SAY YES
JONI & GRANT
KAJSA ARNOLD
INHALT
Zitat
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Danksagung
Leseprobe
Bücher von Kajsa Arnold
Deutsche Neuausgabe 2021, Kajsa Arnold
Copyright © 2017, Rhiana Corbin
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nicht gestattet
1. Auflage
Lektorat & Korrektorat: www.buchstabenwirbel.de
Covergestaltung: Andrea Wölk
Unter Verwendung folgender Fotos:
© pvstory – bigstockphoto.com
Kajsa Arnold ./. Andrea Wölk
Lutherstr. 16, 46414 Rhede
www.kajsa-arnold.de
ZITAT
Wer von der Hoffnung lebt,
der tanzt ohne Musik.
(aus Großbritannien)
KAPITEL 1
Joni
Gehet hin in Frieden.«
»Dank sei Gott dem Herrn«, murmle ich leise, wende mich von dem Altar ab und gehe hinüber in die Nische, um eine Kerze anzuzünden. Ich werfe eine alte Fünf-Pfund-Note in die Spendenbox. So muss ich sie nicht umtauschen, denn sie verlieren ohnehin bald ihren Wert und ich müsste sie bei der Bank of England wechseln. Jeden Sonntag zünde ich eine Kerze für Dad an, der vor einem halben Jahr gestorben ist.
Seit diesem Tag hat sich mein Leben um hundertachtzig Grad gedreht. Lebte ich in der einen Sekunde noch in London, habe ich in der nächsten eine Tierpension in Bury St Edmunds am Hals. Okay, das ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Ich habe es immer geliebt, mich um Vaters Hunde zu kümmern. Er hat Labradore gezüchtet. Als es ihm gesundheitlich schlechter ging, hat er die Zucht aufgegeben und ab und an Tiere in Pension genommen, wenn die Besitzer eine kurzzeitige Betreuung für ihre Vierbeiner benötigten. Nur einen Hund versorge ich nun schon seit einem halben Jahr ununterbrochen: Groot – ein dreijähriger, schokobrauner Labrador aus dem letzten Wurf von Briana, der Hündin meines Vaters. Briana ist mittlerweile verstorben. Der Besitzer von Groot scheint ihn wohl vergessen zu haben. Leider kann ich keine Unterlagen über ihn finden, also habe ich ihn quasi adoptiert. Bei dem Gedanken an Groot erinnere ich mich daran, dass es Zeit für einen Sonntagsspaziergang mit ihm und meiner Hündin Polly wird, und verlasse die Kirche.
Auf den Stufen zum Eingang treffe ich auf Pater Jeffrey. Er ist noch jung, gerade mal ein halbes Jahr älter als ich, und wir kennen uns seit Kindertagen, als wir gemeinsam die Schule besucht haben.
»Joni, was für eine Freude, dich zu sehen.«
»Pater«, erwidere ich mit einem Lächeln.
»Oh, bitte. Ich bleibe Jeffrey für dich.« Er nimmt meine Hand und drückt sie.
Auch wenn wir uns vor meiner Rückkehr lang nicht gesehen haben, empfinde ich eine Vertrautheit, die mich nie verlassen hat. Als Kind habe ich immer gedacht, wir würden eines Tages heiraten. Warum er das Leben im Zölibat einem mit Leidenschaft und inniger Hingabe vorzieht, bleibt für mich ein Geheimnis.
Vorsichtig zieht er mich an sich und küsst mich auf beide Wangen. Es ist keine zärtliche Geste, sondern eine gütige.
»Ich habe dir noch gar nicht für die Hilfe bei der Beerdigung meines Vaters gedankt. Es ist schon ein halbes Jahr her und noch immer muss ich den Nachlass regeln. Ich habe das Gefühl, als würde ich niemals mehr zurückkehren können.«
»Du musst mir nicht danken, ich habe es gern getan. Dein Vater war ein wunderbarer Mann. Vielleicht möchtest du nicht mehr nach London zurück? Hast du schon einmal daran gedacht?«
Seine Worte treffen einen ganz bestimmten Nerv in mir und ich senke meinen Blick. »Ja, vermutlich hast du recht. Vielleicht magst du ja mal zum Essen nach High Green kommen. Sag Bescheid, wenn du in der Gegend bist.«
»Das werde ich, Joni. Ich freue mich, dass du wieder da bist.« Er lächelt mich an und seine ausdrucksstarken Augen leuchten geradezu. Es ist eine Schande, dass die Frauenwelt diesen schönen Mann an die Kirche verloren hat.
Die Fahrt zurück nach High Green, wo das kleine Cottage meines Vaters steht, dauert nur wenige Minuten. In der Einfahrt zur Park Lane muss ich anhalten, weil ein Wagen auf der Straße steht. Gut, der Weg ist nicht besonders breit, aber man hätte das Auto ja nicht mittig auf der Straße abstellen müssen. Kräftig drücke ich auf die Hupe und warte.
Als ich ein zweites Mal die Hupe betätige, taucht ein Kopf hinter der geöffneten Motorhaube auf. »Was wollen Sie?«, ruft er barsch zu mir herüber.
»Warum versperren Sie die Straße mit Ihrem Protzschlitten?«, entgegne ich und steige aus, gehe auf den Mann zu, der sich seine Hände an einem weißen Stofftaschentuch abwischt.
»Sieht es so aus, als würde der Wagen fahren?«, fragt er schlecht gelaunt. Seine dunkelblauen Augen blicken mich unter einer Mütze hinweg durchdringend an und das rabenschwarze Haar, das darunter hervorlugt, schimmert fast bläulich. Eine dunkle Aura umgibt ihn, wie er so düster auf mich herunterstarrt. Er ist groß und seine Schultern breit, während die Hüften eher schmal wirken, aber das ist unter den vielen Lagen von Kleidung nicht genau zu erkennen. Für Anfang Mai ist es immer noch frisch. Er trägt einen dunkelgrauen Strickpulli mit Zopfmuster und darüber eine grüne Barbour Wachsjacke, die Füße stecken in schwarzen Boots. Dieses Outfit scheint so gar nicht zu der Nobelkarosse zu passen. Der dunkelblaue Aston Martin Vanquish S strahlt Kraft, Dynamik und Eleganz aus, während sein Besitzer aussieht, als käme er gerade von der Jagd.
»Wir könnten ihn zur Seite schieben, damit ich weiterfahren kann, ansonsten muss ich einen Umweg von vier Meilen in Kauf nehmen.«
»Der Abschleppdienst ist bereits benachrichtigt, Lady. Vielleicht haben Sie noch ein wenig Zeit?«
Ich blicke auf meine Armbanduhr. »Tut mir leid, ich habe eine Verabredung, die ich nicht aufschieben kann. Man wartet auf mich.« Eventuell sollte ich ihm vorschlagen, ihn abzuschleppen, aber vermutlich bekomme ich darauf nur eine ironische Antwort.
»Dann wird Ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben, als einen Umweg zu fahren. Schönen Tag noch.«
Würde es in dieser Sekunde nicht zu regnen beginnen, ließe ich mich auf eine Diskussion ein, doch wie es scheint, ist dieser Mann gegen jegliche vernünftigen Argumente immun.
»Vielen Dank für Ihr Entgegenkommen, Sie ...«
Ich will einen Fluch aussprechen, doch in diesem Augenblick legt mir der Mann einen Finger auf die Lippen und schüttelt den Kopf. »Sprechen Sie es nicht aus. Denken Sie daran – man sieht sich immer zweimal im Leben.«
Für einen Moment blicke ich in diese sagenhaften dunkelblauen Augen, die fast die Farbe von Veilchen haben. Ich glaube, mich an diese Farbe erinnern zu können, sie schon mal gesehen zu haben, doch dann wende ich mich mit einem Das wollen wir doch nicht hoffen ab.
Groot und Polly haben schon sehnsüchtig auf mich gewartet und nachdem wir eine Stunde durch den Wald gelaufen sind, kehren wir durchnässt zum Haus zurück.
Das Auto, das vor meinem Haus parkt, kommt mir bekannt vor und ich stöhne innerlich auf. Hoffentlich ist er kein Kunde. Es gibt viele Menschen, die immer noch vorbeikommen, damit Dad ihre Tiere versorgt, doch ich nehme keine neuen Aufträge an.
Als der Mann aus dem Wagen steigt, setzt Groot zu einem Spurt an.
»Groot, mein Großer! Da bist du ja!«, ruft der Mann mit dem Aston Martin, dem ich vor mehr als zwei Stunden wütend den Rücken gekehrt habe.
Dass er Groots Besitzer ist, steht außer Frage. So, wie der Hund auf ihn reagiert, wie sehr er sich freut und an ihm hochspringt, bleiben keine Zweifel offen.
»Sie sind Groots Herrchen?«, entfährt es mir nicht gerade freundlich.
»Ja, das sieht man doch. Wo ist Harrison?«, will er wissen und gibt Groot ein Zeichen, so dass dieser Sitz macht.
Ich muss schlucken. »Mein Vater ist vor einem halben Jahr verstorben. Er hat den Tod meiner Mutter vor einigen Jahren nie ganz verwunden und nun hat sein Herz das nicht mehr mitgemacht«, murmle ich leise.
»Oh, das tut mir ... leid. Bereits vor einem halben Jahr? Warum habe ich das nicht erfahren? Sie müssen entschuldigen, ich komme direkt vom Flughafen.«
Seine Stimme ist ruhig, aber der Ton ist bestimmend und fest, so als wäre er es gewohnt, Befehle zu erteilen.
»Es gab keine Aufzeichnungen über Groots Halter. Ich musste annehmen, dass man ihn loswerden wollte.«
Langsam beginnt es, dichter zu regnen und der feine Niesel benetzt mein Gesicht. »Wollen wir nicht ins Haus gehen? Dort ist es trocken und warm«, biete ich ihm an und im ersten Augenblick denke ich, dass er ablehnen wird, doch dann nickt er.
»Das ist sinnvoll.«
Die Hunde warten geduldig an der Tür, bis ich ihnen die Pfoten abgeputzt habe, und legen sich dann in ihre Körbe, die dicht neben dem Kamin stehen. Eine Restglut ist noch vorhanden und ich schichte zwei Holzscheite auf; kurz darauf breitet sich eine behagliche Wärme aus.
»Kaum zu glauben, dass es schon Anfang Mai ist. Bei dieser Kälte könnte man denken, wir haben noch Winter«, erklärt der Fremde und zieht seine Jacke aus.
»Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«, frage ich höflich, obwohl ich es eigentlich nicht sein möchte. Mein Stolz ist immer noch verletzt, weil er mich einen Umweg hat fahren lassen.
»Ein Kaffee wäre mir lieber. Das war also ihre dringende Verabredung.« Er zeigt auf die Hunde und grinst. Diese Geste stellt etwas mit seinem Gesicht an. Er sieht plötzlich nicht mehr so düster aus. Seine Augen leuchten und als er sich das feuchte Haar mit den Fingern aus dem Gesicht kämmt, stöhne ich innerlich auf. Dieser Mann ist so gut aussehend, dass mir die Knie weich werden. Warum ist mir das bisher noch nicht aufgefallen? Aber bisher hat er auch nicht gelächelt. Er schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und ich habe keine Ahnung, auf was er wartet.
»Wenn Sie keinen Kaffee haben, nehme ich auch einen Tee.«
»Oh, der ... Natürlich habe ich auch Kaffee. Ich trinke selbst gar keinen Tee«, gebe ich zu.
»Auch wenn in diesem Land Tee bevorzugt wird, muss ich Sie enttäuschen. Ich bin gar kein Engländer. Ich bin Amerikaner«, gibt er preis.
»Oh, das hört man aber gar nicht. Ich meine, Sie haben keinen Akzent.« Ich gehe in die kleine Küche und er folgt mir.
»Ich lebe die meiste Zeit hier in England. Daran wird es liegen.«
Schnell hantiere ich mit der Kaffeemaschine herum, setze einige Tassen auf und warte, bis die braune Flüssigkeit in die Kanne läuft.
»Warum haben Sie Groot bei meinem Vater abgegeben? Und warum gab es keine Unterlagen darüber? Mein Dad war da immer sehr sorgfältig.«
Er kommt näher und lehnt sich mit der Hüfte an die Arbeitsplatte, verschränkt die Arme vor der Brust. Seine Muskeln zeichnen sich selbst unter dem dicken Pullover ab und ich muss mich zwingen, meinen Blick abzuwenden. Wenn die Maschine nur etwas schneller den Kaffee aufbrühen würde.
»Das liegt wohl daran, dass Ihr Vater früher der Verwalter war. Wir kennen uns schon lang.«
»Der Verwalter?«, frage ich neugierig.
»Vom Anwesen.« Er zeigt durch das Fenster den Hügel hinauf zum Haus von Green Manor. Es ist der Hauptsitz der Familie Rippercour, doch soweit ich weiß, ist es mittlerweile unbewohnt, weil der Earl verstorben ist.
»Ja, das stimmt, mein Vater war vor vielen Jahren der Verwalter. Ich bin dort praktisch aufgewachsen, also im Trakt der Angestellten«, stelle ich klar. »Es ist dort sehr schön. Als ich nach London ging, ist der Earl verstorben und mein Vater hat sich zur Ruhe gesetzt und mit der Hundezucht begonnen. Schade, dass das Anwesen nicht mehr genutzt wird, wo es doch keinen Erben gibt.«
»Irrtum, es gibt einen Erben«, erklärt er mit ruhiger Stimme.
Endlich ist der Kaffee fertig und ich nehme zwei Tassen aus dem Schrank, fülle sie
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Kajsa Arnold
Bildmaterialien: © pvstory – bigstockphoto.com
Cover: Andrea Wölk
Tag der Veröffentlichung: 23.01.2023
ISBN: 978-3-7554-3024-7
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