Cover

Leseprobe

Kajsa Arnold

3 Farben Purpur

Rhys by night

Teil 3

3 FARBEN PURPUR

RHYS BY NIGHT

KAJSA ARNOLD

Deutsche Neuausgabe

Alle Rechte vorbehalten

Nachdruck, auch auszugsweise,

nur mit Genehmigung

1. Auflage

Covergestaltung: Andrea Wölk

Unter Verwendung folgender Fotos:

© Cat back G - Adobe Stock

Tresjoli, Lutherstr. 16, 46414 Rhede

www.kajsa-arnold.de

INHALT

Zitat

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Danksagung

Leseprobe Reckless in Love

Wer das Leben nicht schätzt,

der verdient es nicht.

1

Dies ist die Stadt der tausend Lichter. Überall flackern und flimmern die Leuchtreklamen, erhellen die Nacht, als wäre es Tag. Sin City breitet sich vor meinem Fenster aus, und auch ich bin ihrem Charme erlegen. Las Vegas ist schon etwas ganz Besonderes.

Die Penthouse-Suite, an deren Fenster ich stehe, ist es ebenso. Ich schaue hinunter auf den Springbrunnen, dessen Choreographie einzigartig ist, ein kunstvolles Zusammenspiel aus Wasser, Musik und Licht. Zwar höre ich die Musik nicht, aber allein die Aussicht von hier oben ist einfach atemberaubend.

Mit meiner linken Hand stütze ich mich an der Fensterscheibe ab, und mein Blick fällt auf den Ring, den ich am Finger trage. Er ist unglaublich. Ein 31-Karat-Diamant in rechteckiger Form. Von Chopard, für sieben Millionen Dollar. Ich weiß es deshalb so genau, weil ich ihn gegoogelt habe. Seit sieben Stunden trage ich nun dieses Vermögen an meinem Finger, und mein Herz schlägt mir bis zum Hals, weil ich Angst habe, das kostbare Stück zu verlieren. Dabei passt er wie angegossen. Wie Rhys das mal wieder hinbekommen hat, weiß ich nicht, aber ich hätte mich wesentlich wohler ge-fühlt, wenn ich meinen Verlobungsring hätte behalten dürfen. Das geht nun aber nicht mehr, denn ich bin nicht mehr verlobt. Nein, nun bin ich verheiratet.

Wer heiratet schon in Las Vegas? Rhys und ich haben es getan. Spontan, schnell, nur mit Matt und der Frau des Predigers als Trauzeugen. In einer Kapelle. Der Pfarrer trug allerdings nicht wie so oft ein Elviskostüm, zum Glück, denn sonst hätte ich es mir wohl doch noch einmal überlegt.

»Meine Zukunft liegt nicht nur in deiner Hand, sie steckt an deinem Finger, und sie sieht wundervoll aus«, flüstert Rhys mir ins Ohr und schlingt seine Arme von hinten um mich. »Kannst du nicht schlafen?«

Ich schüttle den Kopf. »Wenn du ein Vermögen am Finger tragen würdest, könntest du es auch nicht.«

»Es ist nur ein Ring.«

»Nein, Rhys, es ist nicht nur ein Ring. Es ist die Aussicht auf ein ganzes Leben mit dir.«

»Ich halte mein Leben gerade im Arm«, sagt er und dreht mich sich zu herum, weg von der fulminanten Aussicht.

Er ist nackt, so wie ich, und unsere Körper schmiegen sich aneinander, als wären sie füreinander geschaffen.

»Bereust du es?«, fragt Rhys, und aus seiner Stimme höre ich eine Unsicherheit, die er sich selbst mir gegenüber nur selten erlaubt.

»Nein ... nein, wie kommst du darauf?«

»Es wirkt so.«

»Wenn überhaupt, dann bereue ich es, diesen Ring angenommen zu haben, denn ich sterbe vor Angst, ihn im Abfluss zu verlieren«, jammere ich und lache dann hysterisch.

Ich sehe mich noch in seinem Atelier stehen, als er mir sagt, dass er Elijah adoptieren will. Ich sehe sein Gesicht, als er mich fragt, ob ich ihn heiraten will. Das Ja!, dem ich so lange ausgewichen bin, ist mir schließlich so einfach über die Lippen gerutscht, als hätte ich die Frage beantwortet, ob die Sonne scheint. Seinen Gesichtsausdruck hätte ich gerne auf Film gebannt, denn Rhys hatte offensichtlich wieder mit einem Nein gerechnet, und so blieb ihm bei meiner Antwort einfach der Mund offenstehen. Danach riss er mich in seine Arme und küsste mich fast besinnungslos. Ich bekomme immer noch Atemnot, wenn ich daran denke.

»Komm wieder ins Bett«, meint Rhys und zieht mich an der Hand durch die exklusive Suite zurück in das riesige Bett.

* * *

»Wir müssen einen Empfang geben, sobald wir wieder in New York sind.« Rhys räkelt sich neben mir, dann starrt er an die Decke, und es scheint, als stelle er in Gedanken bereits die Gästeliste zusammen.

»Müssen wir?«, frage ich ein wenig nervös. »Du weißt, ich hasse es, im Mittelpunkt zu stehen.«

»Du wirst nicht im Fokus des Interesses stehen, sondern ich. Weil ich es geschafft habe, dich zu meiner Frau zu machen. Mrs. Rhys Cunningham. Ich danke dir, dass du nicht darauf bestanden hast, weiter deinen Nachnamen zu führen. Obwohl du immer mein Darling sein wirst.«

»Warum hätte ich das tun sollen?«, frage ich frei heraus und schmiege mich an seine Brust. »Du teilst alles mit mir, also teile ich deinen Nachnamen, mehr habe ich dir nicht zu geben.«

»Du gibst mir so viel mehr, mein Schatz. Du weißt es nur noch nicht.«

»Wie immer sprichst du in Rätseln.«

»Lass uns schlafen, Mrs. Cunningham«, murmelt er, dann fallen ihm bereits die Augen zu.

* * *

Der Blick, dem Rhys im Spiegel begegnet, ist triumphierend. Er grinst und kann es einfach nicht abstellen. Sie hat Ja gesagt, möchte er am liebsten laut herausrufen. Mit präzisen Zügen führt er die Klinge über sein Gesicht, um es von dem Bartschatten der Nacht zu befreien. Immer wieder schaut er durch die offene Tür hinüber zu dem Bett, in dem Jaz liegt. Jazman Cunningham, seine Frau. Sie hat ihm ihr Ja-Wort gegeben, und wenn es nicht so albern wäre, würde er sich am liebsten auf die Brust trommeln. Nun gehört sie ihm, und er wird alles in seiner Macht Stehende tun, dass dies auch so bleibt. Nie wird er sie gehen lassen, da ist er sich sicher.

Eine Hochzeitsreise muss er ihr allerdings vorerst schuldig bleiben, denn im Moment gibt es einige Termine, die er nicht aufschieben kann. Aber er wird sie so bald wie möglich mit ihr nachholen.

Warum Jaz mit dem Ehering nicht ganz glücklich ist, kann er nicht ganz nachvollziehen, denn es war der teuerste, den er in der kurzen Zeit auftreiben konnte. Doch Jaz war schon immer eine Frau, die so ganz anders reagierte als alle anderen Frauen, die er kennt. Nun, sie wird sich daran gewöhnen.

Er hat auf einen Ehevertrag verzichtet, obwohl Matt und sein Anwalt davon abgeraten haben. Er will Jaz damit beweisen, wie sehr er ihr vertraut, ihr zeigen, wie kompromisslos er sie liebt. In seinem Privatleben will er einfach ohne Verträge auskommen.

Rhys beendet die Rasur und spült sein Gesicht ab. Als er wieder in den Spiegel blickt, sieht er immer noch dieses Lächeln, und er kann es nicht fassen, wie sehr Jaz sein Leben verändert hat. Sie treibt ihn an, ist seine Lebensenergie, sein Leben. Sollte ihr je etwas passieren, könnte er für nichts garantieren. Daher wird er dafür sorgen, dass Jaz nichts geschieht, auch wenn sie sich noch so sehr dagegen wehrt.

* * *

»Mrs. Cunningham!« Matt hält mir die Tür des Wagens auf, mit dem er Rhys und mich vom J.F.K.-Airport nach Manhattan bringen wird. Ich weiß, dass er mich mit dieser Anrede aufziehen will, denn er lächelt mich an, und ich kann nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern.

»Obwohl ich den reichsten Mann New Yorks geheiratet habe, darfst du mich gerne weiterhin Jaz nennen«, sage ich und grinse.

Es ist früher Vormittag, und wir sind aus Las Vegas nach New York zurückgekehrt. Im Minutentakt schaue ich auf meine Hand, ob mein Ehering noch an meinem Finger steckt. Sollte ich je diesen Ring verlieren, würde ich auf der Stelle verrückt werden. Doch die Frage ist, ob ich es nicht schon längst bin. Welche Frau heiratet einen Mann, den sie kaum mehr als drei Monate kennt und der ihr immer noch Rätsel aufgibt?

Ich habe es getan, weil mir klar ist, dass ich Rhys liebe, so sehr, dass es keinen anderen Mann in meinem Leben geben wird, den ich je mehr begehren, je mehr bewundern könnte. Also warum länger warten? Auch wenn ich damit eine ganze Menge Menschen gegen mich aufbringen werde, allen voran meinen Bruder Alexander, der unsere Beziehung von Anfang an torpediert hat. Oder Christina, die anscheinend immer noch in Rhys verliebt ist, obwohl ihre Beziehung bereits vor zwei Jahren von ihm beendet wurde.

Rhys‘ Hand auf meinem Arm bringt mich in die Gegenwart zurück. Er lächelt mich an. »Lass Matt seinen Spaß. Er liebt es, dich zu necken.«

»Ich werde Abby bitten, mich zu rächen«, erwidere ich pikiert. Die Macht der Frauen. Es wäre doch gelacht, wenn ich mich nicht revanchieren könnte.

»Dich möchte ich nicht zum Feind haben«, flüstert Rhys mir ins Ohr und küsst mich zärtlich. Seine Hand liegt auf meinem Oberschenkel und findet schnell den Weg unter den Rock, den ich heute trage. Ich rutsche ein wenig vor, damit seine Hand mehr Raum gewinnt und er meine Mitte streicheln kann, die bereits feucht ist. Wir haben uns in den letzten beiden Tagen so oft geliebt, und doch bringt mich jede Berührung von Rhys um den Verstand, macht mich willenlos und steigert meine Gier nach diesem Mann ins Unermessliche.

Bevor diese Sache hier jedoch außer Kontrolle geraten kann, denn Matt hat gerade auf dem Fahrersitz Platz genommen, halte ich Rhys‘ Arm fest und ziehe seine Hand unter meinem Rock hervor.

»Später«, flüstere ich, und ein kleines Lächeln huscht über Rhys‘ Lippen.

»Worauf du dich verlassen kannst.«

Statt zum CuDa-Gebäude zu fahren, hält Matt das Auto an einer mir bekannten Adresse. In diesem Haus wohnt Trish, Rhys‘ Großmutter.

»Oh, wie wunderbar!«, ruft sie aus, als sie Rhys und mich in der Halle ihres außergewöhnlichen Appartements in Empfang nimmt. »Ich freue mich, dass ihr mich endlich besuchen kommt! Jaz, ich habe dich schon so lange nicht zu Gesicht bekommen, dass ich schon Angst hatte, Rhys hätte dich in die Flucht ge-schlagen.«

Sie nimmt mich in die Arme und drückt mich so fest, dass ich kaum Luft bekomme. Das Gleiche wird Rhys zuteil.

»Nein, Trish, ganz im Gegenteil«, meint Rhys und zeigt ihr meine Hand.

»Ihr habt es wirklich getan?«, fragt sie und lächelt.

»Ja, darf ich dir Mrs. Rhys Cunningham vorstellen?«, sagt er und strahlt voller Stolz.

Ohne ein weiteres Wort zieht Trish mich erneut in ihre Arme und drückt mich. Immer wieder schüttelt sie den Kopf und wischt sich dann mit einem Taschentuch, das sie aus dem Ärmel ihrer leichten Tweedjacke zaubert, ein paar Tränen aus den Augen.

»Du machst mich wirklich sehr glücklich, Jaz«, murmelt sie.

»Hey, und was ist mit mir? Mache ich dich etwa nicht glücklich?«, beschwert sich Rhys.

»Du, mein lieber Junge, kannst dich glücklich schätzen, so eine wunderbare Frau gefunden zu haben.«

»Da hast du recht, Trish. Ich werde sie auch sicherlich nicht mehr gehen lassen.« Er zwinkert ihr zu, und wir setzen uns im Salon auf das Sofa. Trish lässt Tee servieren, und wir müssen ihr alles genau berichten.

Obwohl ich ihr nur einige wenige Male begegnet bin, habe ich diese Frau sofort in mein Herz geschlossen und sehe in ihr die Großmutter, die ich nie hatte. Mein Blick wandert zu Rhys, und ich erkenne die Liebe in seinen Augen, wenn er sie anblickt. Sie ist die Frau, die Beständigkeit und Liebe in sein Leben gebracht hat, und ich liebe sie dafür.

Nachdem wir unseren Tee getrunken haben, müssen wir wieder los, weil Rhys um fünfzehn Uhr einen Termin mit dem Bankvorstand hat, den er nicht verschieben konnte. Zum Abschied küsst und umarmt uns Trish und sieht selig aus. Sie bietet mir ihre Hilfe für den Hochzeitsempfang an, und ich werde in den nächsten Tagen gerne darauf zurückkommen.

* * *

In meinem Büro angekommen, bestürmt mich Abby direkt mit einem Stapel Papier.

»Früher einmal waren diese Notizen alle für mich«, murrt Rhys und betritt sein eigenes Büro, schüttelt dabei den Kopf.

»Ach, übrigens, Abby! Bitte veranlasse, dass der Name an Jaz‘ Tür geändert wird!«, ruft er und schließt seine demonstrativ.

Natürlich hat Abby nichts Eiligeres zu tun, als mir neugierig in mein Büro zu folgen. Sie lehnt sich an die geschlossene Tür, die Hände auf ihrem Rücken ver-schränkt.

»Was stimmt denn mit deinem Namensschild nicht?«, fragt sie überrascht.

»Ähm, es ist nicht mehr aktuell.«

»Aha, und was genau hat sich geändert?«

Ich stehe ihr gegenüber und schlucke. »Der Name. Es muss heißen: Cunningham, Jazman Cunningham.«

»Nein!«, bricht es aus ihr heraus, »sag nicht, dass ...« Abby beendet ihren Satz nicht, sondern springt auf mich zu und schließt mich stürmisch in ihre Arme. »Du hast es wirklich getan?«

Ich mache mich vorsichtig von ihr frei und zeige auf den Ring. »Ja«, nicke ich, »ich habe Rhys geheiratet.«

Jetzt, wo ich es zum ersten Mal laut ausspreche, werde ich mir der Konsequenzen meiner Entscheidung noch intensiver bewusst. Ich habe eine Tatsache geschaffen, die sich so schnell nicht ändern lässt. Verheiratet zu sein mit Rhys Cunningham ist nun etwas, was zu meinem Leben gehört.

»Wow!« Mehr bringt Abby nicht heraus, als sie den Ring an meinem Finger bewundert. Sie schaut ihn sich von allen Seiten an und schüttelt immer wieder den Kopf. »Der muss ein Vermögen wert sein.«

»Und ich habe eine Scheißangst, ihn zu verlieren«, stöhne ich und lache dann.

»Mein Gott, Jaz. Ich gratuliere dir herzlich. Rhys muss dich wirklich sehr lieben.«

»Wir müssen einen Hochzeitsempfang organisieren, wirst du mir und Trish helfen?« Ich schaue sie hilflos an.

»Natürlich, dafür bin ich doch da.«

* * *

Als ich mich am späten Nachmittag von Matt zum Kinderheim fahren lasse, beobachte ich einen Haufen Fotografen, die vor dem CuDa-Gebäude stehen und auf irgendetwas warten.

»Was ist da los?«, frage ich Matt.

»Ich denke, die Haie warten darauf, ein Foto von der Ehefrau des begehrtesten Ex-Junggesellen New Yorks zu schießen.«

»Du sprichst jetzt nicht von mir, oder?«

»Doch, natürlich!« Matt lacht und schaut mir durch den Rückspiegel in die Augen. »Ich glaube nicht, dass es noch eine zweite Mrs. Cunningham gibt.«

Ich stöhne innerlich auf. Wie oft muss ich mir das in der nächsten Zeit noch anhören?

»Ich denke, die werden nicht aufgeben, bevor sie dieses Bild bekommen haben. Liege ich da richtig?«

Matt verzieht seinen hübschen Mund. »Ich denke, du hast da vollkommen recht.«

Na toll, vielleicht sollte ich einfach meinen Pass kopieren und verteilen, obwohl das Bild darin nicht sehr schmeichelhaft ist. Also doch keine so gute Idee.

Das Klingeln meines Handys lenkt mich ab, und ich krame es aus meiner Handtasche. Rhys!

»Ja«, melde ich mich, weil es mir komisch vorkommt, mich mit Cunningham zu melden.

»Darling, wo bist du? Die Herren von der Bank sind da.«

»Ich? Ich bin auf dem Weg zum St. Francis, zu einem Termin mit dem Architekten. «

»Wir brauchen dich hier.«

»Warum?«

»Weil wir deine Unterschrift auf einigen Schriftstücken benötigen.«

»Kann das nicht warten?«

»Nein.« Rhys‘ Stimme ist unerbittlich. »Komm bitte zurück.«

Ich beende das Gespräch, ohne zu antworten.

»Na toll, Matt, wir müssen zurück.«

Im gleichen Moment drücke ich die Kurzwahltaste und rufe im Kinderheim an, um den Termin mit Schwester Gabrielle und dem Architekten zu verschieben. Das stinkt mir ganz gewaltig, denn ich versetze andere Leute nur ungern.

»Ärger?«, fragt Matt, als er den Wagen gekonnt im fließenden Verkehr wendet. Er ist ein ausgezeichneter Fahrer und weiß, was er tut.

»Nein, keine Sorge. Rhys hat nur vergessen, mich zu informieren.«

* * *

Nach einer Viertelstunde stehen wir im Aufzug, der uns in die Chefetage des CuDa-Gebäudes bringt.

»Sie warten schon auf dich!«, ruft Abby und klingt ziemlich aufgeregt. »Oh, hallo Matt«, grüßt sie ihn und nimmt dann ein Gespräch am Telefon an.

Ohne anzuklopfen, betrete ich Rhys‘ Büro, in dem er mit zwei weiteren Anzugträgern auf mich wartet.

»Ah, da bist du ja.« Rhys kommt auf mich zu, küsst mich. »Darf ich dir Steven Bricks und Colin Fairbanks vorstellen? Sie vertreten meine Bank.«

»Mrs. Cunningham.« Die beiden Männer erheben sich und schütteln mir nacheinander die Hand.

Rhys legt mir liebevoll eine Hand auf den Rücken und führt mich zu einem Platz an dem großen Besprechungstisch. Vor mir liegt eine Unterschriftenmappe, die er nun aufschlägt.

»Sie müssen hier unterschreiben«, meint Bricks und zeigt auf die gestrichelte Linie, unter der mein neuer Name steht. Oder ist es Fairbanks? Ich weiß es gar nicht.

»Was unterschreibe ich hier?«, frage ich in die Runde und sehe, dass Bricks‘ oder Fairbanks‘ Blick, wessen auch immer, an Rhys hängen bleibt.

Fragend schaue ich meinen Mann an. Was für ein Gedanke – mein Mann.

Lächelnd schüttelt Rhys den Kopf. »Ich wusste, dass dies hier nicht einfach werden würde. Dass du nicht so einfach die Papiere unterschreiben wirst.«

»Nicht ohne zu wissen, was darin steht.« Ich schaue fragend in die Runde.

Rhys sieht die beiden Banker an und nickt.

»Mrs. Cunningham, dies sind die Papiere, die Ihnen vollen Zugang zu den Konten und Schließfächern Ihres Mannes gewähren. Sie erhalten damit volle Verfügungsgewalt. Die Kreditkarten mit Ihrem neuen Namen erhalten Sie in Kürze.«

Ich starre auf die Papiere und schüttle den Kopf. Was soll das alles? Was ist hier los? Ich schaue Rhys an und sage bestimmt: »Nein, das unterschreibe ich nicht.«

Rhys‘ Mundwinkel zucken unkontrolliert. »Wieso bin ich nicht überrascht?«

2

Verdammt, warum schafft es die Security nicht, endlich die verfluchte Pressemeute vor dem Gebäude zu vertreiben?

Entnervt legt Matt nach einem letzten barschen »Dann lassen Sie sich was einfallen!« auf. Er atmet tief durch und wendet sich schließlich Abby zu, die konzentriert einige Papiere sortiert.

»Hi, Abby, wie geht es dir?«, fragt er und beugt sich weit über den Tresen, hinter dem sie sitzt.

Ohne von ihrer Arbeit aufzublicken, nickt sie und flüstert ihm ein leises: »Danke, gut« zu.

»Abby, schau mich an. Was ist los?«

Ihr Blick weicht seinem aus. »Matt, ich habe zu tun.«

Er wandert um den Tresen herum, nimmt ihr die Papiere aus der Hand und zieht sie hoch und an sich. »Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, dich zu begrüßen. Es ist einige Zeit her, dass wir uns gesehen haben.« Er beugt sich vor und will sie küssen, aber Abby wendet den Kopf ab.

Eigentlich hat er eine andere Reaktion von ihr erwartet, es ist ja nicht so, als seien sie sich fremd.

Sie sieht ihn jedoch nur ausdruckslos an.

Frustriert lässt Matt die Arme sinken. »Also gut, was ist los, Abby?«

»Wie du sagtest, es ist einige Zeit her, dass wir uns gesehen haben. Damit hast du das Problem doch schon ganz gut eingekreist, oder? Findest du nicht, dass du dich mal bei mir hättest melden können? Nur um Hallo zu sagen? Da du das nicht für nötig hieltest, gehe ich natürlich davon aus, dass es dir nicht so wichtig war. Und jetzt ist mir eben meine Arbeit hier wichtiger, also geh bitte aus dem Weg und lass mich arbeiten.«

Scheiße, er fährt sich mit der Hand durch sein Haar. »Entschuldige, du hast natürlich recht. Aber ich habe noch nicht einmal deine Handynummer. Was sollte ich denn machen? Rhys nach deiner Nummer fragen?«

»Matt«, Abby lächelt mitleidig, »du hättest mich einfach hier im Büro anrufen können. Bitte, ich brauche keine Erklärung. Es ist in Ordnung, so wie es ist. Mach dir keine Gedanken, aber frage mich nicht mehr, wie es mir geht.«

Ihr Blick ist eisig, und sie verbirgt nicht, wie verletzt sie ist.

»Es tut mir leid, ich habe dir weh getan. Das wollte ich nicht. Bitte lass uns darüber sprechen. Ich hole dich ab, wenn du Feierabend hast, und wir essen etwas zusammen. Sag bitte nicht nein.«

»Matt, lass es einfach.«

»Nein, gib mir diese eine Chance.«

Als sich die Tür von Rhys‘ Arbeitszimmer öffnet, tritt Matt einen Schritt zurück. »Ich hole dich ab.« Er blickt sie ein letztes Mal eindringlich an und kann nur hoffen, dass Abby ihm diese Chance nicht verwehrt.

* * *

»Jaz, warst du heute schon im Internet?«, ruft Abby mir zu, als ich in meinem Büro verschwinden will. Bevor ich die Tür schließen kann, ist sie schon hinter mir und stürmt zu meinem Arbeitsplatz.

»Das musst du dir ansehen. Ich habe es gerade erst entdeckt«, ruft sie aufgeregt, und ich blicke neugierig auf den Bildschirm meines Apples.

Sie tippt Rhys‘ Namen ein, und sofort erscheinen Bilder von ihm und mir auf dem Screen.

»Verflucht! Das ging aber schnell«, seufze ich genervt. Es gibt bereits haufenweise Artikel, die über unsere Heirat spekulieren, inklusive Bilder, die uns beim Betreten der Hochzeitskapelle und des Bellagios zeigen. Selbst ein Foto meines Eherings ist dabei. Das ist wirklich gruselig.

»Ich wollte nur, dass du vorbereitet bist«, meint Abby und streicht mir vorsichtig über den Rücken. »Das wird einige Wochen anhalten, bis sie ein neues Opfer finden. Ich halte dir alle Anrufe vom Hals, das Telefon steht heute gar nicht mehr still.«

»Danke, Abby, du bist ein Schatz.« Ich sehe sie an, und mir fällt auf, dass sie nicht so strahlt wie sonst, dabei müsste sie bester Laune sein, wo doch Matt wieder im Lande ist. Sie will gerade das Büro verlassen, doch ich halte sie auf. »Abby, ist irgendwas?«

Sie bleibt an der Tür stehen und hält einen Moment inne. Dann schüttelt sie den Kopf. »Nein, Jaz! Alles bestens! Herzlichen Glückwunsch noch mal. Ich freue mich sehr für dich.«

Mir bleibt gar keine Zeit, über Abby nachzudenken, denn im gleichen Moment klingelt mein Handy. Die Nummer ist mir unbekannt, hoffentlich ist es keiner dieser Pressehaie.

»Jazman Cunningham«, melde ich mich kurz angebunden.

Im ersten Moment sagt der Teilnehmer am anderen Ende nichts, aber ich höre ihn atmen.

»Dann stimmt es also?«

Oh nein, es ist Alexander, mein Adoptivbruder.

»Weißt du, Jaz, ich hätte wirklich erwartet, dass ich als dein Trauzeuge fungiere, so hätte ich mich ein wenig auf diese Situation einstellen können. Doch das hier ist wie ein Schlag in die Magengrube.«

Okay, er ist verletzt, und zwar zu Recht. Ich hätte ihm Bescheid geben müssen und habe es doch nicht getan. Aber wundert er sich wirklich? Es war für mich doch ein gewaltiger Schock zu erfahren, dass er mich auf eine Art begehrt, die sich für Geschwister einfach nicht gehört, auch wenn er nicht mein leiblicher Bruder ist. Aber ich habe ihm unmissverständlich klargemacht, wie ich dazu stehe, und ich bin sicher, dass er das akzeptiert hat. Zumindest hat er das behauptet. Er hat sich ja auch mit Rhys versöhnt, jedenfalls tun beide so, als wäre zwischen ihnen alles in Ordnung. Sie sind immer noch Partner. Vermutlich tun sie es mir zuliebe, aber mehr kann ich wohl einfach nicht verlangen.

»Es war eine spontane Entscheidung. Rhys hat mich gefragt, und ich habe Ja gesagt. Bitte entschuldige, Alex. Du weißt, dass ich dich nicht verletzen wollte. Doch wir wollten es so schnell wie möglich hinter uns bringen. Du kennst meine Abneigung, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Eine stille schnelle Vermählung war das, was ich mir gewünscht habe.«

»Du oder Rhys?«, fragt er zweifelnd.

»Ich!«, bestätige ich mit fester Stimme. »Alex, was immer du aus meinen Worten heraushören willst, Rhys arbeitet nicht gegen dich. Es geht hier also nicht um dich, sondern um mich, und ich liebe Rhys. Darum habe ich ihn so schnell wie möglich geheiratet. Mehr habe ich nicht dazu zu sagen.«

»Du kennst ihn nicht wirklich.«

»Das sehe ich anders. Wir planen übrigens einen Empfang, wirst du kommen?«

»Schick mir eine Einladung, dann überlege ich es mir.«

»Was ist das überhaupt für eine Nummer?«, frage ich, um ein wenig vom Thema abzulenken.

»Ich habe mein Handy verloren, daher musste ich mir ein neues zulegen.«

»Gut, dann speichere ich deine Nummer ab.«

»Tu das, wir sehen uns, Jazman.«

»Ich habe dich lieb, Alex.«

Doch die Verbindung ist bereits unterbrochen.

* * *

Es ist schon

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Kajsa Arnold
Bildmaterialien: © Cat back G - Adobe Stock
Cover: Andrea Wölk
Tag der Veröffentlichung: 27.02.2022
ISBN: 978-3-7554-0863-5

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /