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Leseprobe

Croyden Manor 1

Hochzeit mit einem Duke

Celeste

Kajsa Arnold

CROYDEN MANOR 1

HOCHZEIT MIT EINEM DUKE - CELESTE

KAJSA ARNOLD

INHALT

Celeste

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Danksagung

Bücher von Kajsa Arnold

Deutsche Erstausgabe

Copyright © 2021, Kajsa Arnold

Alle Rechte vorbehalten

Nachdruck, auch auszugsweise,

nur mit Genehmigung

1. Auflage

Korrektorin: Das kleine Korrektorin

Ruth Pöß

Covergestaltung: Andrea Wölk

Unter Verwendung folgender Fotos:

© Kharchenko…irina7 by Getty Images

© ziggymaj by Getty Images

© silmen by Getty Images

Kaja Arnold c/o Tresjoli,

Lutherstr. 16, 46414 Rhede

www.kajsa-arnold.de

CELESTE

KAPITEL 1

Januar 1850

Croydon Manor/zwischen London

und Saint Albans

Die kleine Trauergemeinde sah stumm dabei zu, wie der Sarg in der Erde verschwand. Einige Ladys tupften sich mit Spitzentüchern die Augenwinkel, um die aufkommenden Tränen zu verbergen.

Grayson Brisbin, Duke of Croydon, nahm etwas Erde aus der Schale zur Hand und warf sie in die Grube auf den Sarg. Weiße Rosen zierten den Sarg, die Lieblingsblumen der Dowager of Croydon. „Lebewohl, Großmutter“, flüsterte er leise und trat zur Seite, um den Weg für eine seiner Schwestern frei zu machen. Celeste, die Älteste der Mädchen, warf eine einzelne Rose ins Grab. Danach folgten der Reihe nach seine übrigen vier jüngeren Schwestern. Neben Celeste warfen auch Eugenie, die Zwillinge Georgina und Valentine und Rosalie, die Jüngste im Bunde, je eine Blume ins Grab.

Die anschließenden Beileidsbekundungen ließ er über sich ergehen und war froh, als sich die Trauergemeinde verstreute. Er bedankte sich bei dem Pastor für die wohlgemeinten Worte, die er gesprochen hatte, obwohl seine Großmutter keine sehr gläubige Frau gewesen war. Die Dowager of Croyden war eine sehr unkonventionelle Frau, Mutter und Ehefrau gewesen. Als nach dem Tod ihres Ehemannes, ihr ältester Sohn, Graysons Vater, den Titel des Duke of Croyden erbte und die Familiengeschicke bis zu seinem Tode erfolgreich leitete, ging dieser Titel nach dessen frühem Tod auf Grayson über. Nach dem Tod ihres Sohnes war die Dowager geradezu unangepasst und hatte jeden Glauben an die Kirche und Gott verloren. Trotzdem war der Pastor ein gern gesehener Gast auf Croyden Manor.

Ihren Mann hatte Beatrice Brisbin früh verloren, ebenso waren ihr Sohn und ihre Schwiegertochter beide an der Grippe verstorben, sodass sie allein für die Erziehung derer sechs Kinder, ihren Enkeln, verantwortlich gewesen war. Nun lag diese Verantwortung auf den Schultern von Grayson.

„Kommt ihr? Es gibt eine Menge zu tun“, rief er seinen Schwestern zu, die sich in den Armen lagen und stille Tränen weinten. Er wartete einige Zeit, bis seine Schwestern endlich bereit waren, das Grab der Großmutter auf dem Familienfriedhof, der direkt neben der kleinen Kapelle lag, zu verlassen. Valentine, neunzehn Jahre alt, warf ihm einen wütenden Blick zu. „Was gibt es denn so Wichtiges zu regeln, dass wir Großmutter nicht mal in Ruhe Auf Wiedersehen sagen dürfen?“, zischte sie ihm zu, raffte ihre Röcke und ließ ihn einfach stehen, ohne eine Antwort abzuwarten.

Celeste erbarmte sich und hakte sich bei ihrem Bruder unter. Er war oft tiefsinnig, fast schon melancholisch, obwohl er mit seinen einunddreißig Jahren, noch viel zu jung dafür war. „Für die Mädchen ist es schwer, dass Großmutter von uns gegangen ist“, erklärte sie mit leiser Stimme.

„Es ist für uns alle nicht einfach. Nun obliegt es mir, auf euch zu achten. Das wird keine leichte Aufgabe.“ Er richtete seinen Blick in die Ferne.

„Ich bin doch auch noch da“, bemerkte Celeste. „Wir alle sind keine kleinen Kinder mehr.“

„Natürlich, aber ich bin der Duke of Croyden und somit nicht nur für meine Schwestern verantwortlich, sondern auch für das Erbe des Titels, den Ländereien und die Pächter. Es ist eine große Aufgabe. Wir müssen uns beeilen, Armstrong wird bald eintreffen.“ Er trieb sie zur Eile an.

„Armstrong, der Anwalt?“, fragte Celeste überrascht nach. „Aber was will er denn?“

„Ich habe keine Ahnung. Nach Bekanntwerden von Großmutters Tod, ließ er mir eine Nachricht zukommen. Ich denke, es wird um das Erbe gehen. Großmutter hat noch eigenes Vermögen, das jetzt vielleicht unter uns Kindern aufgeteilt wird.“

„Aber du hast schon alles geerbt.“ Celeste wollte stehen bleiben, doch Grayson zog sie weiter.

„Großmutter hatte einige Ländereien, die sie von ihrem Vater geerbt hat, dazu den ganzen Schmuck. Es ist alles von beachtlichem Wert und ich denke, sie will es unter ihren Enkeln gerecht aufteilen. Es unterliegt nicht der geregelten Erbfolge. Du weißt doch, wie sie war. Immer ein wenig exzentrisch, aber liebevoll und vorausschauend.“ Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen, dann machte er sich daran, den Weg zum Anwesen fortzusetzen.

Groß ragte das Landhaus vor ihnen auf. Der Eingang von Croydon Manor wurde von vier großen Säulen getragen. Sechs Stufen führten hinauf in das Innere. Das Gebäude war alt und auf einer Seite mit Efeu bewachsen, was im Sommer Schutz vor der Sonne und der Hitze bot, und im Winter durch sein immergrünes Blätterwerk, schützte es vor der Kälte. Das Weiß der Steine war über die Jahrhunderte schon ein wenig ergraut. Große Kastanienbäume zierten die Auffahrt, dessen Laub ab dem Frühjahr mit einem hellen Grün aufwartete. Sie waren immer die Vorboten für einen schönen Sommer. Der Kies knirschte unter Celestes Schuhen und das Herannahen einer Kutsche war zu hören. Neugierig blieb sie stehen und schaute über ihre Schulter.

„Das wird Armstrong sein.“ Grayson machte sich von Celeste frei. „Geh schon mal ins Haus und lass Tee zubereiten.“

„Sehr wohl, Euer Gnaden“, erklärte Celeste, die Graysons befehlenden Ton, als wäre sie eine der Hausangestellten, bereits kannte.

„Die Mädchen sollen sich in der Bibliothek einfinden“, rief er ihr hinterher.

Leichtfüßig lief Celeste die Treppe hinauf. „Eugenie, Georgina, Valentine und Rosalie, wo seid ihr?“, rief sie. Es war nicht einfach, die Mädchen im Auge zu behalten. Sie waren wie ein Rudel Welpen, die ständig etwas anstellten. „Kommt bitte in die Bibliothek, wir erwarten Besuch.“

Lautes Getrampel war im Hausflur zu hören, als die Mädchen die große Treppe hinunterliefen. Ihre Schlafgemächer befanden sich im ersten Stockwerk, die Zimmer der Dienstboten eine Etage darüber.

„Was ist denn los?“

„Wer ist denn der Besucher?“

„Warum müssen wir denn alle kommen?“, riefen die Mädchen durcheinander.

Celeste hob beschwichtigend die Hände. „Nun wartet es doch ab, Mädchen. Ihr werdet es gleich erfahren. Geht in die Bibliothek, setzt euch und bewahrt Ruhe.“

Sie nahm ihren Hut und Umhang ab, reichte es an John, den Butler, weiter. „Danke John. Mr. Armstrong besucht uns. Bitte bringen Sie uns Tee und Gebäck und lassen Sie in der Bibliothek servieren.“

„Sehr wohl Mylady. Ich gebe es sofort weiter.“ Der Butler entfernte sich und Celeste strich den Rock ihres schwarzen Kleides glatt, warf einen kurzen Blick in den Spiegel, um ihr widerspenstiges Haar zu richten. Die Feuchtigkeit des Frühnebels hatte ihre geordneten Locken in eine wilde Frisur verwandelt. Es war kalt, gestern hatte es geschneit, aber der Schnee war nicht liegen geblieben. Dennoch war es eisig, selbst hier im Haus. Sie würde John bitten, die Kamine in den Schlafzimmern schon am Nachmittag anzuzünden, nicht, dass bei diesem kalten Wetter noch jemand krank wurde.

Sie gesellte sich zu ihren Schwestern die aufgeregt schwatzten, doch als sie die Bibliothek betrat, verstummten. Kurz nachdem auch Celeste sich auf einem der edlen Sofas niedergelassen hatte, eine Tasse Tee in der Hand haltend, betraten ihr Bruder und Percy Armstrong den Raum. Alle Augenpaare folgten den Männern. Grayson ließ sich hinter dem schweren Schreibtisch nieder, der Anwalt auf einem Stuhl davor. Er klappte eine lederne Mappe auf und holte ein Schriftstück hervor.

Celeste musterte den stillen Mann aufmerksam. Er war noch nicht sehr alt, höchstens drei Jahre älter als ihr Bruder, nicht besonders groß für einen Mann, aber dafür, dass er die meiste Zeit hinter einem Schreibtisch verbrachte, nicht zu dürr. Verlegen schlug Celeste die Augen nieder, als Mister Armstrong seinen Kopf hob und sie direkt anblickte.

„Myladys, Euer Gnaden“, nickte er in Richtung Grayson. „Ich möchte Ihnen mein tiefes Mitgefühl über den Tod Ihrer Großmutter aussprechen. Als ihr Anwalt obliegt es nun mir, das Testament zu verlesen. Ihre Großmutter hat mich zu Lebzeiten ausdrücklich darum gebeten, es persönlich selbst zu übernehmen.“

„Vielen Dank, Mister Armstrong. Großmutter hat immer mit tiefer Bewunderung von Ihnen gesprochen“, erklärte Celeste und Armstrong nickte ihr wohlwollend zu.

„Können wir anfangen?“, fragte Grayson und erntete damit einen strafenden Blick von Celeste. Ihr Bruder brauchte wirklich ein wenig Nachhilfe, wenn es um den Umgang mit anderen Menschen und deren Gefühle ging. Die Verantwortung drückte nicht nur auf seine Schultern, sondern wohl auch auf sein Gemüt.

Armstrong räusperte sich verlegen. „Die verehrte Dowager of Croydon hat in ihrem Testament verfügt, dass ihr gesamtes Vermögen an ihren ältesten Enkel, Grayson Brisbin, Duke of Croydon, geht.“

Ein Raunen ging durch den Raum. Obwohl die Mädchen damit gerechnet hatten, gab es einige geflüsterte Worte, die erst verstummten, als Armstrong weiter fortfuhr. „Sämtlicher Schmuck geht an die älteste Enkelin, in diesem Fall, Lady Celeste Brisbin. Ihr obliegt, einige der Stücke an ihre Schwestern weiterzuschenken. Allerdings hat die Verstorbene an das Erbe einige Bedingungen geknüpft. So kann der Duke of Croydon das Erbe nur ab dem Zeitpunkt antreten, wenn alle seine Schwestern verheiratet sind. Bei der Hochzeit seiner Schwestern ist jeder Braut eine Mitgift von fünftausend Pfund aus dem Vermögen von Beatrice Brisbin auszuzahlen.“

Eine wahre Welle des Erstaunens schwoll an. Schnell hob Armstrong die Hand. „Mylady’s bitte, ich bin noch nicht fertig“, erklärte er mit ernster Stimme und sah kurz auf, sodass alle sofort verstummten. „Des Weiteren verlangt Lady Beatrice Brisbin, dass ihr ältester Enkel, spätestens ein Jahr nach der Hochzeit seiner jüngsten Schwester, ebenfalls den Bund der Ehe eingeht. Sollte das nicht der Fall sein, wird das gesamte Erbe an das Waisenhaus in Twickenham fallen. Die Nachweise der Eheschließungen sind von mir zu protokollieren und durch die Vorlage der Heiratsurkunden nachzuweisen.“ Armstrong sah auf und schob das Schriftstück zurück in seine lederne Mappe.

Die Mädchen plapperten wild durcheinander, bis Celeste sie zur Ordnung rief.

Grayson blies seine Wangen auf und stieß die Luft langsam aus. „Nun, Großmutter war bekannt für ihren Sinn für Humor.“

Armstrong rückte seine Brille zurecht, die seine Augen künstlich verkleinerten. „Ich denke nicht, dass es als Scherz gemeint ist.“

„Nein, das ist wahrlich kein Scherz“, bestätigte Grayson.

Celeste seufzte und legte die Hände in den Schoß. „Das sind ja wirklich absurde Neuigkeiten.“

„Du musst als Erste heiraten“, rief Eugenie aufgeregt.

„Aber warum denn?“ Celeste sah sie überrascht an. „So steht es nicht im Testament“, verteidigte sich Celeste, die gar nicht einsah, dass sie den Anfang machen sollte.

„Aber wenn du nicht heiratest, können wir nicht debütieren“, wies Georgina sie zurecht. „Und wie sollen wir dann einen Ehemann finden?“

Celeste schüttelte den Kopf. „Nicht jede Frau ist so erpicht darauf, in den Stand der Ehe zu treten.“

„Wir wissen, dass du nicht heiraten willst, Celeste, aber nun bleibt dir nichts anderes übrig, wenn du nicht dafür verantwortlich sein willst, dass Grayson Großmutters Vermögen verliert.“ Rosalie sah sie mit großen Augen an.

„Und du Großmutters wertvollen Schmuck“, fügte Eugenie hinzu.

„Na, das hat Großmutter ja hervorragend eingefädelt. Jetzt sind wir alle nach ihrem Tod ihre Marionetten und aufeinander angewiesen. Ich wette, sie lacht sich in ihrem Grab tot, wenn sie es nicht schon wäre.“

„Celeste! So spricht man nicht über eine Tote.“ Graysons mahnende Stimme gebot ihr Einhalt.

„Ist ja schon gut, bitte entschuldige. Ich bin still.“ Beleidigt senkte sie den Blick und stellte ihre leere Teetasse auf dem Tisch ab.

„Wenn sonst keine Fragen mehr bestehen, werde ich mich jetzt empfehlen.“ Percy Armstrong erhob sich und nahm seine lederne Kladde zur Hand.

Greyson stand ebenfalls auf, reichte ihm die Hand. „Vielen Dank, Mister Armstrong. Wir werden die Trauermonate abwarten und dann werden wir sehen, wie wir dem Testament Folge leisten können.“

„Ich werde mich freuen, wieder von Ihnen zu hören. Euer Gnaden, Myladys.“ Er verbeugte sich in Richtung der Mädchen und verließ mit schnellen Schritten die Bibliothek, ohne den Tee angerührt zu haben, von dem Gebäck ganz zu schweigen, obwohl sich der Duft im ganzen Raum verteilte.

KAPITEL 2

Juni 1850

Croydon Manor/zwischen London

und Saint Albans

Ich bin so froh, dass wir die Trauerkleidung endlich ablegen können und wieder etwas mehr Farbe in unser aller Leben tritt“, seufzte Eugenie ergeben und strich über die Röcke ihres gelben Kleides.

„Wir hätten sie ja schon nach drei Monaten ablegen können, weil Granny nur unsere Großmutter war, aber ich denke, sie war so viel mehr als das und hat es verdient, dass wir ein halbes Jahr um sie trauerten, so wie es bei engen Verwandten üblich ist“, erklärte Celeste und sah von ihrer Stickerei auf. Die beiden jungen Frauen saßen im Garten unter einer großen Kastanie, die ihnen mit ihren breiten Blättern Schutz vor der Sonne bot.

„Jetzt hast du sechs Monate Zeit gehabt, um es dir noch einmal zu überlegen, ob du nicht doch heiraten willst, Celeste“, meinte Eugenie vorsichtig. Das Testament war ein heikles Thema, dem Celeste lieber aus dem Weg ging und bisher jedes Gespräch darüber im Keim erstickt hatte.

Sie hob die Schultern. „Was habe ich denn schon für eine Wahl. Wenn ich mich weigere, werde ich Grayson seine Zukunft verbauen. Nicht nur des Geldes wegen, auch würde ich ihm auf der Tasche liegen. Wie könnte ich so eine Schuld auf meine Schultern laden? Nein, ich habe keine andere Wahl. Ich werde einem armen Tropf da draußen mein Ja-Wort geben und dann bist du an der Reihe.“

Eugenie kicherte. „Ich werde den Mann wählen, der das größte Vermögen hat. Ich will das schönste Haus in London haben und der Welt zeigen, was für eine gute Partie ich gemacht habe.“

„Geld ist doch nicht alles, Eugenie. Stell dir vor, er ist alt und grau. Du solltest auf dein Herz hören. Du willst doch glücklich werden oder etwa nicht?“ Celeste sah sie fragend an und konnte nicht glauben, was ihre Schwester da zum Besten gab.

„Geld macht mich glücklich. Ich will schöne Kleider kaufen und nicht darauf achten müssen, was sie kosten.“

„Deine Mitgift ist groß genug, davon kannst du dir einen ganzen Laden mit Kleidern kaufen.“

„Aber bei meiner Heirat bekommt mein Ehemann die Mitgift und wer weiß, ob er mir davon Kleider kauft. Aua!“ Sie steckte sich den Mittelfinger in den Mund, weil sie sich mit der Nähnadel gestochen hatte. „Grayson will, dass wir einen Ball organisieren. Georgina und Valentine sind schon ganz aufgeregt.“

„Werden sie an dem Ball teilnehmen?“ Celeste hob überrascht eine Augenbraue in die Höhe.

„Grayson meint, je eher sie der Gesellschaft vorgestellt werden, umso schneller finden wir alle einen Verehrer.“

„Das hört sich ja an, als hätte er es eilig. Will er denn auch bald heiraten?“ Celeste war ihr Bruder wie immer ein Rätsel. Obwohl sie alle in einem Haus wohnten, wusste keiner so richtig, was er tat und dachte. „Hast du je gesehen, dass er einer Frau den Hof macht?“ Celeste zog die Stirn kraus und biss sich auf die Unterlippe. „Vielleicht gibt es ja in London jemanden, den er ins Auge gefasst hat.“ Sie seufzte tief. „Ich freue mich schon, wenn wir in zwei Monaten nach London fahren. Das Leben auf dem Land ist so öde.“

Verwundert hob Eugenie den Kopf. „Das sind ja ganz neue Töne. Dir hat es hier doch immer so gut gefallen.“

„Tut es ja auch. Aber langsam beginne ich mich in der Stadt wohler zu fühlen. Wenn ich heirate, werde ich ohnehin in London leben und nicht mehr hier auf Croyden Manor. Obwohl ich es mir gar nicht vorstellen kann, nicht mehr hier zu wohnen.“

„Außer dein Mann schiebt dich aufs Land ab.“ Als Eugenie das erschrockene Gesicht ihrer Schwester sah, begann sie laut zu lachen. „Ach Celeste, ich ärgere dich doch nur. Du wirst bestimmt einen wunderbaren Mann finden, der dich von Herzen liebt.“ Sie erhob sich und schloss Celeste in ihre Arme. „Komm, lass uns schauen, wen wir alles zu dem Ball einladen werden. Die Karten müssen geschrieben werden.“

„Dann sollen uns Georgina, Valentine, und Rosalie aber helfen.“

In der ersten Etage summte es wie in einem Bienenstock. Die Mädchen liefen aufgeregt von einem Schlafgemach ins andere. Hielten Kleider zur Auswahl vor, suchten Haarbänder und Unterröcke, schnürten Mieder zu eng, dass die Luft wegblieb, fanden verschwundene Handschuhe wieder und Blütenblätter, die eigentlich ins Haar gehörten.

„Ich glaube, ich werde hier oben bleiben“, sagte Celeste und blickte in den Spiegel. Sie stand hinter Georgina, die vor ihr saß und etwas Rouge auftrug.

„Aber warum denn? Bist du nicht aufgeregt? Vielleicht triffst du heute auf deinen zukünftigen Ehemann. Das ist doch aufregend.“ Georgina schien sie nicht zu verstehen.

„Georgi, ich habe nicht deine Schönheit. Ich bin nicht so unterhaltsam wie Eugenie oder so belesen wie Rosalie und kann nicht so gut tanzen wie Valentine. Außerdem bin ich mit meinen zweiundzwanzig auch schon zu alt. Meine Chancen sind eher gering, einen ehrbaren Ehemann zu finden. Es ist deshalb keine gute Idee, dass ich zuerst heiraten soll.“

Georgina drehte sich zu ihr um und sah Celeste intensiv an. „Du redest Unsinn. Du hast von uns allen etwas. Du bist sehr unterhaltsam, wunderschön, belesen, und tanzt wundervoll. Dazu bist du noch äußerst intelligent. Das klügste Mädchen, das ich kenne. Warum siehst du das alles nicht?“

„Wer will schon eine intelligente Frau?“, fragte Celeste hoffnungslos.

Ihre Schwester seufzte. „Celeste, ein Mann, der genug Selbstbewusstsein hat, um keine Angst vor deiner Intelligenz zu haben. Du wirst sehen, bald rennen uns die Verehrer die Tür ein. Und jetzt leg noch ein wenig Farbe auf deine Lippen und Wangen. Du bist so blass, dass man denken könnte, dass du krank bist.“

Celeste warf erneut einen Blick in den Spiegel und musste zugeben, dass ihre Schwester recht hatte. Sie sah wirklich etwas blass aus, aber das war der Aufregung geschuldet. Also griff sie zu der Puderquaste und tupfte sie leise seufzend in den Rougetopf.

Der Ballsaal war schon fast überfüllt, so viele Menschen waren der Einladung gefolgt, an dem Sommerball auf Croyden Manor teilzunehmen. Niemand der etwas auf sich hielt, hätte dieses Ereignis verpasst. Es war eine Tradition, dass der Duke of Croyden alljährlich im Sommer ein großes Fest gab. Graysons Vater hatte mit dieser Tradition begonnen und nun setzte er sie weiter fort. Celeste hatte mit ihren Schwestern tagelang an den Einladungen gesessen, die sie per Boten zugestellt hatten. Alle Gäste von Rang und Namen waren erschienen, um die Töchter in Augenschein zu nehmen, die es hieß, alsbald unter die Haube zu bekommen. So kam es Celeste jedenfalls vor. Ihr Blick ging immer wieder zum Eingang und als der Earl of Conteville mit seiner Familie den Raum betrat, atmete sie erleichtert auf. Sie trat auf die Familie zu.

„Lord und Lady Conteville! Wie schön, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind.“ Celeste knickste höflich.

„Celeste, mein Kind, wie hübsch du aussiehst. Mary konnte es gar nicht abwarten, dass wir endlich ankommen.“

Celeste wandte sich ihrer besten Freundin seit Kindertagen zu. „Mary, endlich bist du da.“ Sie deutete einen Kuss auf jeder Wange an. „Ich warte schon sehnsüchtig auf dich.“ Sie nickte James und Jonathan Babington zu, den beiden älteren Brüdern von Mary.

„Ich habe deinen Brief erhalten, das ist ja alles schrecklich“, flüsterte Mary ihr zu.

„Uns tut der Verlust Ihrer Großmutter sehr leid“, erklärte der Earl of Conteville.

„Vielen Dank, Mylord. Granny war alt, aber sie hat bis zum Ende ihren Humor nicht verloren.“ Celeste versuchte sich an einem Lächeln.

„Lass uns ein wenig in den Garten gehen, hier drinnen ist es mir viel zu voll.“ Mary hakte sich bei ihrer Freundin ein und gemeinsam schlenderten sie auf die Terrasse hinaus. Im Garten brannten Fackeln, obwohl die Sonne noch nicht ganz untergegangen war. Einige Gäste nutzen die Gunst der Stunde, um durch die außergewöhnlichen Gärten des Anwesens zu schlendern. Die Dowager of Croyden war bekannt für ihre bemerkenswerten Rosenzüchtungen. Sie hatte eine Menge Zeit damit verbracht, Celeste in die Kunst der Vermehrung und aufwendigen Pflege einzuführen. Sie teilte die Liebe ihrer Großmutter zu den Blumen und würde jetzt nach ihrem Tod ihr Lebenswerk weiterführen.

Mary ließ sich auf einer kleinen Bank nieder und Celeste nahm neben ihr Platz.

„Ich fasse es nicht, dass deine Großmutter verfügt hat, dass du heiraten sollst. Nur gut, dass sie dir den Mann nicht auch vorbestimmt hat.“ Mary schüttelte ungläubig den Kopf.

Celeste seufzte leise. „Es ist ja nicht so, dass ich nicht heiraten will, nur komme ich mir vor, als hätte man einer Gans ein schönes Band umgebunden und würde es damit zur Schlachtbank führen. Wen soll ich denn heiraten? Es gibt keinen Mann, für den ich mich interessiere. Doch wenn ich nicht heirate, dann wird Grayson das Erbe verlieren. Mir sind die Hände gebunden, ich muss mich fügen.“

Mary griff nach ihren Händen. „Oh Celeste, du tust mir so leid. Du könntest doch einen meiner Brüder ehelichen. James ist zwar nicht der Erbe des Titels, aber er erbt einige Ländereien, die meiner Mutter gehören und nicht der Erbfolge unterliegen. Er wird einmal ein sehr reicher Mann sein. James ist freundlich und sehr aufmerksam.“

Celeste blickte ihre Freundin lächelnd an. „Aber Mary, das weiß ich doch. Aber ich kann James nicht zum Ehemann nehmen, es wäre, als würde ich meinen eigenen Bruder heiraten. Wir haben als Kinder zusammen Streiche ausgeheckt. Nein, das ist undenkbar, aber sehr lieb, dass du das in Betracht ziehst.“

„James würde das jeder Zeit für dich tun. Er ist so ein lieber Kerl.“

„Ja, das ist er“, bestätigte Celeste, obwohl ihr klar war, dass James niemals als Ehemann für sie infrage kam.

„Es ist ja nicht so, dass ich in den nächsten drei Monaten verheiratet sein muss. Nur fühle ich mich nicht wohl dabei. Es fühlt sich so an, als ständen wir alle in den Startlöchern zu etwas Ungewissem. Was ist, wenn ich keinen Verehrer finde?“

Mary blickte sie sprachlos an. Ihr Mund stand ein kleines Stück offen. Für einen Moment war es still, dann lachte sie auf. „Mein Gott, Celeste. Das kannst du nicht wirklich glauben. Du bist die schönste Frau, die ich kenne. Jeder Mann, der noch nicht vergeben ist, dreht sich nach dir um. Ich glaube, du hast keine Vorstellung, wie du auf die Männerwelt wirkst. Ich wünschte, ich hätte nur etwas von deinem Charme und deinem Charisma.“

„Was redest du denn da? Jeder beachtet dich und wirft dir charmante Blicke zu“, gab Celeste das Kompliment zurück.

Doch Mary schüttelte den Kopf. „Nein, meine Hüften sind viel zu breit und mein Vorbau ist auch ein wenig zu üppig für meine Verhältnisse. Ich kann von Glück sagen, wenn sich ein Zweitgeborener für mich interessiert.“

Entschlossen erhob sich Celeste. „Wir werden hier nicht im Selbstmitleid vergehen. Komm, lass uns den Ball genießen. Ich habe Lust zu tanzen und die Männerwelt muss ja für etwas gut sein.“

Sie hakte ihre Freundin unter und zusammen betraten sie den Ballsaal, wo der Tanz bereits eröffnet worden war.

Ihr Bruder unterhielt sich mit Peer Audley, Marquis of Goswins. Er bewohnte ein Nachbarhaus in London. Audley war ein junger Bursche und hatte schon den Titel des Marquis‘ geerbt. Wenn Celeste das richtig in Erinnerung hatte, war er drei Jahre jünger als sie selbst. Als die Männer zu ihr blickten, war klar, welches Thema im Raum stand. Celeste sah schnell weg. Grayson sollte es nicht wagen, Audley als möglichen Heiratskandidaten in Erwägung zu ziehen. Er war nicht nur jünger, sondern auch kleiner als sie selbst. Der Marquis of Goswins war kein Mann, der ihr Herz höherschlagen ließ. Ihr wurde übel bei dem Gedanken. Wenn das so weiterging, würden die nächsten Monate die Hölle werden.

„Was ist los, Celeste? Du bist ja ganz blass im Gesicht.“ Mary berührte besorgt ihren Arm.

„Nein, alles ist in Ordnung.“ Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, als er am Eingang hängen blieb. Dort betrat gerade ein Mann den Saal, der Celeste unbekannt war und den sie sicherlich nicht eingeladen hatte. Dieser Mann hatte solch eine Ausstrahlung, an ihn hätte sie sich erinnert, wäre sie ihm schon einmal begegnet oder gar vorgestellt worden, da war sie sich sicher. Aber die Frage blieb. Wer war dieser Mann, der die Treppe zum Ballsaal herunter schritt, als wäre er hier zu Hause?

KAPITEL 3

Juni 1850

Croydon Manor/zwischen London

und Saint Albans

Celeste ließ den Mann nicht aus den Augen, der sich so selbstsicher durch den Raum bewegte, als wäre er der Besitzer von Croyden Manor und alles hier würde ihm gehören. Celeste eingeschlossen. Sie schluckte hart, als sich ihre Blicke trafen. Als würde ein unsichtbares Band sie verbinden, trieben sie in der Menge aufeinander zu und blieben am Rand der Tanzfläche stehen. Die Lichter der Kandelaber warfen kleine Schatten auf sein Gesicht und ließen ihn noch geheimnisvoller erscheinen. Er trug einen leichten Bartschatten, als hätte er es für nicht wichtig erachtet, sich für den heutigen Ball zu rasieren, was Celeste missfiel.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich bei diesem Fest auf etwas treffe, dass meine Neugier weckt.“ Er sprach mit tiefer, ruhiger Stimme, die Celeste ein wohliges Gefühl bescherte, dabei ließ er sie nicht

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Kajsa Arnold
Bildmaterialien: © Kharchenko…irina7 by Getty Images
, © ziggymaj by Getty Images
, © silmen by Getty Images

Cover: Andrea Wolk
Tag der Veröffentlichung: 05.11.2022
ISBN: 978-3-7554-2487-1

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