van nickte, öffnete die Wagentüre und trat in die kühle Nacht hinaus.
Wenige Minuten später war er in seinem Zimmer angekommen, sofort schleppte er seinen Körper unter die Dusche. Das Wasser holte ihn wieder einigermaßen ins Reich der Lebenden zurück und dafür war er wirklich dankbar. Das Gefühlschaos und die Sehnsucht in seinem Herzen waren schon genug, da brauchte er nicht auch noch körperliche Beschwerden. Schließlich brauchte die Welt ihn doch. Auch wenn sie sich dessen nicht bewusst war.
Er schlang sich ein Handtuch um die Hüfte, tapste auf nackten Füßen ins Schlafzimmer und schaltete den Fernseher ein. Schlafen würde er sowieso nicht mehr können. Da klopfte es an der Tür. Was wollte Liam? Er hatte doch sein eigenes Zimmer. Vorsichtig, ja, beinahe misstrauisch öffnete er die Tür. Jeder hätte davor stehen können. Doch es war wirklich der Dämon.
„Ich hab deine Sachen.“
„Komm rein.“, er winkte Liam herein und ging zum Bett, es war ihm egal, was der Kerl tat. Sollte er doch gleich wieder verschwinden.
Van schloss die Augen. Liam war ihm so nah, er spürte die Wärme seines Körpers, obwohl er einige Meter entfernt an der geschlossenen Tür stand. Sein dunkler Geruch erfüllte den Raum und Van wünschte, sein Gesicht in Liams Haar vergraben zu können. Es war eine Qual, ihn immer um sich zu haben, doch den Dämon nicht bei sich zu haben, machte alles sinnlos. Der Jäger verfluchte seine Gefühle, die elende Liebe in seinem Herzen, in seinem Kopf.
„Van, ist alles in Ordnung?“, Liams Stimme war leise, besorgt. Abrupt richtete sich der Jäger auf, trat an ihn heran.
„Küss mich.“, hauchte Van, es war mehr eine Bitte als ein Befehl, doch der Dämon starrte ihn an, rührte sich nicht. „Küss mich.“
Dann trat Liam auf ihn zu, legte die Hand in seinen Nacken und presste die Lippen auf die des Jägers. Stürmisch kam dieser ihm entgegen, zog den Dunkelhaarigen näher zu sich, schlang den Arm und dessen Taille. Der Dämon küsste voller Zweifel zurück.
Wie eine Welle brach die Sehnsucht aus Van heraus, die sich solange in ihm aufgestaut hatte. Ein Sturm, ausgelöst von dieser zaghaften Berührung. Er vertiefte den Kuss, glaubte zu zerreisen.
„Es tut nur, was du ihm befiehlst.“, schoss es ihm durch den Kopf, er löste seine Lippen von denen des Dämons, blickte ihm ins Gesicht. Sie beide atmeten schwer, der Heftigkeit des Kusses wegen.
„Du hast mich nur geküsst, weil ich es dir befohlen habe.“ Liam nickte, doch in seinen Augen war nichts zu lesen. „Warum hast du es vergessen? Wann hast du alles, was zwischen uns war vergessen?“
„Warum hast du es vergessen? Wann hast du alles, was zwischen uns war vergessen?“
Das erste Mal sprach Van mit mir darüber, doch ich konnte ihm keine Antwort geben. Ich wusste es nicht. „Van, hör mir zu. Die Hölle… dort wird dir alle Glück genommen. Du verlierst deine Gefühle die Freude, du wirst aller schönen Erinnerungen beraubt. Und die an dich verschwanden zuerst. Ich muss sehr glücklich mit dir gewesen sein, doch ich erinnere mich nicht. Diese Stunden im Hotel, sie sind weg.“
Vans Gesicht schien vom Schmerz zu Stein erstarrt. Ich fuhr mit dem Finger über seine Wange, liebkoste seine warme Haut.
Und dann tat ich etwas, dass ich selbst nicht begriff, doch es fühlte sich in diesem Moment so richtig an. Ich legte meine Lippen auf seinen heißen Mund, sah Verwunderung, ja, Hoffnung in seinem Blick. „Zeig es mir, Van, zeig mir, was in dieser Nacht passiert ist, lass mich erfahren, was in den glücklichsten Momenten meines Lebens geschehen ist.“
Der Jäger erstarrte für einen Moment, fand seine Stimme wieder.
„Du meinst…“, er wagte nicht, den Satz zu beenden. „Ja.“ Woher nahm ich diese Sicherheit? Warum wollte ich, dass er es mit mir tat? Was war das für ein Gefühl in mir, dass mich so handeln ließ. Ich wusste es nicht.
In diesem Moment war es auch egal. Als Van mich erneut küsste, vergaß ich alle Fragen, gab mich allein den Empfindungen hin, dem Gefühl, etwas zu spüren, dass nicht Schmerz war. Plötzlich wandte sich der Jäger ab.
„Du hast mich geküsst, Liam. Ich wollte es nicht, nein, eigentlich wollte ich nur nicht zugeben, dass ich es wollte.“, Ich war verunsichert. Sich küssen zu lassen, sich führen zu lassen, nur zu fühlen, war einfach, aber ihn zu küssen, die Führung zu übernehmen, schien mir befremdend. Und doch hatte ich es schon getan, in einem Hotel wie diesem. Ich hatte schon einmal mit ihm geschlafen, vielleicht schon mehrmals. Unfähig mich zu bewegen blieb ich, wo ich war, blickte Van zweifelnd an. Kannte der Jäger meine Angst? Hatte er auch gefühlt, was jetzt in mir vorging? „Niemand sieht dich, keiner wird dich für das Verurteilen was du tust. Und ich liebe jede deiner Berührungen, mag sie auch noch so ungeschickt sein. Tu es einfach. Liam.“, Vans Stimme war ruhig, dunkel und seine Worte nahmen mir mit einem Mal die Angst. Er hatte Recht. Ich wollte es tun und in diesem Moment gab es kein richtig oder falsch.
Vorsichtig kam ich auf ihn zu, küsste ihn, öffnete die obersten Knöpfe seines Hemdes. Er sah müde aus, hatte tiefe Ringe unter den Augen. Blut klebte an seinen Händen, in seinem Haar. Und doch sah er so begehrenswert aus. Seine Haut war so warm, sie zog mich an. Wie hatte ich nur das Gefühl von warmer, weicher, menschlicher Haut vergessen können. Es war so egal, warum ich es tat, ich wollte einfach nur berührt werden. Meine Zunge strich sanft über Vans Lippen, er öffnete den Mund, ließ mich ein. Und während unsere Zungen einen wilden Tanz aufnahmen, schälte ich Van aus seinem Hemd und machte mich an seinem Gürtel zu schaffen. Er schaffte es, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Ich fühlte nur noch.
Der Jäger stöhnte leise, als meine Hände über seine nackte Brust und die Bauchmuskeln fuhren.
Ich wollte jeden Zentimeter dieses Körpers kennen lernen, berühren, liebkosen, küssen.
„Van.“, keuchte ich, als der Jäger seine Lippen von meinen löste, mein T-Shirt nach oben schob. Sofort lagen seine Lippen an meiner Brust, seine Zunge leckte immer über meine empfindlichen Brustwarzen. Ich hielt das nicht lange aus, widerstreben legte ich meine Hände an seinen Kopf, zog ihn zu mir und meine Zunge tauchte in seinen süßen Mund.
Unter leisem Keuchen, dass mich beinahe verrückt brachte, zog er mich in Richtung Bett.
Gemeinsam sanken wir in die weichen Kissen, ich kam auf ihm zu sitzen. Noch während ich mein T-Shirt über den Kopf zog, richtete Van sich leicht auf, begann das Spiel seiner Zunge auf meinem Bauch. Küssend und leckend brachte er mich um den Verstand. Ich kämpfte mit dem Stück Stoff, doch ich konnte mich nicht darauf konzentrieren. Gott, ich wusste nicht, dass ich so empfindsam war. Nie hatte ich so gefühlt. Das hätte ich doch nicht vergessen.
Endlich warf ich mein Hemd vom Bett, Van reckte sich nach oben, verteilte Küsse auf meiner Brust. Das alles war so erregend.
Mit der Absicht, ihm auch solche Lust zu verschaffen, beugte ich mich hinab, leckte über die samtweiche Haut, nahm ihren Duft auf. Dieses Keuchen. Nie hatte ich geglaubt, dass ein Mann so sehr seine Empfindungen zeigen würde.
Als mein Gesicht seinem Kopf gefährlich nah kam, hauchte er Küsse auf mein Haar und meine Wangen und ich konnte nicht widerstehen und küsste ihn, nahm Besitz von seinem Mund.
Wir führten diesen Tanz fort, schwebten Arm in Arm, bis meine Lust mich beinahe zu zerreisen drohte. Ich keuchte seinen Namen, nestelte hektisch an dem Reißverschluss meiner Hose herum, hart und glühend presste sich meine Erregung gegen den Stoff, es schmerzte beinahe.
Van packte meine Jeans, riss sie beinahe von meinen Beinen, entledigte sich selbst dem überflüssigen Stoff. Dann zog er mich auf sich. Ein Blick in seine tiefen Augen sagte alles.
Ich würde ihn nehmen, weil ich es damals auch getan hatte. Aber es war egal, was damals gewesen war, jetzt zählte allein der Moment.
Van öffnete seine Schenkel und ich legte mich dazwischen. Und während sich unsere Lippen fanden, fanden meine Finger seine Rosette, bereiteten ihn auf mich vor. Mit diesem Stöhnen, dass mir Schauer über den Rücken jagte, presste er sich mir entgegen. Der Jäger war zur Beute geworden.
Mein Schwanz folgte meinen Fingern, vorsichtig, obwohl die Begierde, endlich in ihm zu sein, endlos war. Er sollte keine Schmerzen haben, er sollte dieselbe Lust empfinden wie ich.
Das tat er, drängte sich mir entgegen. Meine Vorsicht wurde in diesem Moment zerstört, beinahe von selbst fanden unsere Körper den Rhythmus Liebender. Mit langen, tiefen Stößen drang ich in ihn, brachte uns beide in die Hölle des Himmels bis wir irgendwann mit einem lauten Schrei auf die Erde zurück fielen, die Arme um den Anderen geschlungen.
Schwer atmend rollte ich mich von Van herunter, blieb einfach nur liegen, starrte zur Decke.
Wie lange wir dort lagen, konnte ich nicht sagen, die ganze Zeit spürte ich seinen heißen Körper neben meinem. Diese Wärme tat so gut. Irgendwann wandte Van sich zu mir, sah mich an und mit einem schelmischen Lächeln drückte er mich in die Matratze. Sein Kuss raubte mir den Atem.
Van erwachte mit einem Lächeln, auch wenn er nicht viel geschlafen hatte. Noch drei weitere Male hatte er sich mit Liam vereint, ihn vor Lust schreien lassen. Ihm gezeigt, dass er der Chef im Ring war. Nichts hatte an ihre Nächte im Hotel erinnert, jedes Mal mit dem Dämon war anders, aufregend.
Und dann wusste er, was in dieser Nacht anders gewesen war. Sie beide hatten mit einander geschlafen und Liam hatte es sichtlich genossen, doch dieses Leuchten in seinen Augen war nicht da. Es war einfach nur Sex gewesen. Die Liebe in den Augen des Dämons war nicht zurückgekommen.
Das Lächeln auf Vans Gesicht verschwand. Nur Sex. Einfach nur aufregender, wahnsinniger, guter Sex. In seine Brust fuhr ein ziehender Schmerz, Kälte breitete sich in ihm aus. Diese Nacht hatte nichts besser gemacht, nein, für ihn würde jetzt alles nur noch schlimmer werden. Aber er konnte Liam nicht entlassen, ihn in die Hölle zurück schick. Lieber würde er leiden, solange, bis sie Shadow getötet hatten.
Der Jäger richtete sich auf, sah den Dämon, der neben ihm auf dem Bett saß, die Knie an den Körper bezogen. Liam betrachtete ihn, auf seinem Gesicht lagen dunkle Schatten. Van konnte ihn nicht ansehen. All das bestätigte, was er nur Sekunden zuvor gedacht hatte. Keine Liebe.
Noch immer saß der Mann so da, sagte nichts, sah ihn einfach nur an. Das Schweigen hallte von den Wänden wider.
„Warum?“, presste der Jäger hervor, schloss seine Augen. Er konnte ihn einfach nicht ansehen.
„Ich weiß es nicht, Van.“, die Stimme des Dämon klang leise, zaghaft.
„Ich…“, er suchte nach Worten. „Es war schön mit dir Van, aber…“
Liam schluckte trocken, sah ihn aus traurigen Augen an.
„Ich erinnere mich nicht.“
Plötzlich war da Wut in Van, übernahm die Führung. Wut auf die Dämonen, Wut auf Liam, weil er trotzdem mit ihm geschlafen hatte. Die Hände des Jägers zitterten.
„Hey, Van.“, Liam versuchte zu lächeln, rutschte näher. Gott, Kerl, damit machst du es doch nicht besser. Könntest du nicht einmal im Leben ein Arschloch sein?
Der Dämon schob sich näher an ihn heran, wollte ihm den Arm um die Schulter legen. In diesem Moment schaltete Vans Verstand vollkommen ab.
Der heiße, nackte Leib vor ihm, die Wut in seinem Herzen, all das ließ ihn handeln, als er Liam packte und auf die Matratze warf. Mit seinem schweren Körper legte er sich auf den Dämon, ließ ihm keine Chance zu entkommen.
Lust und Wut machten ein Monster aus ihm.
„Van…“, entsetzt hatte der Andere die Augen aufgerissen. Sein nackter Körper wand sich unter ihm. Das steigerte die Wut des Jägers, er packte Liams Handgelenke, presste sie neben seinem Kopf in die Kissen, verschloss seinen Mund gegen jeden Protest grob mit seinem Mund. Sein Geschlecht reagierte auf die warme Haut unter sich, er rieb es gegen Liams Schenkel, dann drang er ohne Vorwarnung in den Dämon ein. Liam schrie vor Schmerz, der Jäger hämmerte weiter in ihn. Und dann wurde der Blick des Dämons glasig.
Meine Erinnerung war nicht zurückgekehrt und doch hatte ich mich in dieser Nacht einfach nicht von Van losmachen können. Immer wieder hatte er mich mit seinen Lippen und Händen, mit seinem gottverdammten Körper verführt. Und ich hatte mich ihm hingegeben, ohne nur einmal zu zweifeln. Ja, es hatte sich richtig angefühlt, warm und vertraut.
Umso kälter war der Morgen gewesen, die Sonne hatte alles in ein anderes, grelles Licht getaucht.
Und jetzt, in diesem Moment aus Schmerz, als er ohne Rücksicht in mich stieß, fühlte ich mich der Hölle näher als je zuvor. Ich hatte diesen Mann geliebt und er verletzte ich, benutzte mich, aus lauter Wut und Schmerz.
Als er sich ein weiteres Mal in mich rammte, verschwamm alles vor meinen Augen. Bildfetzen huschten hin und her. Nackte Haut, ihre vor Lust und Anstrengung schwitzenden Körper. Doch diese Bilder zweier Liebender stammten nicht aus dieser Nacht. Meine Erinnerungen. Die Bilder wirbelten noch immer von meinem geistigen Auge durch die Gegend, doch langsam ordneten sie sich. Der Schmerz brachte mir all das wieder zurück, was mir die Hölle genommen hatte.
Nur im Hinterkopf bemerkte ich, dass Van aufgehört hatte, sich in mir zu bewegen. Ein Schluchzen zerriss die Stille, dann wurde mir kalt. Van war von mir weg gerutscht, barg sein Gesicht in den Händen. Ich setze mich auf, sah ihn an. Und bei seinem Anblick durchfuhr mich ein warmes Gefühl, fraß sich durch meinen Körper, erreichte mein Herz.
„Van.“, flüsterte ich, er hob den Kopf.
„Es tut mir leid, Liam. Ich… Ich war so wütend und…“
Ich lächelte nur. Ja, Schmerz hatte mein Leben und meinen Tod beherrscht und jetzt brachte dieser Schmerz mir alle meine Gefühle zurück. Ich liebte Van. Ich liebte ihn.
Im nächsten Moment war Van aufgesprungen, hatte sich in seine Jeans gezwungen und seinen Mantel übergestreift. Dann war er weg. Ich wollte ihm nicht folgen, erst einmal musste ich die Gedanken und Gefühle in meinem Kopf sortieren. Doch die Vorstellung, dass Van gerade mit nacktem Oberkörper und nichts mehr an seinem Leib als der Hose durch die Straßen lief, war plötzlich unwahrscheinlich verführerisch. Der Wind in seinem Haar, der Teer unter seinen nackten Füßen. Und hinter ihm würde der Ledermantel im Wind flattern wie Flügel. Sein Gesicht aber würde voller Zweifel sein, voller Wut auf sich selbst. Denn was er getan hatte, mochte ihm unverzeihlich vorkommen. Ich würde ihm auf Knien dafür danken.
Was für große Worte, einem Menschen zu sagen, dass man ihn liebte und doch konnten sie mein Gefühl nicht fassen. Ich hatte ihn so sehr begehrt, ich begehrte ihn so sehr.
Meine Gedanken und die Erinnerungen an die Vergangenheit tobten noch immer durch meinen Kopf, meine Gefühle für Van vermischten sich und das Gefühl der Sehnsucht wurde mit jeder Minute stärker. Hätte ich mich erneut in Van verliebt, wenn mir meine Erinnerungen verwehrt geblieben wären? Ja.
Es fühlte sich plötzlich so an, als wäre ich nie aus der Hölle zurückgekehrt.
Erst nach wenigen Momenten bemerkte ich, dass das Handy klingelte. Van hatte es hier gelassen. Auch das Schwert stand in der Ecke gegen die Wand gelehnt.
Noah.
„Wo ist Van“
„Er ist nicht hier.“
„Wo ist er?“
Die Stimme des Mannes klang wütend und nervös zugleich.
„Das weiß ich nicht, aber er kommt wohl nicht so schnell wieder.“
„Ich habe Shadow. Schaff meinen verdammten Neffen her.“
„Fuck…“
Shadow war aufgetaucht und das genau in dem Moment, in dem ich keine Ahnung hatte, wo Van sein konnte. Er trieb sich vermutlich auf den Straßen oder in irgendwelchen Kneipen herum, um sich abzureagieren. Wenn ich ihn finden wollte, müsste ich Stunden suchen.
„Ich werde ihn suchen, Noah. So weit kann er nicht sein, verlass dich auf uns.“
Hastig kramte ich nach einem Stift und notierte mir den Straßennamen, den Vans Onkel mir diktierte. Ein leer stehendes Fabrikgebäude. Vermutlich würden die Dämonen dort einen Drogenhandel abschließen.
Im nächsten Moment war ich angezogen, hatte das Handy in meine Tasche gesteckt und das Schwert in einen großen Rucksack gepackt, da ich keinen dieser heißen Ledermäntel besaß, der es hätte verbergen können. Dann verließ ich das Hotel.
Ich verließ das Hotel durch den Hinterausgang und stand einen Augenblick später in einer dunklen Gasse. Mit Sicherheit hatte Van denselben Weg gewählt um nicht gesehen zu werden. Gott, er hatte nicht einmal Schuhe an, keine gute Voraussetzung für einen Kampf. Warum musste dieses Gefühlschaos wieder zum falschen Augenblick alles durcheinander bringen? Was, wenn wir Shadow wieder verpassten? Noah würde mir die Schuld geben, so viel war sicher. Aber wo zur Hölle sollte ich Van suchen? Er konnte überall sein.
Schatten jagten Van durch die Gassen, lauerten hinter Häuserecken, kreischten Schrill seinen Namen. Sein Gewissen spielte ihm diesen Streich, während er verzweifelt versuchte, vor ihm davon zulaufen.
Keinen Moment hielt er es mehr ihm Hotelzimmer ausgehalten, er hatte sich nicht einmal mehr die Zeit genommen, seine schweren Stiefel zu schnüren. Seine Fußsohlen waren aufgerissen und jede Scherbe, jeder Schnitt, stellte ihm diese eine Frage:
„Wie konntest du das nur tun?“
Er spürte den körperlichen Schmerz nicht, nein, eigentlich fühlte er sich taub. Der Selbsthass war in seine Brust gedrungen, rammte seine Stacheln in sein laut pumpendes Herz, das sich krümmte und doch nicht zu schlagen aufhören wollte. Er bat darum.
Es gab kein größeres Verbrechen, als den Menschen, die man liebte, Gewalt anzutun.
„Verdammter, gefühlsgesteuerter Sohn einer Hure.“, beschimpfte er sich selbst und wünschte sich einmal mehr, der Killer in ihm wäre immer präsent. Gefühlskalt, herzlos, von Instinkten und nicht von Emotionen geleitet. Doch es war zu spät, er hatte den Kampf gegen sein Herz verloren. Und jetzt verlor das Herz gegen Wut und Trauer.
Er musste sich selbst unter Kontrolle bekommen, einen Grund finden wieder mich sich leben zu können und das so schnell wie möglich. Eigentlich wollte er nicht hier sein und wie ein Schwächling davon laufen.
Sein Verstand, er brauchte ihn wieder. Und auch wenn es so verlockend klang, sein schreiendes Herz in Alkohol zu ertränken, blieb er wenigstens einer seiner Vorschriften treu. Keine Drogen, kein Rauschmittel, die seine Wahrnehmung nur im Geringsten beeinflussen konnten. Denn Dämonen gab es überall und zu jeder Zeit.
Sei immer achtsam. Das war so etwas wie sein Leitspruch geworden.
Aber an Gefühle konnte nicht einmal jeder Vorsatz etwas ändern.
Texte: Bild: Aus Interview mit einem Vampir by Anne rice
Tag der Veröffentlichung: 01.10.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Allen, die den ersten Teil mochten