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Es war ein lauer Frühlingsabend, ein paar Freunde und ich hatten es sich auf der Neckarwiese gemütlich gemacht. Mit zwei Studenten im Schlepptau gesellte sie sich zu uns:

Sophie!

Sie hätte einen eingefleischten Veganer von der Notwendigkeit tierischer Proteine überzeugen können; im Hinblick auf eine zu erwartende Potenzsteigerung und einem leichten Zucken ihrer Augenbraue.

Wir diskutierten gerade über Fragen der Ethik.
Werte, nach denen wir unser Handeln ausrichten, welche um ihrer Selbst Willen zu suchen seien, wie Wahrheit, Schönheit, Gerechtigkeit, Freiheit, Glück.
Tugenden die sich als geeignet erwiesen hatten, diese Ideen, Werte zu erreichen, wie Wahrhaftigkeit, Aufmerksamkeit, Rücksicht, Mut, Loyalität.


Ich legte mich mächtig ins Zeug, spielte das alte Glasperlenspiel von Hesse, verwob Philosophie, Psychologie, Spiritualität, Kunst und Musik zu einem Gewebe aus Halbwissen, Fakten und Spekulationen.

Gläsern, filigran, zerbrechlich.

Gut, dass ich mich im Gegensatz zu den Anderen mit dem Bier zurückgehalten hatte und niemand groß nachfragte.
Jemand brachte eine Gitarre, und mir gelang es endgültig zu punkten.
Als das Feuer fast niedergebrannt war, landete ihr müder Kopf auf meinem Oberschenkel.
In dieser Nacht begnügte ich mich damit, eine widerspenstige Locke hinter ihr bezauberndes Ohr zu befördern und ihren Anblick zu genießen.
Das herunter gebrannte Lagerfeuer warf tanzende Schatten auf ihre hohen Wangenknochen, ihre fein geschwungene Nase.
Der Neckar rauschte, eine Melodie des ewigen Augenblicks singend, vorüber; in Harmonie mit der Welt.
Ich spreizte die Flügel meiner Seele, rauchte den letzten Krümel Haschisch, erhöhte so die Intensität der geistigen Aufwinde und hob ab, einen Moment des Glücks zu erhaschen.

Am Morgen gingen wir zu Jens, er wohnte in der Nähe und war ein guter Freund. Sie wollte schnell duschen und dann zur Uni.
Ich saß mit einem sichtlich beeindruckten Jens am Kaffeetisch, als ich ihre Stimme, um ein frisches Handtuch bittend, vernahm.
Als ich ins Bad kam, trat sie Splitterfaser nackt, glänzend wie ein hundert Karäter, aus der Dusche. In diesem Augenblick hätten alle anderen Frauen von der Welt verschwinden können, ich hätte nicht mit der Wimper gezuckt.
Das Klappern des Löffels in der Kaffeetasse, ihr selbstlos von Jens gereicht, brachte mich wieder auf den Boden.
Sie grinste, verscheuchte uns aus dem Bad, küsste mich kurze Zeit später auf die Wange und schwebte von dannen.
Unter dem euphorischen Trommelwirbel den Jens auf meiner Schulter veranstaltete, kam ich zum Luft holen.
Was für eine Frau!

"An der hat sich noch jeder die Zähne aus gebissen, du schaffst es nie, bei ihr zu landen," hieß es in Kennerkreisen.
Das würde ein hartes Stück Arbeit werden.
Nichts zog bei ihr.

Nach einiger Zeit kannte ich ihren Musikgeschmack, ihre Lieblingsgerichte, ihren Freundeskreis, wusste bald, dass sie einen Nähkurs besuchte.

Irgendwann fragte sie ganz unvermittelt in die Runde, ob nicht jemand Lust hätte, sie auf einen Besuch in ihr kleines Heimatdorf zu begleiten.
In letzter Zeit drehten alle den Kopf weg, jeder hatte sich schon einmal für eine ihrer schrägen Freizeitaktivitäten geopfert, ohne ihr näher zu kommen.
„ Na ja, es ist lange her ... , so ein Dorf ... ländlich ...“, hörte ich mich sagen.

Noch im Zug wurde sie quietschfidel, wir würden auf ihrer Eltern Bauernhof übernachten, abends beim Tee gemütlich mit ihnen zusammen sitzen.
Sie würde mir das Nähen beibringen ...

„Au ja ... “ trumpfte ich auf.

Verdammt, ich wollte mit ihr allein sein.
Das konnte ja öde werden. Ich hatte eigentlich mit einer romantischen Nacht in einer alten Scheune gerechnet, oder so.
Dann gab sie mir einen Kuss, und meinte ich sei so ganz anders, könne auch noch an den einfachen Dingen des Lebens Spaß haben.

Die ersten zarten Triebe meiner wochenlangen, dezenten Bemühungen begannen zu sprießen.
Sicher, es gab noch keinen Grund Hurra zu schreien, aber es lief ganz gut.

Ihren Eltern gefiel ich überhaupt nicht. Sie trauten mir nicht über den Weg.
Ihr Weltbild bestand aus preußischer Pflichterfüllung, gepaart mit Intoleranz.

Nachdem sie endlich aufhörten, den Hochmut tief fallen, Ordnung das halbe Leben sein und die Nachtigall trappsen zu lassen, wiesen sie mir die am weitesten von Sophie entfernte Kammer zu.
Bei einem Frühstück, unter dem sich der Tisch bog, schaufelte ich unter den Anfeuerungsrufen der Mutter,
“ Iss, Bub, iss, damit du was wirst“, Unmengen an Eiern mit Speck in mich hinein. Ich, der morgens sonst nur Kaffee trank und Zigaretten rauchte.

Bevor wir über den Hof gingen, bei jedem Schritt im Morast versinkend, stibitzte ich zwei Flaschen Obstwein ihres Vaters.
Den würde ich nötig haben!

Sophie sprang wie ein junges Fohlen über die angrenzende Blumenwiese, ließ ihren knappen, schneeweißen Slip auf blitzen und versöhnte mich ein wenig mit meinem zwei Tage dauern werdenden Märtyrertum.

Ihre Wangen leuchteten, ihre Augen strahlten um die Wette. Sie hing sich an mich, hüllte mich ein mit ihrem Duft, küsste meinen Hals und freute sich wie ein Kind.
Ihre festen Brüste hüpften wie junge Zwillinge einer Gazelle beim ungestümen Spiel, ihre Augen waren klar wie ein Bergbach, ihre Stimme wie die einer Nachtigall.
Ihr Lachen, den Kopf in den Nacken geworfen, zauberte Cirrus Wölkchen in den Himmel.
Ich weiß bis heute nicht, ob sie sich ihrer Wirkung auf mich bewusst war,
jedenfalls, wenn das so weiterging, würde ich jedes Wochenende mitkommen wollen.

Ich breitete die kratzende Wolldecke aus, die ich von ihrem Vater mit drohendem Zeigefinger bekommen hatte, und öffnete die erste Flasche.
Langsam wurde es gemütlich.

Sie herrschte wie eine Königin über das Reich der Belanglosigkeiten, war dabei aber so bezaubernd, dass ich ihr sogar das Trällern vom Modern Talking Songs verziehen hätte.
Sie schmiegte sich an mich wie ein Kätzchen, schien meine Gegenwart wirklich zu genießen.
Wir liebten uns auf der Sonnen überfluteten Wiese, ich hatte keine Ahnung von den Höhen, die Zwei sich liebende zusammen erreichen können.

Noch nie hatte eine Frau solche Gefühle, die weit über den sexuellen Genuss hinausgingen, bei mir ausgelöst.
Die folgenden Monate waren die schönsten meines jungen Lebens.

Eines Tages besuchte ich Jens.
Er öffnete nicht, wahrscheinlich hatte er wieder eine seiner zahlreichen Gespielinnen bei sich.
Wie abgesprochen öffnete ich mit dem berühmten Schlüssel unter dem Blumenkasten und betrat seine Wohnung.
Alles vom Feinsten, vom Perserteppich über einen echten Dali und einer hervorragenden Fälschung von Picasso. Vorbei an den auf Marmor Sockeln thronenden Büsten von Freud, Platon, Jesus und Nietzsche, die den breiten Flur und seine Weltanschauung dekorierten.
Ich nahm im Musikzimmer vor einem riesen Aquarium, zwischen mannshohen Boxen, Platz.
Plötzlich vernahm ich ein mir bekanntes Lachen.
Mit der zentnerschweren Last eines Alptraums zwischen dem Herzen und dem Solarplexus folgte ich den Geräuschen und spähte durch die nur angelehnte Schlafzimmer Tür.
Ein Fuß, sich im Rhythmus ihrer Tätigkeit bewegend, schaute unter der Bettdecke hervor.
Auf der Außenseite des Knöchels war eine kleine Elfe tätowiert:

Sophie!

Unbemerkt schlich ich von dannen.

Die nächsten Tage verbrachte ich damit, in die Wüste meines inneren Selbst zu reisen, die noch vor kurzem von einer blühenden Oase dominiert wurde.
Ich hatte Glück und Unglück von einem vermeintlich geliebten, eher aber benötigten Menschen abhängig gemacht, und diese Quelle war versiegt.
Der Schmerz des Verlustes gepaart mit der aufkeimenden Erkenntnis waren die zwei Seiten einer Medaille, mir selbst für besondere empathische Leistungen verliehen.
Ich hatte mich ihrer Welt so angepasst, dass ich die Meine aus den Augen verlor.
Aber war das Liebe?

Diese persönliche Katastrophe stellte sich im Nachhinein als Segen heraus.
Die aus dieser Erfahrung resultierende Erkenntnis war ebenso schmerzhaft wie notwendig.

Sie befähigte mich zu Beziehungen, die ohne die Glorifizierung der Geliebten auskommen.
Ohne Empathie bis zur Selbstaufgabe; zu einem gegenseitigen Geben und Nehmen in Augenhöhe.
Liebe heißt, den anderen glücklich zu wissen, ohne sich zu verlieren.
Eifersucht ist die Schwester der Habgier.

Indem ich mich dem Schmerz stellte, verlor er nach und nach seinen Schrecken und ich gewann an Reife und Selbstwirksamkeit..
Liebe lässt sich nicht definieren, sie ist eine ganz persönliche Sache.
Und selbst, wenn ich glaubte, meine eigene Liebe endlich benennen zu können, so stelle ich immer wieder fest:
Sie muss von Mal zu Mal neu definiert werden.
Bezaubert mich bei der einen Frau ihre Anmut, ist es bei einer Anderen ihre Tapsigkeit.
Ein persischer Freund erzählte mir zu dieser Zeit ein Gleichnis:

Mit den guten Dingen im Leben, verhält es sich wie mit den Schatten.
Hast du dein ganz persönliches Licht, deinen Weg,
vor Augen

,
folgen sie dir, wohin du auch gehst.
Drehst du dich um, um sie zu ergattern, bleiben sie unerreichbar, laufen vor dir weg.



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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.05.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
"Über Träume, die in Erfüllung gehen, werden mehr Tränen vergossen, als über die unerfüllt bleibenden. Trotzdem, oder deshalb, ziehe ich Erstere vor." (unbekannt)

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